Kurze Anmerkung zum “Mykodiesel”

BLOG: Fischblog

Wissenschaft für alle
Fischblog

Die Suche nach dem Sprit der Zukunft ist ja nach wie vor völlig offen. Allerdings scheint Flüssigkraftstoff direkt aus Biomasse inzwischen weitgehend aus dem Rennen zu sein. Indiz dafür: Das Zeug taucht inzwischen fast nur noch im Zusammenhang mit, hmja, eher weit hergeholten Ideen auf. Momentan geht ein schönes Beispiel für diesen Effekt durch die Presse, und zwar die Sache mit dem Mykodiesel.

Die Kurzform der Geschichte geht so: Wissenschaftler entdecken bei einer chilenischen Baumart einen Pilz namens Gliocladium roseum, der sich im Labor züchten lässt und dabei aus Bioabfällen ein Stoffgemisch produziert, das Dieselkraftstoff sehr ähnlich ist. Diese bemerkenswerte Fähigkeit soll jetzt nutzbar gemacht werden, um Diesel direkt aus Biomasse zu gewinnen.

Den letzten Satz muss man allerdings ein bisschen relativieren, denn bei genauerer Betrachtung kann man den Mykodiesel völlig vergessen. In den Meldungen stehen nämlich ein paar ganz wesentliche Punkte nicht drin.

Zum Beispiel ist die Ausbeute ziemlich bescheiden. Von dem Mykodiesel fanden sich in der Gasphase nach Angaben der Autoren etwa 4 ppm, das entspricht bei einem Luftraum von 650 ml über dem Pilz einem Gasvolumen von 0,0026 ml oder einer Stoffmenge von 0,11 Millionstel Mol mit (wenn man das „Hauptprodukt“ Heptylacetat zugrunde legt) einer Masse von 18,4 Mikrogramm.

18,4 Mikrogramm wiederum entsprechen knapp 23 Mikroliter Dieselkraftstoff. Wie weit ihr damit kommt, könnt ihr euch ja anhand der Verbrauchsdaten eurer Autos selbst ausrechnen. Jedenfalls, um diese beeindruckende Ausbeute zu erhalten, haben die Forscher den Pilz 18 Tage lang wachsen lassen – auf 300 ml Nährmedium.

Abgesehen davon produziert der Pilz eben keinen Dieselkraftstoff irgendeiner Art, sondern eine extrem heterogene Molekülsuppe, die unter anderem viele Bestandteile von gängigem Dieselkraftstoff enthält. Das ist ein großer Unterschied. Zumal Dieselkraftstoffe in ihrer Zusammensetzung ziemlich variabel sind und die entsprechenden Motoren keineswegs darauf angewiesen sind, unbedingt einen Kraftstoff der spezifischen Mischung zu bekommen, wie sie die Autoren an einer Tankstelle in Patagonien aus der Säule gezapft haben.

Zum Beispiel kann man normalem Diesel ohne weiteres Biodiesel beimischen, der chemisch etwas völlig anderes ist, und nach einer kleineren Modifikation fahren die Motoren auch einfach mit Pflanzenöl. Sprich, man kann in Dieselmotoren praktisch alles verbrennen was flüssig und einigermaßen gut brennbar ist. Was man gerade nicht braucht ist ein Spezialpilz für ein Spezialprodukt.

Damit hat sich die angebliche Sonderstellung des Pilzes erledigt. Er bringt jedenfalls keine besonders tollen neuen Eigenschaften mit, im Gegenteil. Er wächst eher gemächlich, vor allem verglichen mit Bakterien, und produziert nur unter Sauerstoffmangel sein gewünschtes Produkt. Pilze sind außerdem generell schwerer zu kultivieren als andere Mikroorganismen. Gliocladium ist nur ein weiteres Mitglied der bereits recht großen Gruppe der bekannten Kohlenwasserstoff-produzierenden Organismen, die alle irgendwelche Gene haben, die sich vielleicht, hoffentlich, irgendwann nutzen lassen, um Biomasse in einen Flüssigkraftstoff umzuwandeln, der nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurriert.

Ich würde mein Geld langfristig eh eher auf irgendeine Form von Syngas-Prozess setzen.

2 Kommentare

  1. Schade

    Hat sich doch so toll angehört. Bioabfälle werden von Pilzen zu Diesel abgebaut. Wahrscheinlich wären die Abfälle noch nicht mal zu Tierfutter zu gebrauchen gewesen. Das wäre sauberer Krafstoff gewesen. Ich weiß nicht, ob Pilze sich so ähnlich wie Bakterien verhalten. In den Kläranlagen haben sich über die Jahrzehnte die Bakteriekulturen weiter entwickelt und bauen Stoffe ab, was sie vorher nicht konnten. Aber es wird trotzdem alles zu aufwendig, teuer und zu wenig ertragreich sein.

  2. “Strom aus Regentropfen” ist auch so ein Beispiel, was nur dank intensiver alternativer Beflaggung durch die Presse geistern durfte:

    ” ‘Wir dachten an Regentropfen, weil diese eine der bisher nicht genutzten Energiequellen in der Natur bilden’, sagt Jean-Jacques Chaillout vom Minatec-Innovationszentrum in Grenoble. Zusammen mit seinen Kollegen konstruierte der Physiker ein Regenkraftwerk aus etwa zehn Zentimeter langen piezoelektrischen Modulen. Fällt ein Regentropfen auf diese Bauteile, wird es in Schwingung versetzt und erzeugt durch diese Bewegung elektrischen Strom.

    Erste Messungen mit einem Prototyp zeigten, dass Regentropfen in Abhängigkeit von ihrer Größe zwischen einem Nanojoule und 25 Mikrojoule elektrische Energie pro Tropfen erzeugen können. Diese Werte bestätigen theoretische Abschätzungen, die die Forscher vor dem Bau des Moduls vorgenommen haben.”

    Überschlagen wir mal ganz grob: In Mitteleuropa fällt ca. 1 m Niederschlag pro Jahr, pro Quadratmeter also 1.000 kg. Wie schnell fällt Regen? Sagen wir mal, bestimmt nicht viel schneller als 50 km/h. Wir haben also pro m² und Jahr ein Energiedargebot ähnlich einem einem Pkw, der im Stadtverkehr an einer roten Ampel anhält.

    Und wie oft halte ich im Jahr im Stadtverkehr an einer roten Ampel? Ich kann’s gar nicht zählen. Ich brauch’s auch nicht zählen; rein intuitiv ist mir schon ganz ohne Rechnung, allein durch Analogieschlüsse in wenigen Sekunden klar, daß das Energiedargebot fallenden Regens für uns Menschen ohne jede praktische Relevanz ist.

    Die genauere Nachrechnung kommt dann auch auf eine Durchschnittsleistungs-Dargebot von weniger als 0,0005 W/m².

    Es geht also gar nicht um alternative Energie und es ist spätestens 30s nach Eintreffen des erfinderischen Geistesblitzes nicht mehr um Energie gegangen, weil der potentielle Beitrag eben so offensichtlich lächerlich ist.

    Es geht und ging also immer nur um einen Regensensor, der keinen Fehlalarm bei Betauung oder Nebel auslöst. Das ist lediglich mittelpfiffig und wenn man daraus ein fertiges Produkt macht, schafft man es mit Glück auf Seite 240 einer Marktübersicht für Sensoren.

    Aber wenn man vorgibt, man habe sich schwerwiegende und langwierige Gedanken über alternative Energieerzeugung gemacht, dann kreischt die Medienlandschaft plötzlich im Chor auf und der gesunde Menschenverstand setzt einhellig aus.

    Diese Gesellschaft wird beim Schlagwort ‘regenerative Energie’ so berechenbar, erbärmlich und lächerlich wie ein pawlow’scher Hund.

Schreibe einen Kommentar