Vereinte Indianer: In Greifswald wurde gestern das Junge Kolleg eröffnet

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Salon der zwei Kulturen
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Karl May hatte Kommunikationsprobleme. Oder besser: Verständigungsschwierigkeiten; davon künden seine Romane. So begegnen die Leser auf ihren Entdeckungsreisen durch Mays Wilden Westen regelmäßig Rothäuten, die sich untereinander nicht grün sind. Die Komantschen reden nicht mit den Cheyenne, die Irokesen beargwöhnen die Apatschen, und die Sioux kommen kaum dazu, das Kriegsbeil auch mal wieder einzubuddeln. Oder so ähnlich.

An den deutschen Hochschulen geht es nicht ganz so malerisch zu wie in den politically nicht immer ganz korrekten Werken des Herrn May – doch auch hier gibt es verschiedene Stämme. Nein, keine Bange, ich hebe nicht auf die Exzellenzinitiative ab. Ich meine die Angehörigen der verschiedenen Begabtenförderungswerke. Die schmieren sich zwar weder Farbe ins Gesicht noch müssen sie Friedenspfeifen miteinander rauchen – soweit mir bekannt. Immerhin aber stehen manche für grüne (Heinrich-Böll-Stiftung), gelbe (Friedrich-Naumann-Stiftung) tief rote (Rosa-Luxemburg-Stiftung) oder andere Werte und praktizieren in ihren jeweiligen Lagern ein gepflegtes Vereinsleben: laden grüne, gelbe, rote Häuptlinge ein, wandern und zelten zusammen, debattieren.

Wer bei Karl May nie verstand, warum die verschiedenen Indianerstämme oft mehr trennte als verband, merkt vielleicht bei der Nachricht auf, dass die hiesigen Begabtenförderungswerke jetzt gemeinsame Sache machen, wenn auch nur im Kleinen.

Kollegiaten des Jungen Kollegs bei der Eröffnung
Kollegiaten des Jungen Kollegs bei der Eröffnung (Fotograf: Vincent Leifer, Greifswald)

Der kleine Wilde Westen liegt bei uns im Osten, und zwar ganz hoch oben – in Greifswald. Die dortige Universität ist mit 12.000 Studierenden (bei nur 54.000 Einwohnern!) viel zu klein, um in Sachen Exzellenzinitiative mitzureden (obwohl man an der Ryck sehr stolz etwa auf die eigene Medizin ist). Nein, die Rauchzeichen kommen vom Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, einer „unabhängigen wissenschaftlichen Einrichtung zur Förderung herausgehobener Forschung und interdisziplinärer Zusammenarbeit“. So stand es in einem netten Brief, den mir die wissenschaftliche Direktorin, Prof. Dr. Bärbel Friedrich, im Februar schrieb.

Das Kolleg, las ich mit Interesse, habe vor, zusätzlich zu seinen etablierten Fellow-, Vortrags- und Tagungsprogrammen ein „Junges Kolleg“ zu gründen, in dem die mehr als 100 Greifswalder Stipendiaten der großen deutschen Begabtenförderungswerke ab sofort gemeinsame Sache machen dürfen. Gemeinsame Sache, das bedeutet, sich zu selbst gewählten Themen austauschen, Tagungen organisieren und im Sommer gemeinsam Drachenboot fahren. Und das alles, ohne die Zugehörigkeit der einzelnen Kollegiaten zu ihren jeweiligen Förderinstitutionen zu verleugnen. Eine prima Idee, wie ich finde.

Im hochmodernen Vortragssaal des Alfried Krupp Kollegs
Im hochmodernen Vortragssaal des Alfried Krupp Kollegs (Fotograf: Vincent Leifer, Greifswald)

Dem Brief beigelegt war ein Schreiben mehrerer Kollegiaten mit der Einladung an mich, zur Eröffnung ihres Kollegs einen Vortrag über Wissenschaftskommunikation zu halten, ein Thema, das den Geförderten auf den Nägeln brenne wie kaum ein anderes. Natürlich nahm ich an, neugierig zu sehen, wie sich denn die verschiedenen „Indsmen“ und „–women“ im Kollektiv geben.

Gestern nun wurde das Junge Kolleg Greifswald feierlich eröffnet, und ich konnte mich bei den Diskussionen vor und nach meinem Vortrag davon überzeugen, dass die Idee, die unsichtbaren Grenzen zwischen den verschiedenen Stiftungslagern in einem geschützten Raum aufzulösen, um zusammen mehr zu erreichen, hier tatsächlich gelebt wird. Vermutlich ist es kein Zufall, dass diese Initiative an einem eher kleinen Hochschulstandort an der Peripherie unserer akademischen Landkarte geboren und umgesetzt wurde. Möglicherweise strahlt sie ja von dort in die großen Zentren aus. Howgh!

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Carsten Könneker Zu meiner Person: Ich habe Physik (Diplom 1998) sowie parallel Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte (Master of Arts 1997) studiert – und erinnere mich noch lebhaft, wie sich Übungen in Elektrodynamik oder Hauptseminare über Literaturtheorie anfühlen. Das spannendste interdisziplinäre Projekt, das ich initiiert und mit meinen Kollegen von Spektrum der Wissenschaft aus der Taufe gehoben habe, sind die SciLogs, auf deren Seiten Sie gerade unterwegs sind.

1 Kommentar

  1. Hehe! 🙂

    Als Indianer Schwarzer Lesefinger vom Stamme der Adenauer-Altstipendiaten las ich mit Wohlwollen vom unblutigen Verlauf des Friedensgipfels fernab der großen Gräben. Gleichwohl der Austausch zu begruessen ist, so mahne ich doch, dass wir uns keine Eingeitsgesellschaft wünschen, sondern Vielfalt auch der Anschauungen und Meinungen als Chance begreifen. Dass die Vereinigten Indianer Dir lauschten, spricht gleichwohl für sie und ihre Neugier. Mögen Vielfalt und Gemeinsamkeit alle Indianer roter, grüner, schwarzer und anderer Farben zugleich anstacheln und verbinden. Howgh! 🙂

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