Die Ästhetik des Irrtums
BLOG: Formbar
Wissenschaft und Ästhetik sind zwei Begriffe, die eng miteinander verknüpft sind. Das zeigt sich in den Maxwell’schen Gleichungen ebenso wie in den beeindruckenden Bilder der Marsoberfläche, auf die vor einiger Zeit im Nachbarblog aufmerksam gemacht wurde. Manchmal wird aber auch an ganz unerwarteter Stelle das ästhetische Empfinden des Wissenschaftlers angesprochen.
Eine Promotion sieht üblicherweise so aus, dass der Doktorand über einen gewissen Zeitraum alle möglichen Überlegungen und Experimente anstellt, um einer gewissen Fragestellung auf den Grund zu gehen. Ein Physiker, dessen Namen mir momentan leider entfallen ist, sagte einmal, dass ein guter Physiker einem Dackel nicht unähnlich sei, er beißt sich in alles Mögliche fest. Am Ende dieses Zeitraumes hofft man dann, dass man sich nicht auf zu viele Seitenprojekte festgebissen hat und sortiert seine Gedanken, bringt diese auf Papier, verteidigt das ganze und fertig ist die Promotion. Ich befinde mich momentan in der Phase des “auf-das-Papier-bringens” und erfahrungsgemäß dauert dieser Abschnitt immer länger als man denkt. Richtig, das erklärt dann auch, warum ich solange nichts von mir habe hören lassen. Also bitte wieder aus der Ecke “Karteileiche” zurückholen 😉
Ein Teil meiner Promotion bestand in der Entwicklung/Weiterentwicklung und Anwendung eines Programms, welches die Untersuchung der Wechselwirkung von elektromagnetischen Wellen mit Plasmen erlaubt. Elektromagnetische Wellen werden durch die Maxwell-Gleichungen beschrieben, man muss dem Computer also nur sagen, wie er diese lösen soll und dann noch das Plasma als dielektrisches Medium einbauen, welches die Wellen in ihrer Ausbreitung beeinflusst und fertig ist das Simulationsprogramm. Die Umsetzung in die Praxis bzw. auf dem Rechner ist natürlich doch komplizierter, als sich das zunächst einmal anhört, denn Computer machen nun mal das was man ihnen sagt, nicht mehr und nicht weniger.
Um sicherzugehen, dass der eigene Programmcode auch funktioniert, die Wirklichkeit also korrekt wiedergegeben wird, denkt man sich alle möglichen Szenarien aus, deren Ausgang man genau kennt und testet damit den Code. Dabei entstehen manchmal erhellende, meistens (hoffentlich) befriedigende Resultate und manchmal auch lustige oder skurrile Ergebnisse. Womit wir dann auch bei der Überschrift dieses Artikel angekommen wären, denn das folgende Bild ist das Ergebnis einer Simulationsrechnung, bei der etwas schief ging.
Die Ästhetik des Irrtums; Bild: Alf Köhn, CC BY-SA
Zu erkennen ist das zwei-dimensionale Gitter auf dem die Simulation durchgeführt werden sollte und als farbige Kontur ist die Plasmadichte dargestellt, soll heißen, gleiche Farben entsprechen gleicher Plasmadichte. Das macht in dieser merkwürdigen Form allerdings recht wenig Sinn, war so auch nicht geplant. Eine gewisse Ästhetik konnte ich dem ganzen allerdings nicht absprechen, daher hatte das Bild auch den Weg an die Wand meines Büros und in den blog hier gefunden.
Die Wissenschaft zeigt somit gelegentlich sogar im Scheitern ihre schönen Seiten. So, und jetzt wieder zurück an die Arbeit.
@ Köhn
Das ist ja das Schöne am Schönen: dass es einfach nur schön ist und weder richtig noch falsch. Aber womöglich wahr. Und allemal gut.
sunrise
Kühl, exakt, strahlend – Morgendämmerung in der Wissenschaft 🙂
sozusagen eine schöne Morgendämmerung, der es nicht auf die Richtigkeit ankommt, die aber in jedem Falle schonmal etwas gutes ist 🙂
Wahre Kunst
Sobald Sie Ihren “Irrtum” zur Kunst erklären, wird er wahre Kunst.