Wahl bei Gentechnik

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Milch ohne Gentechnik

Tierische Produkte müssen nicht entsprechend gekennzeichnet werden, wenn zur Erzeugung gentechnisch verändertes Futter verfüttert wurde. Nach mehreren kleineren setzt mit Landliebe jetzt die erste große Molkerei in Deutschland deshalb auf die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“. Vorweg ging eine Greenpeace-Kampagne. Wahlfreiheit der Verbraucher sieht trotzdem noch immer anders aus.

In Deutschland hieß es lange, eine Nutztierfütterung ohne Gentechnik sei nicht möglich, selbst als kleine deutsche Molkereien und große Molkereien Österreichs und der Schweiz längst das Gegenteil bewiesen hatten. Das wäre ja auch nicht weiter schlimm, könnten die Verbraucher einfach zu den Produkten jener Molkereien greifen, die das angeblich Unmögliche möglich machen. Bloß: Solange der Einsatz von Gentechnik-Futtermitteln bei tierischen Produkten nicht gekennzeichnet werden muss, kann der Verbraucher keine informierte Wahl treffen.

Mit Landliebe bietet nun eine erste große Marke in Deutschland Milch von Kühen ohne Gentechnik-Fütterung. Bisher gilt das jedoch nur für Frischmilch, H-Milch und Schulfrischmilch. Wer andere Milchprodukte ohne Gentechnik möchte, muss weiter zu kleineren Konkurrenten – wie Bergweide oder Upländer Bauernmolkerei – oder zu Bioprodukten greifen.

Ob gentechnisch veränderte Pflanzen nun ein Problem sind oder nicht, darüber diskutieren Politiker wie Wissenschaftler nach wie vor. Tatsache ist, die Verbraucher lehnen solche Produkte ab, können aber mangels geeigneter Kennzeichnungsverordnung diese Ablehnung beim Einkauf nicht umsetzen. Die zweifelhafte Begründung der Politik lautet, man könne im Endprodukt gar keine Genveränderung mehr nachweisen. Doch darum geht es vielen Verbrauchern nicht, die Genpflanzen aus ökologischen oder sozialen Aspekten ablehnen. Dem Turnschuh sehe ich die Kinderarbeit auch nicht an, trotzdem möchte ich selbst hochwertige Produkte aus Kinderarbeit nicht unwissentlich kaufen müssen.

Futtermittel müssen klar gekennzeichnet sein, ob sie gentechnisch verändert wurden. Es wäre also ein Leichtes, diese Kennzeichnung bis zum Endprodukt fortzuführen; so, wie es die Kennzeichnungsverordnung für Lebensmittel fordert, bei denen eine Zutat gentechnisch verändert wurde. Seit Beginn der Kennzeichnungspflicht sind solche Produkte übrigens weitestgehend aus den Supermarktregalen verschwunden. Wie es wohl der Molkereibranche erginge, wenn die Verbraucher endlich die Möglichkeit hätten, Ihre Wahl umzusetzen?

Bis dahin bleibt bei tierischen Produkten nur der Griff zu „Bio“ oder zu den wenigen konventionellen Anbietern, die „ohne Gentechnik“ garantieren. War Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie bei fast allen anderen Anbietern den Anbau von Genpflanzen unterstützen?

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Veröffentlicht von

www.buero32.de

Björn Lohmann ist freier Wissenschaftsjournalist und Trainer für Onlineredakteure. Sein Anliegen ist es, die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen zu hinterfragen, die unser aller Leben maßgeblich beeinflussen - denn nicht immer sind die Prioritäten von Forschern, Unternehmern und Politikern die besten im Interesse der Gesellschaft. In seiner Freizeit rettet Björn Lohmann die Welt, weil er findet, dass es sich mit ihr einfach netter lebt.

6 Kommentare

  1. “Bis dahin bleibt bei tierischen Produkten nur der Griff zu „Bio“…”

    … oder auch ein Gedanke an Verzicht auf tierische Produkte.

    Übrigens ist heute Welttierschutztag. 😉

  2. “Die zweifelhafte Begründung der Politik lautet, man könne im Endprodukt gar keine Genveränderung mehr nachweisen.”

    Die Begründung ist nicht zweifelhaft, sondern wissenschaftlich belegt.
    Was, außer emotionalen Argumenten, spricht denn gegen Gentechnik? Ökologische oder “soziale” Aspekte, wie du schreibst? Das musst du mir genauer Erklären.

  3. Kampf gegen grüne Gentechnik

    Weltweit werden gegenwärtig auf über 100 Millionen Hektar (das ist die dreifache Fläche des wiedervereinigten Deutschland!) gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut -Tendenz stark steigend. Allen voran die USA (ca. 60 Millionen ha, gefolgt von Argentinien, Brasilien, Kanada. China, Paraguay (!) Indien, Philippinen usw. So manches Drittweltland überholt Deutschland beim Einsatz der grünen Gentechnik. Meist handelt es sich um gentechnisch veränderten Mais, Baumwolle und Sojabohnen, die seit Jahren problemlos auf riesigen Flächen kultiviert werden. Gentechnisch veränderter Mais und Sojabohnen werden in vielen Ländern völlig gefahrlos und ohne großes Protestgeschrei als Futtermittel eingesetzt.
    Demnächst kommt gentechnisch verbesserter Reis –wohlgemerkt für den menschlichen Verzehr!- auf den Markt; dann wird die Anbaufläche für „Gentech-Pflanzen noch viel stärker zunehmen als in den vergangenen Jahren. In anderen Ländern werden die Möglichkeiten der neuen Technik entschlossen genutzt, in Deutschland wird wieder einmal das Potential einer moderne Technik verschlafen, vor allem weil zu viele rot-grüne Traumtänzer, Hysteriker und regelrechte Spinner sich in Horrorszenarien über eingebildete Gefahren ergehen. Museumsbauernhof statt High Tech ist offenbar die Devise der Gentechnik-Feinde. Sind diese Leute klüger als der Rest der Welt, der auf die grüne Gentechnik setzt? Aber auch hier wird am deutschen Wesen die Welt wieder einmal nicht genesen (wollen)- und das ist auch gut so!
    Es könnte nicht schaden, bei der Debatte um gentechnisch veränderte Nahrungs- und Futtermittel sich über drei Punkte im klaren zu sein:
    1. Alle Nahrungsmittel, die von Nutztieren aufgenommen werden, werden in Magen- und Darmtrakt völlig zerlegt: Proteine werden bis zu den Aminosäuren, also den Einzelbausteinen, zerlegt. Ebenso werden alle Nukleinsäuren, also DNA und RNA, zumindest bis in die Nukleotide und meist noch darüber hinaus in Basen, Zucker und Phosphat abgebaut. Erst diese Einzelbausteine werden resorbiert, d.h. durch die Darmwand aufgenommen und für den Stoffwechsel der Tiere verwendet. Allein aus diesem Grund ist es unmöglich, anhand von Tierprodukten wie Milch oder Fleisch nachzuweisen, das ein Tier mit „Genmais“ oder „Gensoja“ gefüttert worden ist. Daher ist eine Kennzeichnung kompletter Unsinn, der wohl nur in den Hirnen deutscher Anti-Gentechnik-Fanatiker ausgebrütet worden ist. Haben sich die ach so mutigen Kämpfer gegen das Böse auf dem Acker eigentlich mal überlegt, daß ca. 3 % des Trockengewichts bei jedem Nahrungsmittel aus DNA besteht, sprich aus „Genen“ ( die Problematik nicht kodierender Sequenzen soll hier nicht diskutiert werden)?
    2. Seit fast 10000 Jahren betreibt die Menschheit „grüne Gentechnik“: alle Nutzpflanzen und –tiere sind das Ergebnis von Züchtungen über mehrere 100 Generationen! Unsere Getreidearten, alle Gemüsesorten, Rinder, Schweine, Hühner, aber auch Hund und Katz´ sind allesamt gentechnisch veränderte Monstren, die sich in der freien Natur so nie hätten entwickeln können!
    3. Jeder Mensch nimmt –s. Punkt 1- jeden Tag mindestens 10 Gramm „Gene“ zu sich: mit jedem Frühstücksei die genetische Information für ein ganzes Huhn, mit jedem Schnitzel die genetische Information für ein ganzes Schwein, mit jedem Bissen Karotte die genetische Information für eine ganze Karotte usw. Bisher hat das offenbar noch niemanden geschadet – s. Verdauung unter Punkt 1! Immer wieder kommen kulinarische Neuheiten auf den Teller: in den letzten 500 Jahren fanden Mais, Paprika, Tomaten, Chilli, Kartoffeln, Auberginen, Knoblauch, Avocados, Kiwis, Mangos, Passionsfrüchte und vieles mehr den Weg in den Magen der Europäer –in jedem Einzelfall ein ganzer Schwung von mindestens 10.000 neuen Genen, der offenbar ohne Probleme verdaut worden ist. Und wenn reisefreudige Bundesbürger in den Tropen von neuen exotischen Früchten wie Rambutan, Mangosteen, Pomelos oder der Stinkfrucht „Durian“ naschen, so mag vielleicht der strenge Duft der letzteren manchem zarten Näschen ordentlich zusetzen, die vielen 10.000 neuen Gene werden mühelos verdaut.
    In Anbetracht dieser Fakten kann man die Kampagnen von Greenpeace und Co. gegen den Einsatz von gentechnisch veränderten Futtermitteln für Nutztiere nur als gefährliche Volksverdummung bezeichnen, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Bezeichnenderweise gibt es solche Kampagnen mit dieser Heftigkeit (und Verlogenheit) nur in Deutschland- frei nach dem Motto: „Wollt Ihr die totale Hysterie“?

  4. Toller Kommentar von Armin Quentmeier

    Lieber Herr Dr. Quentmeier,
    vielen Dank. Sehr richtiger und sehr guter Kommentar. Fast zu schade, ihn hier einfach so stehen zu lassen. Hätten Sie nicht Lust auf meinem Blog einen Gastbeitrag zu verfassen? Sie finden die Seite, wenn Sie oben auf meinen Namen klicken. Ich würde mich über eine kurze Email von Ihnen freuen.
    Herzliche Grüße
    Tobias Maier von WeiterGen auf ScienceBlogs.de

  5. @Quentmeier & Tobias: Gegengründe

    Hallo Herr Quentmeier, hallo Tobias,
    ich kann demnächst mal in einem Eintrag auf die grundsätzliche Gentechnikdiskussion eingehen. An dieser Stelle darum nur knapp: Gentechnik lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Schon Bt-Toxin ist nicht gleich Bt-Toxin. Am Horizont gibt es interessante Ideen, aber die heute angebauten Produkte sind nicht ausgereift und viele Grundlagen zu wenig verstanden.

    Tatsache ist, dass es kommerziell im Wesentlichen zwei Technologien gibt, Herbizidtoleranz und Bt. Bei der HT-Technologie sieht man in Nordamerika inzwischen, dass es die lange befürchteten „Superunkräuter“ durchaus gibt. Mehrere große Konferenzen widmen sich inzwischen dem Problem der Glyphosatresistenzen diverser Wildpopulationen. Die Artenvielfalt in entsprechend bewirtschafteten Feldern ist noch geringer als bei industrieller Landwirtschaft eh schon üblich.

    Bei der Bt-Technologie ist nach wie vor nicht verstanden, wie und wo genau im Darm das Toxin wirkt. Es gibt eine Studie, die zeigt, dass das Bt-Toxin bei Nicht-Zielorganismus nur dann harmlos ist, wenn – wie in Laborfutter oft üblich – durch Antibiotikagabe indirekt auch die Darmflora stark verändert wurde. Bestätigt sich das, wären unzählige Sicherheitsstudien hinfällig. Dass die teure Bt-Technik wiederholt versagt hat, macht es nicht besser.

    Raps und die japanischen Häfen sind ein gutes Beispiel, dass die Auskreuzungsproblematik ungelöst ist. Der unlängst in den Medien gemeldete bayerische Imker, der seinen Honig wegen Gentech-Pollen-Kontamination vernichten musste, belegt die Unkontrollierbarkeit und die ungelösten Probleme der Koexistenz.

    Für Entwicklungsländer gibt es praktisch keine ernsthaften Bemühungen, sie wären auch keine Lösung, wie ihnen das Gros der Tropenagricologen bestätigen wird. Im Gegenteil gibt es Low-Tech-Lösungen, die sich auch Kleinbauern leisten können und die ohne ökologische Risiken und wirtschaftliche Abhängigkeiten daher kommen.

    Das ist auch mein persönlicher Kerneinwand: Es gibt nachhaltige, lokale Lowtech-Lösungen für die Ernährungsprobleme der Entwicklungsländer, die risikofrei sind. Es gibt Hightech-Lösungen zur Ertragssteigerung und –sicherung in den Industrieländern, die besagte Probleme vermeiden: von markergestützter Selektion bis zum Precision Farming.
    In der gesamten Biotech-Szene kenne ich persönlich übrigens kaum Befürworter der grünen Gentechnik, die nicht selbst ökonomisch darin involviert sind.

  6. Ob Für oder Wider….

    stimme ich Björn Lohmann zu: warum sträubt man sich gegen eine klare Kennzeichnung und nimmt dem Verbraucher die Freiheit der eigenen Entscheidung?
    Drehen wir es doch einmal um:
    die Weigerung das zu tun lässt den Schluss zu, dass man die Gegner bekehren will; dass am Wesen des Fortschritts die Welt genesen soll.
    Da braucht ich weder Befürworter noch Gegner der Gentechnik zu sein, ich will schlichtweg wissen, mit was ich es zu tun habe. Mehr nicht.

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