Die ultra-diffuse Galaxie Dragonfly 44 – ein kleiner Sieg für MOND

Neulich haben wir einen Artikel im Fachjournal Astronomy & Astrophysics publiziert, der sich mit einer der durch die Dunkle Materie am stärksten dominierten Galaxien des Universums befasst: die ultra-diffuse Galaxie Dragonfly-44 im Coma Galaxienhaufen. Dabei haben wir betrachtet, ob die alternative Gravitationstheorie MOND – welche ohne Dunkle Materie auskommt – neue Beobachtungen zu Dragonfly-44 erklären kann.

Dragonfly-44 wurde von Pieter van Dokkum und seinem Team 2016 mit ihrem Dragonfly Teleskop entdeckt. Dieses Teleskop besteht aus vielen zusammengeschlossenen Sportkameras, die gemeinsam ein ein-Meter grosses Teleskop bilden. Die Galaxie ist extrem leuchtschwach und diffus und vom Durchmesser her riesig. Deshalb nennen wir sie eine ultra-diffuse Galaxie, eine Subspezies der Zwerggalaxien. Aber wirklich mysteriös an dieser Galaxie ist die Anzahl der Kugelsternhaufen, die sie beherbergt. Mit etwa hundert Kugelsternhaufen hat sie zwanzig Mal so viele wie wir es uns aus unseren eigenen Milchstrassen Zwerggalaxien gewohnt sind. Aber es wird noch verrückter: Die Bewegung der Kugelsternhaufen scheint zu extrem – die Kugelsternhaufen bewegen sich so schnell, dass nur ein gigantischer Anteil Dunkler Materie das Sternensystem zusammenhalten kann. In anderen Worten: die Galaxie muss aus 99 Prozent Dunkler Materie bestehen! Nur ein einziges Prozent der Masse dieser Galaxie steckt also in den Sternen, die wir sehen.

Das optische Bild der ultra-diffusen Galaxie Dragonfly-44.
Die Galaxie Dragonfly-44, entdeckt von Pieter van Dokkum und seinem Team. Bild: van Dokkum et al. 2016, APJ, 828, 6.

Nun hat Pieter van Dokkum ins Feld geführt, dass alternative Gravitationstheorien wie etwa MOND (abgekürzt für Modifizierte Newtonsche Dynamik) grosse Probleme mit einer solchen Galaxie haben müssten. Stimmt dieses Argument aber?

Modifizierte Newtonsche Dynamik

In MOND wird das Newtonsche Gravitationsgesetz bei kleinen Beschleunigungen von etwa 10 hoch -10 Metern pro Quadratsekunde, eine wahnsinnig kleine Beschleunigung, modifiziert. Solche kleinen Beschleunigung spielen hier auf der Erde quasi keine Rolle, tauchen aber in galaktischen Distanzen immer auf. Diese Beschleunigungs-Grenze spielt dabei in etwa die gleiche Rolle wie die Plancksche Konstante h in der Quantenmechanik – wo die gewöhnliche Newtonsche Mechanik versagt und die Schrödingergesetze angewendet werden müssen – oder die Lichtgeschwindigkeit c in der Speziellen Relativitätstheorie – wo wir nicht mehr einfach mit Newton Bewegungen berechnen können, sondern eben Einstein zur hilfe nehmen. Es gibt also genug Präzedenzfälle, wo ein Wechsel von Newton zu einer anderen Theorie vollzogen werden muss.

Dieser MOND Parameter wäre somit eine weitere Konstante im Zoo der Naturkonstanten. Alles, was schneller als mit dieser MONDschen Konstante beschleunigt, wird wie gehabt mit Newton beschrieben, aber alles was langsamer ist, liegt im MOND Regime und bedarf einer speziellen Modifikation. Mit diesem Kniff können wir die Bewegung der Sterne innerhalb einer Galaxie ohne die ominöse Dunkle Materie beschreiben. Das heisst, MOND stellt quasi eine Alternative zur Standardkosmologie dar – eine in Wissenschaftskreisen sehr kontrovers diskutierte Alternative.

Berechnung der Geschwindigkeit mit MOND

Wir haben uns nun diese ultra-diffuse Galaxie genauer unter die MOND-Lupe genommen. Dafür haben wir Vorhersagen mithilfe der Formeln von MOND gemacht, wie das Geschwindigkeitsprofil – also die Geschwindigkeit der Sterne in Abhängigkeit vom Zentrum der Galaxie – theoretisch aussehen sollte, falls MOND eine korrekte Beschreibung der Gravitation widerspiegelt. Und darüber scheiden sich eben noch die Geister. Aber genau deshalb ist dieser Test interessant, denn falls wir auf der Skala von Galaxien Diskrepanzen zu den MOND Vorhersagen finden, ist diese Theorie vom Tisch (wenn sich nicht ein Beobachtungsfehler oder Rechenfehler einschleicht, wie das vor einem Jahr passiert ist).

Das Geschwindigkeitsprofil von Dragonfly-44

Also haben wir die MOND Vorhersage mit den neusten Messungen dieser ultra-diffusen Galaxie verglichen, durchgeführt von van Dokkum und seinem Team. Heraus kommt folgendes Diagram, wobei die roten Kreuze die Beobachtungen (mit Fehlerbereich) und die Linie unsere MOND Vorhersagen darstellen.

Die Beobachtungspunkte der ultra-diffusen Galaxie Dragonfly-44 und das simple MOND Modell kreuzen sich nicht (oder nur in 3 aus 9 Punkten).
Auf der x-Achse steht der Abstand zum Zentrum der Galaxie, auf der y-Achse die Geschwindigkeit. Die Kreuze sind die Messungen, die schwarze dicke Linie unsere MOND Vorhersage. Die gepunktete Linie entspricht Newtons Gravitationsgesetz, woraus eine grosse Menge Dunkle Materie benötigt wird, um die Beobachtung und Theorie zu vereinbaren. Bild: Michal Bilek, Oliver Müller & Benoit Famaey

Was sollen wir dazu sagen? Sieht schon einmal gar nicht schlecht aus? Oder doch eher: Stimmt doch überhaupt nicht überein? Beides hat seine Berechtigung, aber schauen wir doch genauer, welche Annahmen wir gemacht haben und ob diese alle wirklich ganz sinnvoll waren.

Um diese Vorhersage zu machen, haben wir einfach angenommen, dass sich die Sterne zufällig innerhalb der Galaxie bewegen. Das ist in erster Ordnung für eine elliptische Galaxie vollkommen okay. Aber damit verbieten wir den Sternen, dass sie auch ein wenig gleichbewegt sein dürfen. Erlauben wir also für eine tangentielle Bewegung der Sterne – was nicht ungewöhnlich ist und einfach bedeutet, dass ein gewisser Anteil der Sterne eine bevorzugte Bewegung in Richtung der Hauptachse hat –, dann erhalten wir folgendes Bild, wobei die durchgezogene Linie unsere neue Vorhersage darstellt:

Verschiene Kurven der MOND Vorhersagen, die die Beobachtungspunkte der ultra-diffusen Galaxie durchkreuzen.
Die MOND Vorhersagen mit einer tangentiellen Bewegung einiger Sterne in Dragonfly-44. Bild: Michal Bilek, Oliver Müller & Benoit Famaey

Jetzt stimmt die Form der Kurve schon einmal sehr gut mit den Beobachtungen überein, aber sie ist immer noch ein wenig zu tief um alle Punkte zu erklären. Was können wir also sonst noch tun? Die Bewegung hängt von der Masse der Sterne ab! Erhöhen wir also die Gesamtmasse des Systems um einen Faktor zwei bis drei, dann treffen wir quasi ins Schwarze, was wir mit den gestrichelten Linien darstellen.

Das Gewicht einer ultra-diffusen Galaxie

Aber warum sollten wir dies so einfach tun dürfen? Dabei ist zu beachten, dass wir als Information nur die Gesamthelligkeit der Galaxie kennen. Dann übersetzen wir dieses abgestrahlte Licht in eine Masse. Dazu nehmen wir die Masse der Sonne zur Hilfe. Wir fragen uns, wie viele Sonnen es braucht, um die gemessene Helligkeit zu erreichen und leiten damit das Gravitationspotential her. Sehen wir zum Beispiel, dass die Galaxie so hell leuchtet wie eine Milliarde Sonnen, nehmen wir an, dass die Galaxie eine Milliarde Sonnenmassen schwer ist (etwa 10 hoch 39 Kilogramm, dass sind also 1’000’000’000’000’000’000’000’000’000’000’000’000’000 Kilogramm, falls ich mich nicht vertippt habe).

Natürlich ist nicht jeder Stern genau so schwer wie die Sonne, ganz im Gegenteil, die Sonne ist vergleichsweise relativ leicht. In unserer lokalen Nachbarschaft in der Milchstrasse wiegt ein durchschnittlicher Stern etwa vier ganze Sonnenmassen. Somit ist unsere Annahme, dass ein durchschnittlicher Stern in Dragonfly-44 etwa zwei bis drei Sonnenmassen wiegt, gar nicht so sonderlich abwegig. Von anderen Zwerggalaxien solcher Art kennen wir, dass die durchschittliche Sternenmasse tatsächlich im Bereich von etwa eins bis vier Sonnenmassen liegt.

Fazit MOND und ultra-diffuse Galaxien

Somit können wir mit MOND und ganz gewöhnlichen Annahmen – also dass a) ein durchschnittlicher Stern etwa zwei bis drei mal so schwer ist wie die Sonne und b) Sterne eine gewisse bevorzugte Bewegungsrichtung haben – die Bewegung der Sterne in der ultra-diffusen Galaxie Dragonfly-44 erfolgreich beschreiben.

Und wie sieht es mit dem Externen Feld Effekt in MOND aus?

Was mich persönlich erstaunt hat war, dass wir hier den Externen Feld Effekt weglassen mussten. In der ultra-diffusen Galaxie NGC1052-DF2 – welche eine Zeit lang durch die Medien geisterte – mussten wir diesen Effekt hinzuziehen, um die Beobachtungen mit der MOND Theorie in Übereinstimmung zu bringen. Dass es hier ohne diesen Effekt funktioniert, bedeutet, dass Dragonfly-44 relativ weit weg vom Zentrum des Galaxienhaufen sein muss. Denn in MOND bringt dieser Externe Feld Effekt ein grosses Problem in Galaxienhaufen mit – welcher meiner Meinung ein Todschlagargument gegen MOND darstellt – aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag.

Veröffentlicht von

Studiert habe ich Physik an der Universität Basel. Eigentlich mit dem Ziel, Lehrer zu werden, bin ich doch noch in der Wissenschaft hängen geblieben. An der gleichen Uni habe ich dann als Letzter im Fach Astronomie promoviert, kurz darauf wurde die Astronomie geschlossen. Zurzeit arbeite ich mit einem Forschungsstipendium des Schweizerischen Nationalfonds an der Universität Strasbourg. In meiner Forschung verwende ich verschiedene optische Teleskope, wie etwa das Very Large Telescope. Mein Arbeitsfeld ist die extragalaktische Astronomie, vorallem die kleinsten Galaxien im Universum – die Zwerggalaxien – begeistern mich seit Jahren. Dies, da sie das beste Labor für die Erforschung der Dunklen Materie und alternative Gravitationstheorien darstellen.

34 Kommentare

  1. MOND Bias
    Zitat:

    Dass es hier ohne diesen Effekt funktioniert, bedeutet, dass Dragonfly-44 relativ weit weg vom Zentrum des Galaxienhaufen sein muss.

    Aber, aber …. Nur weil MOND bei Dragonfly nur dann funktioniert, wenn man den externen Feldeffekt weglässt, heisst das doch nicht (Zitat): dass Dragonfly-44 relativ weit weg vom Zentrum des Galaxienhaufen sein muss

    Nun gut, immerhin kann man sagen, dass Dragonfly kompatibel mit MOND ist – kompatibel in dem Sinne, dass man bei gutem Willen und der Bereitschaft alle Daten MOND-kompatibel zu interpretieren, auch MOND-Kompatibilität findet.

    Übrigens: Bis vor kurzem dachte ich immer, MOND sei ein Fall für die Astronomen. Doch neuerdings denke ich, dass in der Zeit der Gravitationswellenastronomie die experimentelle Physik so präzis arbeitet, dass MOND – falls es denn existiert – auch experimentell nachgewiesen werden könnte. Tatsächlich gibt es entsprechende Vorschläge und tatsächlich können heute auch „verrückte“ Dinge getestet werden.

    Lasst tausend Blumen blühen, aber zeigt dann auch, dass sie tatsächlich blühen
    Der arxiv-Artikel Testing modified Newtonian dynamics with LISA Pathfinder behauptet, LISA Pathfinder könnte mit einigen Jahren Beobachtungszeit MOND nachweisen oder ausschliessen. Noch besser ist der arxiv-Artikel Evidence for Modified Newtonian Dynamics from Cavendish-type gravitational constant experiments, welcher MOND sogar schon nachgewiesen haben will – und das mit einem klassischen Instrument: der Drehwaage von Cavendish.

    Fazit: vieles was früher Spekulation war, kann heute, im Zeitalter der Grabitationswellenastronomie, in der es um Bruchteile eines Atomdurchmessers geht, experimentell überprüft werden.
    (Vermutung:: sogar die Stringtheorie kann man wohl irgendwann experimentell überprüfen – so gut sind die Experimentatoren inzwischen geworden).

    • Spannend, das mit LISA wusste ich gar nicht.

      Ja, wir leben in einem goldenen Zeitalter der Technologie. Deshalb ist die Wissenschaft auch gerade so spannend, denn so vieles kann heute verwirklicht werden, wovon wir vor 50 Jahren nur geträumt haben.

  2. Wie wird eigentlich erklärt, dass unser Weltall zwar zu 23% aus “Dunkler Materie” bestehen soll, aber unsere Erde soweit ich das verstehe zu 100% aus normaler Materie besteht?

    Selbst wenn “Dunkel Materie” aus irgendwelchen mir unerfindlichen Gründen keine Tendenz zum Zusammengehen mit normaler Materie zeigen würde (keine Abbremsung durch Strahlungsvorgänge vielleicht?), müsste doch durch Zufalls- und Einschlussprozesse trotzdem ein nennenswerter Anteil “Dunkler Materie” in normaler Materie eingeschlossen sein. Immerhin soll “normale Materie” nur knapp 5% aller Massen ausmachen. (Dunkle Materie aber 23%!)

    Aber nichts. Keine Spur davon.

    Angeblich unter der Nachweisgrenze? Wenn ja, wo würde die für “Dunkel Materie” eigentlich liegen? Wie viel “Dunkel Materie” müsste in normale Materie eingebettet sein, dass man diese “Dunkel Materie” nachweisen könnte.

    Oder ist “Dunkel Materie” doch eben nur ein Konzept? Ein ungeklärter Term in einer Formel? Ohne jegliche materielle Ausprägung?

    Kurz: ein Luftschloss ohne jede Basis? Ein Wolkenkuckucksheim im Elfenbeinturm?

    • @Albert Storz (Zitat):

      Wie wird eigentlich erklärt, dass unser Weltall zwar zu 23% aus “Dunkler Materie” bestehen soll, aber unsere Erde soweit ich das verstehe zu 100% aus normaler Materie besteht?

      Soviel ich weiss behauptet niemand, dass die Erde zu 100% aus normaler Materie besteht. Aber, und nun kommt das grosse Aber, wenn es Anteile dunkler Materie im Bereich der Erde gibt, so spricht vieles dafür, dass es sich eher um Promilleanteile der Erdmasse handelt als um Prozentanteile, denn die gängigsten Modelle für dunkle Materie gehen von einer sehr kleinen Dichte aus. Die dunkle Materie sollte über einen riesigen Raumbereich verstreut sein und bildet keine eigentlichen Klumpen wie die Erde einer ist. Denn die gängigsten Modelle der dunklen Materie gehen davon aus, dass dunkle Materie durch gewöhnliche Materie hindurchfliegen kann, ohne dass viel passiert und auch mit sich selber interagieren die Dunklen kaum. Viel Luft also und wenig Struktur.

      • Dunkle Materie soll durch gewöhnliche Materie hindurchfliegen können – aber Schwerkraftwirkung auf sie ausüben?

        Ich hätte gehofft hier ein Antwort von jemandem zu bekommen, der was vom Thema versteht. Und nicht irgendwelche windelweichen Spekulationen von Hobby-Internet-Aktivisten.

        Wenn auf der Erde “dunkle Materie” vorhanden ist, warum können wir sie dann mit unserer gesamten, geballten Forscherkraft und riesigen Labor-Ausrüstung (man denke an CERN und wie sie alle heißen) nicht nachweisen?

        • Dunkle Materie soll durch gewöhnliche Materie hindurchfliegen können – aber Schwerkraftwirkung auf sie ausüben?

          Korrekt und ich finde, die Antwort von Herrn Holzherr kann man so durchaus im Raum stehen lasssen. Sie beschreibt gut, warum die Erde nicht aus fünf mal mehr Dunkler Materie als Baryonischer besteht.

          • Oliver Müller
            20.01.2020, 12:35 Uhr

            “Sie beschreibt gut, warum die Erde nicht aus fünf mal mehr Dunkler Materie als Baryonischer besteht.”

            Und genau DAS war nie das Thema meiner Frage.

            ich frage: warum findet man au der Erde KEINE SPUR von irgendwelcher “dunklen Materie” OBWOHL sie im gesamten Weltall zigfach häufiger sein soll als gewöhnliche Materie!

          • Und genau DAS war nie das Thema meiner Frage.

            Doch, um die Antwort zu verstehen, müssen Sie sich die Grössenordnungen klarmachen. Die Milchstrasse hat an unserem Aufenthalts-Ort eine Dunkle Materie Dichte von 10^-21 kg/m³. Die Erde hat ein Volumen von 10^20 m³. Dann müsste also in der Erde weniger als ein Kilogramm Dunkle Materie zu finden sein.

    • … das ist nur ein ganz banales Schulproblem mit der Prozentrechnung 23% von 0,0…%.
      Die Erde ist klein, da kriegt man die paar Teilchen DM nicht mit, das Weltall ist groß mit viel Leer, da ist gleichmäßig DM drin, einfach den Dreisatz rechnen.

      • Das ist eine ziemlich peinliche Einlassung. Wir können mit unseren Ausrüstungen einzelne Elementarteilchen nachweisen. Wir weisen zB auch (seltenste) Neutrino-Ereignisse nach. Alles eine Frage der Technik.

        Was hat das mit Prozentrechnen zu tun? Und was soll diese Provokation, von wegen “Schulprobleme”? Sie sind hier der Pöbler vom Dienst, oder wie? Warum lässt die Moderation solche rein provokativen und beleidigende Kommentare zu?

        • Herr Storz

          Der Senf der Herr Senf hier hinzufügt ist eben doch nicht nur Senf, sondern enthält einen wahren Kern. Es ist tatsächlich eine einfache Dreisatzrechnung. Grösse Erde, grösse Galaxie.
          Darin sehe ich nichts beleidigendes. Sie hingegen provizieren hier in den Spalten, werfen anderen “Hobby-Internet-Aktivisten” “windelweichen Spekulationen” vor. Ich bitte Sie deshalb, nochmals in Ruhe Ihre Kommentare und die der anderen durchzulesen und darüber zu reflektieren, wer hier trampelt und provoziert.

          • “Sie hingegen provizieren hier”

            Na, da haben Sie aber wieder prima Ursache und Wirkung vertauscht. Schauen Sie mal auf die Zeitstempel der Posts.

            Ich wurde zuerst angepöbelt. Aber Sie verdrehen das nach bester Agitprop-Manier.

            Danke für das Gespräch. Ich weiß jetzt, was ich von dem hier zu halten habe.

  3. Herr Senf
    das MOND Konzept scheint mir eine pragmatische Lösung. Die sagt nichts darüber aus, ob das Konzept der dunklen Materie notwendig ist.
    Was ich nicht begreife, man geht davon aus, dass sich das Weltall verstärkt ausdehnt und diese Ausdehnung nur durch dunkle Materie erklärt werden kann.
    Könnte es nicht möglich sein , dass die Rotverschiebung des Lichtes eine ganz banale Ursache hat.

    • H. Wied:

      “Was ich nicht begreife, man geht davon aus, dass sich das Weltall verstärkt ausdehnt und diese Ausdehnung nur durch dunkle Materie erklärt werden kann.”

      Sie verwechseln das mit der dunklen Energie, die soll für die Expansion verantwortlich sein.

      • Für die Dunkle Energie als “Platzhalter” gibt es wie bei MOND auch eine rechnerisch “passende” Lösung, wenn zuträfe, daß DM langfristig zu DE zerfällt, dadurch die Expansion beschleunigt.
        Während des CMB 63% DM, heute 23% DM und dafür +72% DE, so die Modelle.

  4. @Planetensysteme im MOND-Regime

    Was mich immer noch bei der MOND-Theorie wundert:

    Wenn wir die Sterne in einer isolierten Zwerggalaxie betrachten, so sind dort die Geschwindigkeiten nach der MOND-Theorie verteilt, wenn hier die Beschleunigungen unterhalb von a0 betragen. Aber was ist, wenn sich solch ein Stern im MOND-Regime befindet, aber von Planeten umkreist wird. Die Umlaufgeschwindigkeiten der Planeten um der Stern wären außerhalb des MOND-Regimes streng nach Newton zu berechnen.

    Wie geht das, dass für den Stern samt Planetensystem nach außen das MOND-Regime gilt, innerhalb aber nicht?

    • Die Bewegung des Sterns um das Zentrum der Galaxie kann im MOND Regime sein, da eine sehr kleine Beschleunigung durch die Galaxie selbst bewirkt wird (also a_Stern grösser a_0), die des Planetens um den Stern aber im Newtonschen, da der Stern eine hohe Beschleunigung bewirkt (also a_Planet kleiner a_0).

      • @Oliver Müler 20.01. 12:53

        „Die Bewegung des Sterns um das Zentrum der Galaxie kann im MOND Regime sein, da eine sehr kleine Beschleunigung durch die Galaxie selbst bewirkt wird (also a_Stern grösser a_0), die des Planetens um den Stern aber im Newtonschen, da der Stern eine hohe Beschleunigung bewirkt (also a_Planet kleiner a_0).“

        Meinen Sie nicht andersrum?:

        (also a_Stern kleiner a_0) deshalb Stern folgt MOND Regime
        (also a_Planet größer a_0) deshalb Planet folgt Newton

          • @Oliver Müller 20.01. 17:51

            (also a_Stern kleiner a_0) deshalb Stern folgt MOND Regime
            (also a_Planet größer a_0) deshalb Planet folgt Newton

            So also.

            Was ist denn jetzt mit der galaktischen Beschleunigungskomponente, die auf den Planeten wirkt? Wenn der Planet in Bezug zu seinem Stern nach Newton beschleunigt wird, muss das doch auch auf die Bewegung in Bezug zur Galaxie gelten. Entweder ein Objekt liegt jetzt im MOND-Regime oder es tut es nicht.

            So würde doch dann der Planet in Bezug zur Galaxie anders beschleunigt werden als sein Stern, der sich ja komplett im Mondregime aufhält. Das sieht jetzt wenig sinnvoll aus.

            Zumindest wenn erst alle Beschleunigungswerte vektormäßig addiert werden, dann geguckt wird ob die resultierende Gesamtbeschleunigung eventuell unter a_0 liegt, und dann erst insgesamt MOND-mäßig angepasst wird.

            Müssen wir hier nicht differenzieren, und zumindest zwischen stellaren Entfernungen bei vielleicht unter ein LJ und den weiteren Entfernungen getrennt rechnen, ob jetzt unter oder über a_0 gerechnet werden muss?

          • Ich verstehe Ihr Problem nicht.

            Fall Planet: Stern beschleunigt den Planet über a0, also ist er im Newtonregime.

            Fall Stern: Galaxie beschleunigt den Stern nicht genug, um über a0 zu kommen, also ist er im MOND Regime und erhält einen “MOND”-Boost, deshalb bewegt er sich so, als ob Dunkle Materie ihn beschleunigen würde.

            Der Stern zieht nun den Planet gravitativ mit, der Planet ist ja gebunden. Dieser interessiert sich nicht, wie die Gechwindigkeit des Sternes zu tage kam.

  5. “Erhöhen wir also die Gesamtmasse des Systems um einen Faktor zwei bis drei, dann treffen wir quasi ins Schwarze, was wir mit den durchgezogenen Linien darstellen.”

    Herr Müller, müsste es nicht heißen, “mit gestrichelten Linien”?

  6. Hallo in die Runde,
    was mich an der “gefitteten” MOND stört, ist die dann kaputte schöne “2” im Newtonschen Gesetz.
    Wir haben die Analogie im Coulumb-Gesetz, hat da schon mal wer von einem ähnlichen Effekt gehört?
    Die Potentiale in beiden Fällen sollten sich doch gleich verhalten oder Abweichung von “1/r”?

    • MOND ist grottenhässlich – vielen Physikern/Mathematikern würde das schon genügen um es als falsch zu betrachten.
      Vielleicht aber ist es nur darum grottenhässlich weil wir den Hintergrund nicht verstehen – heute noch nicht verstehen.

  7. @Tobias Jeckenburger (Zitat):

    Wie geht das, dass für den Stern samt Planetensystem nach außen das MOND-Regime gilt, innerhalb aber nicht?

    Frage: Ist das nicht dasselbe wie der Stern mit Planetensystem, der sich im expandierenden Universum von den weit entfernten Sternen entfernt – etwas, was man nur realisiert, wenn man einen sehr weiten Blickwinkel einnimmt.

  8. Also, dass sich die MOND noch immer im wissenschaftlichen Diskurs halten kann, verwundert mich. MOND kann vieles nicht erklären, dass DM gut erklären kann (zB CMB angular power spectrum, Gravitationslinsen). DM erklärt zahlreiche Phänomene mehr oder weniger gut, die MOND nicht einmal ansatzweise erklären kann – bedeutet: Selbst, wenn Mond zutreffend wäre, würde man trotzdem DM brauchen. MOND braucht ad hoc Hypothesen, wie die EFE, um zu erklä-ren, warum sich einige offene Cluster entgegen der ursprünglichen MOND verhalten. Wissen-schaftstheoretisch sind ad hoc Hypothesen nach Popper durchaus erlaubt, wenn sie die Theorie “falsifizierbarer” – machen. Das kann man bei MOND nicht erkennen, tatsächlich diente EFE nur dazu, sich vor der Falsifikation zu schützen (kann nicht erklären, warum sich offene Cluster entge-gen der ursprünglichen MOND verhalten).

    Ein echter Falsifikationstest ist 1E 0657-558. Hier hat MOND vollkommen versagt. Auch sollte MOND zutreffend sein, so muss es trotzdem DM geben. Die relativistische MOND-Variante, die TeVeS, versagt ja ebenso. LIGO-Messungen stimmen nicht mit TeVeS überein. (https://arxiv.org/abs/1710.06168)

    Und auch hier: Einmal zieht man den EFE hinzu, einmal lässt man den Effekt weg und erklärt sich, dass durch ein Postulat (die Galaxie ist weit weg vom Zentrum des Galaxiehaufens). Gibt es dazu andere Bestätigungen, als durch ein bloßes Postulat?

    In Wirklichkeit scheitern alle modifizierte Gravitationstheorien.

    Kommt mir ein wenig wie die String-Theoretiker vor. Jahrzehntelang scheitern, aber auf die Schön-heit der Theorie pochen. Wobei das war gemein, im Gegensatz zur Stringtheorie, schafft es MOND wenigstens, einige Beobachtungen zu erklären.

    • Also, dass sich die MOND noch immer im wissenschaftlichen Diskurs halten kann, verwundert mich. MOND kann vieles nicht erklären, dass DM gut erklären kann (zB CMB angular power spectrum, Gravitationslinsen). DM erklärt zahlreiche Phänomene mehr oder weniger gut, die MOND nicht einmal ansatzweise erklären kann – bedeutet: Selbst, wenn Mond zutreffend wäre, würde man trotzdem DM brauchen. MOND braucht ad hoc Hypothesen, wie die EFE, um zu erklä-ren, warum sich einige offene Cluster entgegen der ursprünglichen MOND verhalten.

      MOND funktioniert überall dort gut, wo DM eben nicht gut funktioniert, wie z.B. in Galaxien. DM funktioniert überall dort gut, wo MOND eben nicht gut funktioniert. Deshalb versuchen einige, die Erfolge beider Theorien zu vereinen, z.B. mit super-fluid dark matter.

      Sie müssen hier zwischen relativistischen Versionen von MOND und MOND selbst unterscheiden. MOND kann nur dynamische Systeme beschreiben, wie etwa die Bewegung von Sternen in einer Galaxie. Gravitationslinsen können genau so wenig mit MOND erklärt werden wie mit Newton. Deshalb aber werfen wir Newton auch nicht einfach so über den Haufen. MOND gibt sehr präzise Vorhersagen, deshalb denken viele Wissenschaftler/innen, dass wir damit eine weiterführende Theorie finden können. In Kürze also: Niemand denkt, MOND ist die Theorie für alles. Aber in der MOND-Konstanten a0 könnte vielleicht doch ein Kern Wahrheit stecken und wenn wir dies einfach so ignorieren, machen wir eventuell einen fatalen Fehler. Deshalb ist es wichtig, MOND dort auf den Zahn zu fühlen, wo es eben gut funktionieren sollte, ergo wird daran geforscht.

      Das kann man bei MOND nicht erkennen, tatsächlich diente EFE nur dazu, sich vor der Falsifikation zu schützen (kann nicht erklären, warum sich offene Cluster entge-gen der ursprünglichen MOND verhalten).

      Der EFE ist sehr gut falsifizierbar. Ich habe dazu sogar einmal ein Blog-Artikel geschrieben (Titel: MOND widerlegen, eine Anleitung): https://prosaderphysik.wordpress.com/2019/01/10/mond-widerlegen-eine-anleitung/
      Und auch einen wissenschaftlichen Artikel dazu geschrieben (https://www.aanda.org/articles/aa/pdf/2019/03/aa34914-18.pdf). Deshalb wehre ich mich gegen eine solche Aussage, da sie nicht stimmt.

      Ein echter Falsifikationstest ist 1E 0657-558. Hier hat MOND vollkommen versagt. Auch sollte MOND zutreffend sein, so muss es trotzdem DM geben. Die relativistische MOND-Variante, die TeVeS, versagt ja ebenso. LIGO-Messungen stimmen nicht mit TeVeS überein. (https://arxiv.org/abs/1710.06168)

      Auch hier wieder: TEVES ist eine relativistische Version von MOND, aber nur da TEVES nicht funktioniert, heisst das nicht, dass alle relativistische MOND Theorien vom Tisch sind. Desweiteren ist der Bullet-Cluster (1E 0657-558) auch für DM ein Problem, denn die beiden Galaxienhaufen müssten sich extrem schnell aufeinander zu bewegen, was man in der Standardkosmologie so nicht erwartet. D.h., es ist problematisch für alle Kosmologien, die wir momentan haben, ist doch spannend, oder?

      • DM funktioniert wunderbar in Galaxien.

        “EFE ist sehr gut falsifizierbar”

        Ja, schon, trotzdem war sie eine ad hoc Lösung, um die Theorie zu schützen und macht die Theorie eben nicht “falsifizierbarer”.

        “aber nur da TEVES nicht funktioniert, heisst das nicht, dass alle relativistische MOND Theorien vom Tisch sind.”

        Ja und wo ist sie? Dass es sie geben könnte, ist ein bissl wenig. 😉

  9. Leider ist dieser Artikel gespickt mit Rechtschreibfehlern. Kann man jetzt bei Spektrum der Wissenschaft so schreiben, wie man will?

    • Das hier ist nicht Spektrum der Wissenschaft, sondern Scilogs. Ausserdem wird dieser Blog von mir unentgeltlich geführt, wird nicht von Spektrum editiert und ist vorallem gratis für Sie zum lesen da. Da werden Sie doch Rechtschreibefehler verkraften. 🙂

  10. zur polemischen Anfrage A.S. #212 19.01.20 11:25 eine lockere Rechnung:

    Nach Messungen des LyαForest und von gelinsten Quasaren haben CDM-Teilchen 5 keV Energie.
    Das ist 1/100 eines Elektrons und ergibt als obere Massengrenze 10^-32 kg oder weniger.
    Die Erde enthält lediglich 1 kg CDM, d.h. grob geschätzt 10^32 Teilchen Kalter Dunkler Materie.
    Damit schwirren in einem cm³ ca. 100.000 bis 1 Mio weit unter Lichtgeschwindigkeit rum.
    Im Darm haben wir schon 10 bis 100 Mrd Bakterien pro cm³, und die wiegen was.

    Zum Vergleich beträgt die Flußdichte von Neutrinos mit LG 70 Mrd pro cm² und sec.
    Die lassen sich kaum detektieren, freie Weglänge ist 1000 Lj, wechselwirken wenigstens schwach.
    Einen Wechselwirkungsmechanismus außer gravitativ der CDM kennen wir (noch) nicht.
    Man versucht Zerfallsprozesse zu finden, damit erübrigt sich die Anfrage der Nachweisbarkeit.

  11. @Oliver Müller 21.01. 13:14

    „Fall Planet: Stern beschleunigt den Planet über a0, also ist er im Newtonregime“

    Wenn jetzt Stern und Planet von außen verschieden beschleunigt werden, würde das doch auch einen Einfluss auf die Planetenbahn haben. Die gravitative Bindung würde doch davon gestört.

    Die Fortsetzung des Problems wäre, wenn wir den Planeten so groß machen, dass wir einen Doppelstern haben. Dann wären beide Systemmitglieder außerhalb des MOND-Regimes, und würden weniger beschleunigt werden als die Sterne in der Nachbarschaft, die keine Doppelsterne sind. Das fände ich dann ganz komisch. Dann würden sich normale Sterne und Doppelsterne innerhalb von Zwerggalaxien, die im MOND-Regime liegen, völlig unterschiedlich verhalten.

    Das Problem ist hier, dass die Nahwirkungen in Planetensystemen keine Wirkungen auf die Beschleunigung von außen haben dürfen, und dass sie hier den äußeren MOND-Effekt nicht unterdrücken dürfen.

  12. Wenn MOND (Modified Gravity) stimmt, dann müssen zwei Zwerggalaxien mit demselben radialen Masseprofil die gleiche Sterndynamik aufweisen und ein einziges Gegenbeispiel widerlegt MOND.
    Das ist das Hauptargument von Ethan Siegel in seinem Artikel Modified Gravity Could Soon Be Ruled Out, Says New Research On Dwarf Galaxies
    Allerdings erwähnt er in seinem ziemlich ausführlichen, länglichen Artikel nirgends den externen Feldeffekt (was aber nicht heisst, dass er den nicht kennt).

    Ferner stellt Ethan Siegel die Hypothese auf, dass sich die Verteilung der dunklen Materie ändern sollte, wenn in einer Galaxie neue Sterne enstehen (wegen gravitativen Effekten) und dass dieser Effekt bei Zwerggalaxien am stärksten sein sollte – und tatsächlich gäbe es solche Zwerggalaxien wo gerade Sterne enständen und bei denen sehe man eine andere Verteilung der dunklen Materie gegenüber Zwerggalaxien ohne kürzliche Sternenstehung. Zitat (übersetzt von DeepL):

    Sie betrachteten 8 Zwerg-Sphäroid- und 8 Zwerg-Irregulationsgalaxien und stellten fest, dass es zwei Populationen gibt: eine, in der es in den letzten 6 Milliarden Jahren keine Sternentstehung gab, und eine, in der sie stattgefunden hat. Diejenigen, in denen die Sternentstehung in letzter Zeit nicht stattgefunden hat, sind konsistent mit viel dunkler Masse im Zentrum (keine kürzliche Erwärmung), und die, in denen sie kürzlich stattgefunden hat, zeigen weit weniger dunkle Materie in ihren Zentren (ein Beweis für eine kürzliche Erwärmung). Das ist ein Hinweis darauf, dass es dunkle Materie gibt, dass sie kalt und kollisionsfrei ist und dass sie durch die kürzliche Sternentstehung aufgeheizt werden kann.

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