Erdbahnkreuzender Asteroid 2022 AP7

CGI-Simulation von 99942 Apophis bei größter Annäherung am 13.4.2029, Quelle: N. Baresi, Surrey Space Centre

Anfang des Jahres wurde ein geschätzt 1.3 km großer, erdbahnkreuzender Asteroid entdeckt, der die provisorische Bezeichung 2002 AP7 erhielt. Dieser Asteroid fällt in die Apollo-Klasse – sein Perihel liegt mit 0.83 AU innerhalb der Erdbahn und sein Aphel mit 5.01 AU nahe der Jupiterbahn. Seine Umlaufperiode beträgt 1830 Tage, fast genau 5 Jahre. Seine Bahn kommt der Erdbahn auf knapp unter 0.05 AU nahe; deswegen und wegen seiner Größe wird er per Definition zu einem PHO (potentially hazardous object = potenziell gefährliches Objekt).

Schon seit Jahren laufen dedizierte Suchkampagnen nach Erdbahnkreuzern. Asteroiden mit einem Kilometer Durchmesser und darüber werden mittlerweile kaum noch gefunden. Aufgrund ihrer Größe und relativen Helligkeit sind diese den Suchprogrammen großenteils schon ins Netz gegangen. 2022 AP7 ist aber eine Ausnahme. 

Anzahl der gefundenen NEAs, unterteilt nach Größenklasse, Stand Mai 2022, Quelle: cneos.jpl.nasa.gov / Alan Chamberlin
Anzahl der gefundenen NEAs, unterteilt nach Größenklasse, Stand Mai 2022, Quelle: cneos.jpl.nasa.gov / Alan Chamberlin

Die Bahn von 2022 AP7

2022 AP7 ist in einer hochexzentrischen Bahn, die gegenüber der Ekliptik um 13.8 Grad geneigt ist. Seine Bahn begegnet zwar der Erdbahn in weniger als 0.05 AU Abstand, schneidet sie jedoch nicht: Wenn der Asteroid einen Sonnenabstand von 1 AU hat, fliegt er ein deutliches Stück ober- bzw. unterhalb der Ekliptikebene. 

Bahn von 2022 AP7 im Sonnensystem, mit Projektion in die Ekliptikebene
Bahn von 2022 AP7 im Sonnensystem, mit Projektion in die Ekliptikebene, Quelle: Michael Khan, ESA

Hier sind die Abstände von Sonne, Erde, Mars und Jupiter für die nächsten 100 Jahre gezeigt. Der Asteroid wird der Erde dabei nie nahe kommen. Da seine Periode ziemlich genau eine 1:5-Synchronizität mit der Erdbahn aufweist, ist die Erde immer an denselben Stellen ihrer Bahn, wenn der Asteroid bei 1 AU ist, weit von 2002 AP7 entfernt. 

Mit dieser Bahn steht 2022 AP7 in der Welt der Asteroiden schon etwas am Rande – absolut ausgefallen  ist aber die Kombination seiner Bahnelemente noch nicht. Man könnte sich fragen, ob es sich vielleicht um einen alten, “ausgebrannten” Kometen handelt. Zur spektralen Klasse des Körpers habe ich noch nichts gelesen. 

Entfernung von 2022 AP7 zu Sonne, Erde, Mars und Jupiter von 2002 bis 2122
Entfernung von 2022 AP7 zu Sonne, Erde, Mars und Jupiter von 2002 bis 2122, Quelle: Michael Khan, ESA

Auch der Abstand von Jupiter bleibt bei mehr als 1 AU, sodass die Bahnstörungen durch die Gravitation des Gasriesen gering bleiben. Allerdings könnten sich diese Störungen über lange Zeiträume hinweg aufsummieren. 

Der einzige Planet, dem 2022 AP7 nahe kommt, ist Mars. Sollte es in der Zukunft zu einer wirklich nahen Begegnung kommen, bei der die Bahn des Asteroiden erheblich verändert wird, könnte dies die Situation deutlich verändern. Ein Aufbrechen der 1:5-Synchronizität mit der Erde würde dazu führen, dass auch nähere Erdbegenungen möglich werden. Wir haben jedoch bis auf weiteres noch nichts von diesem Asteroiden zu befürchten.

Und warum wurde 2022 AP7 erst jetzt entdeckt?

Dass 2022 AP7 sich so lange einer Entdeckung entziehen konnte, liegt genau an seiner Bahn. Hier habe ich die Bahngeometrie in den vergangenen 20 Jahren untersucht. Der Asteroid ist fast immer weit bis sehr weit von der Erde entfernt, erscheint also sehr dunkel. 

Er kommt der Erde nur alle fünf Jahre mal relativ nahe: Anfang 2007, 2012, 2017 und 2022 (als er entdeckt wurde), und dann auch nie näher als 1.5 AU. Dabei bleibt seine Elongation gering – Anfang 2022 waren es maximal etwa 45 Grad, in den vorherigen Begegnungen noch weniger. Um ein lichtschwaches Objekt im Winkelabstand von weniger als 45 Grad von der Sonne zu sehen, braucht man etwas Glück und gute Beobachtungsbedingungen. 

Entfernung von 2022 AP7 zu Sonne, Erde, Mars und Jupiter in en vergangenen 20 Jahren
Entfernung von 2022 AP7 zu Sonne, Erde, Mars und Jupiter in den vergangenen 20 Jahren, Quelle: Michael Khan, ESA
Elongation des Asteroiden 2022 AP7 von der Erde (blau) und der Erde vom Asteroiden (rot) während der vergangenen 20 Jahre
Elongation des Asteroiden 2022 AP7 von der Erde (blau) und der Erde vom Asteroiden (rot) während der vergangenen 20 Jahre, Quelle: Michael Khan, ESA

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

14 Kommentare

  1. Der erdbahnkreuzende, 1.3 Kilometer grosse Asteroid 2022 AP7, der erstmal dieses Jahr beobachtet wurde, wirft für mich mehrere Fragen auf:
    1) was muss getan werden um alle potentiell für die Erde gefährlichen Asteroiden zu finden und welche geplanten zukünftigen Beobachtungs-Programme sorgen dafür, dass (fast) alle gefunden werden
    2) 2022 AP7 wurde nicht in der Liste der Near-Earth Object Human Space Flight Accessible Targets Study (NHATS) aufgenommen, wohl weil er aufgrund seiner Bahncharakteristika nicht so einfach besucht werden kann. Die Liste der „leicht“ zu besuchenden Asteroiden scheint inzwischen recht gross zu sein. Mein Vorschlag: die NASA könnte doch eine Belohnung für den Besuch solcher NHATS ausschreiben und damit privaten Raumfahrtfirmen die Gelegenheit geben, etwas zu verdienen und für sich und die Allgemeinheit sinnvolles im Weltraum zu tun.

    Mir scheint, die kommerziellen Raumfahrtprogramme der NASA, also die Programme, welchen privaten Firmen, die Gelegenheit gaben/geben, bestimmte Aufgaben gegen Entschädigung zu übernehmen, sind äusserst erfolgreich und ermöglichen, dass die private Raumfahrt mehr macht als nur Telekommunikationssatelliten in den Himmel zu jagen.

    • Als Ziel für eine astronautische Mission ist 2022 AP7 keinesfalls geeignet. Das liegt an seiner Bahn, die eine ungeheure Menge Delta-v für den Hinflug oder aber eine elend lange Transferdauer benötigen würde. Dann hat man dasselbe Problem noch einmal, wenn man die Leute wieder zur Erde zurück bringen muss.

      Als Ziel für eine robotische Mission könnte dieses Objekt durchaus infrage kommen. Der Missionsaufwand wäre vergleichbar mit dem für Rosetta oder eine Jupitermission, allerdings im Vergleich zu letzterer ohne die Strahlungsprobleme.

      Die Frage ist natürlich, ob nun gerade dieses Objekt ein wissenschaftlich besonders wertvolles Ziel darstellt. Dafür gibt es im Moment meines Wissens noch keine Anhaltspunkte.

      Interessant wäre auch, wie man (sollte dies beispielsweise in einigen Jahrhunderten nötig werden) eine Abwehrmission machen könnte. Eine Ablenkmission, bei der der Asteroid auf den Mars kracht, wäre für die irdische Zivilisation insofern positiv, weil das Problem damit ein für alle Mal gelöst wäre. Andererseits wird es bis dahin sicher menschliche Infrastruktur auf dem Mars geben, die man nicht gefährden sollte.

  2. Wäre es eine Idee, ein Weltraumteleskop mit geeigneter Brennweite für die Suche nach NEOs (Near Earth Objects) im Lagrange-Punkt L2 der Venus zu stationieren? Quasi wie das JWST, nur eben nicht im Erdschatten, sondern im Venusschatten?

    • Ich habe ja schon erwähnt, dass die Bahn von diesem Burschen der eines Kometen aus der Jupiter-Familie ähnelt. Generell ist die Entdeckung von Kometen problematisch, weil die dunkle Körper sind, die einen Großteil ihres Bahnumlaufs weit draußen verbringen.

      Mit einem dedizierten System zur Kometenentdeckung sollte man Asteroiden eines ähnlichen Typs wie 2022 AP7 als Beifang entdecken können.

    • PS: Es wäre wahrscheinlich problematisch, die vielen Bilder, in denen Bildverarbeitungssysteme die Asteroiden und Kometen identifizieren, über die Entfernung von der Venus zur Erde zu übertragen. Abgesehen davon ist das eine gute Idee. Das problem ließe sich entschärfen, wenn leistungsfähigere Prozessoren für den interplanetaren Einsatz zugelassen werden. Dann könnte man die Bildanalyse ganz oder zumindest teilweise an Bord vornehmen und müsste nur die Daten der identifizierten Kleinkörper zur Erde senden, was die benötigte bandbreite ganz erheblich reduzieren würde.

      • Ich weiß nicht, ob die Prozessoren sooo leistungsfähig sein müssen. BV macht einen Großteil meiner Arbeit aus und selbst auf dem 8 Jahre alten Laptop, den ich zeitweise benutze (und der schon damals beim Kauf eher zur unteren Leistungsklasse gehörte), benötigen Segmentierung und Regionenfilterung auf einem Monochrombild mit 10 Megapixeln üblicherweise deutlich unter einer Sekunde.

        • Es ist auf jeden Fall ein Megatrend in der Raumfahrttechnik, dass Funktionalität, die früher im Kontrollzentrum angesiedelt war, jetzt schon an Bord bereitgestellt wird, verbunden mit steigendem Automatisierungsgrad.

      • Habe mir einfach mal den Spass gemacht und ein Bild von Oumuamua heruntergeladen und durch mein Programm laufen lassen. Das Bild hat ca. 1,5 Megapixel.

        Mit einem etwas aufwendigeren, zweistufigen Segmentierungsalgorithmus und einem Regionenfilter, der Regionen unter 10 Pixel Größe ausfiltert, benötigt die Verarbeitung auf meiner Uralt-Laptopmöhre 140 Millisekunden und liefert dieses Ergebnis. Oumuamua ist der kleine, einzelnstehende und hellblau markierte Punkt in Bildmitte.

        • @Spritkopf: soviel ich weiss, entsprechen die Prozessoren, die in der Raumfahrt und in Satelliten eingesetzt werden bezüglich Leistungsfähigkeit eher Konsumelektronik aus den 1990er Jahren. Das liegt auch daran, dass Raumfahrtelektronik strahlenfest sein muss und über viele Jahre stabil arbeiten muss.

          • Konsumelektronik aus den 1990er Jahren.

            Sagen wir eher, wie ein Power-PC von Ende der 90er. Der allerdings für Bildverarbeitungszwecke trotzdem nicht besonders leistungsfähig ist.

            Es besteht aber Hoffnung, dass sich das ändert. So benötigt man für die Landung auf erdfernen Himmelskörpern autonome Navigation, die auch auf Bildverarbeitung basiert (VBN = vision-based navigation), siehe etwa diesen Artikel. Das wird sicherlich die Entwicklung von schnellen CPUs mit Weltraumtauglichkeit beschleunigen.

            Ein Beispiel für VBN ist TRN, das System, welches bei der Landung des Mars-Rovers Perseverance zum Einsatz kam. Dieses hat mit Bildern von 1024×1024 Pixeln gearbeitet und darin markante Punkte gesucht, die man vorher auf Bildern des Mars Orbiter identifiziert hatte. Leider habe ich nicht herausfinden können, was für ein Prozessor verwendet wurde, aber die Verarbeitungszeit pro Bild betrug offenbar ca. eine Sekunde, was mir für Pattern Matching auf einer Space Grade CPU schon ziemlich schnell erscheint.

            Bei Youtube gibts ein Video über den Test von TRN.

          • Nachtrag zu Perseverance: Der Computer für die Terrain-Navigation von Perseverance besteht aus einer RAD750 CPU von BAE mit 132 MHz Taktfrequenz (funktionell ein Power-PC mit Weltraumzertifizierung) sowie einer Beschleunigerkarte mit einem Virtex-5QV FPGA von Xilinx. Die Bildverarbeitungsfunktionen wurden auf der Beschleunigerkarte durchgeführt, nicht auf dem RAD750.

          • Wie bereits gesagt, die Verlagerung autonomer Funktionen vom Kontrollzentrum auf die Raumfahrzeuge ist ein Megatrend, der bereits erheblich an Fahrt gewonnen hat. Ich gehe davon aus, dass dadurch Anforderungen an die Rechenleistung gestellt werden, die sich in deutlicher Erhöhung der Rechenleistung weltraumzugelassener Systeme niederschlagen wird. Ein Ende ist da nicht abzusehen. Im Gegenteil, es geht jetzt erst richtig los.

  3. In dem Fall wurde aber bereits der Kleinplanet getrackt, was seine Identifizierung im Bild wirklich nur noch zu einer Frage der Verarbeitung eines einzigen Bildes macht.

    Ich denke, wenn es um die Entdeckung von Kleinplaneten geht, läuft das etwas anders. Da macht man zu verschiedenen Zeiten Bilder derselben Sternregion und vergleicht diese miteinander, um Lichtpunkte zu erkennen, die sich von Aufnahme zu Aufnahme bewegt haben.

    Ich will nicht behaupten, dass das eine Aufgabe ist, die man mit dem Onboardrechner nicht bewältigen kann, aber es ist erscheint mir schon deutlich aufwändiger als nur Bildverarbeitung.

    • Ich will nicht behaupten, dass das eine Aufgabe ist, die man mit dem Onboardrechner nicht bewältigen kann, aber es ist erscheint mir schon deutlich aufwändiger als nur Bildverarbeitung.

      Tatsächlich ist es das nicht, da die Segmentierung mir nicht nur die gefundenen Objektregionen im Ergebnisbild farblich markiert, sondern auch sämtliche Positions- und Größendaten zu jeder einzelnen Region liefert (im Beispielbild 676 Stück). Das heißt, ich könnte schon auf dieser Basis eine Vorfilterung der zu betrachtenden Regionen vornehmen, in der ich einfach nur X/Y-Koordinaten vergleiche und diejenigen, die von Bild zu Bild einen bestimmten Maximalabstand nicht überschreiten, aus der Betrachtung rausnehme.

      Selbst wenn ich direkt auf den Bildregionendaten arbeite und nicht nur die numerischen Positionsdaten betrachte, geht das immer noch schnell. Vielleicht nicht 140 Millisekunden, sondern eher eine Sekunde. Aber habe ich schon öfters gemacht.

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