Corona-Krise 2.0? In Farmnerzen mutierte Coronaviren infizieren Menschen

@dwnews - Denmark to cull up 17 million minks to prevent spread of mutated coronavirus (YouTube, 11-06-20)

Ohne Corona wäre es vielleicht nie aufgefallen: Das kleine Dänemark ist der weltweit größte Exporteur von Nerzfellen – etwas, das eigentlich niemand auf dieser Erde noch brauchen sollte. Nun ist das Sars-CoV-2-Virus in einigen dänischen Nerzfarmen mutiert, und die Nerze haben mehrere Menschen angesteckt. Vorsorglich lässt Dänemark jetzt alle – 17 Millionen! – Farmnerze töten. Außerdem verhängte das Land einen Lockdown für die betroffenen Regionen. Hat die Corona-Krise damit ein neues Level erreicht?

In Dänemark lebten – zumindest bislang – etwa dreimal soviel Nerze wie Menschen. Leider bekommen diese wunderschönen Tiere nicht annähernd den Lebensraum, den sie brauchen oder gar Rechte zu ihrem Schutz. Was schlecht für die Nerze ist, ist gut für Corona-Viren.

Massentierhaltung immer wieder im Fokus der Corona-Krise

Wann begreifen wir endlich? Die nicht-artgerechte Haltung und Ausbeutung von Lebewesen hat langfristig verheerende Folgen. Die Corona-Krise legt ihre Finger in die vielen offenen Wunden unserer Gesellschaft. Eine dieser Wunden ist die Massentierhaltung und unser Umgang mit der Fleischindustrie.

So hat die große Zahl der COVID-19-Infektionen in Schlachthöfen ein Schlaglicht auf die prekären Zustände und dadurch bedingte Infektionswege geworfen [1]. Immerhin wurde mittlerweile die Arbeitssicherheit der dort beschäftigten Menschen erhöht [2]. Durch Einbau von Hochleistungsfiltern soll beispielsweise vermieden werden, dass sich Viren weiterhin über Umluftkühlanlagen verbreiten können.

Pelztierzucht – wozu?

Auch Nerze mögen es kalt. Ihr seidiges und dichtes Fell war früher eine extrem schwer zu erlegende und damit bei Menschen entsprechend hoch begehrte Trophäe. Die kleinen Raubtiere, die zur Familie der Marder (Mustelide) gehören, sind begnadete Schwimmer und Taucher. In freier Natur ist das Revier dieser normalerweise einzelgängerisch lebenden Jäger etwa 20 Quadratkilometer groß. Seit Menschen begannen, sich mit Statussymbolen zu schmücken, wurden Nerze intensiv bejagt.

Heute sind Nerzmäntel schon lange kein Luxusartikel mehr. Ganz im Gegenteil – eigentlich sind Pelze in der Mode mittlerweile überflüssig. Dennoch werden die Felle des Amerikanischen Nerzes (Neovison vison) noch immer für uns in riesigen Tierfarmen “produziert”.

“Bio”-Diesel aus Nerzkadavern

Um das Ganze noch effizienter zu gestalten, werden die zurückbleibenden Kadaver zu Bio-Diesel verarbeitet [3]. Damit fahren dann auch deutsche Tierfreunde gefühlt ökologisch-korrekt möglichst preiswert durch die Gegend. Zumindest (hoffentlich) bislang.

Denn vielleicht hat dieser Spuk nun dank Corona bald ein Ende. Auch wenn es ein Ende mit Schrecken wird und ich vielleicht ein wenig zu optimistisch bin.

Nerzfarm-Eldorado Dänemark

Da in Deutschland die Zucht von Nerzen aufgrund der hohen Auflagen unrentabel ist, hat sich die Pelztierzucht ins Ausland verlagert. In Dänemark können die bewegungs- und wasserliebenden Tiere offenbar besonders billig gehalten werden.

Hierzulande muss den Nerzen wenigstens ein Wasserbecken und bestimmtes Beschäftigungsmaterial geboten werden. Auch müssen die Käfige größer sein, sodass die Produktion unter dänischen Bedingungen gegen das deutsche Tierschutzgesetz verstoßen würde.

2019 lebten etwa 5,8 Millionen Menschen in Dänemark. 1200 Nerzfarmen gibt es in dem 43.094 Quadratkilometer großen Kernland. Die etwa 15 bis 17 Millionen Nerze werden gewöhnlich in Käfigen gehalten, die 90 x 30 x 40 cm groß sind. Nur mal aus Spaß zum Nachrechnen: Ein freilebender Nerz würde allein 20 Quadratkilometer für sich beanspruchen. Wie viele Nerze hätten dann Platz in diesem Land?

Dänemark ist der größte Produzent von Nerzfellen weltweit. Vielleicht könnte dieser Spuk dank Corona nun ein jähes Ende finden. Doch das wäre fast zu schön, um wahr zu werden.

Nerze und Coronaviren

Schon in den vergangenen Monaten waren immer wieder Ausbrüche auf Nerzfarmen in den Niederlanden, USA, Spanien und Dänemark aufgetreten. Dies führte zur Tötung von Millionen gezüchteter Nerze. Dabei steckten sich die Tiere hauptsächlich bei Menschen an.

Die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC geht aber davon aus, dass das Sars-CoV-2 Virus auch von Nerzen auf Menschen übertragen werden kann, obwohl dieser Übertragungsweg – zumindest bislang – keine besondere Rolle in der Verbreitung des Virus spielte.

In einer niederländischen Studie, die im September veröffentlicht wurde, zeigten 66 von 97 (67%) untersuchten Menschen, die auf niederländischen Nerzfarmen leben oder arbeiten, einen positiven Sars-CoV-2 Virus mittels PCR oder Antikörper-Tests [4]. Auch in den Niederlanden war eine in den Nerzen aufgetretene Mutation auf die Menschen in den Farmen und in deren Umgebung zurückgesprungen [5]. Wie in anderen Ländern, in denen noch Nerze gezüchtet werden, wurden auch in den Niederlanden in den letzten Monaten “vorsorglich” tausende Tiere “gekeult”.

Nerze als Versuchstiere für Sars-CoV-2-Studien?

Nerze sind von Natur aus empfänglich für Infektionen mit Coronaviren. Eine im September in der renommierten Fachzeitschrift Nature erschienene Übersichtsarbeit empfiehlt Nerze neben Frettchen als geeignete Versuchstiere für die Untersuchung von Sars-CoV-2 anhand von Tiermodellen [6].

Coronaviren mutieren – wie alle Viren, deren Genom aus RNA besteht – immer wieder und relativ schnell. Bei Sars-CoV-2 trat bislang noch keine Mutation auf, über die Menschen sich übertriebene Sorgen machen müssten.

Zudem ist Sars-CoV-2 relativ langsam bezüglich seiner Veränderungsrate. Laut Emma Hodcroft, Molekularepidemiologin an der Universität Basel, erwerbe ein typisches Sars-CoV-2-Virus nur etwa zwei Mutationen im Monat [7]. Bei Influenza sei die Rate beispielsweise doppelt so hoch. Das Projekt Nextstrain versucht, Sars-CoV-2-Genome in Echtzeit zu analysieren.

Das neue “dänische Virus”…

Mittlerweile haben sich nun Menschen bei ihren Farmnerzen mit einer in Nerzen mutierten Form des Sars-CoV-2 Virus angesteckt. Am Mittwoch teilte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in einer Pressekonferenz mit, dass zwölf Menschen im Norden des Landes von Nerzen mit einer mutierten Form des Corona-Virus infiziert wurden. Der dänische Gesundheitsminister Magnus Heunicke hat die Fälle der WHO und der EU-Kommission gemeldet.

Denn dieses mutierte Coronavirus könnte weltweite Folgen haben. “Dänischer Nerz könnte die nächste Pandemiewelle auslösen”, titelte die dänische Zeitung “Politiken” prompt am Donnerstag.

In Nordjütland waren in der vergangenen Woche knapp 800 Corona-Infektionen gemeldet worden. Ungefähr die Hälfte davon ließ sich auf Virusstämme zurückführen, die in Zusammenhang mit Nerzen stehen. Auf der Seite des dänischen TV kann man verfolgen, wie viele Nerzfarmen betroffen sind.

… nicht gefährlicher, aber anderes Antigen-Profil

Der Direktor des dänischen Gesundheitsinstituts “Statens Serum Institut” (SSI), Kåre Mølbak, betonte in einer Pressekonferenz, dass das neuartige Nerz-Corona-Virus nicht gefährlicher sei als die bislang bekannten Varianten. Es zeige aber eine verringerte Empfindlichkeit auf Antikörper. Im schlimmsten Fall beginne die Pandemie von vorn, ausgehend von Dänemark. Auch böten die bereits in der Entwicklung stehenden Impfstoffe keinen Schutz gegen die neue Variante.

Lockdown für die Dänen, Tod für die Nerze

Die dänische Regierung hat einen faktischen Lockdown für die in den betroffenen Gebieten lebenden Menschen angeordnet. Etwa 280.000 Einwohner sollen zuhause bleiben, Schulen wurden zum Teil geschlossen. Andere Menschen sollen nicht in die Risikogebiete reisen. Außerdem müssen alle (etwa 17 Millionen) Nerze so schnell wie möglich getötet werden. Ob diese Maßnahmen jedoch die zugrundeliegenden Probleme lösen werden, bleibt offen.

Wie sagte schon der heute kaum mehr bekannte Ferdinand von Schill (1776 – 1809), Kommandeur eines Freicorps im Einsatz gegen Napoleons Franzosen, bei einer Ansprache auf dem Marktplatz von Arneburg an der Elbe anno 1809 in Anspielung auf Psalm 73,19:

“Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende”.

(Zitiert nach: Georg Büchmann: Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes. 23. Auflage. Berlin, 1907. S.533).

Doch leider ist das wohl noch lange nicht das Ende.

Corona bei Katzen & Co.?

In den Niederlanden konnten auch bei einigen Katzen, die auf Farmen mit Sars-CoV-2 infizierten Nerze leben, Antikörper gegen COVID-19 nachgewiesen werden. Viel “Spaß” bei der Quarantäneüberwachung und beim Nachverfolgen der “Kontakte” dieser schnurrenden Lieblinge vieler Menschen [8]…

Das U.S. Department of Agriculture (USDA) führt übrigens eine Liste mit Tieren, die in den USA bislang an COVID-19 erkrankten. Neben einem Zoo-Tiger und einem Löwen sind dort Katzen, Nerze und Hunde aufgeführt. Auf der Seite des CDC finden sich Informationen zum Umgang mit Sars-CoV-2 positiven Tieren.

Titelbild aus Video: Denmark to cull up to 17 million minks to prevent spread of mutated coronavirus | Report by Christian Stichler. DW News. YouTube, 06.11.2020. 

Quellen / weiterführende Literatur:

  1. Guenther T et al. Investigation of a superspreading event preceding the largest meat processing plant-related SARS-Coronavirus 2 outbreak in Germany (July 17, 2020). Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=3654517 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3654517
  2. Schmude M. COVID-19: Was aus den Infizierten bei Tönnies wurde. Deutschlandfunk, 01.09.2020 (online, abgerufen am 06.11.2020)
  3. Pelzindustrie. Die Geschäfte mit Nerzen in Deutschland gehen weiter. daserste.de, Sendetermin 15.01.2020, Video online verfügbar bis 15.01.2021 (abgerufen am 06.11.2020). 
  4. Oreshkova N et al. SARS-CoV-2 infection in farmed minks, the Netherlands, April and May 2020. Euro Surveill. 2020; 25(23):pii=2001005. https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2020.25.23.2001005
  5. Oude BB et al. Jumping back and forth: anthropozoonotic and zoonotic transmission of SARS-CoV-2 on mink farms. bioRxiv 2020.09.01.277152; https://doi.org/10.1101/2020.09.01.277152.
  6. Muñoz-Fontanela C et al. Animal models for COVID-19. Nature 586, 509–515 (2020). https://doi.org/10.1038/s41586-020-2787-6
  7. Callaway E. Das neue Coronavirus mutiert – Wie gefährlich ist das? Spektrum.de, 21.09.2020 (online, abgerufen am 06.11.2020)
  8. COVID-19 detected on multiple Dutch mink farms. Wageningen University and Research. Oct. 25, 2020 (online, abgerufen am 06.11.2020)

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Dr. Karin Schumacher bloggte zunächst als Trota von Berlin seit 2010 bei den SciLogs. Nach dem Studium der Humanmedizin in Deutschland und Spanien promovierte sie neurowissenschaftlich und forschte immunologisch in einigen bekannten Forschungsinstituten, bevor sie in Europas größter Universitätsfrauenklinik eine Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe abschloss. Hierbei wuchs das Interesse an neuen Wegen in der Medizin zu Prävention und Heilung von Krankheiten durch eine gesunde Lebensweise dank mehr Achtsamkeit für sich und seine Umwelt, Respekt und Selbstverantwortung. Die Kosmopolitin ist leidenschaftliche Bergsportlerin und Violinistin und wenn sie nicht gerade fotografiert, schreibt oder liest, dann lernt sie eine neue Sprache. Auf Twitter ist sie übrigens als @med_and_more unterwegs.

7 Kommentare

  1. Schuld-/Sündenbocksuche und systemrationale Konfusion im zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf der Jahrtausende des geistigen Stillstandes

    “Die nicht-artgerechte Haltung und Ausbeutung von Lebewesen hat langfristig verheerende Folgen.”

    Ursache und Wirkung – Das wettbewerbsbedingte Unternehmertum und die damit verbundene menschenUNwürdige Ausbeutung in SCHEINBAR alternativloser Abhängigkeit von Symptomatik in “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei” ist der Hauptgrund den es VOR ALLEM zu beenden gilt!!!

  2. Das kleine Dänemark ist der weltweit größte Importeur von Nerzfellen

    Das muss wohl heißen, der größte Exporteur.

  3. Covid-19 und seine Abkömmlinge (wie die dänische Nerz-Variante) könnten irgendwann eine ähnliche Rolle und Verbreitung finden wie die Grippe – nur mit einer um ein Vielfaches grösseren Gefahr für ältere Menschen.

    Begründung: Zwar mutiert Sars-CoV-2 wesentlich langsamer als es die Grippe-Viren tun, aber scheinbar immer noch genügend schnell um Impfwirkstoffe nach ein paar Monaten unwirksam zu machen. Es besteht also die Gefahr, dass wir Covid-19 und seine Abkömmlinge nie mehr los werden und wir mit ihnen leben müssen wie wir es mit Grippe tun. Auch die Immunität nach durchgemachter Covid-19 Erkrankungen scheint nicht ewig anzuhalten was wohl auch für eine Impfung gelten würde, so dass sie periodisch wiederholt werden müsste.

    Fazit: Es wäre besser Sars-CoV-2 vollkommen zu eliminieren weil sonst die Gefahr besteht, dass wir es nie mehr los werden. China, Taiwan, Südkorea, Neuseeland und Australien haben Sars-CoV-2 tatsächlich weitgehend eliminiert, doch sie sind die Ausnahmen und auch sie werden wohl irgendwann von neuen Covid-19 Wellen überrannt.

    • @Martin Holzherr

      „Es wäre besser Sars-CoV-2 vollkommen zu eliminieren weil sonst die Gefahr besteht, dass wir es nie mehr los werden.“

      Bei der momentan herrschenden Disziplin in Deutschland ist an eine Eliminierung des Virus doch gar nicht zu denken. Erst heute gab es in Leipzig eine Demo der “Querdenker” mit über 20 000 Menschen, von denen sich kaum jemand an die Corona-Schutzmaßnahmen hielt.
      Dazu fällt mir eigentlich nur noch ein Spruch des bayerischen Komikers Karl Valentin ein: “Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist!”

  4. @Mona & Holzherr

    Es ist nicht die systemrational-gesteuerte Unvernunft der Massen, es ist die hierarchisch-gebildete Dummheit der steuernden “Treuhänder” und fachidiotischen Experten, die uns durch die zeitgeistlich-reformistische Weltgeschichte und in den Abgrund des nun “freiheitlichen” Wettbewerb führen.

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