V2 von Robert Harris nachgerechnet

Eine deutschen A4 kurz nach dem Abheben im Wald bei Den Haag während des zweiten Weltkriegs, Quelle: Wikipedia

Im Roman “V2” (Titel der deutschen Ausgabe “Vergeltung”) des britischen Schriftstellers Robert Harris geht es um halb-fiktive Ereignisse gegen Ende des zweiten Weltkriegs. Aber bevor ich weiter darauf eingehe, möchte ich zunächst den Hinweis auf einen ganz anderen Sachverhalt loswerden. Der ist leider gar nicht fiktiv, aber trotzdem kaum zu glauben —> Link

Die “V2” bzw. A4

“V2”, kurz für “Vergeltungswaffe 2” ist die Bezeichung der deutschen Propaganda für die militärische Rakete A4 (Aggregat 4), die im zweiten Weltkrieg unter enormem personellem und finanziellem Einsatz entwickelt und ab 1944 eingesetzt wurde. 

Bei der A4 handelt es sich um eine mit flüssigem Treibstoff betriebene Boden-Boden-Rakete mit einer Höhe von 14 Metern und einer Startmasse von knapp 13 Tonnen, wovon fast 9 Tonnen auf den Treibstoff entfielen: Äthylakohol-Wasser-Gemisch als Brennstoff, Flüssigsauerstoff als Oxidator. Das Triebwerk mit einem Schub von etwa 250 kN (entsprechend der Gewichtskraft einer Masse von rund 25 Tonnen) hatte einen spezifischen Impuls von 215 Sekunden und eine Brenndauer von nur 76 Sekunden.

Eine deutschen A4 kurz nach dem Abheben im Wald bei Den Haag während des zweiten Weltkriegs, Quelle: Wikipedia
Eine deutsche A4 kurz nach dem Abheben im Wald bei Den Haag während des zweiten Weltkriegs, Quelle: Wikipedia

Diese Schubphase reichte aus, um die Rakete auf eine Geschwindigkeit von fast 1600 m/s (rund fünffache Schallgeschwindigkeit) zu beschleunigen. Die dann ausgebrannte Rakete mit einer Masse von immer noch 4 Tonnen, davon ein Gefechtskopf von einer Tonne, erreichte eine Flughöhe von über 80 km und eine Reichweite von mehr als 300 km. Damit war London erreichbar, wenn die Rakete vom Territorium Frankreichs oder der Niederlande gestartet wurde.

Simulation der Flugbahn

Mit Daten, die ich in der Literatur oder im Internet gefunden habe, konnte ich eine numerische Simulation der Flugbahn vornehmen. Alle Trajektorien, die hier gezeigt werden, entstammen meiner Simulation. Die Steuerung der A4 erfolgte nicht per Funk, sondern über einige wenige in der Regelungseinheit an Bord eingestellte Parameter. Die Rakete stieg zunächst einmal senkrecht auf und wurde nach einer vorausbestimmten Zeit um einen definierten Winkel in eine definierte Richtung geneigt, wodurch ihr Kurs und auch ihre Flugdistanz festgelegt wurden. Aktuatoren waren Ruder an den Heckflossen sowie kleinere Ruder aus Graphit im Abgasstrahl. 

Numerisch simulierte Subspur eines Flugs der A4 von einem Startort nahe Den Haag bis London, Quelle: Michael Khan
Numerisch simulierte Subspur eines Flugs der A4 von einem Startort nahe Den Haag bis London, Quelle: Michael Khan

Schon bald nach dem Abheben flog die Rakete bereits so hoch und schnell, dass ein Abfangen praktisch unmöglich war. Brennschluss passierte in über 30 km Höhe. Danach flog die A4 auch im ungesteuerten Freiflug zunächst noch weiter aufwärts, bevor sie wieder herunterfiel. Durch Luftwiderstand in niedrigeren Luftschichten wurde sie zwar deutlich abgebremst, der Einschlag erfolgte aber immer noch mit mehr als Mach 2.5. 

Nicht nur der Sprengstoff des Gefechtskopfs, sondern auch die beträchtliche kinetische Energie führten in der Einschlagszone zu schweren Schäden. Die Zielgenauigkeit war allerdings nicht sehr hoch; sie lag im Bereich von einigen Kilometern (!). Der militärische Nutzen dieser Waffe war damit limitiert. Die Terrorwirkung dürfte beträchtlich gewesen sein, zumal man die mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit herabstürzende Rakete meist vor dem Einschlag nicht wahrnahm. 

Numerisch simuliertes Flugprofil eines Flugs der A4, hier: Flughöhe über zurückgelegte Entfernung über Grund, Quelle: Michael Khan
Numerisch simuliertes Flugprofil eines Flugs der A4, hier: Flughöhe über zurückgelegte Entfernung über Grund, Quelle: Michael Khan
Numerisch simuliertes Flugprofil eines Flugs der A4, hier: Flughöhe über Zeit nach dem Abheben, Quelle: Michael Khan
Numerisch simuliertes Flugprofil eines Flugs der A4, hier: Flughöhe über Zeit nach dem Abheben, Quelle: Michael Khan
Numerisch simuliertes Flugprofil eines Flugs der A4, hier: Machzahl über Flughöhe, Quelle: Michael Khan
Numerisch simuliertes Flugprofil eines Flugs der A4, hier: Machzahl über Flughöhe, Quelle: Michael Khan

Die Handlung des Romans

Der Roman “V2” spielt Ende 1944. Die Deutschen beschießen von mobilen Startbasen in Waldstücken nahe des niederländischen Badeorts Scheveningen bei Den Haag aus London und Antwerpen. Die Briten versuchen, aus Radarbeobachtungen soeben gestarteter Raketen und den Koordinaten der Einschlägen weniger als 6 Minuten später in England  über die ballistische Berechnung der Flugparabel den Abschussort zurückzurechnen. Man will dessen Koordinaten an lauernde Piloten der Royal Air Force übermitteln, die den Startort punktgenau bombardieren sollen. Alle Berechnungen werden von weiblichen Offizieren vorgenommen, die wegen ihrer mathematischen Fähigkeiten für diese Aufgabe ausgewählt worden sind. Dabei ist Eile geboten, denn der Fliegerangriff soll erfolgen, bevor die Deutschen die Startbasis verlegen. 

Die britischen Radarstationen sind in der bereits von den Briten befreiten belgischen Stadt Mechelen stationiert, die fast exakt südlich von Scheveningen liegt. Das Blickfeld von dort liegt senkrecht zur Flugbahn der Raketen. Ich habe ausgerechnet, dass die Radarstationen bei einer Mindestelevation von 5 Grad die Raketen erst ab 12 Kilometer Flughöhe erfassen können. 

Macht die Geschichte Sinn?

Ich habe da Zweifel. Schon einmal halte ich es für wenig plausibel, dass man aus einer Berechnung der ballistischen Kurve auf den Startort schließen kann.  Erstens funktionieren diese ballistischen Berechnungen meines Wissens nur unter der Voraussetzung, dass die Luftdichte  über die gesamte Flugbahn hinweg konstant bleibt. Luftwiderstand ist der wesentliche Störparameter. Eine A4 verlässt jedoch schon fast die Atmosphäre und absolviert dann einen Wiedereintritt. Das heißt, die Luftdichte variiert zwischen dem Wert auf Meereshöhe und fast Null. Unter solchen Annahmen ist die Berechnung eine ganz andere Hausnummer als eine ballistische Kurvenrechnung. Kaum vorstellbar, dass man ohne einen leistungsfähigen Computer so schnell den Ausgangspunkt berechnen kann.  

Numerisch simuliertes Flugprofil eines Flugs der A4, hier: Flughöhe über zurückgelegte Entfernung über Grund bis zum Brennschluss des Triebwerks, Quelle: Michael Khan
Numerisch simuliertes Flugprofil eines Flugs der A4, hier: Flughöhe über zurückgelegte Entfernung über Grund bis zum Brennschluss des Triebwerks, Quelle: Michael Khan

Zweitens eignen sich solche ballistischen Berechnungen nur für Geschosse aus Kanonen. Diese fliegen unmittelbar nach Verlassen des Kanonenlaufs, also noch nahezu an der Erdoberfläche, bis zum Einschlag auf einer ballistischen Bahn. Bei Raketen ist das aber anders, wie man an der obigen Kurve des Aufstiegs unter Antrieb sieht. Es geht erst senkrecht nach oben, dann fliegt die Rakete eine Kurve. Das Radar kann die Rakete erst in 12 km Höhe erfassen, also schon fast 5 km vom Startort entfernt. Wenn man die ballistische Kurve einfach rückwärts rechnet – mal angenommen, man kriegt das überhaupt hin, was ich bezweifele – landet man bei einem vermuteten Startort, der einige Kilometer vom tatsächlichen entfernt ist. Die herbeigerufenenen Flugzeuge würden also mit hoher Wahrscheinlichkeit den falschen Ort bombardieren. 

Hinzu kommen noch die Störungen der Flugbahn durch Windversatz sowohl beim Aufstieg als auch beim Absturz. Die könnte man nicht berechnen, aber sie würden die Berechnungen weiter verfälschen. Einer der Protagonisten im Roman spricht übrigens genau dieses Problem an, nicht aber die beiden oben genannten. 

Was wurde da wirklich versucht?

Sinnvoller fände ich es, den Ort, an dem die Rakete vom Radar erfasst wird, genau zu bestimmen. Dazu braucht man mehrere Radarstationen mit etwas Abstand zueinander. Das Verfahren nennt sich Triangulation. Jede Radarstation misst die Himmelsrichtung, in der sie die aufsteigende Rakete sieht, ebenso wie ihre Entfernung. Eine andere Radarstation misst eine etwas andere Richtung und Entfernung, eine dritte wieder eine andere. Legt man mehrere Messergebnisse übereinander, kann man die Messfehler einzelner Stationen herausrechnen.

So hätte man eine genaue Bestimmung der Position der Rakete, bzw., wenn man mehrere Radarmessungen macht, eine Folge genauer Positionsbestimmungen. Damit könnte man schon den wahrscheinlichen Startpunkt weitgehend eingrenzen, anders als mit der Berechnung der ballistischen Flugbahn. 

Ich gehe davon aus, dass das britische Militär genau das versucht hat, und nicht die von Robert Harris beschriebene Rückrechnung der ballistischen Bahn.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

18 Kommentare

  1. ein kleiner fehler hat sich eingeschlichen
    gleich im 2ten absatz mit den flugdaten
    **…und eine Brenndauer von nur 76 Minuten. **
    sind natürlich sekunden

    insgesamt ganz interessant, vorallem da ich vor kurzem erst einen bericht zur V2 und W.V.Braun gesehen hab.

    grüssle

    ps: muss weder beantwortet noch veröffentlicht werden

  2. Zu den verlorengegangenen und auf dem Schrott wiedergefundenen Tanks – anscheinend sehen die so aus und sind aus Titan gefertigt. Die mal eben schnell nachzufertigen… tja, könnte schwierig werden.

    Allerdings frage ich mich, was jemanden bei dieser Firma bewegen könnte, die Dinger einfach und ohne Rückfrage wegzuwerfen. Mit dem aufwendig gefrästen Laschenring auf dem Bild sehen die nicht gerade nach billigem Anlieferbehälter für Lack oder ähnliches aus.

    • Die haben ja schon die Fertigungskapazitäten auf die Vega C umgestellt und könnten gar nichts mehr für die alte Vega bauen.

      Da gibt es eine Menge Fragen zu klären. Warum hatte man diese Tanks nicht im Asset-Management-System eingetragen? Warum war da kein RFID drauf wie auf jeder Unterhose bei Pimkie, damit man exakt verfolgen kann, welches teure Stück Technologie gerade wo ist?

      Werden wir je erfahren, was da gelaufen ist und wird dieser Fall Konsequenzen haben?

      Da wir ja offenbar die Sentinel-Satelliten, die mit der Vega gestartet werden sollten, dringend brauchen (so dringend, dass ihretwegen die Biomass-Mission sich hinten anstellen muss), kann ich mir nicht vorstellen, dass diese jetzt diskutierte Verzweiflungstat mit irgendwelchen Uralttanks oder zusammengeschusterten Oberstufen eine Chance hat. Falls das kene Option ist und sie Satelliten trotzdem hoch müssen, gibt es ja nur eine Alternative, die auch schon etliche andere ESA-Missionen 2023 und 2024 nutzen.

      • Möglicherweise sind diese Kalamitäten ja eine Folge der Trennung von Avio (des Herstellers der Tanks) und Arianespace, die offenbar gerade im Schwange ist. Nicht dass diese Tanks bei Arianespace registriert waren und irgendjemand dort sich in einem Anflug von machiavellistischer Firmenpolitik entschieden hat, Avio zum Abschied einen mitzugeben und die Dinger auszubuchen, ohne dies Avio mitzuteilen.

          • Äh, stimmt. Meine Formulierung “Avio (des Herstellers der Tanks)” war ein bißchen voreilig. Möglicherweise haben sie den extern fertigen lassen.

            Oder sogar das Orbital Propulsion Centre der ArianeGroup war der Hersteller. Auf der Seite gibt es auch ein PDF, welches die Missionen aufführt, für die vom OPC Tanks gefertigt wurden. Die Vega-Missionen sind ebenfalls mit in der Liste, allerdings nicht mit der Info, für welche Stufen.

          • Ich habe einen Haufen Artikel gesehen, wo offensichtlich der eine vom anderen abgeschrieben hat und eine Menge blühender Unsinn hinzugefügt wurde. An einer Stelle stand, dass die Tanks, als sie gefunden wurden, “mit hypergolem Treibstoff befüllt” waren. Kompletter Unsinn, zum Glück, sonst hätte das Tote gegeben. Aber wer die Dinger gebaut hat, das steht nirgends.

  3. Wenn ich auf den Link am Ende des 1. Absatzes klicke bringt malewarbytes folgende Meldung:

    “Website blockiert aufgrund von riskware
    Website Blocked: europeanspaceflight.com

    v2.6.16 | Riskware: 2.0.202312101046
    Malwarebytes Browser Guard hat diese Seite blockiert, weil sie möglicherweise bösartige Aktivitäten enthält.”

    Deshalb habe ich den Zugriff auf diese Seite unterlassen.

  4. Ich habe keine solche Warnung bekommen, obwohl auch mein Browser gesichert ist.

    Natürlich kann ich keine Garantie für alle verlinkten Webseiten übernehmen. Wer sicher sein will, sollte den Link vermeiden.

  5. Ergänzend zu den Parametern
    “Die Steuerung der A4 erfolgte nicht per Funk, sondern über einige wenige in der Regelungseinheit an Bord eingestellte Parameter.”
    Bei der V1 wurden die Parameter mit der Hilfe eines Piloten ermittelt, der bei einer V1 mitflog. Das war halsbrecherisch , hatte aber Erfolg.
    Inwieweit man diese Daten dann bei der V2 verwenden konnte und ob man sie überhaupt verwenden konnte, das weiß ich nicht.

    • “V1” ist die Propagandabezeichnung für die Fieseler 103, ein früher Marschflugkörper mit Staustrahltriebwerk, also ganz etwas anderes als eine Rakete wie die A4. Es hat zwar eine bemannte Version der Fieseler 103 gegeben, aber erst nachdem das unbemannte Vehikel bereits im Einsatz war.

      Nicht nur die Bauart, auch die Steuerung der V1 unterschied sich fundamental von der A4. Die V1 absolvierte einen langen, angetriebenen und gesteuerten Flug in der Atmosphäre, wie ein Flugzeug. Eine Zeitschaltuhr schaltete das Triebwerk nach einer zuvor eingestellten Zeit ab. Dann erfolgte der Absturz. Bis dahin wurde sie von einer Trägheitsplattform im stabilen Flug gehalten. Wirklich manövrieren konnte sie meines Wissens nicht.

      Die A4 dagegen absolvierte einen kurzen Flug, von dem nur etwas mehr als eine Minute angetrieben war. Als Aktuatoren gab es vier Strahlruder aus Graphit sowie Klappen an den vier Flossen am Ende. Die Strahlruder konnten nur wirken, solange das Triebwerk lief, die Klappen nur, solange die Geschwindigkeit nicht zu niedrig und die Flughöhe nicht zu hoch war, also innerhalb eines kurzen Zeitfensters. Im Prinzip ging es bei der A4 nur darum, den senkrechten Aufstieg zu gewährleisten, zu einem vorgegebenen Zeitpunk die Rakete um einen definierten Winkel auf die Seite zu drehen und das Triebwerk ggf. schon vor der maximalen Brenndauer auszuschalten. Regelungstechnisch ein ganz anderes Problem, zumal alles schon in rund einer Minute erledigt sein musste.

      Einen Zusammenhang mit der Fieseler 103 sehe ich da nicht.

  6. “Es geht erst senkrecht nach oben, dann fliegt die Rakete eine Kurve. Das Radar kann die Rakete erst in 12 km Höhe erfassen, also schon fast 5 km vom Startort entfernt.”
    Und das wird bei Triangulation besser?
    Wie hat eigentlich die “Raketenartellerie” (Stalingorgel, Nebelwerfer) im zweiten Weltkrieg ohne Computer die Flugbahn berechnet? (Reichweite immerhin bis ca. 7 km). Die Nebelwerfer wurden z.B. für sog . Feuerüberfälle verwendet, d.h. sie konnten sich nicht “einschießen” haben aber trotzdem getroffen. Und nur vorbeugend, daß das Flächenwaffen waren heißt nicht, daß sie 100 m daneben treffen konnten, das hätte sie wirkungslos gemacht.
    Sie hatten sog. Schußtafeln mit denen sie die Flugbahn “berechneten”.
    Für eine V2 wären solche regressiv erstellten Tafel zwar recht aufwändig aber durchaus auch von Hand machbar. Die schnellen “Bahn-Berechnungen” beschränken sich dann auf Korrekturfaktoren und Interpolationen.

    • Und das wird bei Triangulation besser?

      Was man mittels Triangulation bestimmen kann, steht im Artikel. Den Abschussort der Rakete kann man so bestenfalls eingrenzen, aber mangels Kenntnis der Trajektorie bis dorthin nicht genau bestimmen, ebensowenig wie mit der Rückrechnung der ballistischen Flugbahn, die man aber bei Licht geshen überhaupt nicht braucht.

      Zu Ihrer weiteren Frage, wie die Flugbahn von Boden-Boden-Raketen berechnet wurde – die Flugbahn und der Einschlagspunkt wurden ja nicht von der Gegenseite berechnet, sondern von denen, die die Raketen betrieben, wobei sie auf Daten derjenigen zurückgreifen konnten, die die betreffenden Waffen entwickelt und gebaut hatten, sowie auf umfangreiche Daten, die während der Erprobung und im Einsatz der Waffen gewonnen wurden. Die Deutschen wussten, welche Parameter sie in der Steuereinheit einer von ihnen gestarteten V2 eingegeben hatten. Damit konnten sie die Flugbahn zumindest eingrenzen – da sie aber nicht wussten, was die Rakete wirklich ausgeführt hatte und auch nicht die Bahnstörungen beim aktuellen Flug kannten, war die Genauigkeit der Prognose begrenzt.

      Die Briten kannten aber nicht die technischen Details der Rakete und schon gar nicht die aktuellen Startparameter, sodass es ihnen unmöglich gewesen wäre, aussagekräftige Vorhersagen der Trajektorie zu treffen.

      Wenn Sie meinen, das sei “von Hand machbar”: Nur zu – rechnen Sie uns das gern mal vor. Ich habe die Bahn der V2 berechnet und traue mir eine solche Vorhersage nicht zu. Dabei verfüge ich eher noch über mehr Wissen über die Rakete als die Briten damals und mit Sicherheit über bessere Daten zur Erdatmosphäre.

      Für weitere Behauptungen Ihrerseits habe ich leider keine Zeit, dafür bitte ich um Verständnis.

  7. “Was man mittels Triangulation bestimmen kann, steht im Artikel.”
    Die “Kritik” war gerade, daß wenn die Rakete entsprechend spät – also weit vom Startpunkt entfernt – erfaßt wird, sich das auch durch Triangulation nicht verbessern läßt. Ihre erste Aussage, das beschriebene Verfahren sei “schlecht”, Triangulation wäre “bessser” wird, wie Sie jetzt richtigerweise sagen, dadurch nicht gestützt.
    “Wenn Sie meinen, das sei “von Hand machbar”: Nur zu – rechnen Sie uns das gern mal vor.” Sie, als “Raketenwissenschaftler”, scheinen die Aussage grundsätzlich nicht verstanden zu haben. Wie Sie selber schreiben; “Das Triebwerk (…) hatte (…) eine Brenndauer von nur 76 Sekunden. […] Danach flog die A4 auch im ungesteuerten Freiflug zunächst noch weiter aufwärts, bevor sie wieder herunterfiel.” Die Rakete flog also, nach einer relativ kurzen Beschleunigungsphase ballistisch. Diese ballistische Flugbahn, läßt sich – entgegen Ihrer Annahmen – natürlich berechnen. Den unterschiedlichen Bedingungen wird man durch abschnittsweise Berechnung (Δt oder Δs) Herr, wobei die Größe der Abschnitte nahezu beliebig verfeinerbar ist; eine Fleißaufgabe eben. Daß das Ergebnis des letzten Abschnitts der Eingangewerte des neuen Abschnitts mit entsprechend veränderten Parametern ist muß ich jetzt nicht wirklich ausführen. Für verschiedene Flugbahnen erstellt man so die Tafeln. Die Hauptberechnung erfolgt jeweils für Windstille. Unterschiedliche Windstärken und die Windrichtung werden als Korrekturfaktoren für die jeweilige Tafel angegeben. (Genauso andere beeinflussende Wetterfaktoren). Solche grundlegenden Berechnungen konnten in aller Ruhe und mit ausreichend Manpower gemacht werden, ganz ohne Computer. Bei rein ballistischer Flugbahn wären wir hier schon fertig und könnten anhand der beobachteten Flugbahn, der Einschlagstelle und der Wetterdaten durch Auswahl der richtigen Tafel und der zutreffenden Korrekturwerte innerhalb weniger Minuten die Abschußstelle “berechnen”.
    Zutreffend ist Ihre Kritik allerdings hinsichtlich der angetriebenen Phase. Vor allem da der `Abkippunkt´ den Engländern nicht bekannt war.
    Aber auch das wäre in den Griff zu bekommen, indem man die vorgenannten Bahnberechnungen mit entsprechenden “Starttafeln” kombiniert. Das vervielfacht den Aufwand natürlich, aber das ist als “Vorberechnung” nicht limitierend. Die Genauigkeit hängt jetzt nur noch davon ab, wie genau die Engländer den Antrieb kannten oder einschätzen konnten. Wenn sie über annähernd korrekte Daten verfügten könnte das durchaus funktionieren; zumindest so genau, daß sich ein Bomberangriff lohnt.

    • Ich denke, die Antwort auf Ihre Kommentare steht schon im Text. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo ein Kommentator die schon gegebene Information ignoriert und immer weiter dasselbe behauptet. Ich äußere mich dazu noch genau ein Mal. Das muss dann aber auch reichen.

      Zur Triangulation:

      Den Briten ging es darum, möglichst genau den Startort zu kennen, damit sie den bombardieren konnten. Laut der Handlung des Romans versuchten sie das über die ballistische Berechnung der Bahn zu erreichen. Ich meine, dass damit keine brauchbare Genauigkeit zu erzielen gewesen wäre. Weder die atmosphärische Abbremsung beim Aufstieg und nach dem Wiedereintritt kann ohne Kenntnis der genauen Daten der Rakete und der Atmosphäre hinreichend genau bestimmt werden. Die Deutschen kannten ersteres ziemlich genau, letzteres wahrscheinlich aufgrund der erworbenenen Daten bei Testflügen und im Einsatz auch einigermaßen, die Briten hatten keine Daten zu beiden Punkten.

      Mit der ballistischen Rückrechnung hätte man aber ohnehin bestenfalls (auch wenn obiges bekannt gewesen wäre), nur die Freiflugphase modellieren. Beim Aufstieg unter Triebwerksschub sind die dominanten Faktoren der Triebwerksschub und der Effekt der Klappen im Triebwerksstrahl und an den Flossen. Den Briten fehlte die Information zu beiden Punkten.

      Die Schubphase endete in meiner Simulation bei einer Bahnhöhe von über 30 km. Das heißt, der Aufstieg bis dahin wäre für sie nicht zu simulieren gewesen. Und damit auch nicht die Rückrechnung zu den Koordinaten des Standorts des Starts – also zu gerade der Sache, die man berechnen wollte.

      Mit der Triangulation mittels mehrerer Radarstationen hingegen hätte man immerhin schon die Position bei einer Höhe von nur 12 km recht genau bestimmen können. Also wesentlich weiter unten und damit dichter am Startort als mit der im Roman beschriebenen Methode. Damit wäre also auch die Auswirkung der unbekannten Faktoren in der Schubphase deutlich geringer gewesen – man hätte die möglichen Lokationen des Startorts also mittels Triangulation viel genauer eingrenzen können. Die ballistische Rechnung trägt nichts Wesentliches mehr bei.

      Ich gehe davon aus, dass auch den beteiligten britischen Wissenschaftlern das alles bekannt gewesen sein wird. Die wussten, dass sie es mit einer Rakete zu tun hatten. Sie konnten aber mangels detaillierter Information zur Rakete, ihrem Triebwerk, den Steuerparametern und den Störkräften eben nicht die Bahn mit hinreichender Genauigkeit berechnen. Deswegen war es für sie vorteilhaft, die Position der Rakete möglichst nahe am Startort zu bestimmen – was nur durch Radarmessung und Triangulation geht.

      Sie beschreiben im Weiteren noch andere elementaren Dinge zur ballistischen Berechnung und zur numerischen Integration. Das kann man sich irgendwo anlesen, aber deswegen weiß man noch nicht, wovon man redet. Sie möchten offenbar nicht einsehen, dass es einen großen Unterscheid macht, ob man die wesentlichen Parameter des Systems kennt, weil es das eigene System ist, oder ob man nur sehr lückenhafte Kenntnisse davon hat, bzw. gar keine, wie bei den bei jedem Raketenstart von der deutschen Bedienermannschaft eingestellten Steuerparameter, die die Briten gar nicht wissen konnten.

      Rechnen Sie einfach mal selbst so eine Trajektorie aus, dann verstehen Sie vielleicht, dass dazu mehr gehört als nur die Auflistung einiger allgemeiner Aussagen . Zumindest sehen Sie dann, welche Auswirkungen die einzelnen Parameter haben. Nur zu – ich habe das ja auch gemacht, dann wird so ein “schlauer Max” das ja wohl auch noch hinkriegen.

      Aus meiner Sicht ist jetzt alles gesagt.

  8. Sie sind ein kleiner Rechthaber, oder?
    Das von mir genannte Verfahren ist übrigens keine numerische Integration, auch wenn dazu eine gewisse Ähnlichkeit besteht. Die besteht aber auch zu dem finiten Differenzen Verfahren oder auch zu dem finiten Elemente Verfahren, das sinnvollerweise nur computergestützt eingesetzt wird. Und raten Sie einmal woher ich solch ein Verfahren kenne, das Ihnen offenbar nicht in den Sinn gekommen war.
    Nun zu den, den Briten angeblich unbekannten Daten. Ihre Vorgabe – aus dem Buch – lautete: “Die Briten versuchen, aus Radarbeobachtungen soeben gestarteter Raketen und den Koordinaten der Einschlägen …” Die Flugbahndaten (Richtung, Entfernung und Geschwindigkeit) waren also bekannt. Wieso den Briten die atmosphärischen Daten nicht oder weniger als den Deutschen bekannt sein sollten verstehe ich jetzt nicht.
    Ihr einziger valider Punkt bleibt die Schubphase. Hier hätten die Briten zusätzliche Erkenntnisse gebraucht – die in einem Roman durch einen James Bond Vorgänger sicher zur Verfügung gestanden hätten – oder genügend Daten aus dem beobachteten Teil der Schubphase (nach Ihren Angaben: Ende Schubphase 30 km über Grund, Radarerfassung ca. 12 km über Grund).

    Und noch ein letztes Wort zu jemanden, der sich etwas angelesen hat ohne es zu verstehen.
    Für Raderpeilungen bedarf es keiner Triangulation, es genügt bereits eine einzige Raderstation!
    Sofern Sie “Meßfehler” eines Radars genannt haben sind die entweder systembedingt oder durch Umweltbedingungen verursacht und (durch die Erprobung) bekannt. Beides kann bei der Auswertung berücksichtigt werden. Falls es zufällige Meßfehler sein sollten ist eine “Verbesserung” des Ergebnisses durch Triangulation ebenfalls mit Rechenaufwand verbunden, also auch kein Fortschritt.
    Aus meiner Sicht ist jetzt alles gesagt.

    • Laut Roman hatten die Briten die den Zeitpunkt der Entdeckung des Starts sowie die exakte Zeit und die Koordinaten des Einschlags. Daraus sollte die ballistische Bahn rückgerechnet werden. Was nicht geht, wenn man weder die Daten des Projektils noch die der Storeinflüsse kennt. Das habe ich jetzt mehrfach erläutert.

      Den Briten fehlten diese Information, die Deutschen hatten sie zumindest in großen Teilen. Die Deutschen kannten die Daten der Rakete und ihres Antriebs genau, sie kannten die eingestellten Steuerparameter und sie konnten von zahlreichen Probeflügen auch die Effekte der atmosphärischen Störungen herleiten. Ich wiederhole nur, was ich bereits geschrieben habe und ich weiß nicht, was Sie daran nicht verstehen.

      Nochmals zur Triangulation: Ihre Erwartungen an die Fähigkeiten des britischen Radars scheinen auf denen moderner Radarsysteme zu beruhen. Woher wsollten die Briten die Position oder gar die Geschwindigkeit genau bestimmen können? Wir reden hier von Technik des Jahres 1945. Radarbediener starrten auf die Bildröhre eines Oszilloskops, aus denen die Entfernung bestimmt werden konnte, wahrscheinlich ungenauer als die Richtung. Wie hätten sie die Geschwindigkeit kennen sollen, zumal die durch den Schub des laufenden Triebwerks stark zunahm und die Blickrichtung des Radars in etwa senkrecht zur Flugrichtung stand? Durch ein Dopplerradar vielleicht?

      Worauf ich mit meinem Hinweis auf die Triangulation hinauswill: Mit mehreren Radarstationen mit ungenauer Entfernungs- und einigermaßen genauer Richtungsbestimmung hätte man britischerseits die Position des Entdeckungspunkts in mindestens 12 km Höhe wenigstens eingrenzen können.

      Was sie wirklich wissen wollten, war aber nicht das, sondern der Startort. Den konnten sie halt nicht direkt beobachten, sondern bestenfalls zu erraten versuchten. Die wahrscheinlichste Annahme wäre, dass der Startort entlang einer Linie vom Einschlagsort zum Entdeckungsort lag. Die losgeschickten Jagdbomber hätten versuchen können, ihn zu finden und zu bombardieren.

      Der Roman beschreibt den vergeblichen Versuch einer solchen Bombardierung. Was die Briten vermutlich unterschätzen, war der hohe Grad der Mobilität der Abschussanlagen. Alle Komponenten waren mobil: Der Meillerwagen mit der Rakete beförderte die Rakete zum Abschussort und richtete sie dort auf, Tankwagen befüllten die Tanks, und der Abschuss wurde von einem weiteren Fahrzeug aus gesteuert. Nach dem Start konnten alle Vehikel sofort wegfahren bzw. weggeschleppt werden.

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