Glück auf! Eine Fahrt in das aktive Steinkohlebergwerk Prosper-Haniel

Die Zeit der Steinkohleförderung in Deutschland geht (vermutlich) unwiderruflich vorbei. Ende diesen Jahres schließen die letzten beiden aktiven Zechen, Prosper-Haniel bei Bottrop und Anthrazit in Ibbenbühren, ihre Pforten. Die Chancen, einmal ein aktives Kohlebergwerk zu besuchen, sind also gering. Dennoch konnte ich am 20. April in Schacht 10 von Prosper-Haniel einfahren.

Prosper-Haniel
Prosper-Haniel, Schacht 10. Das letzte aktive Steinkohlebergwerk im Ruhrgebiet. Und ich durfte hinein…. Eigenes Foto
Glück auf!

Glück auf!, der traditionelle Bergmannsgruß. Auf der letzten aktiven Zeche des Ruhrgebiets, Prosper-Haniel, ist er immer noch zu hören. Der mit ihm verbundene Wunsch, nach der Schicht gesund und wohlbehalten wieder ans Tageslicht zu gelangen, ist hier ernst gemeint.

Doch bevor man einfahren darf, kommt noch eine kurze Sicherheitsunterweisung. Es ist erstaunlich, was eine Fahrt Unter Tage so alles bedeutet. Da kommt zum Einen ein kompletter ( ja, absolut komplett, inklusive Herrenfeinripp mit Rechtseingriff, auch für die Damen) Klamottenwechsel. Sämtliche Technik muss oben bleiben, sofern sie nicht explosionsgeschützt ist. Also keine Kameras oder dergleichen. Für die Ringträger unter uns: auch der musste runter. Die Verletzungsgefahr durch Fingerringe ist nicht zu unterschätzen.

Herrenfeinripp und Knieschoner

Eingekleidet in Unterwäsche, Hemd, Hose und Jacke aus Baumwolle. Dazu gab es auch Schuhe, Schienenbeinschützer, Knieschoner, Handschuhe Schutzbrille, Ohrenstöpsel, Staubmaske und nicht zuletzt eine Wasserflasche. Wir wollten zwar nicht eine volle Schicht unten verbringen, aber bei der Wärme unten braucht man viel Flüssigkeit. Zum Glück hat die Bergmannskluft viele Taschen, um alles zu verstauen. Außerdem war ich durchaus dankbar für die vielen helfenden Hände, um all das auch korrekt anzulegen. Denn es kamen ja auch noch Helm, Lampe und Kohlenmonoxid-Retter hinzu.

Prosper-Haniel
So sieht ein ordentlicher Kumpel aus. Unten drunter erstaunlich bequeme Herrendeinripp mit Rechtseingriff, auch für die Damen. Und natürlich Schienenbeinschoner, Helm und Lampe, Kohlenmonoxidretter. Es fehlen alleine die Knieschützer, die dieser Bursche hier noch nicht an hat. Wir sahen ganz ähnlich aus. Eigenes Foto.

So ausgestattet, konnten wir uns auf den Weg machen. Unser Ziel war das Baufeld Haniel-Ost. Hier liegt das Flöz H auf einer Teufe von gut 1180 Metern. Das Flöz H hat eine mittlere Mächtigkeit von 1,47 m.

Abgebaut wird im Strebbau. Die Streblänge beträgt hier 284 m, die gesamte Baulänge 1281 m, von denen zum Zeitpunkt unseres Besuches noch gut 1100 m übrig waren. Der Hobel schafft pro Arbeitsgang gut 30 cm, und am Tag gute 10 m.

Timing ist hier unheimlich wichtig. Im Bergbau geht es immer geschäftig zu, und der Fahrkorb ist schließlich nicht alleine zur Beförderung der Besucher da. Wir müssen uns dem engen Fahrplan anpassen. Wer den Zeitpunkt verpasst, kann dann lange warten.

Prosper-Haniel unter Tage

Aber wir waren pünktlich am Fahrkorb und konnten so in die Tiefe starten. Es ist erstaunlich, wie schnell der Korb die Distanz überwindet. Dabei geht das weitgehend ruckfrei ab. Von daher ist die Vorstellung, dass da jetzt auf einmal mehr als 1 Kilometer Gestein zwischen mir und dem Sonnenlicht liegen, etwas abstrakt. Auch die Größe des Stollens, in dem wir abgeliefert wurden, war beeindruckend. Moderne Bergwerke können sich durchaus geräumig zeigen.

Das erste, was mir auffiel, waren diverse schwarze Plastikkästen, die an der Decke des großen Halbrunds hingen. Die, so erfuhren wir, sind mit Wasser gefüllt. Ihre Aufgabe ist es, bei Explosionen im Stollen die Flammen zu bremsen. Die Druckwelle zerstört die Kästen, so dass die Flammen dann in eine Wand aus Wasser schlagen und verlöschen. So sollen Staubexplosionen an ihrer Ausbreitung gehindert werden. Einfach, und doch effektiv.

Auch für den weiteren Weg war gesorgt. Wir wurden von einer so genannten Dieselkatze abgeholt. Das ist, ganz grob gesagt, eine kleine Einschienenschwebebahn, die Menschen und Material im Bergwerk transportieren kann. Ich musste mich zwar etwas falten, aber wie heißt es doch gleich: besser schlecht gefahren als gut gelaufen. Wobei, ein Bergmann fährt immer, auch wenn er läuft.

Trotz der Größe des Stollens kann es dann doch eng werden. Neben der Dieselkatze und den Laufbändern für das geförderte Material bleibt nicht viel Platz. Die Laufbänder können aber nicht nur Fördergut transportieren, sondern auch Bergleute. In regelmäßigen Abständen sind Einstiegs- und Ausstiegspunkte vorhanden. Ohne diese schnellen Transportmöglichkeiten wären die endlos erscheinenden Stollen des Bergwerks für die dort arbeitenden Menschen kaum zu bewältigen.

Die Fahrt dauerte relativ lange. Im Licht unserer Lampen und der Tunnelbeleuchtung konnte man immer wieder die Wasserbehälter sehen. Außerdem etliche Bergleute bei einer Bandfahrung. Nach etlichen Kurven kam unsere Dieselkatze endlich zum stehen und wir durften aussteigen.

Der Grund, warum (fast) alles, einschließlich der Dieselkatze, an der Decke des Stollens, die in der Bergmannssprache Firste heißt, befestigt ist, liegt am Gebirgsdruck. Das Gewicht der auf dem Stollen lastenden Erdschichten möchte diesen gerne zusammendrücken. Aus verständlichen Gründen möchten die Bergleute dies gerne verhindern. Darum hat der Stollen auch diese halbrunde Form. Der auflastende Druck wird so an die Seiten abgeführt. Da der Stollen aber unten, bergmännisch an der Sohle, offen ist, drückt der Gebirgsdruck von unten in den Stollen. Das bedeutet, dass der Fußboden im Stollen sich langsam aufwölbt. Hier ist eine ebene Fläche auf die Dauer nicht zu erhalten. Es muss auch immer wieder eingeebnet werden.

Kohleabbau im Strebbau

Der Abbau findet hier, wie gesagt, im Strebbau statt. Der Hobel schafft dabei pro Fahrt rund 30 cm Vortrieb. Wir durften auch direkt an die Abbaufront, wobei der Hobel gerade stand und nicht bewegt werden konnte. Im Streb war es verglichen mit dem Stollen ziemlich eng. Stehhöhe gab es nicht. Es war aber beeindruckend, die Stempel quasi in Aktion zu sehen. Jeder der hydraulischen Stempel und Schilde kann bis zu 900 t Gewicht tragen. Während der Strebpanzer vorwärts durch das Flöz wandert, folgt der vollmechanisierte Ausbau auf seinem Schreitwerk. Der von den Schilden freigegebene Raum bricht wieder ein. Im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum kann man eine vergleichbare Maschine als Ausstellungsstück besichtigen.

Bemerkenswert wenige Bergleute befanden sich hier. Die gesamte Anlage wird hauptsächlich von über Tage gesteuert.

Dadurch, dass der Hobel gerade stand, blieb uns auch eine Menge Staub erspart. Die Temperaturen waren recht warm, aber noch angenehm, was aber an der Bewetterung und eingesetzter Kühlung lag. Wenn man im Bereich des bereits abgebauten und zumindest teilweise wieder eingebrochenen „Alten Mannes“ im Stollen stand, konnte man die tatsächlichen Temperaturen spüren. Sie lagen (zumindest geschätzt) im Bereich, den man in einer Sauna erwartet hätte. Unter diesen Bedingungen könnte ein Bergmann kaum eine Schicht durchhalten. Daher wird bei der Bewetterung auch gleich eine Kühlung eingesetzt, damit die Temperatur erträglich wird. Dennoch verliert ein Bergmann auf einer Schicht gut 6 Liter an Flüssigkeit, die natürlich wieder ersetzt werden muss. Das war der Grund, warum auch wir eine Wasserflasche mit auf den Weg bekommen haben.

Nachdem alle einen letzten Blick auf die Abbaufront geworfen und sich mit kleinen Andenken wie Kohlestückchen und Fossilien versorgt haben, ging es auch schon wieder mit der Dieselkatze in Richtung Schacht. Die Rückfahrt ging schnell , man musste das erlebte ja auch erst mal verarbeiten. Der Fahrkorb überwand die Entfernung bis zur Erdoberfläche wieder schnell, so dass uns das Tageslicht wieder hatte. Alle hatten unter Tage Farbe bekommen. Auch wenn der Hobel gerade stand, so war die Luft doch voller Staub. Wir hatten alle “ganz gut Farbe bekommen”!

Zum Glück konnten wir nach der Tour unter Tage duschen. Aber vorher gab es noch einen deftigen Imbiss aus der Suppenküche.

Beim Auskleiden ging es ziemlich genau andersherum. Außerdem wurden auch Plastiktüten für die „Beute“ bereitgehalten, damit wir unsere erbeutete Kohle nicht mit dem Straßenstaub unserer Zivilklamotten verunreinigen mussten. Irgendwann wurde uns auch klar, warum Bergleute so sehr auf Schnupftabak stehen. Weiße Taschentücher haben aber auch einige Nachteile….

Prosper-Haniel
Der Förderturm von Schacht 10. Ende 2018 stehen auch hier alle Räder still und es ist Schicht im Schacht. Eigenes Foto.

 

Alles in Allem war es eine wirklich spannende Sache. Die Gelegenheiten, ein aktives Kohlebergwerk zu befahren werden sich sicher nicht mehr sehr häufig ergeben. Ende diesen Jahres wird, im Sinne des Wortes, endgültig Schicht im Schacht sein. Von daher bin ich dem Berufsverband deutscher Geowisssenschaftler sowie der Ruhrkohle AG und ihren Mitarbeitern sehr dankbar, dass sie mir den Besuch ermöglicht haben. Mein Respekt vor den Bergleuten ist jedenfalls noch gewachsen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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