“Maskenball” (Zweiter Preis des Wettbewerbs)
BLOG: Labyrinth des Schreibens

Ursula Hensler-Yapici überlässt sich dem Faschingstreiben – bis ihr im stillen dunklen Schlosspark ein sehr heißer Geselle begegnet. Der witzige Schluss qualifiziert diese Geschichte einmal mehr für den Zweiten Platz.
Und auf geht´s zum
Maskenball
Heute ist sie ein Engel.
Mit langem weißen Kleid, glitzerndem Goldstaub im Haar, Flügeln aus Hunderten von weißen Federn. Im Festsaal des Schlosses tobt der Maskenball, die Stimmung treibt auf ihren Höhepunkt zu. Wilde, besenschwingende Hexen tanzen so unbändig mit hübschen Prinzen, dass deren Kronen vom Kopf rutschen. Hässliche, jedoch höchst fidele Frösche drehen sich in Erwartung eines Kusses mit allerliebsten Prinzessinnen im Kreis. Graf Dracula hat Frau Holle im Arm. Nur sie, die heute ein Engel ist, bleibt alleine.
Traurig verlässt sie den Ort der Ausgelassenheit. Im Schlosspark schlägt ihr kalte, klare Winterluft entgegen, die ihren Atem zu kleinen Wolken gefrieren lässt. Ihr Blick schweift durch den stillen, dunklen Schlosspark. Ganz hinten, bei der Hecke, was ist das? Ein geheimnisvolles Leuchten. Vorsichtig setzt sie einen Fuß mit dem weißen, viel zu dünnen Schuh in den frischen, unberührten Schnee und findet sich plötzlich vor einem ganz aus Eis gebauten Torbogen wieder. Magisch angezogen tritt sie hindurch. Hinter dem Tor windet sich ein Gang, begrenzt von Wänden aus bläulich schimmerndem Eis. Auf dem Boden stehen brennende Kerzen, die den Weg weisen. Langsam, andächtig setzt sie einen Fuß vor den anderen. Einmal in weiteren, dann wieder in engeren Windungen mäandert der Weg. Sie überlässt sich seinen überraschenden Schleifen und Biegungen, geleitet von den flackernden Flämmchen der Kerzen. Tiefer und tiefer lässt sie sich in das verwirrende Netz der Gänge hineinziehen, ohne sich Gedanken über das Wohin und Warum zu machen, ohne die Kälte zu spüren. Die Bögen des Ganges werden immer enger, bis dieser schließlich endet. Vor ihr öffnet sich ein Raum, umschlossen von Eiswänden, erleuchtet vom Licht der Flammen eines ganzen Kerzenmeeres. Sie fühlt, dass sie am Ziel angelangt ist. Sie schaut sich in dem geheimnisvollen Raum um, taucht in das mystische und zugleich betörend flackernde Licht. An der hinteren Wand entdeckt sie einen großen Spiegel. Sie schaut hinein.
Heraus schaut? der Teufel.
Rot und schwarz, mit feurigen Augen, mit Schwanz und Hörnern, so tritt der Fürst der Hölle aus dem Spiegel, verneigt sich galant und fragt: "Darf ich dich zum Tanze bitten?"
Und sie tanzen und tanzen, brennend in höllischer Leidenschaft und jauchzend in himmlischer Lust, vereint zu einem Köper und einer Seele. Als die Nacht fast zu Ende ist, treten sie heraus aus dem Labyrinth: Ein Teufel mit etwas Goldflimmer an seinem Bauch und ein paar weißen Federn auf seiner Nase. Ein Engel mit etwas Ruß auf seinem weißen Kleid und an den Lippen. Ein wunderschönes Paar.
Klasse!
…und das bei der Kürze…
Engel
Der Text paßt gut in unsere Zeit. Engel sind nicht mehr angesagt. Nur für einen Teufel sind sie noch begehrenswert. 😉