SPIEGEL vs. ZEIT: Avrams Sicht
BLOG: KlimaLounge
SPIEGEL-Ressortchef Olaf Stampf reagierte hier kürzlich auf die Kritik von Robin Avram an seiner Klimaberichterstattung und nannte Avrams Analyse "Erbsenzählerei". Robin Avram antwortet hier mit folgendem Gastkommentar:
Wie Stefan Rahmstorf in einem KlimaLounge-Beitrag über meine Diplomarbeit berichtet hat, bevorzugt das Wissens-Ressort des SPIEGEL in der Berichterstattung Klimawissenschaftler, die das Klimaproblem herunterspielen – alles nur "Erbsenzählerei" und "Zufall", wie Olaf Stampf dazu schrieb?
Neben dem Ranking der zitierten Klima-Wissenschaftler habe ich in meiner Diplomarbeit die Klimawandel-Berichterstattung von SPIEGEL und ZEIT noch auf eine Reihe anderer Kriterien hin untersucht: so zum Beispiel darauf hin, über welche Themen berichtet wurde. Ob mit warnendem oder entwarnendem Tenor über den Klimawandel berichtet wurde. Ob die Klimapolitik als zu überzogen oder als zu wenig ambitioniert dargestellt wurde.
Die Ergebnisse zeigen eins ganz deutlich: Während die ZEIT im gesamten Berichterstattungs-Zeitraum den Klimawandel als großes Problem und die Klimapolitik als zu wenig ambitioniert darstellte, ließ sich bei der SPIEGEL-Berichterstattung ein klarer Bruch in der Bewertung von Klimawandel und Klimapolitik ausmachen. Er erfolgte nach dem EU-Gipfel im März 2007. Da hatten sich die europäischen Staats- und Regierungschef erstmals auf verbindliche Klimaschutzziele geeinigt (- 20 bis 30 Prozent bis 2020). Deutschland begann in der Folge, ein nationales Klima-Gesetzespaket auszuarbeiten.
Statt aggregierter Daten lasse ich hier einfach mal die publizierten Artikel selbst sprechen:
Während die ZEIT die geplanten politischen Maßnahmen zum Klimaschutz als halbherzig kritisierte (z.B.: Scheitern ist programmiert, Ausgabe 19/07), warnte der SPIEGEL vor "milliardenschweren Belastungen" für Verbraucher und Unternehmen (Gigantischer Kraftakt, 16/07). Parallel dazu driftete auch die Bewertung des Klimawandels auseinander.
Die ZEIT berichtete unter anderem darüber, dass der Klimawandel die Gefahr kriegerischer Konflikte deutlich erhöhen werde (Die Klima-Kriege, 19/07), und die Entwicklungsländer – so oder so – enorme Schwierigkeiten haben werden, sich an den Klimawandel anzupassen. (21/07, Vor der großen Flut).
Ganz anders dagegen der SPIEGEL: Hier erschien ein langes Interview mit Hans von Storch mit entwarnendem Tenor (Wir haben noch genug Zeit, 11/07), ein Artikel, der die IPCC-Schätzungen über die Zahl der Klimaflüchtlinge in Zweifel zog (Legende vom Exodus), eine Reportage, die dem IPCC vorwarf, sich zu sehr in die Politik einzumischen (Sirenen des Weltgewissens 18/07) – und schließlich eine lange Titelgeschichte mit vier Beiträgen über die angebliche "große Klimahysterie" (z.B. Abschied vom Weltuntergang, 19/07).
Zugegeben – der Tenor der SPIEGEL-Berichterstattung über den Klimawandel änderte sich wieder, als die USA beim G8-Gipfel im Juni 2007 erstmals das Zwei-Grad-Ziel anerkannten.
Erfreulich, zudem: Der Vertrag mit Chefredakteur Stefan Aust wurde im November 2007 auch deshalb nicht verlängert, weil nach Aussage eines langjährigen Politik-Redakteurs große Teile der Redaktion (die beim SPIEGEL großen Einfluss auf die Vertragsverhandlungen mit dem Spitzenpersonal hat) unzufrieden waren mit der Berichterstattung über die Modernisierungs-Themen Bildung, Frauen- und Familienpolitik sowie der Ökologie.
Auffällig ist aber: Olaf Stampf, der SPIEGEL-Ressortleiter Wissenschaft & Technik, hat nicht nur im "Klima-Jahr" 2007 ausgerechnet dann in seinem Ressort mit entwarnendem Tenor über den Klimawandel berichtet oder berichten lassen, wenn auch über die Ausrichtung der Klimapolitik besonders heftig gestritten wurde – er hat dies auch beim Weltklimagipfel 2009 und in dessen Folge getan.
Da durfte der bekannte Klimaskeptiker Björn Lomborg während des Weltklimagipfels dafür plädieren, den Klimaschutz zu vertagen (Scheitern wäre ein Erfolg, 50/09). In derselben Ausgabe wurden die entwendeten Mails der Klimaforscher zum Skandal aufgebauscht, der die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft erschüttere (Betreff: Streng vertraulich, 50/09). Noch zweimal legte das Wissens-Ressort nach, und polemisierte gegen die Glaubwürdigkeit des IPCC (Schmelzendes Vertrauen, 4/10, und schließlich die Die Wolkenschieber, 13/10).
Das die sogenannte "Climategate"-Affäre mit einem vollumfänglichen Freispruch für die attackierten Klimawissenschaftler endetet – das war keine Berichterstattung mehr wert.
Alles nur Erbsenzählerei und Zufall?
Ich bin der Meinung: Eine kritische Begleitung der Klimawissenschaft ist an sich eine sinnvolle Sache. Aber beim SPIEGEL verfestigt sich der Eindruck, dass er seinen sechs Millionen Lesern wieder und wieder eine verzerrte Darstellung des wissenschaftlichen Diskurses über den Klimawandel offeriert – und damit auch Einfluss auf die Klimapolitik nehmen möchte.
Das zeigt sich am übergroßen Einfluss, den Olaf Stampf der Meinung des abwiegelnden Klimawissenschaftlers Hans von Storch einräumt: 2003 (Wir werden das wuppen, 34/2003), 2007 (Wir haben noch genug Zeit, 11/2007), 2010 (Die Wolkenschieber, 13/2010): An drei Hochphasen der Klimawandel-Berichterstattung führte Stampf entweder lange Interviews mit von Storch oder ließ ihm – im von Stefan Rahmstorf intensiv kritisierten Wolkenschieber-Artikel – das Schlusswort. Stets vertrat von Storch dabei die Meinung: Alles nicht so schlimm, denn wir können uns gut anpassen an den Klimawandel, zudem könne alles auch ganz anders kommen.
In der klimawissenschaftlichen Fachwelt eine Außenseitermeinung – so nachzulesen im Bericht der 2. IPCC-Arbeitsgruppe, die sich mit Auswirkungen, Anpassung und Verwundbarkeiten beschäftigt – doch im SPIEGEL bekommt der von Stampf stets als "besonnen" beschriebene Außenseiter von Storch (der, so zeigen seine Blog-Beiträge, in letzter Zeit immer heftiger gegen die Mehrheit der Klimaforscher polemisiert) übergroßes Gewicht.
Dabei ist gerade die Frage, wie gut sich der Mensch an den Klimawandel anpassen kann, von höchster Wichtigkeit für die gesellschaftliche Akzeptanz von Klimapolitik. Weil Stampf durch seine einseitige Berichterstattung zu dieser Frage implizit die Sinnhaftigkeit von Klimaschutz infrage stellt, erntet er so viel Kritik – interne und öffentliche.
Die interne Kritik kommt von Politik-Redakteuren des SPIEGEL, die Klimapolitik begleiten. Sie wissen inzwischen, dass die Zeit immer knapper wird, um das Ruder in Richtung ernsthaftem Klimaschutz herum zu reißen – und dass weiteres Abwarten fatale Folgen haben kann. Ein Politik-Redakteur spricht daher entnervt von den "immergleichen Parolen", die das Wissens-Ressort produziere. Sie ließen "so manchem Kollegen die Haare zu Berge stehen" und führten dazu – ist hier nur der Wunsch der Vater des Gedanken? – dass das Magazin in dieser Frage "überhaupt nicht mehr ernst genommen werde."
Noch wesentlich ernster nehmen sollte Stampf die öffentliche Kritik – denn sie kommt von einigen der renommiertesten deutschen Wissenschaftlern, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen: Hans-Joachim Schellnhuber, Claus Leggewie und Renate Schubert beziehen sich in ihrem Gastbeitrag in der ZEIT explizit auf die SPIEGEL-Berichterstattung: Zwei Grad und nicht mehr (16/10).
Pauschales Zurückweisungen dieser Kritik ist dabei wenig glaubwürdig – solange Hans von Storch und Olaf Stampf die entscheidenden Antworten schuldig bleiben auf die Fragen, die im ZEIT-Essay aufgeworfen werden:
Wer das Vorsorgeprinzip über Bord wirft, weil er keine absolute Problemgewissheit vorfindet, ist töricht oder verantwortungslos. Die Gegner des vorbeugenden Klimaschutzes möchten bitte folgende Fragen beantworten: Ab welcher konkreten Risikowahrscheinlichkeit ist praktisches Handeln zwingend geboten? Wann genau wird die Forschung in der Lage sein, diesen Grenzwert exakt anzugeben? Und wie sicher kann man sein, dass unser Zivilisationszug bis zu diesem Moment der Erleuchtung nicht schon entscheidende Weichen überfahren hat?
Der Autor Robin Avram ist freier Journalist, u.a. für das rbb-Politikmagazin "Klartext".
nicht alles
Nicht nur die Klimaproblematik wird vom Spiegel heruntergespielt, auch die Möglichkeiten zur Einsparung oder zur Abkehr von atomar/fossiler Energiegewinnung werden im Spiegel laufend problematisiert. Der größter Knaller, weil strunzdumm:
http://www.spiegel.de/…h/0,1518,445103-2,00.html
(“windige Geschäfte mit dem Klimaschutz”)
Der Spiegel hat irgendwann auch die “Stromlücke” für sich entdeckt, wenn nicht genug konv. Kraftwerke gebaut würden, was für die Neubauer von Kohlekraftwerken eine willkommene Argumentationshilfe (gewesen) ist.
Nein was der SPIEGEL bisweilen absondert, grenzt an Propagenda, zum Beispiel die penetrant wiederholte Problematisierung der PV-Kosten, man hätte meinen können der Sp. sitze beim RWI auf dem Schoß..
Und der Artikel, dass das EEG gar nichts für den Klimaschutz bewirke, weil die Menge der CO2-Eimissionen nur über Zertifikate geregelt wird usw. usf..
Man könnte wirklich meinen der Sp. wäre mit der Energiewirtschaft verbandelt, was nun auch nicht so viel Sinn ergibt.
Inzwischen ziehe ich schon den Kopf ein, wenn er über Energiethemen “berichtet”.
das ehemalige nachrichtenmagazin
so wird der spiegel & insbesondere SPON nicht ohne grund genannt. in den 80ern konnte man dort solche dinge lesen wie über die barschel-affäre. heutzutage wird es immer mehr boulevard. vielleicht, weil es sich an den käuferschichten des focus orientierte? vielleicht hängt es auch damit zusammen, daß redakteure nachwachsen – im tatsächlichen biologischen sinne -, welche unbeflekt, unbelekt sind hinsichtlich der konflikte der 60,70,80er… könnte man natürlich versucht sein, zu behaupten, diese konflikte, diese zeiten seien ja auch schon längst vorüber? nur: eben gerade bei ökologie & energiewirtschaft nicht. die probleme sind die gleichen – die notwendigkeit der lösung noch drängender. doch genau hier, bei diesem themen, hat der spiegel seine “wende” vollzogen. vielleicht mit dem sieg von rot-grün 1998, weil man kritischen journalismus mit opposition verwechselt? das einzige, was mich beruhigt, ist der umstand, das in zeiten des web2.0 die macht des spiegel (wie z.b. auch der ‘bild’), themen und richtungen zu bestimmen, geringer wird – weil es eine gegenöffentlichkeit gibt, die für jeden menschen (bei uns) ohne probleme, ohne besondere bemühungen erreichbar ist.
Politik vs. Gesunder Menschenverstand
Das Problem mit dem Spiegel ist, dass konsequent alles was geschrieben wird sehr einseitig politisch motiviert ist. Wer langfristig und regelmäßig den Spiegel ließt wird somit automatisch einer Gehirnwäsche unterzogen. Dass es nebem dem Spiegel noch weitere politisch motivierte Medien-Erzeugnisse gibt, die genau das Seble machen, macht es auch nicht besser und ist auch keinerlei Legitimation.
Es ist nicht fair gegenüber den Lesern, statt wissenschaftlich fundierter Artikel politisch motivierte Artikel zu veröffentlichen, denn eigentlich sollten Informationen weitergegeben werden – nicht Meinungen. Jeder hat das Recht seine eigene Meinung zu haben und zu vertreten und muss sie nicht vorgesetzt bekommen. Und wenn das keine unmögliche Aufgabe wäre, das zu kontrollieren, dann wäre ich dafür, dass gezielt meinungsmachende Publikationen (auch in anderen Bereichen – z.B. Bildung…) harte Strafen nach sich ziehen könnten/sollten.
Doch wenn es um Macht(-Einflüsse) und Geld geht, dann ist die Wahrheit (/Wissenschaft, Bildung) zweitrangig. Und aus diesem Grund wollen jetzt einige Damen und Herren auch schon wieder an der Bildung sparen…
– Das Wort zum Sonntag
Lieber Herr Avrams
auch ich finde es gut, dass der Spiegel IPCC und PIK Kritiker zu Wort kommen lässt. Wie sehr die einzelnen Berichte in Zeit od. Spiegel von der wissenschaftlichen Basis abweichen, lässt sich schwer feststellen, denn was wissen wir denn wirklich?
Beziehe ich mich auf die Kernaussagen des IPCC, so finde ich immer wieder die Einschätzung “LIKELY”, was in Zahlen so um die 60% bedeutet und das bestrifft Szanarien zu Stürmen, Fluten, Dürren usw.
Selbst der athropogene Anteil der letzten Erwärmung ist nicht klar und ich frage mich und sie alle, warum es denn so dringlich erscheint, sich gegen den Spiegel aufzustellen, nur weil dieser andere, ebenfalls renomierte Klimaforscher (Lindzen, Von Storch) auch zu Wort kommen lässt?
Und was ganz Allgemeines noch:
wenn es denn so klar wäre, dass sich die Erde bis 2050 od. 2100 um weitere ca. 1 bzw. 2-3°C erwärmt, was ja Seitens der AGW Vertreter außer Frage steht, dann hätten wir ja einen historischen, nie dagewesenen Vorteil: wir kennen die Zukunft. Man weiß angeblich, wo es wenig wärmer wird und wo mehr, wo es etwas feuchter wird und wo trockener. Würde sich irgendjemand wirklich auf diese Simulationen verlassen, so könnten wir doch die nächsten Dekaden ganz geschickt nützen, indem wir den vorhersehbaren Wandel ausnützen, wo er Vorteile bringt und uns schützen, wo negative Einflüsse überwiegen.
Ich persönlich halte Beiträge wie die Wolkenschieber sinnvoller und realitätsnäher als zB. “Klimakriege”. Alarmismus war schon immer ein ganz schlechter Ratgeber, aber wie wir so langsam alle begreifen sollten, geht es doch weniger um das meteorologische Klima an sich, oder denkt wirklich jemand, die primären Interessen unserer Politiker und Wissenschafter liegen am Meerespiegelniveau um 2100?
Geht es nicht viel mehr darum, das Energieproblem möglichst rasch und vorteilhaft für uns Industrieländer in den Griff zu bekommen?
Zum Abschluss empfehle ich noch einen Beitrag von Oliver Geden, um zu erfahren, was wir am Klima wirklich ändern, wenn wir “Klimaschutz” betreiben:
http://www.swp-berlin.org/…ent.php?asset_id=5185
Danke für Ihre Antwort
und für Ihre Arbeit. Ein sehr interessanter Einblick in die Spiegelberichterstattung zum Thema Klima, der sich mit früheren Beobachtungen meinerseits deckt. Ich kaufe den Spiegel seit einigen Jahren nicht mehr, weil die extrem inkompetente Klimaberichterstattung bei mir Zweifel an der Integrität und Kompetenz des gesamten Magazins aufwarf.
Nun zeigt sich ja in Ihrem Artikel, dass es auch beim Spiegel bei Journalisten ein Bewusstsein gibt, dass da etwas schiefläuft. Es bleibt zu hoffen, dass durch Beiträge wie den Ihren eine Änderung hin zu fundierter journalistischer Arbeit auch in den Resorts Klima und Energie stattfindet.
Hochinteressanter Beitrag
Selbst als Laie wird man in diesen Wochen beinahe täglich, sobald “Wetter” zum Thema wird, darauf angesprochen, die Klimaerwärmung sei “ja eine Lüge”. Da ich mich seit 2 Jahrzehnten sowohl für Klimaforschung als auch für die mediale Verzerrung von Themen in Zeiten der Postmoderne interessiere, ist diese Diplomarbeit hochinteressant für mich. 34,90 E kostet der download, für mich etwas teuer, aber es wird sich lohnen, zu sparen, denke ich^^.
Ich habe selbst die Verzerrungen beim Thema “Klimawandel” jahrelang in Medien wie dem “Zuendfunk”, einem Szenemagazin des BR2-Radios, verfolgt. Dort wurde die Klimaerwärmung seit etwa 1997, also seit ich diese oft hämischen Kommentare hörte, meist in Nebensätzen lächerlich gemacht. Als dann Ende 2006 die fast 20 Jahre verdrängte Diskussion plötzlich in allen Medien auftauchte, brachte Thomas Palzer im Zuendfunk einen Beitrag, in dem er vom “Recht auf Geschwindigkeit” erzählte, und damit wohl meinte, man solle weiter die PS-starken SUVs und Minicoopers nutzen; das meist mit hämischen Kommentaren, nur “Gutmenschen” wären “Ökos” und “Hippies”. Mit diesen Wörtern schaltet man in Medien wie dem Zuendfunk jede Diskussion aus – “fashion rulez” heißt, man ist immer einer Meinung. Selbst im Zuendfunk gab es dann Anfang 2007 eine kleine Kolumne, in der man zugab, vielleicht müsse man nicht jedes Wochenende per Billigflieger in den Süden oder zum techno-club fliegen. Aber betont wurde, man wolle die Zuhörer und Zuhörerinnen natürlich nicht zu “Hippies” machen.
Im Grunde wissen die meist studierten ZuhörerInnen, daß es nirgendwo 2007 Hippies gab. Aber darum geht es nicht. Diese Medien, von untereinander recht ähnlichen Leuten gemacht, basieren auf “style”, dem man nacheifern soll; und es ist ausgemacht, “Klimaerwärmung”, das ist nunmal “uncool”. Einer hat im gleichen Radio mal die Definition von “cool” gegeben: “bei nichts dabei sein. Immer ironisch.” Natürlich stimmt das nicht, man verehrt immer monateweise recht fanatisch Leute als “Götter” (Madonna, dann Björk, dann Radiohead) – und verwirft sie dann. Aber man haßt eben, was man “Ökos” nennt. Man “disst” solche Leute. Kein Wunder, daß diese Medien dann unfaßbar niveauarme Autoren wie Maxeiner/Miersch gern zitierten. Und nicht verwunderlich, daß ein etwas kühlerer Frühling ausreicht, die alten Klischees wieder aufleben zu lassen. Daß der “Spiegel” in diesem Kanon mitmischt, verwundert nicht, aber es gibt natürlich viele, viele andere Medien mehr, Cicero war 2007 dabei, unzählige websites bringen statt Argumenten – Häme.
Interessant aber war, daß die FAZ, die sonst durchaus im Wirtschaftsteil die menschenmitgemachte Klimaveränderung leugnen wollte, diesen hervorragenden Artikel veröffentlichte. Man kann viel daraus lernen…
https://www.faz.net/s/RubC5406E1142284FB6BB79CE581A20766E/Doc~EE604428F360A4BE18ADB54220443B8B6~ATpl~Ecommon~Scontent.html
“Wer das Vorsorgeprinzip über Bord wirft, weil er keine absolute Problemgewissheit vorfindet, ist töricht oder verantwortungslos.”
Da wir über eine denkbare interstellare Bedrohung durch außerirdische, kriegerische Lebewesen noch weniger wissen als über den anthropogenen Klimawandel, solten wir uns also – um nicht töricht oder verantwortungslos zu handeln – ganz besonders dagegen wappnen. Better safe than sorry, oder etwa nicht?
So funktioniert Journalismus
“I welcome the Sunday Times’ apology for failing to accurately report my views and retract the Amazon story. As several experts told them – their story was baseless. What I find shocking about this whole episode is that an article read out [loud] and agreed with me was then switched at the last minute to one that fit with the Times’ editorial line that the IPCC contained a number of serious mistakes, but actually ignored the scientific facts.”
Sunday Times retracts and apologizes for shameful and bogus Amazon story smearing IPCC
Boulevardisierung des Spiegel?
Die Konkurrenz von Focus sitzt dem Spiegel natürlich im Nacken. Im Vergleich zur ZEIT sind die meisten Leser des Spiegel Leute, die eine schnelle Botschaft brauchen. Außerdem gibt es ja auch Anzeigenkunden, die bedient werden müssen.
Mir hat der Klimaforscher Hartmut Graßl einmal mitgeteilt, dass mit schöner Regelmäßigkeit vor den Klimakonferenzen Artikel über die Klimaskeptiker kommen mit entsprechenden Anzeigen. Das war beim ominösen Artikel “Der Windmühlenwahn” im März 2004 (?) nicht anders.
Ein “Flaggschiff der Demokratie” oder wie der Spiegel sonst noch genannt wurde nach seiner “Affäre” in den 60 er Jahren ist er schon längst nicht mehr.
_Flin_
Interessant ist in diesem Zusammenhang (tendenziöse und verfälschende Berichterstattung über den Klimawandel) auch der Artikel in der FAZ vom 9.7.2010 http://is.gd/drwO0 .
Ein ausgewogener Artikel über eine Studie von Markus Reichenstein, die impliziert, dass die Rückkopplung zwischen Erderwärmung und Ökosystematmung weniger stark ist als von Manchen befürchtet, wird mit der Überschrift “Die Flora lässt der Klimawandel seltsam kalt” versehen und mit dem Teasertext “Zum ersten Mal ist der Kohlenstoffhaushalt genauer erfasst und berechnet worden. Das Ergebnis: Die besonders düsteren Szenarien der Erderwärmung erweisen sich als unrealistisch.” ausgestattet.
Sehr zur Freude der Klimawandelleugner in den Kommentaren, die natürlich nicht erkennen, dass weder der Artikel noch die Studie über die Erderwärmung an sich keinerlei Aussagen treffen. Traurig.
Postnormale Wissenschaft? -Mediendiskurs
Hallo,
mir ist gerade ein “interessanter” (kaum Inhalte dafür umso spannendere Polemik) Vortrag empfohlen worden: http://www.youtube.com/…zuxcyJjg&feature=sub
(Prof. Kirstein, Leipzig)
Dort erklärt Prof. Kirstein was “postnormale Wissenschaft” ist und nennt auch viele Namen (z.B. Stefan Rahmstorf, John T. Houghton, Stephen Schneider, Maurice Strong, (die postnormalen); Hans von Storch, Gernot Patzelt, Nils-Axel Mörner, Vincent R. Gray (die “Guten”)) Der gesamte Vortrag ist m.E. extrem gefärbt und nicht nur verharmlosend sondern verschwörerisch anmutend, außerdem schürt er Angst, gegen die er vorgeblich anredet.
Da auch hier veröffentlichende Menschen (Stefan Rahmstorf) angegriffen werden fände ich es schön zumindest mal die wenigen wirklich konkreten Angriffe und genannten Fakten aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten.
MfG
[Antwort: Ich selbst hab’s nicht gesehen und auch keine Zeit für soetwas, aber der Kollege Hoffmann hat sich die Mühe gemacht. Stefan Rahmstorf]
Stampf und Spiegel
Lieber Herr Avram,
eine Analyse wichtiger Medien hinsichtlich ihrer Klimaberichterstattung ist wichtig und wird bislang meines Wissens nirgendwo seriös geleistet. Insofern finde ich Ihren Ansatz sehr interessant. Eine breitere und wissenschaftlich angelegte Untersuchung würde aber meiner Erwartung nach zu einem ganz anderen Bild führen: Der Mainstream der Berichterstattung steht voll und ganz hinter den Zielen des Klimaschutzes. Aus einer von mir selbst gemachten sehr kleinen und daher nicht repräsentiven Kollegenbefragung möchte ich allerdings die kühne Vermutung ableiten, dass mindestens neun Zehntel derer, die über die Erderwärmung und ihre Ursachen schreiben, sich mit den entsprechenden naturwissenschaftlichen Beweisführungen und Hypothesen nicht auskennen und im Zweifelsfall auch nicht kritisch beschäftigt haben. Selbst als überzeugter Nachhaltigkeitsvertreter kann man diese Haltung nur als unjournalistisch qualifizieren. Im Ergebniss fliegen Äpfel und Birnen in den Artikeln gern munter durcheinander. So betrachtet erfüllt der Spiegel seine journalistische Pflicht wesentlich besser als die Zeit, auch wenn die Zuspitzungen des Spiegels immer wieder gern übers Ziel hinaus schießen. Die Zeit hat in der Hochphase der IPCC-Kritik in der Printausgabe so gut wie gar nicht berichtet. Nur Zeit-Online hatte einen im Übrigen sehr guten Artikel dazu gebracht. Meines Erachtens ist dieses Abtauchen ein Akt der Feigheit – die Zeit hat einfach abgewartet, bis dieses für ihre Zielgruppen sehr schwierige Thema “vorbei” war. Dann veröffentichte sie den von Ihnen erwähnten Artikel von Schellnhuber und Leggewie, der in gekürzter Fassung bereits als Leserbrief im Spiegel erschienen war. Auch die Langfassung ist nichts anderes als ein Brief zweier – wenn auch hoch kompetenter – Leser an den Spiegel. Die Zeit veröffentlicht Leserbriefe an andere Medien in ihrem redaktionellen Teil – meines Erachtens ein journalistisches Armutszeugnis.
Beste Grüße
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