Livebericht: Workshop zu Methan auf Mars
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Einige der großen ungelösten Rätsel der Planetologie ergeben sich aus der Tatsache, dass man vor wenigen Jahren in der Marsatmosphäre Methan festgestellt hat.
(Read this post in English here)
Vom 25-27. November 2009 findet beim ESA-Zentrum ESRIN in Frascati ein internationaler Workshop zum Thema “Methan auf dem Mars” statt, bei dem versucht werden soll, den momentanen Stand der Forschung zum umreißen, die offenen Fragen zu klären und abzuklopfen, wie es in den nächsten Jahren weitergehen kann.
Dieses Paper von Michael Mumma et al., veröffentlicht in “Science” im Januar 2009, wurde gefühlte fünfhundert Mal im Workshop angesprochen, die Autoren hielten selbst auch Vorträge zum Thema.
Unter diesen offenen Fragen ist die wichtigste, welcher Prozess das Methan in die Atmosphäre einbringt. Methan ist eine relativ instabile Verbindung, die allein schon durch die am Mars nicht durch eine Ozonschicht abgeschirmte intensive Ultraviolett-Strahlung in wenigen Jahrhunderten komplett zersetzt würde. Tatsächlich zeigt sich ein wesentlich dynamischerer Zyklus mit viel schnellerem Abbau. Es muss also eine entsprechende Menge nachgeführt werden, über geochemische und vielleicht sogar über biologische Prozesse.
Genau diese grundsätzliche Möglichkeit, dass Methan in der Marsatmosphäre ein Indiz für biologische Aktivität – Leben – sein könnte, rückt die damit zusammenhängende Forschung ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses.
Mittwoch, der 25.11.2009
Heute geht es erst einmal darum, was bereits bekannt ist, und schon an der Stelle gibt es noch viel Unsicherheit und Diskussionen. Der Nachweis von Methan in der Marsatmosphäre erfolgt mit verschiedenen Verfahren. Diese zeigen zwar im Großen ein weitgehend übereinstimmendes Bild. Im Detail bestehen allerdings erhebliche Differenzen. Gerade diese Differenzen aber können einzelne Theorien zu Ursprung und Abbau des Methans bestätigen oder widerlegen.
Erstens sollte (und werde) ich von jetzt ab nicht mehr allein von Methan sprechen. Richtiger ist es, von Spurengasen in der Marsatmosphäre zu reden, von denen Methan nur eins ist. Andere sind Wasserdampf und die Zersetzungsprodukte von Wasser und Methan, darunter Methanol und Formaldehyd. Es muss jedoch festgehalten werden, dass der zweifelsfreie Nachweis anderer Kohlenwasserstoffe, entgegen früheren Behauptungen, bis heute noch aussteht.
Die Messverfahren sind zum einen terrestrisch (die Erstellung von Absorptionsspektren) bei teleskopischen Beobachtungen, zum anderen Raumsondenmessungen. Letztere sind auch spektroskopisch, allerdings stehen hier verschiedene Messverfahren zur Verfügung: thermische Emissionsspektren sowie Okkultationsmessungen (Messung der Veränderung des Spektrums des Lichts eines Sterns beim Durchgang durch die Atmosphäre). Beide sind mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet und kratzen, vor allem, wenn hohe Auflösung erforderlich ist, an den Grenzen des heute technisch Machbaren.
Seit dem ersten Nachweis von Methan in der Marsatmosphäre im Jahre 2004 wurde eine deutliche lokale und auch saisonale Variabilität der Häufigkeit von Spurengasen festgestellt. Die Spurengaskonzentration ändert sich damit deutlich über den Verlauf eines Marsjahres (687 Tage und damit deutlich schneller als die Zeit für den photochemischen Abbau von Methan) und variiert nicht nur Region zu Region, sondern auch als Funktion der Höhe über der Oberfläche. Selbst das kann man mittlerweile messen, dank Raumsonden in der Bahn um den roten Planeten.
Es muss also Prozesse geben, die Methan wesentlich effektiver zersetzen, als intensive UV-Strahlung allein das könnte. Eine Möglichkeit ist die Bildung starker Oxydantien wie Wasserstoffperoxid, das in Zonen starker elektrostatischer Aufladung, beispielsweise in den auf Mars häufigen Staubstürmen gebildet wird.
Eine noch vor kurzem für bestätigt gehaltene Korrelation von Wasserdampf und Methan steht nun im Zweifel. Zwar findet man erhöhte Methan- und Wasserdampfkorrelationen an denselben Lokationen, insbesondere über geologisch sehr alten Regionen. Jedoch findet man auch jeweils das eine Spurengas dort, wo keine signifikant höheren Konzentrationen des anderen festzustellen sind.
Da die jahreszeitliche Variabilität eindeutig ist, scheiden Vulkanismus (der ohnehin nicht beobachtet wurde, und, wie im Verlauf der Konferenz deutlich wurde, ohnehin nicht als Ursache signifikanten Nachschubs an Methan infrage kommt) sowie Kometeneinschläge als Ursache aus. Es muss Prozesse geben, die mit der jahreszeitlichen Erwärmung und Abkühlung des Bodens zu tun haben.
Diese topographische Karte (Klicken führt zu vergrößerter Version) zeigt die Regionen, über denen Mumma et al große Methan-“Plumes” detektierten. Allen solchen Gebieten ist laut Mumma et al. gemein, dass es sich um geologisch sehr alte Regionen handelt. Von anderer Seite wurde jedoch bestritten, dass die Methanquellen grundsätzlich dergestalt mit dem geologischen Alter korreliert.
Die Vorträge des frühen Nachmittags drehen sich um die geochemischen Optionen, mit denen ein Eintrag von Methan, aber auch dessen Verschwinden erklärt werden können. Und genau hier liegt eine Crux: Der plausible geochemische Prozess, der bekannt ist, ist die Serpentinisierung. Die Minerale Olivin und Pyroxen werden unter Einwirkung großer Mengen Wassers in ein anders Mineral, Serpentin, umgewandelt. Dabei wird Wasserstoff freigesetzt. Dieser erzeugt, über mehrere Reaktionsstufen hinweg, Methan. Das Problem ist, das angesichts der beobachteten Methanmengen (mehrere Tausend Tonnen pro Jahr) sehr große Mengen flüssigen Wassers verfügbar sein müssen. Diese hat man jedoch trotz Radarsuche bis in mehrere Kilometer Tiefe nicht gefunden.
Ein weiterer “chemischer” Vortrag drehte sich um die Prozesse zum Abbau des Methans mit der beobachteten Geschwindigkeit, die zu einer Variabilität über den Mars-Jahresverlauf führt. Auch hier ein Problem: Es ist kein Prozess bekannt, der diese Abbaugeschwindigkeiten erzeugt und mit den im Marsboden bekannten Bestandteilen konsistent ist. Möglich sind allerdings auch komplexe Prozesse, bei denen verschiedene Effekte synergetisch zusammenwirken.
Eine der bekanntesten Koryphäen auf dem Gebiet planetarer Atmosphären, Sushil Atreya von der Universität Michigan, wies in seinem Vortrag auf die Tatsache hin, dass das in der Erdatmospäre vorkommende Methan zu 90% biologischer Aktivität geschuldet ist und unterstrich damit noch einmal das vitale wissenschaftliche Interesse an der genese des Mars-Methans. Die Unterscheidung der Herkunft ist durch Untersuchung der Isotopenanteile (z.B. Deuterium/Wasserstoff, C13/C12) möglich. Hier haben zukünftig Missionen anzusetzen.
Die Theorie des Wissenschaftlers Akiva Bar-Nun von der Uni Tel Aviv, dass ein wesentlicher Beitrag des Atmosphärenmethans durch photochemische Dissoziation von Kohlendioxid und Wasser und anschließende Zusammenschließung der entstandenen Produkte zu Methan und anderen Kohlenwasserstoffen, ähnlich der in der Atmosphäre des Saturnmonds Titan zu beobachtenden Prozesse, stieß dagegen auf verbreiteten Zweifel. Die dazu erforderliche Reaktionskette könne – so die Erwiderungen – bei Anwesenheit selbst relativ geringer Anteile an Sauerstoff nicht zu einer plausiblen Quelle der erforderlichen Methanmengen werden.
Donnerstag, der 26.11.2009
Am Vormittag ging es um mögliche geologische Quellen des Methans in der Marsatmosphäre. Grundannahme ist dabei, dass es bereits große Vorkommen von Methan (möglicherweise tief) unter der Oberfläche gibt, wovon im jährlichen Zyklus etwas (einige Tausend Tonnen) freigesetzt wird. Mit einem solchen Ansatz stellt sich die schwierige Frage nicht mehr, wie die erheblichen Produktionsraten, die für die beobachteten Methankonzentration und der Geschwindigkeit des Auf- und Abbaus erforderlich sind, ohne Unmengen flüssigen Wassers bewerkstelligt werden.
Das Methan könnte in der Frühzeit des Mars, als höhere Temperaturen und reichlich flüssiges Wasser vorhanden waren, durch biotische oder auch abiotische Prozesse wie Serpentinisierung entstanden sein und in ausgedehnten, aber lokalen Lagerstätten in größeren Tiefen gebunden vorliegen, beispielsweise in Form von Methanhydrat, einem Klathrat, d.h., einem Einschluss von gasförmigem Methan in der Kristallgitterstruktur von Wasser-Eis.
Die Freisetzung könnte thermogen (durch lokale Aufheizung) erfolgen, wobei diverse Prozesse denkbar sind, beispielsweise über einen Schlammvulkan oder durch eine ausgedehnte Struktur feiner Kanäle. Auf der Erde trägt die geologische Freisetzung zu etwa 9% des Methaneintrags in der Atmosphäre bei. Davon ist sogar ein beträchtlicher Anteil abiotisch entstanden.
Allerdings wurde angemerkt, dass die Unterscheidung zwischen biotischer oder abiotischer Ursache möglicherweise nicht möglich ist, indem man nur die Atmosphäre untersucht. In-situ-Messungen mit einem Lander auf einem zuvor identifizierten Freisetzungsgebiet wären nötig.
Zu Methanhydraten lieferte ein weiterer Vortrag weitere experimentell erworbene Daten. Dieser Vortrag räumte auch mit Horrorszenarien auf, die sich auf die unterseeischen Methanhydratvorkommen auf der Erde beziehen, aus denen angeblich in einem exponentiell fortschreitenden Prozess schlagartig gewaltige Mengen Methan in die Erdatmosphäre entlassen werden könnten.
Solche Szenarien scheinen allerdings nicht zuzutreffen, die Freisetzung von Methan aus Methanhydrat ist ein endothermer Prozess und damit selbstregulierend. Wird Methan freigesetzt, entzieht dies der Umgebung Wärme, diese friert wieder ein und der Prozess verlangsamt sich oder kommt zum Stillstand. Also kein katastrophal fortschreitender, unaufhaltsamer Prozess.
Denkbar wäre allerdings schon eine Freisetzung der Mengen (einige Tausend Tonnen), die zu der festgestellten Konzentration in der Marsatmosphäre führen. Problematisch ist hier ebenfalls, wie bereits gestern anklang, dass kein plausibler Prozess zur Wiedereinlagerung und damit zur saisonalen Verringerung der Methankonzentration bekannt ist. Bei den Temperaturen auf Mars kondensiert Methan nicht. Eine Wiedereinbindung in ein Klathrat ist bei den herrschenden Drücken nicht plausibel. Hier muss ein anderer Prozess greifen. Aber welcher?
Weitere Vorträge befassen Sich mit den Methanabbauprozessen, die um zwei bis drei Größenordnungen effizienter sein müssen als der photochemische Abbau allein. Adsorption im Regolith ist nicht plausibel, die Abbauraten wären viel zu gering. Reaktionen unter Hinzunahme von Chlor sind auch nicht plausibel, dazu scheint die angenommene Chlorkonzentration nicht auszureichen.
Allemal ausreichen würden Reaktionen unter Teilnahme triboelektrisch erzeugten Wasserstoffperoxids, die jedoch sollten auch andere Effekte bewirken, die wiederum nicht beobachtet werden, beispielsweise eine Zunahme des Kohlenmonoxidanteils in der Atmosphäre. Dass diese Zunahme geringer ausfällt, könnte an anderen Produkten der photochemischen Zersetzung von Spurengasen liegen. Zu nennen sind sehr aktive Hydroxl-Radikale (OH).
Freitag, der 27.11.2009
Am Vormittag ging der gestern begonnene Vortragsblock weiter, bei dem die Mikrobiologen das Wort hatten. Es ging darum, ob methanogene (Methan-erzeugende) anaerobe (ohne Sauerstoff existierende, in Anwesenheit freien Sauerstoffs vielleicht gar nicht lebensfähige) Mikroorganismen unter der Marsoberfläche existieren können, unter den jetzigen Bedingungen in einem inaktiven oder sogar zeitweise aktiven Zustand.
Die Bedingungen sind gekennzeichnet durch intensive UV-Strahlung (allerdings ist dieser Effekt schon in wenigen Zentimetern Tiefe vernachlässigbar), aggressive Oxidantien (Wasserstoffperoxid und Perchlorat), Kälte, geringer Druck, Trockenheit, und intensive, hochenergetische Korpuskularstrahlung und eine Geologie, die wahrscheinlich durch frühere ausgedehnte Vorkommen flüssigen, sehr sauren und salzhaltigen Oberflächenwassers gekennzeichnet ist.
Es scheint Einigkeit zu bestehen, dass Lebensformen an der Oberfläche ausgesprochen unwahrscheinlich sind. In einiger Tiefe unter der Oberfläche sieht das aber anders aus. Dort entspannt sich nicht nur das Problem der UV-Strahlung; sondern auch das der kosmischen Strahlung, des Drucks und der Temperaturen. Flüssiges Wasser ist natürlich nach wie vor eine Vorbedingung für zellbasiertes Leben, wie wir es kennen. Dennoch ist es, wie experimentell nachgewiesen wurde, durchaus denkbar, dass primitive anaerobe Mikroorganismen, insbesondere Sporenbildner, über sehr lange Zeiträume hinweg in inaktivem Zustand ausgedehnte Trockenheitsphasen überstehen können. Experimente zeigten auch, dass Perchlorate selbst bei irdischen Organismen nicht unbedingt die biologische Aktivität ausschließen.
Es wurde auch angesprochen, dass in Experimente im niedrigen Erdorbit sogar erstaunliche Fähigkeiten zum Überleben von höheren Lebensformen (Beispiel: Bärtierchen, engl. “tardigrade”) demonstriert wurden. Auch wurden auf der Erde in letzter Zeit diverse extremophile Mikroorganismen gefunden, die in extremen Bedingungen überleben können. Selbst intensive Strahlung muss kein Problem sein, siehe Deinococcus radiodurans.
In Spanien gibt es eine Region, bei der die geochemische Situation (Säure/Salze/Schwefel, eisenreich) vielleicht der diverser Mars-Gebiete ähnelt, und zwar am Rio Tinto in Spanien. Dort haben sich durchaus spezialisierte, methanogene Mikroorganismen mit der Umgebung arrangiert.
Die Frage ist also noch offen. Allerdings wird es nicht einfach werden, festzustellen, ob festgestellte Spurengase biotischen oder abiotischen Ursprungs sind. Selbst wenn es eine biologische Quelle gibt, ist eine zusätzliche geologische Quelle wahrscheinlich. Das ist auf der Erde auch nicht anders.
Die letzten Vorträge bezogen sich spezifisch auf die kommenden Missionen und den möglichen Beitrag, den sie zur Beantwortung der offenen Fragen um die Spurengaskonzentration in der Marsatmosphäre leisten können.
Da ist zunächst der Riesenrover MSL der NASA zu nennen, der im Startfenster 2011 zum roten Planeten starten wird. Der Landeort dieses 800-Kilo-Kolosses steht noch nicht fest, in naher Zukunft wird aber eine von maximal fünf Optionen ausgewählt.
2013 wird die Aeronomie-Mission Maven ebenfalls von der NASA gestartet. Dabei geht es um einen Orbiter, dessen Perizentrum mit nur 150 km Höhe schon an der Hochatmosphäre kratzt und die vorwiegend den Verlust von Atmosphärengas untersuchen soll.
Die Startfenster 2016, 2018 und 2020 werden von ESA und NASA gemeinsam “beackert”. 2016 startet unter ESA-Führung eine Mission, deren Ziele sehr eng mit der aktuellen Fragestellung nach Spurengasen verbunden sind. Wissenschaftliches Hauptziel sind Okkultationsmessungen, bei denen jeweils bei Ein- Und Austritt aus dem Mars-Schattenkegel durch spektroskopische Auslöschungsmessungen des Sonnenlichts, das auf seinem Weg zum Raumsonde die Marsatmosphäre durchdringt, die lokale atmosphärische Zusammensetzung bestimmt wird.
Nach interplanetarem Flug und Aerobraking ist etwa ab Frühsommer 2017, wenn der Orbiter seine Kreisbahn von etwa 400 km Höhe erreicht haben wird, mit Aufnahme der wissenschaftlichen Messungen zu rechnen.
Wegen der Intensität des Sonnenlichts ist eine hohe Signalstärke zu erwarten, sodass auch Spurengase sehr geringer Konzentration gemessen werden können. Dies wird beispielsweise auch Klarheit über die Zersetzungsprodukte des Methans wie Formaldehyd und Methanol liefern.
2018 dann sollen, diesmal wieder unter amerikanischer Ägide, zwei Rover zum Mars fliegen, einer von der ESA, einer von der NASA. Diese werden am selben Ort niedergehen und dann ihre jeweiligen Missionen durchführen. Erhebliche Synergieeffekte erhofft man sich durch die zeitgleiche und fast ortsgleiche Verfügbarkeit unterschiedlicher Experimentdaten. Der 2016 gestartete Orbiter wird als Datenrelais dienen.
2020 schließlich wird, diesmal wieder unter europäischer Systemführerschaft, ein Netzwerk kleiner Landeplattformen auf der Marsorberfläche platziert werden. Ich werde in naher Zukunft an dieser Stelle mehr zu diesen und anderen kommenden Marsmissionen schreiben.
Das Wesentliche
Ich habe vor allem einen Eindruck mitgenommen.
So interessant und wichtig es auch ist, die Ursache der lokal und zeitlich variablen Methanfreisetzungen festzustellen, gibt es hierfür doch zumindest plausible Erklärungsansätze, wenn auch nicht bekannt ist, welche hier zutreffen. Anders ist das bei dem beobachteten schnellen Methanabbau. Da gibt es noch nicht einmal eine Vorstellung des Prozesses, der dies mit einer solchen Effizienz bewerkstelligt.
Man sieht, man muss gar nicht weit ins Universum heraus, um verblüffende Fragestellungen zu finden.
Weitere Information
Webseite des Workshops im ESA-Webauftritt
Artikel zu diesem Workshop auf den Seiten des ESA-Wissenschaftsdirektorats, von dem aus auf die einzelnen Präsentationen im PDF-Format zugegriffen werden kann.
Webseite der NASA/JPL-Rovermission MSL
Michael J. Mumma, Geronimo L. Villanueva, Robert E. Novak, Tilak Hewagama, Boncho P. Bonev, Michael A. DiSanti, Avi M. Mandell, Michael D. Smith: Strong Release of Methane on Mars in Northern Summer 2003, Science 20 February 2009: Vol. 323. no. 5917, pp. 1041 – 1045
V. Formisano, S. Atreya, T. Encrenaz, N. Ignatiev, M. Giuranna: Detection of Methane in the Atmosphere of Mars, Science, 3 December 2004: Vol. 306. no. 5702, pp. 1758 – 1761
E. Chassefiere: Metastable Methane Clathrate Particles as a Source of Methane to the Martian Atmosphere, Icarus Volume 204, Issue 1, November 2009, Pages 137-144
Was wurde aus dem Formaldehyd?
Auf einer ESA-Tagung zu frühen Ergebnissen des Mars Express 2005 im ESTEC sorgte neben dem damals noch ‘frischen’ Methan-Nachweis auch die angebliche angebliche Entdeckung von Formaldehyd auf dem Mars für Aufregung – zumindest bei dem PI des entsprechenden Instruments. Seither habe ich nichts mehr von der Geschichte gehört – gab’s da irgendwann mal ein klares Dementi? Oder ist die Sache im aktuellen Kontext der Methan-Problematik vielleicht noch oder wieder von Interesse?
Jahreszeitliche Variabilität
Hallo !
Kann man nachweisen, daß im Marsfrühling die Konzentration an Methan zunimmt, im Sommer sein Maximum erreicht und im Marsherbst abnimmt während im Marsherbst die Konzentration an Methanol und Formaldehyd steigt um im Winter zusammen in einem Minimum zu enden? Könnten da nicht anaerobe Archaebakterien am Werk sein, die Kohlendioxid umsetzten, welches ja in genügender Menge vorhanden ist? Durch den Abbau des Methan in der Atmosphäre entsteht ja letztlich wieder Kohendioxid was für einen Kreislauf sprechen könnte….
Kaltes Methan
Es könnte aber über grosse Flächen verteilt aus porösem Gestein kaltes Methan austreten.
Die jahreszeitlichen Schwankungen könnten dadurch bewirkt werden, dass kaltes poröses Gestein mehr Methan absorbieren kann, als warmes Gestein.
Einige Antworten
@Daniel Fischer: Die Behauptung, dass mittels dem Spektrometer PFS an Bord von Mars Express Formaldehyd entdeckt wurde, hat schon seit einiger Zeit keiner mehr zu wiederholen gewagt. Es ist erst recht nicht mehr von den Mengen die Rede, die zuerst behauptet worden waren (bis zu 100 ppb wurden genannt, das wäre eine Größenordnung mehr als die gemittelte Methankonzentration). Ich denke, wir können bis auf Weiteres davon ausgehen, dass Formaldehyd in der Marsatmosphäre als unbestätige Hypothese gelten muss.
@Berthold Fuchs, Ja, es ist so, dass die Konzentration, zusätzlich zur örtlichen Variabilität, mit den Jahreszeiten korreliert und im nördlichen Frühjahr und Sommer zunimmt. Im nördlichen Herbst und Winter ist auf der Südhalbkugel Frühjahr und Herbst. Wenn Triboelektrizität (und damit die Staubkonzentration) ursächlich mit den Abbauprozessen zu tun hat, die Methan recht schnell und effizient aus der Atmosphäre entfernen, dann ist zumindest plausibel, warum im Südsommer weniger Methan zu sehen ist, dann das ist genau die Staubsturmsaison.
Die Theorie mit anaeroben Archaeae ist in der Tat im Zusammenhang mit der Methangenese genannt (als Alternative zu geochemischen Prozessen). Ich sehe aber nicht, wie so der sehr schnelle Methanabbau aus der Atmosphäre zu erklären ist. Da muss ein wesentlich effizienterer Prozess wirken.
@Karl Bednarik: Es ist in der Tat möglich, dass großflächig, aber immer noch lokal, Methan austritt, und dass dieser Austritt thermogen gesteuert wird. wie im Artikel beschrieben, könnte mit dieser Theorie das Problem umgangen werden, die sehr hohen Generationsraten zu erklären, denn das austretende Methan (einige Tausende bis Zehntausende Tonnen pro Jahr) wäre schon uralt.
Die Möglichkeiten zur Adsorption im Regolith oder zur Rückeinbetting in ein Klathrat wurden experimentell und theoretisch untersucht und sind einfach nicht plausibel. Es muss einen anderen Prozess, oder eine Kombination synergetischer Prozesse mit um etwa zwei Größenordnungen höherer Effizienz geben, um den beobachteten Methanabbauu zu bewerkstelligen.
Photochemischer Methanabbau
Ich vermute einen photochemischen Methanabbau durch die UV-Strahlung der Sonne.
Der Wasserstoff verschwindet danach im Weltraum.
@Karl Bednarik
Eins ist klar: der photochemische Abbau kann die beobachteten Phänomene nicht erklären. Dieser Abau würde 300-600 Jahre dauern.
Beobachtet wird dagegen etwas, das im Zeitraum von nwenigen Monaten einen erheblichen Abbau eines großen Methan-“Plumes” bewirkt, also ein um rund drei Größenordnungen effizienterer Prozess.
Vielen Dank
für Ihre Berichterstattung direkt aus dem “Elfenbeinturm”. Ich finde es toll, dass Sie die Öffentlichkeit an den spannenden Diskussionen, deren Ergebnisse die künftige wissenschaftliche Erforschung des Mars beinflussen dürfte, teilhaben lassen!
Eine Nachfrage zur geplanten europäischen Mission im Jahr 2016. Ursprünglich war auch eine Landeeinheit Gegenstand der Planungen. Ist diese Option noch auf dem Tisch?
Die koordinierten Mars-Pläne
@Cornelia Steiger: Die ESA hat die Umgestaltung ihrer Mars-Planung im Kontext der neuen Absprachen mit der NASA bislang vorwiegend über die Medien kommuniziert, namentlich den Online-Dienst der BBC, Aviation Week und Nature: Eigene konkrete Pressemitteilungen zu verfassen, war noch nie die Stärke des Science Programme Committee.
Diesen Sommer formte sich immerhin ein Gesamtbild, das seither – wiederum v.a. aus BBC-Artikeln zu schließen – auf beiden Seiten des Atlantik abgesegnet worden zu sein scheint. Wobei der kleine statische 2016-er Lander offenbar dabei geblieben ist, jedoch nun unter ESA- statt NASA-Regie.
2016-Lander
Liebe Frau Steiger,
Ja, es ist immer noch vorgesehen, der 2016-Mission eine Landeeinheit mitzugeben. Diese soll von unter ESA-Ägide entwickelt und komplett von der europäischen Industrie gebaut werden.
Es war auch nie vorgesehen, dass die Verantwortung anderswo als bei der ESA liegt, denn es handelt sich um einen Demonstrator für eine “fast weiche” Landung, d.h., zum Abfedern des Aufprallschocks werden entweder ein Airbag oder Teleskopbeine verwendet.Die Amerikaner brauchen das nicht mehr zu demonstrieren, die sind schon viel weiter.
Dieser Lander soll als reiner Technologiedemonstrator auch keine lange Lebensdauer nach der Landung und keinen nennenswerten wissenschaftlichen Instrumente haben. Ich habe ihn deswegen hier nicht erwähnt, weil er mit der Charakterisierung des Methangehalts der Atmosphäre nichts zu tun hat.
Der Sinn dieser Landeeinheit ist nicht umfassend anerkannt, zumal gar nicht abzusehen ist, wann denn die Europäer die so demonstrierten Techniken anwenden wollen. Bis inklusive 2020 jedenfalls nicht.
Britische Experimente zum Mars-Methan
Frisch von der Tagung zurück können Sie doch sicher diese Geschichte besser in die Gesamtproblematik des Marsmethans einordnen als der Autor (der übrigens auf solch reißerischen Schlagzeilen besteht: Das müsse man im UK so machen …).
@D. Fischer: Au Weia ….
Na, dem von Ihnen verlinkten Artikel liegen offenbar ganz alte Annahmen zugrunde, und was man schon seit langem weiß, wird dort gar nicht in Betracht gezogen.
Insbesondere wird die beobachtete lokale und zeitliche Variabilität der Methankonzentration vom Autoren von skymania.com offenbar ganz und gar nicht berücksichtigt – war diese ihm und den von ihm zitierten Wissenschaftlern denn nicht bekannt?
Eine Zufuhr in der Größenordnung von 100-300 Tonnen Methan pro Jahr ist nur haltbar, wenn man einen rein photochemischen Abbau postuliert … der würde sich in der Tat über 300-600 Jahre hinziehen, da bräuchte man jährlich nicht so viel Nachschub, um auf die beobachtetete mittlere Konzentration von einigen zehn ppb zu kommen.
Aber so ein langsamer Abbau ist mit den Beobachtungen nicht konsistent, was auch nicht erst seit diesem Workshop bekannt ist.
Die beobachtete Charakteristik ist am ehesten vereinbar mit lokalen “Plumes” deren Methan innerhalb weniger Monate, nicht Jahrhunderte komplett abgebaut wird. Wir reden also von einem Nachschub in der Größenordnung von deutlich mehr als Zehntausend Tonnen pro Jahr.
Eine solche Menge ist zwar mit Meteoriten und Kometen nicht vereinbar, was aber auch keiner annimmt. Denn auch die zeitliche und lokale Variabilität ist nicht damit vereinbar.
Insofern rennt jeder, der jetzt feststellt, dass Meteoriten und Kometen nicht die Quelle sein können, offene Türen ein.
Er muss sich aber auch fragen lassen, ob er die letzten Jahre keine Publikation zum Thema Marsatmosphäre gelesen hat.
Dass Vulkanismus nicht die Quelle ist, ist auch bekannt. Auch auf der Erde sind Vulkanschlote keine nennenswerte Quelle für Methan, dafür aber geothermische Schlote und Schlammvulkane.
Da liegt aber wohl seitens des Autoren eine Verwechslung vor – zuerst wird vom Prozess geredet, in dem aus vulkanischem Gestein und Wasser Methan wird. Das ist die von mir beschriebene Serpentinisierung. Das heißt aber nicht, dass die Freisetzung über vulkanische Eruptionen erfolgt.
Colin Pillingers Aussage, mit der er zitiert wird, ist im Grundsatz richtig, aber nicht neu. Niemand vermutet ernsthaft, dass Vulkanismus das Methan freisetzt, und die Möglichkeit der zumindest teilweisen biogenen Entstehung ist allgemein anerkannt. Aber so, wie das Zitat gebracht wird, wirkt es irreführend. Da hat der Autor des Artikels anscheinend nicht sehr sorgfältig recherchiert.
Ich habe auch eine Theorie: Das Methan in der Marsatmosphäre kommt nicht von pupsenden Kühen.
Präsentationen hier verfügbar
Auf der folgenden Webseite sind die Präsentationen zu diesem Workshop im PDF-Format verfügbar:
http://sci.esa.int/marsmethane2009