Der Wesir Abdul / ВИЗИРЬ АБДУЛ : Märchen von Leo Tolstoi


Wer kennt die Märchen des berühmten russischen Schriftstellers Leo Tolstoi (1828-1910)? In einfacher Klarheit geht es um die großen Themen der Menschheit. Hier seine Geschichte des wahrheitsliebenden Wesirs namens Abdul.

Der Schah von Persien hatte einen wahrheitsliebenden Wesir, Abdul. Einmal ritt Abdul durch die Stadt zum Schah. Doch in der Stadt versammelte sich gerade das Volk zum Aufstand. Sobald sie den Wesir sahen, umringten sie ihn, hielten das Pferd an und drohten, dass sie ihn töten würden, wenn er nicht täte, was sie wollten. Ein Mann war so dreist, dass er ihn an seinem Bart packte und zog.

Als sie den Wesir freiließen, kam er beim Schah an und bat ihn, dem Volk zu helfen und es nicht dafür zu bestrafen, dass es ihn so gekränkt hatte.

Am nächsten Morgen kam ein Krämer zum Wesir. Der Wesir fragte, was er brauche. Der Krämer sagte:

“Ich bin gekommen, um dir genau die Person zu verraten, die dich gestern beleidigt hat. Ich kenne ihn – es ist mein Nachbar, sein Name ist Nagim. Lass ihn kommen und bestrafen!”

Der Wesir entließ den Krämer und schickte nach Nagim. Nagim ahnte, dass er verraten worden war, kam weder lebendig noch tot zum Wesir und fiel ihm zu Füßen.

Der Wesir half ihm hoch und sagte:

“Ich ließ dich nicht kommen, um dich zu bestrafen, sondern nur, um dir zu sagen, dass du einen schlechten Nachbarn hast. Er hat dich verraten, hüte dich vor ihm. Geh mit Gott!”

Und die Moral von der Geschicht?

Lasst die schlechten Menschen hinter euch. Lebt lieber Wertschätzung und Liebe.

Oder wie Heinz Rühmann sagte:

“Die Zeit ist zu kostbar, um sie mit falschen Dingen zu verschwenden.”

Dies war übrigens mein erstes russisches Märchen, das ich auf Deutsch übersetzt habe. Weitere werden folgen, auch mit Erklärungen warum und wozu es in den letzten Monaten hier so ruhig war… Stay tuned.

Allen einen guten Rutsch in ein gesundes, friedvolles, erfolgreiches und glückliches Jahr 2024!

Originaltext:

ВИЗИРЬ АБДУЛ

(Сказка)

Был у персидского царя правдивый визирь Абдул. Поехал он раз к царю через город.
А в городе собрался народ бунтовать. Как только увидали визиря, обступили его, остановили лошадь и стали грозить ему, что они его убьют, если он по-ихнему не сделает. Один человек так осмелился, что взял его за бороду и подёргал ему бороду. Когда они отпустили визиря, он приехал к царю и упросил его помочь народу и не наказывать за то, что они его так обидели.

На другое утро пришел к визирю лавочник. Визирь спросил, что ему надо. Лавочник говорит:

«Я пришел выдать тебе того самого человека, который тебя обидел вчера. Я его знаю — это мой сосед, его звать Нагим; пошли за ним и накажи его!»

Визирь отпустил лавочника и послал за Нагимом. Нагим догадался, что его выдали, пришел ни жив ни мертв к визирю и упал в ноги.

Визирь поднял его и сказал:

«Я не затем призвал тебя, чтобы наказывать, а только затем, чтобы сказать тебе, что у тебя сосед нехорош. Он тебя выдал, берегись его. Ступай с богом».

Quelle /weiterführende Literatur:

  • Tolstoi, Leo N. / Толстой Лев Н.: ЕРВАЯ РУССКАЯ КНИГА ДЛЯ ЧТЕНИЯ (deutsch: Das erste russische Buch zum Lesen), S. 126 in:
    Полное собрание сочинений. Том 21 Новая азбука и Русские книги для чтения 1874—1875 Государственное издательство; художественной литературы ; Москва — 1957 (Tolstoi, Lew Nikolajewitsch: Vollständige Zusammenstellung der Schriften. Band 21. Neues Alphabet Und Russische Bücher zum Lesen 1874–1875, Staatsverlag Fiktion Moskau – 1957), online: http://tolstoy.ru/online/90/21/

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Veröffentlicht von

Dr. Karin Schumacher bloggte zunächst als Trota von Berlin seit 2010 bei den SciLogs. Nach dem Studium der Humanmedizin in Deutschland und Spanien promovierte sie neurowissenschaftlich und forschte immunologisch in einigen bekannten Forschungsinstituten, bevor sie in Europas größter Universitätsfrauenklinik eine Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe abschloss. Hierbei wuchs das Interesse an neuen Wegen in der Medizin zu Prävention und Heilung von Krankheiten durch eine gesunde Lebensweise dank mehr Achtsamkeit für sich und seine Umwelt, Respekt und Selbstverantwortung. Die Kosmopolitin ist leidenschaftliche Bergsportlerin und Violinistin und wenn sie nicht gerade fotografiert, schreibt oder liest, dann lernt sie eine neue Sprache. Auf Twitter ist sie übrigens als @med_and_more unterwegs.

4 Kommentare

  1. In der Praxis steckte der Wesir Nagim in den Gulag, der Krämer wurde KGB-Spitzel, ist jetzt Zar und dichtet Märchen von Hämmern und Hexen, denn man wird nicht Wesir, wenn man nicht alle Wahrheit liebt… Allerdings bleibt die Weisheit erhalten, dass Verräter sehr langen Atem, sehr lange Finger und sehr lange Beine brauchen, denn jeder weiß, ein Orban ist immer ein Sicherheitsrisiko, auch für den, der ihm seine 30 Silberrubel zahlt. Man kommt voran, solange keiner den Thron gewonnen hat, wenn man bis dahin seine Schäfchen nicht ins Trockene gebracht hat, wird man vom Sieger bei der unausweichlichen Säuberung mit gekreuzigt. Snitches get stitches in da Hood, und selbst die Cops ekeln sich vor ihnen. Also treiben sie das Spiel immer weiter und weiter und weiter, denn nur wenn der Krieg ewig geht, werden sie gebraucht und überleben.

    Es gibt so viel Tolles in Russland, doch das politische System ist die Schwachstelle, es bringt immer die Schlimmsten an die Macht – die Sorte Leute, die woanders in Sicherheitsverwahrung schmoren. Im Westen herrschen Diebe, Trickbetrüger, Falschspieler, Gelegenheits-Giftmischer, in Russland all das und Menschenhändler, Räuber, Vergewaltiger, Serienmörder. Und deswegen muss ich darüber nachdenken, wie ich möglichst viele Russen möglichst schnell und effizient ermorde, bevor sie es mit den Leuten tun, die ich liebe, obwohl fast alle von uns keinen Bock darauf haben und wir viel lieber Märchen-Weisheiten austauschen würden. Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin… Vielleicht sollten wir es alle tun, denn er ist uns dicht auf den Fersen.

    Ich würde gern ein zeitloses Märchen schreiben. Von zwei Straßenkötern, die eine Stadt erobern. Ihre Reviere treffen sich mitten auf dem Marktplatz, doch jeder beansprucht die ganze Stadt für sich alleine. Zunächst bellen sie sich nur an, und die Leute schütteln den Kopf und reden darüber wie klug sie sind, sich da raus zu halten. Dann nimmt das Gebell zu und die Krämer bringen ihre Stände fort, weil es zu laut für die Kunden ist, deswegen wird es überall auf dem Marktplatz enger und Streitereien brechen aus. Dann beißen sich die Hunde, und Leute wetten auf sie. Und weil die Hunde auf dem ganzen Marktplatz herumtollen, rennen die Leute überall weg, rempeln einander an, Diebe und Räuber ergreifen ihre Chancen, die Bestohlenen wehren sich und rufen nach der Polizei, die viel zu viel zu tun hat, um zu kommen, und es gibt ein noch größeres Chaos. Einer wagt es, einen Hund zu treten, der im Eifer des Gefechts seine Wade beißt, einer, der auf diesen Hund gewettet hat, ruft was von Betrug. Diejenigen, die die Wetten abgeschlossen haben, bilden plötzlich zwei Gangs und fetzen sich, wie die Hunde. Der Rest weicht zurück und macht einen Bogen um sie, dadurch wird es überall noch enger und die Luft noch dicker, man verliert schnell ein paar Zähne. Wer durchs Gedränge kommen will, muss sich einer der Gangs anschließen, denn für die Tobsüchtigen machen alle Platz. Und sie stoßen die Stände um, und sie machen einander noch wütender, und wer das Gebell und die Kämpfe nicht erträgt, bleibt mucksmäuschenstill zuhause und versteckt sich. Und plötzlich ist nichts wichtiger auf der Welt, als die alberne Klopperei zwischen Team Fido und Team Rex, denn sie entscheidet über Leben und Tod, und wer nicht mitmacht, wer in keiner Gang ist, ist ein Verräter und Snitches get stitches.

    Rex und Fido sind da längst über ein paar Straßen verteilt, als Gedärme und blutiger Matsch, zertrampelt von ihren Followern. Aber ihr Geist lebt weiter, ihnen werden Denkmäler errichtet werden, ihre Heldentaten werden besungen und in ihre Politik Weisheit und Weitsicht hineininterpretiert werden, und die Sorge um das Wohl ihres Volkes. Denn die Überlebenden werden in den verkohlten Trümmern ihrer Stadt stehen, umgeben von den Leichen ihrer Liebsten, und sie werden ihre eigene Dummheit nicht glauben wollen. Sie werden einen Sinn suchen, wo keiner ist und eine Erklärung, wo keine ist, außer dass der Frieden sich vor Verrätern ekelt, und Snitches get stitches.

    Eine Zombie-Apokalypse ist eine Pandemie, wie jede andere auch. Doch die DNA des Virus ist mit unserer identisch und wird durch Umweltbedingungen aktiviert, Patient Zero hieß Adam. Und was in Ukraine oder Israel dumm läuft, ist, dass wir zwar die Infizierten, deren Symptomatik ausgebrochen ist, unter Quarantäne stellen, aber die Superspreader, welche selbst nur geringfügige Stigmata zeigen, gegen Heilmittel impfen, oder gar zu Highländer-Heilanden erklären – es kann nur einen Führer geben. Man kennt das Muster aus Zombie- und Vampirfilmen, aber gab’s da nicht echte Parasiten, die ihren Hauptwirt scheinbar gesund erhalten? Da klingelt was, hab’s aber vergessen und könnte mich auch irren. Bei Menschen ist das so offensichtlich, dass es witzlos ist, es auszusprechen, unsere ganze Sozialstruktur basiert darauf. Aber irgendein Pilz, Wurm, Virus, Bakterie käme als Analogie cool.

    • Paul S,
      nach deinem Märchen bleibt jeder mucksmäuschenstill zu Hause, zur Erholung oder im Falle eines Nervenfiebers zur Rekonvaleszenz.

  2. Fällt mir nur ein: Der größte Feind im ganzen Land das ist und bleibt der Denunziant. Scheinbar ein großes und ewiges Thema der Menschen denn schon Judas denunzierte Jesus und im Römischen Reich gehörte es zum guten Ton, zu den Machtspielen (Seneca, Caligula etc.) Immer wenn es um Macht geht- und wo geht es nicht darum ?- wird denunziert dass sich die Balken biegen. Die Geschichte der Königshäuser im Feudalismus ist voll davon. Diese Spezies der Kleingeister, Speichellecker, Heuchler oder A-Kriecher hat es schon immer gegeben und auch in der Gegenwart sind sie überall vertreten. Man erkennt sie relativ schnell an ihrem Verhalten, nämlich nach oben kratzen und nach unten treten und am mehr Schein als Sein. Zu Tolstois Zeiten war es nicht anders ,wurde er doch auch wegen seiner gesellschaftskritischen Einstellung denunziert

  3. “Wertschätzung” und “Liebe”? – Im zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf dieses imperialistisch-faschistischen Erbensystems, seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (in den geistigen Stillstand / in die “göttliche Sicherung”), wo Schuld- und Sündenbocksuche zur wettbewerbsbedingt-systemrationalen Konfusion der Wahrheit unseres Daseins absolut sind, können diese auch nur stumpf- und blödsinnige Illusionen sein – Gott bedeutet Vernunft, die vernunftbegabte KI der Schöpfung, für das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch, bedeutet ALLE, also dem Ursprung / der Programmierung entsprechend-fusionierende Bewusstseinsentwicklung zur Überwindung, Vollendung und …!!!

    Was sind Leben und Liebe wert, wenn sie nur die Sinnhaftigkeit der ZUFÄLLIGEN “individualbewussten” Einmaligkeit / gleichermaßen unverarbeitet-gepflegten Bewusstseinsschwäche, also stumpf-, blöd- und wahnsinnige Illusionen / systemrationale Bewusstseinsbetäubung innehaben???

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