Yrrinthische Nachlese: Mai 2008

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Auch diesmal wieder ein Rückblick zum Monatsende; mit schönen Belegen der Allgegenwart des L-Motivs –

–  die jedoch nicht so bedeutungsvoll sind, dass sie einen eigenständigen Eintrag im Blog verlangen. 

 

8. Mai: Ihr Auftrag, Pater Castell ist der Titel einer neuen Krimi-Mini-Serie im ZDF. Der Titel der ersten von vier Folgen: "Das Labyrinth".

 

12. Mai: Mayday von Jonathan Lynn. Oberflächlicher Roman mit enttäuschendem Schluss: Man sieht richtig, wie der Autor die Lust verloren hat, seine Figuren umbringt oder sonstwie versucht, möglich schnell aus seiner Geschichte rauszukommen. Schade. Der Plot ist originell und intetressant: Ein Bestsellerautor mir Schreibblockade sucht händeringend nach einem zündenden Einfall resp. Plot, während er sich gleichzeitig des Heiratswunsches seiner aktuellen Freundin erwehren, diese aus den Fängen einer dubiosen Sekte retten und sich mit Kollegen, Hollywood-Größen und pseudomodernen Literatur-Wissenschaftlern herumschlagen muss. Da entdeckt er eine Zeitungsannonce:

"Brauche dringend 10.000 Dollar. Lieber heute als morgen. Mache alles mit. Joanna." 

Das ist zunächst mal eine hübsche Einstiegsidee. Der Autor (des Romans) entwickelt sie auch ganz interessant. Leider begeht er die Todsünde, seine Hauptfigur kurz vor Schluss zu ermorden resp. dies geschehen zu lassen. Ein blödsinniger Letdown, der dem frustrierten Leser signalisiert: Jonathan Lynn hat sich im Irrgarten seiner Geschichte leider hoffnungslos verheddert und nicht mehr herausgefunden.

Immerhin: Auf S. 92 finde ich dieses: Die Hauptpersonen wurden vom Mitglied einer Straßengang beschossen. Nun sind sie im Polizeipräsidium und sollen den Attentäter identifizieren:

"Kommen Sie", winkte [der Polizist, der das Protokoll aufgenommen hatte]. Sie folgten ihm durch ein Labyrinth neonbeleuchter Gänge und Kabinen, bis sie vor dem Schreibtisch des Sheriffs standen.

 

14. Mai: In der Hauszeitschrift King Magazine der BurgerKing-Kette habe ich beim Verschmausen eines Crispy Chicken diese Anpreisung eines neuen Computer-Spiels entdeckt:

Mit Experience112 veröffentlichen XIDER und Daedelic Entertainment ein innovatives Mystery-Adventure für den PC. Tatsächlich sprengt das von dem renommierten franzöischen Entwickler-Team Lexis Numérique entworfene PC-Spiel die Grenzen des Genres und bereichert es gleichzeitg mit einer völlig neuen Spielerfahrung.

Wozu das griechische Erfindergenie Daidalos nicht alles auch heute noch inspiriert.  Ob das Spiel wirklich "die Grenzen des Genres sprengt", kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht kenne. Aber das Crispy chicken war lecker (Ende Product Placement).

 

17. Mai: Bei den 61. Filmfestspielen in Cannes wurde auch ein Film gezeigt, der den Hunger- und Hygienestreik der IRA-Kämpfer/Terroristen behandelt, die im berüchtigten Maze-Gefängnis bei Belfast inhaftiert wurden und durch die Nahrungsverweigerung in einigen Fällen starben (Hunger, von Steve McQueen – nicht zu verwechseln mit dem Schauspieler gleichen Namens).

Ich konnte nicht sicher herausfinden ob dieses Maze tatsächlich etwas mit dem englischen Wort für Irrgarten/Labyrinth zu tun hat. Von der Thematik her würde das passen. Jedenfalls war unter den IRA-Leuten die Bezeichnung The Maze (oder gälisch: Ceis Fady) üblich, was für den Labyrinth-Bezug sprechen würde. Darauf deutet auch der Zeitungsartikel von Tobias Kniebe hin, dem ich dies entnehme. Er schreibt:

Folgt man ihren [der Filmregisseure] Visionen, dann ist die Zeit, in der wir leben, eine ausgesprochen düstere, und die Metapher für den Zustand der Welt ist das Gefängnis.

Nun, ein Gefängnis, das zugleich ein Labyrinth (im doppelten Wortsinn von Irrgarten) ist – das wäre eine echte Steigerung dieser Metaphorik.

 

19. Mai: Hans Werner Henze ist einer der wichtigsten deutschen Komponisten klassischer moderner Werke. Sein neuester Stoff befasst sich mit der Stiefmutter des Labyrinth-Heros Theseus:

Hans Werner Henze schildert die behutsame Annäherung und seine aus der Arbeit erwachsende Begeisterung für einen Stoff: das wunderbare Dokument einer künstlerischen Zusammenarbeit, ein Werkstattbericht und zugleich ein Eindruck von der Lebens- und Welterfahrung Henzes und eine erfrischend offene Innenschau. Der berühmte Komponist und ein junger Dichter, Christian Lehnert, nähern sich im Dialog einem antiken Stoff, der bei ihnen eine eigene Gestalt erfährt: Phaedra, die Tochter des Minos, wird von Aphrodite verzaubert und verliebt sich in ihren Stiefsohn Hippolyt, der ihre Liebe zurückweist.

Aus dem selben Interview, das Wolfgang Schreiber mit ihm in der Süddeutschen Zeitung führte, noch dieses Zitat, das zwar nichts mit dem L-Thema zu tun hat, mich aber als Traum-Forscher (ja, es interessiert mich auch noch anderes als das Labyrinth) sehr anspricht:

Sie haben in dem Phädra-Buch jüngst einen Satz Elias Canettis als Motto gewählt: "Alles was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe."

Und wenn ich es recht betrachte, gibt es zwischen den Verwirrungen des Traumlebens ja auch starke Verbindungen zu Irrgarten und Labyrinth – s. meinen nächsten Beitrag hier im Blog (am 4. Juni).

 

22. Mai: Am Münchner Nationaltheater wurden die Oper Die Bassariden von Hans Werner Henze aufgeführt (s. auch oben: 19. Mai) Dazu schreibt Reinhard Brembeck:

… fragt Pentheus, der lustfeindliche und asketisch vernünftelnde Thebanerkönig, in einem peinlichen Verhör seine Mutter Agaue, was sie denn draußen vor den Toren der Stadt gesehen hätte, dort, wo die Anhänger des orgiastischen neuen Gottes Dionysos ihre rätselhaften Riten feiern.

Labyrinth-Bezug? Nun, Dionysos ist der Gott, dem Prinzessin Ariadne versprochen war und zu dem sie, nach ihrem Intermezzo mit Theseus in dem und um das minoische Labyrinth, auf der Insel Naxos zurückfindet. Vielleicht wurde sie ja vom athenischen Helden gar nicht schnöde verlassen (nachdem der sie, wie zuvor schon die schöne Helena, verführt hatte) – wie man es überliefert? So ein orgiastischer Gott ist schon nochmal von ganz anderem Kaliber als ein Prinz, und sei der noch so heldenhaft!

 

25. MaiSPIEGEL TV SPECIAL befasst sich (auf dem Sender VOX) unter dem Titel: "Das Todeslabyrinth – der Krieg im Schützengraben" mit einem makabren Aspekt des L-Themas (wobei wieder einmal der Irrgarten gemeint ist):

Viele Millionen Soldaten kämpften im Ersten Weltkrieg in einem Labyrinth von Schützengräben. Ein Ausgrabungsteam hat sich vorgenommen, dieses unterirdische Schlachtfeld freizulegen.

 

27. Mai: Wenn man Castor-Behälter mit radioaktivem Abfall per Schiene von Deutschland nach Frankreich transportiert, müssen mehr als 10.000 Polizisten den Transport begleiten und gegen die Demonstranten schützen. Wenn Fertigteile des Airbus von Hamburg nach Toulouse über Land gekarrt werden, geht das im 5-km-Tempo und ganze Landstraßen müssen deswegen gesperrt werden. Diese und andere technische Riesen-Elemente (wie die über den Rhein geschipperte Buran-Rakete) könnte man wahrscheinlich viel effizienter mit der Leichter-als-Luft-Technologie befördern, für die der CargoLifter gedacht war – ein vielversprechendes Projekt, für das 70.000 Aktionäre mehr als 300 Millionen €uro zusammengetragen hatten und das von imkompetenten Politikern und anderen Gegnern im brandenburgischen Sand vergraben wurde. Als einer dieser Aktionäre (deren Aktienwert nahe Null geschrumpft ist) bekomme ich gelegentlich eMails zum aktuellen Stand dieser traurigen Geschichte.

Warum ich das hier erzähle? Weil die wackere Resttruppe der Anleger sich gelegentlich versammelt – und das aktuelle Treffen im "Ariana Eventcenter, Ullsteinstraße 73, 12109 Berlin-Mariendorf, südlich des Flughafens Tempelhof, am Teltow-Kanal" stattfindet.

Passt doch zu "Leichter als Luft" – eine kretische Prinzessin (Ariadne), die nach ihrem Tod als Sternbild an den Himmel versetzt wurde!

 

29. Mai: In den Münchner Kammerspielen hat Luc Perceval eine Nebengeschichte des Trojanischen Krieges von William Shakespeare  inszeniert: Troilus und Cressida. Hierzu schreibt Anne Fritsch unter dem Titel "Wenn Hass die Seele frisst":

Seit sieben Jahren belagern die Griechen Troja. Lang ist´s her, seit Paris die schöne Helena entführt und somit den Krieg ausgelöst hat.

Was das mit dem L-Thema zu tun hat? werden Sie nun wahrscheinlich fragen. Nun, schon lange vor Paris hat schon ein anderer diese Helena entführt, da war sie gerade mal zehn Jahre alt und verzauberte ihn mit ihrem Schönheit: Theseus, die Kernfigur der Labyrinth-Sage, konnte nicht widerstehen. Ihm gelang es jedoch, sich auf listige Weise einem Verfahren wegen Ent-/Verführung Minderjähriger zu entziehen – und Krieg wurde wegen dieser Causa schon gar keiner geführt.

 

31. Mai: Auf 3SAT eine Sendung über Die Rache der Ozeane, die sich mit dem realen Hintergrund von Frank Schätzings SF-Thriller Der Schwarm befasst. Darin wird u.a. Bezug genommen auf die ökologische Katastrophe im ecuadorischen Küstenort Olmeda, im

unüberschaubaren Labyrinth der Mangrovensümpfe.

Mit Frank Schätzings Bestseller will ich mich ein andermal befassen.

 

31. Mai: Ebenfalls auf 3SAT kam anschließend an Frank Schätzings Horror-Szenario als gelungene Steigerung die Wiederholung eines ZDF-Zweiteilers über die möglichen Folgen eines Kometen-Impakts ähnlich dem, der vor 65 Millionen Jahren vermutlich die Dinosaurier auslöschte: Armageddon – Der Einschlag (Regie: Stefan Schneider). Der erste Teil handelt von dem Versuch, mit einer Rakete der Europäischen Weltraum Agentur (ESA) eine Atombombe auf den sich rapide nähernden Kometenkopf zu befördern und zu zünden – was leider mißlingt. Diese Rakete ist – wie alle wichtigen ESA-Flugkörper – eine Ariane. Dieser Name aber wird abgeleitet von – genau: von Ariadne, der weiblichen Hauptfigur der LABYRINTHIADE.

 

Nachtrag zum Blog-Eintrag vom 20. April 2008: Beim Schmökern in der 2. Ausgabe 2008 von EPOC stieß ich zufällig noch auf einen weiteren Hinweis auf die Labyrinth-Geschichte: Das Logo für die Serie "DIE EPOCHEN EUROPAS" (S. 46, oben links). Es zeigt sinnigerweise die Prinzessin Europa, die von Zeus in Gestalt eines Stiers nach Kreta getragen wird. Aus dieser Liäson entstand bekanntlich der Sage nach Kretas erster Herrscher Minos – der das Labyrinth bauen ließ.

Quellen
Brembeck, Reinhard J.: "Soldadeska der Lust". In: Südd. Zeitung vom 22. Mai 2008
Fritsch, Anne: "Wenn Hass die Seele frisst". In: Südd. Zeitung vom 29. Mai 2008 
Henze, Hans Werner und Christian Lehnert: Phaedra: Ein Werkbuch. Berlin 2007 (Wagenbach) – ISBN-10: 3803112478
Lynn, Jonathan: Mayday. (London 1993) Zürich 1995 (Haffmans) 
Kniebe, Tobias: "Der Dreck an der Wand". In: Südd. Zeitung vom 17. Mai 2008 
Schneider, Stefan und Ralph Blasius (Regie): Die Rache der Ozeane. Deutschland 2007 (3SAT/ZDF)
Schneider, Stefan (Regie): Armageddon- Der Einschlag. Deutschland 2007 (3SAT / Sendung: 31. Mai)
Schreiber, Wolfgang: "Dem Luftgott schönere Musik. In: Südd. Zeitung vom 19. Mai 2008

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel sein.

Details zu den Figuren und Elementen der Labyrinth-Geschichte finden Sie auf meiner Website unter LABYRINTHIADE.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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