Theseus und Medea im Clinch
BLOG: Labyrinth des Schreibens
Händel hat vor 300 Jahren einen bestimmten Aspekt des L-Motivs in einer Oper erstaunlich zeitlos gestaltet: Das Schicksal des athenischen Helden Theseus.
Interessant ist an diesem doch schon recht betagten musikalischen Werk in Bezug auf die LABYRINTHIADE zweierlei:
° das Leben des Theseus wird mit dem seiner mörderischen Stiefmutter Medea weit intensiver verknüpft als in anderen Adaptionen der Labyrinth-Sage;
° diese Komposition und ihr Libretto sind offenbar so modern, dass man beides heutzutage wieder auf die Bühne bringt – und dies mit großem Erfolg (wie der Süddeutschen Zeitung zu entnehmen war):
An der Komischen Oper in Berlin triumphiert der junge Regisseur Benedikt von Peter mit einer Neuinszenierung von Händels "Theseus" [. . .] Die Wahl des bislang eher zur zweiten Händel-Garnitur gezählten "Theseus" (im Original: "Teseo") ist freilich ein Glücksgriff: Nirgends wagte Händel mehr als in diesem (1713) uraufgeführten Versuch einer Verschmelzuung italienischer und französischer Oper. [. . .]
Statt starrer Formvorgabe herrscht in diesem Stück eine Unsicherheit, die die Situation widerspiegelt, in der sich die Athener zu Beginn des ersten Aktes befinden. Keiner derjenigen, die vor dem eisernen Vorhang warten, weiß, wie der Kampf, den Theseus um ihre Freiheit ficht, ausgehen wird. Ein überraschend unbarocker Stoff ist dieser "Theseus" auch, weil die Hauptfigur, die Emigrantin Medea, eben jene Ausgrenzung erfährt, mit der Gesellschaften seit jeher auf eine kollektive Bedrohung reagieren – und weil Händel die kolchische Opfer-Priesterin nicht zur dämonischen Hexe, sondern zur verzweifelten unglücklichen Frau macht [. . .]
Gewöhnungsbedürftig ist sicher, dass die Titelfigur Theseus – einer der männlichsten aller männlichen Helden – von einer Frau gespielt und gesungen wird.
Ebenso aktuell ist nach wie vor die Medea-Thematik als solche. Dies nicht nur wegen der immer wieder die Gemüter erregenden Tötungen von kleinen Kindern durch ihre Mütter, sondern auch wegen Aufführungen klassischer Werke, deren Wiederbelebung die Kreativen offensichtlich immer wieder reizt, und das mit Erfolg (wie nicht nur das eingangs ziztierte Beispiel der Händel-Oper demonstriert). Anlässlich einer Neuaufführung schrieb kürzlich Reinhard J. Brembeck in der Süddeutschen geradezu enthusiastisch:
Regisseur Krzystof Warlikowski und Dirigent Christophe Rousset triumphieren in Brüssel mit Luigi Cherubinis restaurierter "Medée".
Zur Zeitlosigkeit der Medea-Thematik s. hier im Blog auch Medea mal drei und EPOC-hale Funde.
Quellen
Königsdorf, Jörg: "Aus dem Nebel des Archaischen". In: Süddeutsche Zeitung vom 16. Feb 2008
Brembeck, Reinhard J. "Die Auslöschung". In: Südd. Zeitung vom 14. April 2008