Arianna im Bloggerland (Nachlese April 2008)

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Gerade die Fülle der Zitate ist das Interessante und wo das L-Motiv überall auftaucht. Nachdem es schade wäre, wenn vieles von dem unterginge …
… nicht jedes Detail jedoch einen eigenen Eintrag im Blog verdient, möchte ich am Monatsende einen Sampler für den jeweiligen Monat unter der Rubrik Rückblick bringen.Im diesem April waren erwähnenswert (und das ist wirklich nur das, was mir zufällig über den Weg gelaufen ist):

8. April: Arianna Huffington ist eine prominente amerikanische Journalistin, die sich in der Blogger-Szene sehr hervorgetan hat mit ihrem Bemühen, außerhalb der eingefahrenen Berichterstattung mit Hilfe anderer Promis eine Art alternativer kritischer Polit-Berichterstattung aufzubauen. Angelehnt an die berühmte Washington Post nennt sie ihren Netzauftritt Huffington Post. Das ehrgeizige Projekt läuft darauf hinaus, eine "Hilfstruppe der vierten Gewalt" aufzubauen (wie Tobias Moorstedt das in der Süddeutsche Zeitung in einem Bericht betitelte). Man könnte auch sagen: Huffington will so etwas wie einen verlässlichen Roten Faden im Wirrwarr der Informationen anbieten. Dafür hat sie passenderweise einen Vornamen, der das genau trifft: Arianna leitet sich mit hoher Wahrscheinlichkeit* aus einer Kombination von Ariane und Anna ab – und Ariane ist nichts anderes als die französisierte Form von Ariadne, der wir den Ariadnefaden zu verdanken haben.
* Lt. Wikipedia stammt AH ursprünglich aus Griechenland und hieß Arianna Stassinopoulos – also dürfte die Herleitung des Vornamens von Ariadne zutreffen.

 

8. April: Die Münchner Romano-Guardini-Fachoberschule hat eine Ausstellung zum Thema "Afrika -eine Welt mit zwei Gesichtern" übernommen. In einem LKW, den die Schule eigens angemietet hat, wurde ein Erlebnisparcours eingerichtet, durch den man gehen und die Irritationen von Migranten am eigenen Leib erfahren kann: "Labyrinth Fluchtweg".

 

16. April: Im Literat lese ich einen Bericht über eine Ausstellung im Dresdner Hygiene-Museum zum Thema "Glück". Darin heißt es u.a.:

Der letzte [der sieben Ausstellungsräume] ist Fortunas Reich gewidmet, vom Interieur her gedeutet durch ein Labyrinth von Glasbausteinen, in dessen Zentrum sich ein Wohnzimmer befindet. Da in die Steine Geldscheine eingelassen sind [. . .] ist ein materialistischer Raster vorgegeben, von dem wiederum ganz andere Denkanstösse ausgehen."

18. April: Der Heilige Berg (La Montaña Sagrada) ist ein esoterischer Kult-Film aus dem Jahr 1974 des Chilenen Alejandro Jodorowsky – der die Esoterik gleichzeitig bedient und entlarvt. Quest nach dem Sinn des Lebens – so könnte man die Thematik, den Plot zusammenfassen. In den Zeiten der Jakobsweg-Selbstfindungs-Wallfahrerei ("Ich bin dann mal weg") passt dieser Film wunderbar in die zeitgeistige Landschaft. Er hat mir sehr gut gefallen, als ich ihn 1975 das erste Mal sah; die Kritiker mögen ihn nicht.
Köstlich die Schluss-Szene auf dem "heiligen Berg", wo die Suchenden zum Gipfel wallen, ihrer Quest folgend – und alles als Film-Spiel entlarvt wird. Insgesamt ein üppiges Panorama von originellen Szenen, eine Augenweide vieles davon, garniert mit hintersinnigem Witz. Die Story ist simpel: Ein Dieb wird erwischt und gerät auf einen Selbsterfahrungs- und Selbtfindungstrip. Dieser endet auf dem Heiligen Berg des Titels. Zwischendrin gibt es, nach einer Art Initiation in eine geheimnisvolle Gruppe nach Erleuchtung suchender Männer und Frauen, eine Schlüsselszene in einem Spiegelkabinett. Und deshalb passt dieser Film in diesen Labyrinth-Blog.

24. April: In einem Bericht von Elena Zacco über den Animationsfilm Die Drachenjäger in der Münchner Abendzeitung heißt es über die junge Heldin dieser Zeichentrick-Fantasy:

Sie hat ihre Kindheit in den labyrinthischen Korridoren des Palastes verbracht und sich die Geschichte des Silbernen Ritters des Dunkels vorgestellt.

25. April: TV-Sender Phönix bringt eine Dokumentation über ein geheimnisvolles Grab in der Nähe des Tals der Könige, erbaut von einem gewissen Padiaménopé. Die Grabanlage, welche ein Team von Straßburger Archäologen untersucht, ist recht verwinkelt – und prompt taucht bald im Kommentar die Bezeichnung "unterirdisches Labyrinth" auf. Naja, das erscheint mir doch etwas übertrieben, wenn ich mir die drei, vier Gänge auf der Planskizze betrachte. Es ist halt wie bei Höhlensystemen auch: da assoziiert man rasch Labyrinth, wenn es unübersichtlich wird – vergl. das Höhlenlabyrinth auf Yukatan.

Am selben Tag sendet der MDR um Mitternacht den Film Labyrinth der Dunkelheit. Er handelt von einem Polizisten, der aus nach einem Überfall aus dem Koma erwacht und Probleme mit seinem Gedächtnisverlust bekommt. Ich haben den – gut bewerteten – Film nicht gesehen, war mir zu spät in der Nacht. Das Labyrinth im Titel spielt wohl, ohne weiteren Bezug zur LABYRINTHIADE, mit der Verwirrung, die ein solcher "Schlag auf den Kopf" in den Erinnerungen des Verletzten infolge der Amnesie anrichtet.

26. April: 1972 gab es während der Olympischen Spiele in München das schreckliche Attentat auf die israelische Mannschaft. Die Künstlerin Sarah Morris, die schon verschiedene Städte filmisch portraitiert hat (Los Angeles, Peking anläßlich dieser Olympiade 2008) interviewt in ihrem Film 1972 den Münchner Psychologen Georg Sieber, damals als Polizeipsychologe in die Katastrophe unmittelbar involviert und mit seinem Szenario "Lage 26" ganz nah dran an dem, was dann tatsächlich geschah. Die Strafe für seine zutreffende Vorhersage war, wie bei so manchem Boten, dass man ihn als den "Überbringer der Botschaft" quasi kaltstellte. Im Zeitungsbericht zur Vorstellung von 1972 heißt es, im Querverweis auf den Peking-Film von derselben Sarah Morris:

Die zeitgleich entstehenden abstrakten Gemälde basieren auf den Mustern der Olympischen Ringe. Diese werden aufgesplittert und labyrinthisch verschachtelt. Morris berichtet, Peking bestehe aus einem System von Ringstraßen, man verfranse sich darin immer wieder hoffnungslos.

26. April: Wer hätte das gedacht: Auch unsere Familienministerin manövriert durch unser Thema, wenn sie Zuschüsse für kinderreiche Familien durchsetzen will:

Wer das Kindergeld erhöhen will, sollte drei Merksätze bedenken [die lasse ich aus Platzgründen weg – JvS] . . . Familien haben – ähnlich wie Rentner – bei diesem Thema die Schlagzeilen auf ihrer Seite. Wer ihre "Besitzstände" antasten will, gilt als unsozial, obwohl Kindergeld für Reiche gar nicht sozial ist. Durch dieses Labyrinth steuert Usrusla von der Leyen mit einigem Geschick.

Wozu das Ganze?

Eine Überschrift zu alledem gefällig, ein klärendes Fazit zum "Monat April"? Letztlich geht es immer wieder um die Suche nach Sinn und Ordnung in einem Durcheinander. Um den eingangs erwähnten Roten Faden eben. Zu dem habe ich übrigens in meinem nächsten Beitrag etwas sehr Attraktives, buchstäblich.

Quellen
Bohl, Inka: "Tu felix Dresden". In: Der Literat Nr 4/5 vom April 2008, S. 6

fex: "Die Präszisionsgießkanne". In Südd. Zeitung vom 29. April 2008
Hocke, Gustav René: Manierismus  I: Die Welt als Labyrinth. Manier und Manie in der europäischen Kunst. Hamburg 1957-59 (rde)
Ivernel, Guillaume  und Arthur Qwak (Regie): "Die Drachenjäger". Frankreich und Deutschland 2008
Jodorowsky, Alejandro (Regie): Der Heilige Berg (La Montaña Sagrada). Mexiko _ USA 1973

Liebs, Holger: "Lage 26 war nicht gefragt. In: Südd. Zeitung vom 26. April 2008 (über den Film von Sara Morris, s.u.)
Madha, Omar (Regie): Im Labyrinth der Dunkelheit (Fallen). Großbrittanien 2004
Moeller-Arnsberg, Ulrich: "Schritte durchs Labyrinth Afrika". In: Südd. Zeitung vom 8. April 2008 
Morris, Sarah (Regie): 1972. USA 2008
Moorstedt Tobias:  "Hilfstruppe der vierten Gewalt" . In: Südd. Zeitung vom 8. April 2008
Zacco, Elena: "Kleine Helden und ein Weltenfresser". In: Abendzeitung (München) vom 24. April 2008 (Besprechung des Films von Guillaume Ivernel, s.o.)

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel . Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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