Kleine im Kommen

Seit einigen Jahren sind kleine Asteroiden mit einem Durchmesser von weniger als 1000 Metern zu einem beliebten Reiseziel der Raumfahrtnationen geworden. In der hier gezeigten Reportage stelle ich die Mission Huyabusa vor: Mit Hayabusa 2 hat die japanische Raumfahrtagentur JAXA vor kurzem nicht nur drei Lander abgesetzt, sondern auch mit einer Mini-Detonation den Untergrund des Himmelskörpers aufgesprengt. Das mit einem Greifarm aufgesammelte Material soll Ende 2019 seine Rückkehr zur Erde antreten.

Ryugu ist ein winziger Himmelskörper – selbst in irdischen Maßstäben. Sein in Japan gefundener Name „Drachenpalast“ stammt aus einer fernöstlichen Sage. Ursprünglich hieß er nüchtern 1999 JU3 und wurde kurz vor der Jahrtausendwende entdeckt. Der unscheinbare Asteroid hat einen Durchmesser von weniger als neunhundert Metern und gehört zu den zahllosen Kleinkörpern, die unser Planetensystem durchqueren. Ryugu ist wie alle Asteroiden eine Art Schutthaufen im All: Er besteht aus nur lose aggregiertem Gestein.

Jahrtausende hindurch flogen diese Kleinkörper unter dem Radar der Astronomen durch den Raum. Sie wurden nur sichtbar, wenn sie auf Kollisionskurs mit der Erde sind und in die Atmosphäre eintauchen. Dann brechen sie wie Kometen in Meteorströmen auseinander und fallen in mehr oder weniger großen Meteoriten zu Boden. Inzwischen ist das Sonnensystem in umfänglichen Durchmusterungen mit Hochleistungs-Maschinen wie dem VLT auf der Erde oder dem Weltraumteleskop NEOWISE für Near-Earth Orbit Wide Field Infrared Survey Explorer nach Asteroiden durchsucht. Experten sagen uns, dass Astronomen heute praktisch alle der zahlreichen Objekte kennen, einen Durchmesser von einem Kilometer haben oder größer sind. Die meisten der Asteroiden finden sich in einer Umlaufbahn zwischen Mars und Jupiter, also dort, wo die unterschiedlichen Gravitationskräfte die Bildung eines Planeten nicht erlaubten. So umkreisen diese Relikte der Planetenentstehung unser Zentralgestirn bis heute als lose Flug-Formation. In den stürmischen Anfangszeiten der Planetenentstehung ereigneten sich zahlreiche Kollisionen zwischen Asteroiden. Aber auch später haben solche Zusammenstöße Asteroiden immer wieder aus ihrer ursprünglichen Bahn hinaus katapultiert. Sie fliegen heute – wie auch Ryugu – auf exotischen Bahnen durch das Sonnensystem.

Etliche Asteroiden sind inzwischen mittels spektrographischer Methoden chemisch analysiert. Wir kennen heute drei Hauptklassen, die sich auch in Meteoriten wiederfinden: Die M-Klasse, Asteroiden mit metallischen Einschlüssen, die S-Klasse mit vorwiegend steinigen Bestandteilen sowie die C-Klasse mit viel Kohlenstoff, die sogar organische Verbindungen enthalten könnte.

In den letzten Jahren sind diese winzigen Himmelsobjekte auch zu einem beliebten Reiseziel irdischer Raumfahrer geworden. Ein Beispiel aus jüngster Zeit: der Besuch von Ryugu, die Zusammenarbeit der japanischen Raumfahrt JAXA mit europäischen Partnern. Die Anreise war zeitraubend. Die japanische Sonde Hayabusa 2 startete schon 2014, ist aber erst 2018 beim Asteroiden angekommen. Denn Hayabusa konnte nicht den direkten Weg zum Asteroiden einschlagen, sondern musste sich in viele Monate dauernden Manövern mit seinem Ionenantrieb auf die richtige Bahn bringen. Dazu berichtet Matthias Grott in der Sendung mehr.

Für uns daheim Gebliebene liefern solche Missionen ungewöhnliche Bilder aus dem Weltraum. Diese Objekte bieten aber auch reichlich Stoff für die Beantwortung von Forschungsfragen – und stellen gleichzeitig ganz neue Anforderungen hinsichtlich der eingesetzten Technologien.

Die Raumfahrer haben bei der Rosetta-Mission im August 2014 erstmals versucht, einen Lander auf einem derart kleinen Himmelsobjekt abzusetzen. Damals scheiterte dieser Versuch: Der hundert Kilogramm schwere Philae hüpfte aufgrund der Mikro-Gravitation wild und unkontrolliert über die steinige Oberfläche, blieb in Schieflage stehen und versagte seinen Dienst. Mascot dagegen – Mascot steht für Mobile Asteroid Surface Scoutist mit elf Kilogramm ein Leichtgewicht. Trotzdem musste die Oberfläche vor Ort von Hayabusa, ausgestattet mit einer Multispektralkamera, einem Lidar, einem Infrarot-Spektrometer sowie einer Infrarot-Wärmebildkamera minutiös inspiziert werden, ehe der endgültige Landeplatz für das deutsch-französische Lander-Modul ausgewählt werden konnte, das mit einer optischer Kamera, einem Radiometer und einem Magnetometer an Bord ausgerüstet war. Übrigens sind neben Mascot zwei weitere japanische Mini-Rover Minerva auf Ryugu abgesetzt worden.

Für die Landung von Mascot am 3. Oktober 2018 wurde die Muttersonde dem Asteroiden auf 41 Meter zu Ryugu abgesenkt und das Modul vorsichtig abgekoppelt. In Schrittgeschwindigkeit näherte sich Mascot nun dem Asteroiden. Obwohl er ganz sanft landete, hüpfte er mehrere Male über die Oberfläche, ehe er zur Ruhe kam. Auf Ryugu beträgt die Anziehungskraft nur rund ein 60.0000stel der irdischen.

Mit seinen Instrumenten hat Mascot in den folgenden knapp 17 Stunden die Oberfläche genau inspiziert. An dieser Stelle sein vor allem das heraus gehoben: Mascots radiometrischen Messungen, mit denen die physikalischen Eigenschaften des Asteroiden bestimmt wurde, haben bestätigt, dass Ryugu kohlenstoffhaltigen, 4,5 Milliarden Jahre alten Meteoriten ähnelt. Mit einer durchschnittlichen Dichte von nur 1,2 Gramm pro Kubikzentimeter ist Ryugu nur wenig ‘schwerer’ als Wassereis. Da der Asteroid aber aus unzähligen unterschiedlich großen Gesteinsbrocken zusammengefügt ist, bedeutet dies, dass ein großer Teil seines Volumens von Hohlräumen durchzogen sein muss, die den diamantenförmigen Körper vermutlich extrem zerbrechlich machen. Dabei handelt es sich um sehr seltene Steinmeteoriten aus der Klasse der sogenannten CI-Chondriten. Das C steht für das chemische Elements Kohlenstoff, und das ‘I’ für die Ähnlichkeit mit dem Ivuna Meteoriten aus Tansania. Sie gehören zu den ältesten Bestandteilen des Sonnensystems, Überbleibsel der ersten festen Körper, die in der stellaren Urwolke entstanden sind. Man nimmt an, dass sich aus ihnen die Körper des Sonnensystems entwickelt haben. Die Zusammensetzung des Asteroiden erklärt, warum von diesen CI-Chonrdriten bisher nur sehr wenige Meteoriten gefunden wurden, obwohl sie nach Meinung von Planetenforschern sehr häufig sein müssen. Doch unsere Atmosphäre schützt uns vor diesen Brocken: Fallen sie auf die Erde, dann zerbröseln die fragilen Schutthaufen schon in der Atmosphäre. Dank des Magnetometers an Bord gibt es nun auch Klarheit darüber, dass bei der Entstehung des Asteroiden wohl keine Magnetfelder mit im Spiel sind.

Zu keinem größeren Einsatz kam bei diesem Lander das neu entwickelte Schwungrad, mit dem er sich auf der Miniaturlandschaft hätte fortbewegen können – übrigens eine ganz neue Weltraum-Technologie für Mikro-Gravitation.

Mit den drei Landern war nur der erste Teil der Marathon-Mission abgeschlossen, zuletzt kam noch ein riskantes Manöver mit ungewissem Ausgang. Mit einer Mini-Detonation mithilfe einer Detonation aus 500 m Entfernung, für die ein 4,5 kg schweres Kupferprojektil mit Plastiksprengsatz wurde das Gestein unter der Oberfläche freigelegt. Vor und nach der Sprengung hat Hayabusa wenige Gramm Bodenproben genommen. Dazu näherte sich der Orbiter am 5. April 2019 der Oberfläche und fuhr einen Fuß aus, mit dem er den Boden berührte und dabei etwas Material aufgegriffen hat. Im Dezember 2019 tritt das dabei gesammelte Material von wenigen Gramm die Reise zur Erde an. Die Landung der Bodenprobe von Hayabusa 2 wird für 2020 erwartet.

2020 wird auch die NASA übrigens mit der 2016 gestarteten Mission OsirisRex erstmals Bodenproben eines Asteroiden nehmen: Bennu – Asteroid 1999 RQ36 – ein Asteroid der C-Klasse. Dieses mit einem Greifarm gesammelte Material schickt die NASA dann ebenfalls zurück zur Erde. Ihre Ankunft wird 2023 erwartet. Die Missionen von OsirisRex und Huyabusa haben jedoch ganz unterschiedlichen Fokus: Während die NASA, so sagte mir Matthias Grott, sehr spezifisch mit großem technologischen Aufwand Bodenproben nimmt, war das Aufgabenspektrum von Huyabusa mit drei abgesetzten Landern sowie einer Detonation der Oberfläche nicht nur breiter, sondern auch mit risikoreicher Komponente.

Auch das unterscheidet die beiden Missionen beträchtlich: Während die NASA OsirisRex mit der gebührenden Public Relations begleitet wird und die Presse häufig darüber berichtet, lief die erfolgreiche Hayabusa-Mission eher im Verborgenen ab. Das drückt sich auch in den Entwicklungskosten aus: Während die Mission Hayabusa mit knapp 200 Millionen Euro zu Buche schlägt, kostet die OsirisRex-Mission mal schlapp fast eine Milliarde Dollar. Da können sich die Projektverantwortlichen dann locker auch solch beeindruckende Animationen leisten! Allerdings sei auch das nicht verschwiegen: Mit den geplanten 100 Gramm Bodenproben, die OrisisRex zur Erde bringen soll, ist der Quotient Dollar je Gramm recht beeindruckend.

Bei diesem Text handelt es sich um eine bearbeitete Fassung des Sprechertextes zum oben präsentierten Video mit Statements von Matthias Grott aus dem Institut für Planetenforschung der DLR.

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Ich habe viele Jahre journalistisch im Bereich Wissenschaft und Technologie gearbeitet, später dann mit meiner kleinen Beratungsfirma als Medienexpertin. 2010 erfüllte ich mir meinen großen Traum und gründete den Spartensender HYPERRAUM.TV, für den ich eine medienrechtliche Rundfunklizenz erteilt bekam. Seither mache ich als One-Woman-Show mit meinem „alternativen TV-Sender“ gewollt nicht massentaugliches Fernseh-Programm. Als gelernte Wissenschaftshistorikern habe ich mich gänzlich der Zukunft verschrieben: Denn die Vergangenheit können wir nur erkennen, die Zukunft aber ist für uns gestaltbar. Wir sollten versuchen, nicht blind in sie hinein zu stolpern!

6 Kommentare

  1. Sich um Kleine in kleinen Missionen liebevoll kümmern (auf dem “Kleinen” landen, hüpfen, inspizieren, Staub einsammeln, eine “kleine” Sprengladung zünden, mit vielen Sinnen Signale auffangen (sichtbares und infrarotes Licht, Radar)) wie das Hayabusa 2 gemacht hat, bringt viele kleine Resultate, die aber zusammengenommen ein vielfältiges (multispektrales) Bild des “Kleinen” ergeben (“This little one is so cute”)

    Schwieriger wird es wenn man nicht nur einen Kleinen, sondern viele von ihnen untersuchen will – denn es gibt tausende von kleinen Asteroiden. So gesehen wäre es nett, wenn man von Asteroid zu Asteroid fliegen könnte und das in einer einzigen Mission, einer Mission, die dann Informationen über dutzende von Asteroiden zurückbringt. Der Vorschlag Nanospacecraft Fleet for Multi-asteroid Touring with Electric Solar Wind Sails Dort liest man:

    Wir schlagen eine verteilte Nahbereichsuntersuchung von Hunderten von Asteroiden vor, die viele Asteroidenfamilien, Spektraltypen und -größen repräsentieren. Dies kann durch eine Flotte von Nanoraumfahrzeugen (z.B. 4-5-teilige CubeSats) realisiert werden, die mit Miniaturbildgebungs- und Spektralinstrumenten (vom nahen Ultraviolett bis zum nahen Infrarot) ausgestattet sind. Um das notwendige große Delta-V zu ermöglichen, trägt jedes Raumschiff eine einzige elektrische Segelleine, die den Impuls des Sonnenwindes aufnimmt. Die Daten werden während der Mission in einem Flash-Speicher gespeichert und bei einem Erdvorbeiflug heruntergefahren. Dies hält die Telemetriekosten für Deep-Space-Netzwerke trotz der großen Anzahl einzelner Raumfahrzeuge niedrig. Um ohne den Einsatz des Weltraumnetzwerks zu navigieren, ist eine optische Navigation erforderlich, um Sterne, Planeten und Asteroiden zu verfolgen.

    Solche eine Mission wäre heute aber noch nicht möglich, denn die geforderte optische Navigation in der der Satellit selber die interessanten Asteroide sucht und dann ansteuert, die gibt es wohl noch nicht als out-of-the-box service für Weltraummissionen, auch wenn so etwas heute mit künstlicher Intelligenz möglich wäre.

  2. Universe Today berichtet über Habayusa2 ( https://www.universetoday.com/143451/hayabusa-2-has-one-last-lander-its-going-to-throw-at-ryugu/ )und zeigt ein Zeitraffer-Photo eines “TargetMarkers” welcher vom Mutterschiff freigesetzt wurde.

    Target-Markers freizusetzen war eine der vielen Operationen von Habayusa2. Diese Target-Marker bestanden aus zwei 10 cm großen, mit reflektierendem Material bedeckten Kugeln, die im Orbit um Ryugu freigesetzt wurden. (übersetzt von DeepL);

  3. Ergänzung zu meinen Kommentar vom 21.10.2019, 10:34 Uhr zu den Target-Markern, also den Zielmarkierungsobjekten, welche am 16.September 2019 von Habayusa2 freigesetzt wurden ( https://www.universetoday.com/143451/hayabusa-2-has-one-last-lander-its-going-to-throw-at-ryugu/ ) (übersetzt von DeepL):
    “Wir haben zwei Zielmarker aus einer Höhe von etwa einem Kilometer freigegeben. Der Zweck ist eine Probe der Freisetzung des kleinen Rovers MINERVA-II-2 im nächsten Monat…. Wir können die Umlaufbahn der Zielmarker um Ryugu beobachten und dann das Schwerefeld von Ryugu im Detail bestimmen”.

    Zweck der Zielmarker: Der winzige Asteroid Ryugu hat auch ein Schwerefeld – wenn auch ein äusserst schwaches. Der Miniatur-Rover MINERVA-II-2, der auf dem Asteroiden landen und dann rollen soll, muss auf möglichst schonende Weise auf die Asteroidenoberfläche gebracht werden und dazu muss man wissen wie gross die Anziehungskraft durch Ryugu ist. Um die Stärke der Anziehungskraft zu bestimmen setzte Habayusa 2 einfach zwei reflektierende Kugeln frei und beobachtete ihre Bahn um aus der Bahn die Anziehungskraft zu bestimmen. Ein sehr einfaches, aber wirkungsvolles Experiment. Ausgelöst wohl durch ein Signal, das von der Erde aus zum Satelliten Habayusa2 gesandt wurde. Leute auf der Erde bestimmen also per Knopfdruck, was ein Satellit 250 Millionen Kilometer entfernt, machen soll.

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