Autor in Verschwörung gefangen

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Wer möchte nicht gerne erfolgreicher Autor sein und einen Bestseller nach dem anderen schreiben? Was aber tun, wenn man eines Tages feststellt,

. . . dass der eigene Thriller plötzlich Wirklichkeit und man selbst zur Hauptfigur wird? Wenn einem die sich entfaltende Handlung gar nicht behagt? Wenn die eigene Lebensgefährtin sich in den Ferien plötzlich unbegreiflicherweise aus dem Fenster zu Tode stürzt – und nach und nach immer mehr Menschen Selbstmord begehen, sobald sie eine bestimmte Melodie hören?

David Norton, dem dies auf Mallorca widerfährt, wird nach Thrillermanier in ein übles Komplottt hineingezogen. Es hilft ihm gar nichts, dass er nach und nach begreift, dass sein letzter eigener Roman das Muster der Intrige vorgibt. Denn er soll aus dem, was ihm und anderen jetzt in den Ferien widerfährt, einen neuen Bestseller gestalten.

Was ist der Plot? Der geniale Hirnforscher Kovaks führt üble Experimente durch, bei denen er zunächst Tieren, dann Kindern einen Chip einpflanzt, mit dessen Hilfe man sie bis zum Suizid manipluieren kann, ausgelöst von einer bestimmten Melodie. Das bezieht sich auf eine Selbstmordserie anfangs des 20. Jahrhunderts, die angeblich von dem Lied “Trauriger Sonntag” ausgelöst wurde. Hier im Film ist es die Melodie “Gloomy Sunday” – die zugleich den Titel für Davids aktuellen Roman abgibt.

Das ist alles recht spannend inszeniert und sehr unterhaltsam. Doch letztendlich ist es ziemlich hanebüchener Unsinn. Denn wenn schon, würde man so einen Chip nicht gut sichtbar am Nacken, sondern sehr viel versteckter implantieren, am besten direkt im Gehirn. In der Science Fiction geht so etwas allemal, und der geniale Wissenschaftler Kovak (sowie in seinem Gefolge der amerikanische Geheimdienst CIA) wäre bestimmt dazu in der Lage, dies irgendwann technisch umzusetzen. In der Realität ist diese Technologie schon recht weit gediehen – siehe etwa den Einsatz von ähnlichen Implantaten bei schweren Fällen von Parkinson.

Abgesehen davon, ist die These recht fragwürdig, dass eine Depression und schließlich ein Suizid durch so eine Manipulation erzeugt werden könnte. Da gehört schon einiges mehr dazu, beispielsweise eine genetische Disposition und vor allem ein entsprechender biographischer Hintergrund (sonst wäre die psychotherapeutische Behandlung oder wenigstens Linderung von Depressionen ja nicht möglich).

 

Allgegenwart des Labyrinth-Mythos

Als “verzwicktes Labyrinth mit bösem Finale” bezeichnet die Fernsehzeitschrift TV Spielfilm den Film des spanischen Regisseurs Daniel Monzón. Gemeint ist natürlich wieder mal ein Irrgarten repektive Yrrinthos. In der Geschichte selbst bleibt es jedoch nicht beim “Labyrinth” (als Metapher für eine recht komplexe und zeitweilig verwirrende Handlung), sondern da kommt tatsächlich ein Irrgarten vor: als Testanlage für Ratten und Affen bei Tierversuchen, später sogar bei Kindern. Die Menschen, denen man solche Chips einpflanzt, lassen sich aus der Ferne beeinflussen und begehen, wie erwähnt, reihenweise Suizid, wenn es die Verschwörer im Hintergrund für opportun halten.
Ursprünglich trug der Film bei der ersten deutschen TV-Ausstrahlung (2008?) zu Recht den Titel “Das Kovaks Labyrinth“.

 

Persönliche Aspekte

So habe ich mir das natürlich nicht vorgestellt, als ich in meiner Jugend davon zu träumen begann, selbst einmal Autor von Science Fiction zu werden, die ich damals reihenweise verschlang: dass ich nämlich irgendwann selbst in den Mittelpunkt der Handlung geraten könnte. Aber im übertragenen Sinn trifft das schon zu: Als Autor sind Sie immer intensiv in Ihren gerade aktuellen Roman verwickelt – und sei es nur wegen der unvermeidbaren autobiographischen Aspekte.
Auf jeden Fall verschafft einem dieser Film auf unterhaltsame Weise eine Vorstellung davon, warum der Roman als Textformat und das Verfassen von Romanen als anspruchsvollste, weil komplexeste Variante des kreativen Prozesses beim Schreiben gilt: Es gibt nichts Komplexeres als das Schreiben eines Romans, gerade deshalb, weil man dabei selbst so tief drin steckt im “Labyrinth des Geschehens”, und das auf vielfältigste Art:
° sachthematisch,
° erzählend
° und zudem in einem intensiven Trip der Selbsterfahrung, der einen mit jedem Roman ein Stück verändert (allerdings nur, wenn man dies zulässt).

Wenn Sie das Romanschreiben selbst kennenlernen möchten, biete ich dazu zwei Möglichkeiten an: Einen fünftägigen Workshop Roman-Werkstatt und, so richtig zum Eintauchen, den über drei Jahre laufenden Kurs Minotauros-Projekt.

Quellen
Anon: “Die Kovak Verschwörung. In: TV-Spielfilm Nr. 20/2012
Monzón, Daniel (Regie): Die Kovak Verschwörung (La Caja Kovak). Spanien und Großbritannien 2006 / Aktuelle Sendung in ZDF neo am 22. September 2012 um 22:30 Uhr

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem Willkommen im Labyrinth des Schreibens und die Zeittafel. Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren sowie im Register dieses Blogs.

214 / #815 / 1391 / BloXikon: Science fiction / Depression / Verschwörung / Romanschreiben

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

4 Kommentare

  1. Selbstreferenzialität + Kunst

    Selbstreferenzeialität – wie hier am Beispiel eines Romans vorgeführt – ist in mehreren Kunstformen weit verbreitet. So gibt es viele bekannte Bilder in der der Künstler mitabgebildet ist der der Entstehungsungprozess Teil des Bildes ist.
    Noch häufiger findet man Selbstbezüglichkeit im Film, hier ein Beispiel:
    Stranger Than Fiction, wo die Hauptfigur entdeckt, dass die Figur eines gerade geschriebenen Romans ist und die Schrifstellerin ihr weiteres Schicksal bestimmt
    – A Star is Born
    – Broken Embraces
    – Sunset Boulevard
    – Mullholland Drive
    – Annie Hall
    – Manhattan
    – Stardust Memories

    Selbstreferenzialität hat auch in der Populärkultur um sich gegriffen.

    Wenn die Welt die man wahrnimmt immer mehr die Welt ist, die man kreirt, dann nimmt Selbstreferenzialität überhand.

  2. Selbstreferenziel ….

    Martin Holzherr

    -> Selbstreferenzialität ist alles, was jemand von sich gibt. Selbst die unscheinbar altruistischste Tendenz ist selbstreferenziel, weil sie vom Individuum kommt.

    Und so sind auch alle Buchautoren, Blogger und Kommentatoren in einer Weise Selbstreferenziel motiviert – sie wollen Information(en) durch Veröffentlichung verbreiten, weil sie meinen, es wäre angebracht.

  3. genetisch bedingt…!?

    Zitat:
    “Abgesehen davon, ist die These recht fragwürdig,…”

    -> Aber …. da muß man Einspruch erheben. Bisher ist nicht bekannt, dass man die Psyche mit Genen erklären könnte. Besser täte das schon neurologisch möglich sein. Aber das Gene mit neurologischen Bedingungen korellieren, ist kein Beweis dafür, dass hier ein Gen die Ursache sei. Vielleicht ist es umgekehrt? Die neurologische Bedingung erzwingt die genetische? Das zwei Bedingungen gleichzeitig auftreten, ist darüber hinaus nur dieser Erkenntnis fähig – nämlich die Gleichzeitigkeit. Wenn ich einen abgeschlossenen (luftgefüllten) Körper erhitze, stelle ich auch fest, dass sich der Druck erhöht. Daraus zu schliessen, dass die Druckerhöhung zur Erwärmung führt, ist ebenso falschherum (re)konstruiert. Nun ist man in der Theremodynamik schon ein wenig weiter, als in der Erklärung der Zusammenhänge von Psyche, Neurologie und Genen. Und deswegen erkennt man, dass auch eine Druckerhöhung zur Erwärmung führt. Das eine erzwingt das andere und umgekehrt.

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