Rekordmeldungen aus der Mathematik
BLOG: MATHEMATIK IM ALLTAG
Heute wurde vom GIMPS-Projekt endlich bestätigt, dass am 23. August und am 6. September zwei Primzahlen gefunden wurden, die jeweils deutlich mehr als 10 Millionen Dezimalstellen haben. Diese Zahlen füllen "ausgeschrieben" zwei bis drei dicke vollgedruckte Bände. Dass man solche Zahlen innerhalb von ein paar Tagen auf die Primzahleigenschaft überprüfen kann, zeigt eindrucksvoll, dass Zahlentheorie Hochtechnologie geworden ist. (Primzahltesten gilt in der algorithmischen Zahlentheorie eigentlich als einfach – aber natürlich nicht für so gigantisch große Zahlen; Nichtprimzahlen zu faktorisieren gilt als schwierig – das ist die Aufgabe, von der die Internet-Sicherheit abhängt, und die daher auch Geheimdienste wie die NSA brennend interessiert, die reihenweise höchstqualifizierte Zahlentheoretiker einstellen.)
Auf eine Primzahl mit mehr als 10 Millionen Stellen hatte die Electronic Frontier Foundation ein Preisgeld von 100.000 US-$ ausgesetzt: Rekordjagd ist damit auch eine mathematische Disziplin – und die Zahlentheorie, und speziell die Primzahlsuche ist eine mathematik-sportliche Königsdisziplin: auf dem Ishango-Knochen vor 20.000 Jahren finden sich die Primzahlen 11, 13, 17 und 19, die (dezimal dargestellt) zwei Stellen haben. Wissen Sie, wie Sie eine vier- oder fünfstellige Zahl überprüfen könnten? Und jetzt sind wir bei zehn Millionen Stellen angekommen!
Dass die Rekordmeldung erst heute kommt, ist allerdings merkwürdig. Die Zahlen wurden im Rahmen eines Internet-Gemeinschaftsprojekts namens GIMPS (Great Internet Mersenne Prime Search) mit über 10.000 Mitwirkenden weltweit gefunden – und als sie gefunden waren, mussten sie natürlich überprüft werden. Aber auch als sie überprüft und verifiziert waren, gab es nur merkwürdige Vorankündigungen auf der GIMPS-Webseite, in denen groß und breit die Verifizierer und ihre Rechner genannt wurden, aber nicht die Primzahlen, nicht deren Finder, und nicht die Tatsache, dass die 10-Millionen-Rekord gefallen ist.
Merkwürdige Informationspolitik, gerade für ein Internet-Gemeinschaftsprojekt auf dem Weg zu Preisen der Elektronic Frontier Foundation. Es wird sich lohnen, die Politik zu durchdenken und zu diskutieren…
Wir freuen uns trotzdem – auch aus deutscher Sicht: erstens wurde die zweite (kleinere) Primzahl von Hans-Michael Elvenich aus Langenfeld bei Köln (bzw. von seinem PC) gefunden, einem Mathematik-Enthusiasten, der www.primzahlen.de betreibt. Sie ist also eine deutsche Entdeckung. Und zweitens betrachten wir die Rekordmeldung als Präsent zur Jahrestagung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, die diese Woche in Erlangen stattfindet – Danke!
GIMPS
Hier der Grund fuer die merkwuerdige Informationspolitik: als ich mit George Woltman und Scott Kurowski, den Initianten des GIMPS-Projekts, telefonisch sprach, um herauszufinden, wieso die Zahlen und die Entedecker immer noch nicht genannt werden, stellte sich heraus, dass Kurowski ein Abkommen mit einer Zeitung in San Diego hatte, laut dem sie zuerst ihren Artikel publizieren wuerde, und die Informationen erst nachher oeffentlich bekannt gegeben wuerden. Ich schrieb daraufhin den folgenden Brief an die Electronic Frontier Foundation:
Dear Sirs and Madams of the Electronic Frontier Foundation,
“For the past few days I have been waiting for a press release by the GIMPS project about two new Mersenne-primes that were apparently found through the collaborative efforts of volunteers participating in the project. Rumors and innuendos have been swirling around for days – actively helped along by vague references on the GIMPS website – thus creating buzz and excitement, without giving any scientific details that could be useful to a serious news outlet. Since I could not write my article without more information (what are the numbers? who found them? etc), I emailed and then telephoned Messers George Woltman and Scott Kurowski, the initiators of the GIMPS project.
I was made aware of the following: Mr. Kurowski has entered an agreement with a local newspaper in San Diego according to which nothing specific will be made public anywhere in the world until this newspaper has published its own article (and then passed it on to the AP newswire). I was shocked! I told Woltman and Kurowski that the correct procedure would be to put an embargo on the item so that every news outlet would go public simultaneously. To give one newspaper the opportunity to scoop everyone else is unheard of.
I also explained to Mr. Kurowski that his procedure is unfair. After all, according to rumors, one of the computers that found the new Mersenne prime is located in Germany. Why would the German team have to wait to see their feat published in their own country until the San Diego paper has had its go at it? I also told him that it could backfire: the good will he may earn from the San Diego paper will be more than offset by the ill will among other news outlets (my own, for example). It was to no avail. Mr. Kurowski told me that he would make the information available as soon as he got permission from the San Diego newspaper.
The practice of holding back mathematical results for the profit of a local newspaper is a very negative precedence. After all, the GIMPS project depends on the participation of volunteers from all over the world. The partisan information policy exhibited by Kurowski and Woltman makes a mockery of their good will. It is also counter to free speech, transparency, abuse of intellectual property rights – all principles the EFF stands and fights for. It is also against the most basic ideas of scientific openness and progress.
I have talked to Professor Guenter Ziegler, president of the German Mathematical Society (DMV), who authorized me to tell you that he agrees with all of the above (although he did not see the wording of the letter).
I am writing to you to ask for your opinion on this matter. After all, the EFF prize is one of the factors driving the GIMPS project. “
Bis jetzt erhielt ich noch keine Antwort, werde mich aber melden, sobald eine kommt
Rekord-Primzahl
Kann man diese Zahl irgendwo in gedruckter Form kaufen? Ich würde sie mir gerne vor dem Zubettgehen als Einschlaflektüre näher anschauen und auswendig lernen, um damit meine Nachbarn zu beeindrucken…
Nicht so ernste Grüße
W.T
Frage Primzahlen
Hallo,
warum sind denn Primzahlen so wichtig, dass hier so eine Menge Geld für die Entdeckung ausgesetzt wird? Geht es einfach nur um die Lösung eines “unlösbaren” Problems? Grüße
Re: Rekord-Primzahlen
Wolfgang Teschner fragte, ob man die Zahlen gedruckt kaufen kann – ja, man kann: siehe http://www.perfsci.com/wall-art.asp …
Norman fragte, warum Primzahlen denn so wichtig sind – Primzahlen sind die “Atome der Arithmetik”, also wichtige Bausteine der Mathematik. Das Rennen um besonders große Primzahlen ist aber reine Rekordjagd (mit nebenbei-Nutzen). Werde noch ausführlicher darüber bloggen…