Niedrige Löhne als Entwicklungschance – Reformen in Kambodscha
BLOG: GEO-LOG
Im vornehmen Hotel Cambodian in der Landeshauptstadt Pnom Penh wurde heute am 10. Oktober ein wichtiger Baustein für die zukünftige Landesentwicklung des südostasiatischen Königreiches gelegt. Das dänische Unternehmen Go4 Bunker, ein Hersteller für Lösungen in der Gas- und Ölförderung gründet mithilfe eines chinesischen Partners ein neues Unternehmen, dass vor der Küste Kambodschas im Golf von Thailand zahlreiche Öl- und Gasvorkommen nutzbar machen will. Die Milliardeninvestition alleine wäre schon ein großer Erfolg für die kambodschanische Wirtschaft. Die Investoren haben sich allerdings dazu verpflichtet die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu unterstützen, indem sie die Regierung in den Vorbereitungen für die Errichtung der ASEAN Freihandelszone massiv unterstützen, die 2015 nach dem Vorbild der EU in Südostasien errichtet werden soll.
von Textilien zu High-Tech – der Klassische Entwicklungspfad
Steigender Löhne in China, Vietnam und Thailand führten in den vergangenen Jahren zu einer Neustrukturierung der Wirtschaftsregion Südostasien. Zahlreiche Produktionsbetriebe wurden über Landesgrenzen in Regionen mit geringeren Produktionskosten verlagert. Arbeitsintensive Industriezweige wie die Textil- oder die Elektronikindustrie sind von dieser Entwicklung relativ früh betroffen, da ein Großteil der Produktionskosten auf Löhne entfällt.
Weitreichende Verlagerungsbewegungen lassen sich derzeit in China beobachten. Steigernde Löhne und hohe Umweltauflagen haben dazu geführt, dass immer mehr Betriebe ihre Produktionsstätten in der Volksrepublik schließen und diese in benachbarte Niedriglohnländer verlagern. Davon sind nicht nur kleinere Betriebe betroffen, sondern die gesamte Wirtschaftsstruktur des Landes. So kündigte beispielsweise der taiwanesische Elektronikgigant Foxconn vor wenigen Wochen die Schaffung von mehr als einer Millionen Arbeitsplätzen in Indonesien an. Ein Großteil dieser wird aber nicht neu geschaffen, sondern aus Fabriken in China verlagert. Indonesien bietet neben niedrigen Mindestlöhnen auch geringere Umweltauflagen. Für Betriebe, die nur mit einer Rendite von wenigen Prozent kalkulieren gibt es keine Alternative, um stabile Preise auf dem Weltmarkt anzubieten.
Von diesen internationalen Verlagerungstendenzen profitieren insbesondere landwirtschaftlich geprägte arme Länder, da sie eine Vielzahl von günstigen Arbeitskräften zur Verfügung stellen können. Der Startschuss der Industrialisierung macht dabei meist die Textilindustrie, da diese sehr anfällig für Lohnschwankungen ist und gleichzeitig geringe technologische Kenntnisse in der Produktion voraussetzt. Aufgrund der Anfälligkeit gegenüber Lohnsteigerungen bleiben den betroffenen Ländern nur wenige Jahre, um ihre Wirtschaft zu reformieren und attraktiv für ausländische Investitionen zu werden.
Kambodscha – der Sprung in den globalen Wettbewerb
Niedrige Löhne und geringe Umweltauflagen in Kambodscha tragen derzeit dazu bei, dass große Textilkonzerne Produktionsstätten im Land errichten. Noch vor wenigen Jahren war Kambodscha nur für den verlustreichen Bürgerkrieg und fantastische Tempelanlagen in Ankor Wat bekannt. Doch nahezu unbemerkt hat sich das 14 Millionen Einwohner zählende Königreich aufgemacht, Armut zu bekämpfen und dabei Wohlstand zu schaffen. Es verwundert nicht, dass die Textilindustrie der wichtigste Wirtschaftszweig im Land ist, das noch vor wenigen Jahren hauptsächlich landwirtschaftlich geprägt war. Bereits 2008 waren in dem südostasiatischen Land schon mehr als 340.000 Menschen in der Textilindustrie beschäftigt(link). Die Asian Development Bank schätzt die durchschnittlichen Wachstumsraten in diesem Sektor auf 7-10% im Jahr. Diese Entwicklung wird Schätzungen zufolge bis spätestens 2015 stabil bleiben.
Ein knappes Zeitfenster also für die kambodschanische Regierung, um langfristige Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft auf den Weg zu bringen. Die sprudelnden Steuererlöse aus dem Textilsektor und der Tourismusindustrie müssen also sinnvoll angelegt werden. Wegweisende Schritte in der Korruptionsbekämpfung und im Arbeitsrecht hat die Regierung bereits verabschiedet. Laut Transparency Internation ist das Königreich aber noch immer eines der korruptesten Regime der Welt. Bei genauerer Betrachtung scheint sich in diesem Bereich aber einiges zu tun. Es bleibt abzuwarten, wie sich die staatliche Administration entwickeln wird.
Im gesamten Land herrscht allerdings Aufbruchsstimmung. Der aktuelle Weltentwicklungsbericht der Weltbank listet Kambodscha als eines der wenigen Länder auf, in denen nahezu Vollbeschäftigung herrscht. 2010 betrug die offizielle Arbeitslosenquote nur 1.7% (4% Jugendarbeitslosigkeit), welches im Vergleich zu den Nachbarländern ein fantastischer Wert darstellt. Von den etwa 8 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter sind allerdings zwei Drittel im informellen Sektor beschäftigt. Aus diesen unsicheren Beschäftigungsverhältnissen drängen die Menschen massiv in den formalen Arbeitsmarkt, hauptsächlich in die Fabriken der Textilindustrie, die diese Arbeitskräfte dankend annimmt.
Die Steuern aus dem Textilsektor lassen im ganzen Land neue Entwicklungsprogramme entstehen, die darauf abzielen die Armut in den ländlichen Regionen zu verringern. Noch immer leben 60% der Kambodschaner auf dem Land und sind direkt oder indirekt abhängig von der landwirtschaftlichen Produktion. Genau darauf zielt die neue landesweite Entwicklungsstrategie. Der General Director der kambodschanischen Nationalbank Nguon Sokha wird auf channelasia.com mit den Worten zitiert.
“One of the priorities of the government is to develop the agriculture sector. At the moment, growth is driven by garment sector, tourism sector and construction. Cambodia is an agriculture land so we need to develop based on our natural resource.”
Und in der Tat scheint diese Strategie zu fruchten. Die Asian Development Bank schätzt, dass der landwirtschaftliche Sektor in Kambodscha in diesem Jahr um 6,5% wachsen wird. Ein solches Wachstum über eine mittelfristige Zeitspanne kann insbesondere für die Landbevölkerung den Unterschied zwischen Hunger und Wohlstand bedeuten. Vor allem, da viele ländliche Gebiete immer noch stark vom Dengue-Fieber und der Malaria betroffen sind und beide Krankheiten sich durch bessere hygienische Verhältnisse und Abwassersysteme einfach minimieren lassen. Ist diese Entwicklung auch über 2015 erfolgreich, stehen dem Land gute Zeiten bevor. Denn mit der Schaffung eines riesigen Binnenmarktes in Südostasien werden auch die Löhne in der ganzen Region dem Wettbewerb ausgesetzt. Die Textilindustrie wird dann aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Zelte abbrechen und neue Niedriglohnländer suchen. Wirtschaftliche Reformen in Birma zielen bereits darauf ab, ausländische Investitionen aus diesem Sektor anzuziehen.
Es wird sich zeigen, ob die Gewinne aus der Öl- und Gasindustrie in den kommenden Jahren dazu beitragen den Lebensstandard in Kambodscha zu erhöhen. Die Dänen von Go4 Bunker zielen darauf ab junge kambodschanische Talente nachhaltig zu schulen, damit das technologische Wissen des Textilsektors nicht mit den Fabriken verschwindet, sondern im Land bleibt. Es sind nur noch drei Jahre, damit alle notwendigen Entwicklungsimpulse zu initiieren. Viel Zeit ist dies nicht.
Foto: www.pixelio.de
“Indonesien bietet neben niedrigen Mindestlöhnen auch geringere Umweltauflagen. “
Aha.
Und das ist also eine Perspektive , die Verhältnisse zu verbessern?
Eine rückständige Denkweise , die auch bei uns immer mehr dazu führt , die menschliche , ökologische und ökonomische Substanz zugrunde zu richten.
Und aus der deutschen Wohlstandsperspektive noch dazu ziemlich wohlfeil.
So bitter es sich anhört, es ist in der globalen Ökonomie noch immer die Realität. Produktionsbetriebe wandern dorthin, wo allgemein niedrige Produktionskosten herrschen. Dieses ist kein Phänomen der Textilindustrie, sondern gilt für sämtliche Wirtschaftsbereiche. Die Ursache hierfür ist in unseren Konsummärkten zu suchen. Niedrige Produktpreise sind leider immer noch das Verkaufsargument Nummer 1. So lange sich dies nicht ändert, werden Unternehmen ihre Produktion weiterhin so organisieren. Nur ein bewussterer Konsum in den westlichen Industrieländern wird daran etwas ändern.
@DH
Natürlich ist diese Entwicklung stark zu kritisieren. Die Regenwälder auf Borneo schwinden in einer bedrohlichen Rate. Uns allen sollte diese Entwicklung Sorgen bereiten.
Die indonesische Perspektive ist in der Diskussion aber nicht zu vernachlässigen. Durch die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Foxconn und andere werden in den nächsten Jahren viele Indonesier in der Lage sein, eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder herbei zu führen. Der Schritt von informellen zu formalen Beschäftigungsverhältnissen ist gewaltig, da internationale Unternehmen in der Regel höhere Durchschnittslöhne zahlen und einen besseren Arbeitsschutz leisten. Gute Regierungsarbeit setzt genau dort ein und überträgt diese guten Entwicklungen auf die gesamte Wirtschaft und setzt damit einen langanhaltenden Prozess in Gang der Armut reduziert und Wohlstand schafft.
@ Stefan Ohm
“Gute Regierungsarbeit setzt genau dort ein und überträgt diese guten Entwicklungen auf die gesamte Wirtschaft und setzt damit einen langanhaltenden Prozess in Gang der Armut reduziert und Wohlstand schafft.”
Wenn dieser Prozeß so läuft , kann man damit leben.
Das dürfte aber nicht immer und womöglich nicht einmal häufig tatsächlich so praktiziert werden , sonst hätten schon sehr viel mehr Entwicklungsländer herausfinden müssen aus der Spirale.
Die Ursachen dafür dürften im globalen Wirtschaftssystem einerseits und in schlechter Regierungsarbeit vor Ort auf der anderen Seite zu finden sein , da stimme ich zu.
Der westliche Konsum wiederum könnte tatsächlich vieles bewirken , in der Tat , hängt allerdings auch vom Geldbeutel ab , damit dann allerdings – auch bei uns- wieder ein Stück weit von den Strukturen.
Insgesamt dürften – nicht nur – die Entwicklungsländer am besten beraten sein, indem sie schon heute eher auf die Ökologisierung der Wirtschaft setzen , das ist so oder so die Zukunft und dann hätten sie einen Vorsprung gegenüber den diesbezüglich immer noch schnarchenden Industrieländern.
Allerdings ist das jetzt auch gesagt aus der wohlfeilen Wohlstandsperspektive , vor Ort dürfte es da große Probleme geben.