Labyrinth? Irrgarten? Yrrinthos! Eine Begriffsklärung

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Wenn irgendwo der Begriff Labyrinth auftaucht, können Sie in wahrscheinlich 99 von 100 Fällen annehmen, dass es sich um jene vielfach verzweigte und verwirrende Struktur handelt, die man als Irrgarten bezeichnet – auch wenn es sich gar nicht um einen Garten handelt, sondern vielleicht um ein "Gedanken-Labyrinth" (in dem sich jemand z.B. verloren hat).

Auch die vielgerühmte Klosterbibliothek, die Umberto Eco in seinem Bestseller Der Name der Rose abfackelt, ist kein Labyrinth im engeren Wortsinn, sondern ein dreidimensionaler Irrgarten, genauer: eine Wegstruktur mit vielen möglichen Abzweigungen, Sackgassen und Ein- bzw. Ausgängen (s. Abb. 1).

Manchmal bezeichnet man auch komplizierte Gemütszustände oder soziale Verwirrungen als labyrintische Verstrickungen, und eine moderne Metropole wird im Krimi leicht zum Labyrinth der Großstadt. Da solche Irr-Gärten aber meistens überhaupt nichts mit einem Garten im üblichen Sinne zu tun haben, sondern lediglich auf die Gefahren und Probleme der vielfach verzweigten Unübersichtlichkeit hinweisen, schlage ich für diesen Fall ein Kunstwort vor, das sowohl  deutliche Anklänge ans Labyrinth hat wie auch an die verwirrrende Komplexität und Vielfalt, die damit gemeint ist.

So etwas bezeichne ich mit einer neuen Wortschöpfung als Yrrinthos – näher begründet habe ich das hier: Yrrinthos oder Yrrinth.

Schauen wir uns die verschiedenen Varianten einmal näher an. Zunächst den Irrgarten bez. das Yrrinthos.

 

Abb. 1: Yrrinthos oder Irrgarten im umgangssprachlichen Sinn

Das klassische kretische Labyrinth im engeren Sinne ist etwas völlig anderes: eine ganz klare Struktur, mit einem einzigen Gang, in dem man sich gerade nicht verlaufen kann (s. Abb. 2). Dies wird auch als "klassisches kretisches Labyrinth" (griechisch: labyrinthos) bezeichnet.

 

Abb.2: Klassisches kretisches Labyrinth mit nur einem Gang

Wie das eine aus dem anderen, das Verwirrende aus dem Klaren entstanden sein könnte, mögen Abb. 3 und 4 verdeutlichen: Da öffnet sich ein Durchgang in einer Mauer- dort wird der Weg plötzlich versperrt und allmählich wird alles sehr unübersichtlich und verwirrend.

      

                                  Abb. 3                             Abb. 4

 

Den Weg durch ein (kretisches) Labyrinth bezeichnet man auch als Ariadnefaden oder Roten Faden (s. Abb. 5).

Abb. 5: Ariadnefaden oder roter Faden (als Weg durch ein kretisches Labyrinth)

Literatur
Eco, Umberto: Der Name der Rose. (Italien 1980). München 1982 (Hanser)

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal bei den früheren Beiträge dieses Blog rein! Hilfreich könnte vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog sein.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

6 Kommentare

  1. Aus dem klassischen kretischen Labyrinth wieder rauszukommen, bedarf es allerdings keines Ariadnefadens, es sei denn Theseus wäre selbst nach Heldenmaßstäben extrem beschränkt gewesen…

    Btw. der Link oben führt auf die Admin-Seiten…

  2. Frage zum Minotaurus-Labyrinth

    Ich finde diese Bilder – insbesondere das letzte, Abb. 5 – wunderschön. Sie haben so eine in sich geschlossene Form und Schönheit.
    Ich kenne den Ariadnefaden von dem Minotaurus-Labyrinth, das Dädalus für König Minos auf Kreta erbaute, um das Ungeheuer Minotaurus zu beherbergen. Worin bestand der Sinn dieses (sicher im oben dargestellten Sinne kretischen) Labyrinths, wenn das Ungeheuer doch so leicht daraus entkommen konnte?

    Beste Grüße aus der kosmologs-Ecke,
    Andreas

  3. Dankeschön…

    …für die Beantwortung meiner Frage (wenn auch an anderer Stelle).

    Beste Grüße,
    A. Müller

  4. Labyrinth

    Das Labyrinth ist ein weibliches Symbol aus dem weiblichen Geist kommend, mit den Inhalten Geburt – Leben – Wiedergeburt. Es hat überhaupt nichts mit einem Irrgarten zutun.

    Irrgarten kommt aus dem männlichen Geist und hat den Zweck, das Leben nicht zu durchschauen. Wenn wir auf dem Weg sind, werden wir abgelenkt, verführt, bekämpft, verleugnet,haben keinen Schutz u.s.w. Das sind die Inhalte des Irrgartens. Ein patriachales Symbol, was das Weibliche ausschliest. Das weibliche wird nur benutzt, gef….ckt. Menschen in diesem System leben ohne Schutz. Auch die Sprache ist männlich und schliest das Weibliche aus.
    Z. B. sagen wir zu irren, “menschlich”. “Irren ist menschlich”. Gleichzeitig sprechen wir von Menschlichkeit für Humanität.
    Entspricht Menschlichkeit nun Humanität oder ist es ein Irrtum?
    Und was ist menschlich? In dem Wort steckt “Mensch”. Mensch heißt Adam und Adam heißt Mann. Wer als Frau will da menschlich sein bei so vielen Irrtümern?

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