Kreta 1: Ranschleichen durch Blockaden

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Nach drei Wochen Ferien auf Kreta hat mich die Arbeit so überrollt, dass ich zu keinem neuen Beitrag für diesen Blog kam. Aber es war nicht nur die liegengebliebene Arbeit, die mich blockierte.

Die Blockade gründet noch in zwei anderen Wurzeln:

° Die eine hat unmittelbar mit dem Labyrinth-Thema zu tun: Zwei Seminare mit dem Titel FINDE DEN ROTEN FADEN waren vorzubereiten und durchzuführen und der 3-Jahres-Kurs MINOTAUROS-PROJEKT, der im Februar 2010 startet, macht eine Menge Arbeit. Doch darüber ein andermal mehr.

° Die andere Wurzel ist mein Vater resp. die Suche nach dem Vater meiner Kindheit.

Dass letzteres auch jemanden beschäftigen kann, der im kommenden Jahr 70 wird und inzwischen selbst Vater von drei Kindern sowie Großvater von drei (in den nächsten Tagen: vier) Enkeln ist, mag die Intensität dieser Suche unterstreichen. Ich hatte ja in den zwei vorangehenden Beiträge beschrieben, dass meine Kreta-Pläne und -Sehnsüchte seit vielen Jahren nicht zuletzt mit meinem Vater zu tun haben: Minotauros-Traum und Fallschirmmesser. Ich möchte sogar zugespitzt sagen: Das gründet alles in der Suche nach einem Vater, der damals, als ich Kind war, sich im Krieg befand und davon etliche Jahre auf Kreta – der also für mich kaum bis gar nicht existierte.

Kreta wurde auf diese Weise schon in meiner Kindheit (1943-44 etwa) zu einer Art Mythos. Von dort brachte nämlich ein mir fremder Mann, den ich auf diese Weise zum ersten Mal in meinem Leben sah und der als mein "Vater" bezeichnet wurde, kostbares Olivenöl mit und Geschichten von Flugzeugen und vom Fliegen (und indirekt natürlich auch vom Krieg).

 

Persien und andere Weltgegenden

Bevor ich diesen Text schrieb und damit endlich wieder Anschluss an meinen Blog fand und an die SciLogs, hatte ich im Café eine interessante Begegnung. Ich kam mit zwei Männern ins Gespräch, die aus dem Iran stammen und schon seit vielen Jahren in Deutschland leben. Nachdem wir uns fast zwei Stunden sehr angeregt unterhalten hatten (auf Deutsch, das beide sehr gut sprachen – ich kann kein Wort Persisch), nützte ich die Gelegenheit zu fragen, ob man das Labyrinth-Motiv auch in Persien kennt. Die Antwort war ein klares Nein. Allerdings kenne man Geschichten, in denen das Herumirren eine Rolle spiele, speziell in intellektuellen Überlegungen.

Das wunderte mich, denn in Indien (das ja von Kreta und Griechenland noch viel weiter entfernt ist als Persien) spielt das Labyrinth-Motiv eine wichtige Rolle, etwa in der magischen Überlieferung um die Geburtsvorgänge (der Mutterleib als Labyrinth). Dies mag dem Welteroberungszug Alexander des Großen zu verdanken sein. Der hat jedoch bekanntlich auch Persien durchquert und erobert.

Viel interessanter war dann der weitere Verlauf des Gesprächs, der mein Labyrinth-Interesse als Beispiel für die sehr mit Griechenland und seiner Mythologie verquickte Geschichte und das Denken der Europäer nahm und letztlich darin mündete, dass mir wieder einmal die sehr eingeengte Sicht der Euorpäer und des gesamten Westens auf die Weltgeschichte bewusst wurde. Wo doch Persien, China, Indien und die Arabische Welt auch ihre berechtigte Sicht auf diese Geschichte haben – wie sie ja in den Erzählungen aus Tausend und einer Nacht sehr plastisch zum Vorschein kommt.

Mir wurde im Verlauf des Gesprächs zudem klar – und ich erzählte davon – dass ich im Lauf meines Lebens doch sehr kosmopolitisch geprägt wurde:

° Musik war für mich- nicht zuletzt via Klavierunterricht – zunächst Europäische Klassik, wurde dann in der Jugend ergänzt und abgelöst durch das Eintauchen in die Welt des Jazz der nordamerikanischen Nachkommen aus Afrika entführter Sklaven und schließlich während des Studiums (und nicht ohne Nachhilfe durch Indian Hemp) bereichert durch die wehmütigen Klänge der arabischen Oud und den unglaublichen Reichtum der indischen Musik.

° Literatur war bei mir, neben den wichtigen Romanen von Albert Camus und wie die modernen Klassiker alle heißen mögen (und die ich sehr schätze) vor allem die Ghetto-Literatur der Science Fiction – stark geprägt nicht zueletzt von jüdischen Autoren und Verlegern, die in Amerika Zuflucht vor der Nazi-Barbarei gefunden hatten oder Nachkommen solcher Entflohener waren.

° Das I Ging ist ein starker Einfluss Chinas in meinem Leben.

° Noch mehr geprägt hat mich der Yoga, wenn auch mehr als tägliche Konzentrationsübung und Checkup des Körpers, nicht so sehr als spirituelle Disziplin.

° Kretas Labyrinth-Mythologie ist gewissermaßen das früheste Unterfutter von alledem, das diese großen Themen für mich zusammenhält und älteste Vergangeheit ebenso berührt wie fernste Zukunft (wenn ich nur an die Titel und Motive vieler Science-Ficiton-Romane denke, zu denen ich gerade selbst einen hinzuzufügen mich bemühe). 

Wie gesagt: all dies ausgelöst als Erinnerungsflut durch ein Gespräch mit zwei sehr gebildeten Iranern (die man bei uns früher Perser nannte). Eintauchen in Jahrtausende Weltgeschichte, mit einem – buchstäblichen – Brennpunkt des Welt-Traumas (wie ich es nennen möchte) vom 11. September 2011 und der grübelnden Frage, weshalb der Westen die Motive der islami(stisch)en Selbstmordattentäter so wenig zu ergründen suche, die ja keineswegs aus dem Nichts aufgetaucht seien sondern aus konkreten Ereignissen der jüngsten Menschheitsgeschichte, nicht zuletzt aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt.

Doch genug davon. Nächstes Mal schnurre ich wieder auf meine euro- und kretazentrische Weltsicht zusammen – in der Hoffnung, dass der Rote Faden und Ungeheuer wie der Minotauros sowie das Motiv der Heldenreise (von der ja der Gang durch das Labyrinth nur ein Spezialfall ist) für genügend Weite des geistigen Horizonts sorgen.

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel. Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren sowie im Register dieses Blogs.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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