Let´s talk about Hai-Sex

Kleine Haie kommen entweder lebendig zur Welt oder wachsen in Eiern heran: Grundsätzlich sind drei verschiedene Arten der Reproduktion bekannt:

  • ovipar (eierlegend),
  • vivipar (lebendgebärend) und
  • ovovivipar (das Ei bleibt im Mutterleib, der Embryo durch den im Ei enthaltenen Dotter versorgt und die Jungtiere schlüpfen entweder bereits im Mutterleib oder auch kurz nach der Eiablage).
  • Jungfernzeugung

Hochseehaie, die weit vor den Küsten und dem Meeresboden schwimmen, bringen einige lebende Jungtiere zur Welt, an Küsten oder am Meeresboden lebende Haie hingegen legen große Eikapseln ab, in denen die Embryonen heranwachsen.
Daneben gibt es sogar Jungfernzeugung, wie bei einigen im Dunkeln leuchtenden Schwellhaien, pazifischen Verwandten unserer Katzenhaie. 2016 hatte eine Haimutter in einem Aquarium in Baltimore Eier gelegt, aus denen Jungtiere schlüpften – die Haidame lebte seit 3 Jahren ohne männliche Begleitung und die Eier stellten sich tatsächlich als nicht befruchtet heraus. Schwellhaie können mit dem Magen so viel Wasser aufnehmen, dass der ganze Knochenfischkörper gewaltig anschwillt – daher der Name.

Die sonderbare Geburt der Sarawak-Schwellhaie

Allerdings ist Hai-Fortpflanzung oft komplizierter und kombiniert mehrere Strategien, der Hai-Experte David Shiffmann schreibt von 10 verschiedenen Modellen. Jetzt ist eine elfte hinzugekommen, über die Shiffman gerade im hakai-magazine berichtet.

Wieder sorgten Schwellhaie für die Überraschung: Die neu entdeckte Hai Fortpflanzungsstrategie wurde in Südostasien beobachtet. Der Ichthyologe Hsuan-Ching Ho (Taiwan Nationalmuseum of Marine biology and Aquarium) war von lokalen Fischern im Südwesten Taiwans auf die außergewöhnlichen transparenten Eier hingewiesen worden.

Dann hatten die Ichthyologen sich die Eier und die Fortpflanzung des kleinen Hais genauer angeguckt und fanden diese neue Form der Verbindung von einzelner und multipler Oviparie. Der Hauptautor der Publikation, der schon pensionierte Meeresbiologe Kazuhiro Nakaya, hatte einst die Bezeichnungen „Single/Multiple Oviparity“ geprägt. Nur ein solcher ausgewiesener Experte konnte die grundsätzliche Abweichung der kleinen Schwellhaie entdecken.

Single Oviparie bedeutet, das sein einzelnes Ei für kurze Zeit im Eileiter ist und dann abgelegt wird, danach folgt das nächste Ei. Multiple Oviparie heisst, dass mehrere Eier gleichzeitig etwas länger im Eileiter sind und erst abgelegt werden, wenn die Embryonen eine spezifische Größe erreicht haben.  Die Sarawak-Schwellhaie nutzen die Vorteile beider Eiablage-Strategien gleichzeitig, als die “sustained single oviparity”, oder längere Einzel-Oviparie: einzelne Eier werden länger im Eileiter aufbewahrt,

bis der Embryo eine beträchtliche Länge erreicht hat. Dadurch legen diese Schwellhaie zwar pro Fortpflanzungszeit wenige Eier ab, die einzelnen Nachkommen haben aber durch größere Neugeborene und deren schnellere Reifung ausgeglichen.

Die Sarawak-Schwellhaie Eier sind noch aus einem anderen Grund etwas Besonderes, sie sind nämlich vollständig transparent.

Normalerweise sind Haieier aus gelblich-bräunlicher hornartiger Substanz, und semitransparent. Man kann dem Hai-Embryo beim Wachsen zugucken, in vielen Aquarien werden die rechteckigen Eikapseln mit den Fäden in Mini-Aquarien präsentiert.
Je größer der kleine Hai wird, desto kleiner wird sein Dottersack, bis er zum Schluss seine Eikapsel fast vollständig ausfüllt. Werden diese meiste rechteckigen eikapseln an den Strand gespült, werden sie dunkler oft dunkelbraun bis fast schwarz Punkt im Volksmund heißen sie Nixon Taschen(Mermaids Purse). Da die Haimutter ihre Brut nicht behütet, sondern die Kapseln meistens an Meerespflanzen festharkt und dann ihrem Schicksal und dann die Babywiege ihrem Schicksal überlässt, sind die dunkleren Farben eine bessere Tarnung und schützen den jungen Hai beim Heranwachsen.

Alle Haie und andere Knorpelfische legen wesentlich weniger, aber dafür größere Eier als Knochenfische ab.

Zum Weiterlesen und -gucken:

Kinderstube des Weißen Hais – vor Kalifornien?

Drohnenaufnahmen vor der Küste Südkaliforniens haben möglicherweise den ersten Blick auf einen neugeborenen Weißen Hai in freier Wildbahn ermöglicht. Seit der Corona-Pandemie hat der vorher als Hochzeits-Photograph arbeitende Carlos Gauna per Drohne Aufnahmen der kalifornischen Strandgewässer gemacht und dabei schnell bemerkt, dass dort extrem viel mehr Weiße Haie herumschwimmen, als bis dahin bekannt war. Vor allem drei Meter lange Heranwachsende gingen unter den Füßen der nichtsahnenden Badegäste auf Stachelrochen-Jagd.
Seitdem stellt er seine Drohnen-Aufnahmen auch Haiforschern zur Verfügung, bekannt geworden ist er als „Malibu-Artist“.

Mit der Beobachtung eines besonders kleinen Weißen Hais machten Carlos Gauna und der Biologie-Doktorand Phillip Sternes (University of California Riverside) jetzt Schlagzeilen: Sie hatten einen nur 1,5 Meter kleinen Hai gefilmt, dessen Oberseite nicht grau, sondern fahlweiß war. Beim näheren Betrachten der Bilder und Videos im Sucher der Drohnenkamera bemerkten die beiden einen dünnen, weißen Film, der den Haikörper bedeckte, und den der Knorpelfisch abstreifte. In der Zeitlupe wurde das Absteifen der Hau klarer. Der Biologe Sternes geht davon aus, dass dies ein neugeborener weißer Hai war, der seine Embryonalschicht abgeworfen hat.“ Ihre Beobachtung vom Sommer letzten Jahres haben die beiden gerade in der Fachzeitschrift Environmental Biology of Fishes veröffentlicht.

Embryonale Weiße Haie ernähren sich im Mutterleib von unbefruchteten Eiern, neben diesen Proteinen versorgen die Mütter versorgen ihre Embryonen zusätzlich mit einer Art Milch, die in der Gebärmutter abgesondert wird. Diese Milch könnte die helle Färbung des kleinen Hais verursacht haben.

Auch wenn ihre Interpretation ein wenig spekulativ ist, könnte dies das erste Mal gewesen sein, dass ein neugeborener Weißer Hai in freier Wildbahn beobachtet wurde. Es wurden zwar schon Haiweibchen mit weit entwickelten Embryonen gefunden, aber noch nie eine Geburt oder Neugeborene beobachtet.
Eine alternative Erklärung für die weißliche Farbe des Hais wäre eine unbekannte Hauterkrankung. Diese pathologische Interpretation halten Gauna und Sternes allerdings für weniger plausibel. Sie meinen, der dünne Mini-Hai mit seinen abgerundeten Flossen deuten am Wahrscheinlichsten auf ein Neugeborenes hin. Außerdem  vermuten Forscher ja seit Längerem, dass dieser Ort vor der Küste Zentralkaliforniens ein Geburtsort für Weiße Haie ist.
Einige Hai-Experten sind weniger überzeugt: Gavin Naylor (Direktor des Florida Program for Shark Research an der University of Florida und Kurator am Florida Museum of Natural History) sagte, es sei zwar möglich, dass es sich bei der Sichtung um einen neugeborenen Weißen Hai gehandelt habe, hält diese Schlussfolgerung aber für sehr spekulativ. Schließlich würde Haimütter normalerweise 8 und 12 Junge auf einmal zur Welt bringen. Von denen fehlt hier aber jede Spur.

Damit ist diese Beobachtung zwar phantastisch, lüftet aber nicht sicher das Geheimnis um die Kinderstube der Weißen Haie.

Zum Weiterlesen und -gucken:

Carlos Gauna & Phillip C. Sternes: Novel aerial observations of a possible newborn white shark (Carcharodon carcharias) in Southern California

Zum Video von Gaura und Sternes:

Die Evolution des Hai-«Penis» – ein uraltes und bewährtes Organ

Bei Knochenfischen ist die Reproduktion meist wenig spektakulär: Das Weibchen gibt die Eier ins Wasser ab, dann schwimmt das Männchen darüber und gibt seinen Samen dazu. Eine kleine, milchige Wolke, darum auch „Milch“ genannt.
Dieser ganze Vorgang der äußeren Befruchtung kann ausgeschmückt und variiert werden, wie etwa bei Seepferdchen. Aber meistens wird es nicht so richtig „gefühlsecht“, wie wir Säugetiere es uns so vorstellen. Eine innere Befruchtung ist doch schon eine andere Nummer.
Knorpelfische – Haie, Rochen und Chimären – vollziehen eine innere Befruchtung!

Dafür haben die Männchen zwei penisartige Strukturen, die Klasper, die sie in die Kloake ihrer Holden einführen. Das Sperma fließt dann durch die Rinne im Innern des Klaspers in den Eileiter. Außerdem sorgen die Klasper für eine „Verankerung“ des Männchens am Weibchen, schließlich ist so ein Liebesspiel im Wasser nicht ganz einfach.
Dieser „Penis“ besteht aus einem zusammengerollten Abschnitt der Bauchflossen, so dass Männchen und Weibchen äußerlich sehr einfach unterscheidbar sind.

The claspers of a young spinner shark (Carcharhinus brevipinna) (Wikipedia: Clasper; Jean-Lou Justine:
Carcharhinus brevipinna, male. Detail of external male parts (claspers). Locality: from fish market, Nouméa, New Caledonia (probably caught near Nouméa City). Total Length 860 mm, Weight 2,800 grams. Date 2009-10-23.)

Klasper erwachsener Männchen sind übrigens mit Kalksalzen verstärkt, sie fossilisieren auch. So sind diese Begattungsorgane schon von Placodermen aus dem Erdaltertum überliefert. Diese Panzerfische sind vor über 360 Millionen Jahren ausgestorben – sie haben die ältesten bekannten Kopulationsorgane aller Wirbeltiere ((Long et al: Copulation in antiarch placoderms and the origin of gnathostome internal fertilization; Nature, January 2015).

Auch die genetische Grundlage für die Klasper-Entwicklung ist offenbar schon uralt.
Katherine L. O’Shaughnessy (University of Florida) hatte 2015 das Wachstum von Leucoraja erinacea-Embryonen in ihren Eihüllen im Labor beobachtet. Leucoraja erinacea ist ein kleiner Rochen, der im westlichen Nordatlantik lebt.

(Dieses Video gehört nicht zu ihrer Forschungsarbeit, ist aber ein wunderbares Lehrvideo von Andrew Gillis (Gillis Lab, University of Cambridge))

Beim Vergleich eines weiblichen und eines männlichen Embryonen wurde deutlich, dass die Klasper sich in einem späten Wachstumsstadium der Bauchflossen entwickeln.
Daraufhin analysierte O’Shaughnessy das Sonic Hedgehog (Shh), das u. a. die Entwicklung der Extremitäten steuert, also auch der Bauchflossen.
Hedgehog ist ein Signalprotein und Morphogen, das in der Embyonalentwicklung wichtige Aufgaben übernimmt. Sonic Hedgehog ist ein spezifisches Hedgehog-Protein und steuert die Entwicklung der Extremitäten und des Gehirns. Das Sonic Hedgehog-Protein wird vom Sonic Hedgehog-Gen codiert – dieser Signalweg ist von der Fruchtfliege bis zum Menschen bekannt.

Das Shh wurde bei männlichen Embryonen einen Monat früher aktiv, als bei weiblichen.
Ein Verringern des Shh bei heranwachsenden Männchen reduzierte die Klasper-Entwicklung signifikant und die frühere Aktivierung des Shh bei Weibchen führte zu einer Ausbildung von Klaspern.
Für das Einschalten des Shh ist das Geschlechtshormon Androgen verantwortlich.
Dieser Mechanismus, mit Androgen den Shh zu einem früheren Zeitpunkt anzuschalten und so Klasper auszubilden, ist evolutiv offenbar sehr alt – vermutlich lief es bereits bei den Placodermen vor über 360 Millionen Jahren so ab.

Zum Weiterlesen:

Katherine L. O’Shaughnessy et al: “Molecular development of chondrichthyan claspers and the evolution of copulatory organs” (Nature Communications, 2015)

Mehr zur Fortpflanzung der Haie ist auch bei der Deutschen Elasmobranchier-Gesellschaft zu finden:
https://www.elasmo.de/biologie/fortpflanzung

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https://meertext.eu/

Auf dem Science-Blog „Meertext“ schreibe ich über meine Lieblingsthemen: Biologie, Zoologie, Paläontologie und das Meer. Wale, Fische und andere Meeresgetüme. Tot oder lebendig. Fossile Meere, heutige Meere und Meere der Zukunft. Die Erforschung, nachhaltige Nutzung und den Schutz der Ozeane. Auf der Erde und anderen Welten. Ich berichte regelmäßig über Forschung und Wissenschaft, hinterfrage Publikationen und Statements und publiziere eigene Erlebnisse und Ergebnisse. Außerdem schreibe ich über ausgewählte Ausstellungen, Vorträge, Bücher, Filme und Events zu den Themen. Mehr über meine Arbeit als Biologin und Journalistin gibt´s auf meiner Homepage “Meertext”.

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