Gentech-Mais bald als Medikament?

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Bt-Toxin, benannt nach seinem Produzenten, dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis, hat schon jetzt eine bemerkenswerte Karriere in der Schädlingsbekämpfung hinter sich. Die kleinen Kristalle sind für Wirbeltiere unschädlich, im Darm von Insekten jedoch werden sie zu einem tödlichen Gift. Darauf  und auf dem Umstand, dass die verschiedenen Bt-Toxine jeweils für unterschiedliche Insektenarten hoch spezifisch sind, beruht ihr Erfolg. Ins Erbgut einer Nutzpflanze eingebaut, schützen sie effektiv vor Fraßfeinden, ohne schädliche Rückstände zu hinterlassen.

ResearchBlogging.orgDemnächst könnten diese Proteine noch aus einem anderen Grund reüssieren, denn Insekten sind nicht die einzigen Lebewesen, die gegenüber Bt-Toxinen empfindlich sind: Einige der Verbindungen sind auch gegen Nematoden wirksam. Experimente an Mäusen haben jetzt gezeigt, dass sich diese Darmparasiten prinzipiell mit den Bakterienproteinen therapieren lassen (open access).

Das hat potentiell große praktische Bedeutung, denn etwa jeder fünfte Mensch ist mit Nematoden wie Haken- oder Peitschenwürmern infiziert, die unter anderem bei Kindern Entwicklungsstörungen auslösen. Und es gibt de facto bereits eine Quelle für große Mengen solcher Bt-Toxine: Genetisch veränderten Mais. Es liegt nahe, eine Variante des Bt-Mais als Nutriceutical einzusetzen.

Das Experiment selbst ist schnell beschrieben: Die Forscher haben Mäuse mit dem Wurm Heligmosomoides bakeri, einem gut erforschten Nagetierparasiten, infiziert und zwei Wochen später einmalig mit dem Protein aus aufbereiteten B.-thuringiensis-Sporen behandelt. Den Infektionsstatus haben sie geprüft, indem sie die Wurmeier im Mäusekot vor und nach der Behandlung auszählten und fünf Tage später die Parasiten im Darm zählten.

Die Ergebnisse waren ziemlich eindeutig, die Parasiteneier im Kot verschwanden fast vollständig und die Würmer selbst zu zwei Dritteln, während in der Kontrollgruppe (die B.-thu.-Sporen ohne Toxin bekam) alles beim Alten blieb. Der extreme Rückgang der Eiproduktion trotz weiter vorhandener Wurminfektion deutet nach Ansicht der Forscher darauf hin, dass es auch den überlebenden Würmern ziemlich dreckig gegangen sein muss.

Bemerkenswert ist auch der Vergleich mit gängigen Pharmazeutika. Die Autoren zitieren Studien u. a. mit Ivermectin und Pyrantel, in denen unter vergleichbaren Bedingungen etwa 90% der Würmer abgetötet wurden, allerdings mit zehn- bis hundertfach größeren Wirkstoffkonzentrationen als in der Bt-Studie zum Einsatz kamen. Hinzu kommt, dass der größte Teil des Proteins im Magen zersetzt wird. Die Autoren der Studie haben es ausprobiert, mit künstlichem Magensaft.

Unter diesen Bedingungen war das Toxin schon nach vier Minuten nicht mehr detektierbar. Die Autoren schließen daraus, dass selbst allerwinzigste Konzentrationen des Bt-Toxins die Würmer töten – ich glaube allerdings eher, dass die Kristalle die Magenpassage im lebenden Tier  aus irgendwelchen Gründen länger überleben.[1] Auf jeden Fall zeigen die Versuche, dass das Bt-Toxin in deutlich geringeren Mengen wirkt als gängige Wurm-Medikamente.

Eine Wurmkur für die Welt?
Das bietet zwei Optionen. Zum einen kann man auf der Basis dieser Ergebnisse klassische Medikamente entwickeln. Die Autoren weisen zu Recht darauf hin, dass moderne Formulierungstechniken und Darreichungsformen die Effektivität der Behandlung noch einmal deutlich steigern könnten. Damit stünde ein neues Medikament zur Verfügung, gerade rechtzeitig um die sich neu entwickelnden Resistenzen abzufangen.[2]

Die zweite Variante ist ungleich ambitionierter und trägt dem Umstand Rechnung, dass ein neues Medikament angesichts der Dimension des weltweiten Nematoden-Problems nur ein Tropfen auf den heißen Stein wäre. Fast anderthalb Milliarden Menschen sind betroffen, überproportional in den armen Ländern natürlich. Viele von ihnen haben nur schlechten Zugang zu medizinischer Versorgung, ein Umstand, der die effektive Bekämpfung dieser Seuchen schon sehr lange behindert. Vor diesem Hintergrund liegt der Gedanke nahe, einfach den bereits erprobten Bt-Mais für therapeutische Zwecke umzubauen und das Saatgut an die Bevölkerung in den am stärksten betroffenen Ländern zu verteilen.

Zumal alle Einzelteile für diesen Plan quasi bereit liegen. Man muss nur das geeignete Bt-Toxin identifizieren und ins Erbgut der Pflanze schrauben, so dass es in den essbaren Teilen exprimiert wird. Der Plan ist in etwa vergleichbar mit dem Projekt Goldener Reis gegen Vitaminmangel, geht allerdings noch einen Schritt weiter – hier geht es nicht um ein Nährstoffsupplement, sondern um ein Pharmazeutikum, das in der regulären Nahrung enthalten sein soll. Andererseits ist die weltweite Krankheitslast so hoch, dass wir uns kaum erlauben können, diese Möglichkeit nicht zumindest zu prüfen.
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[1] Kühe, die mit Bt-Mais gefüttert werden, haben dem Vernehmen nach nennenswerte Mengen des Peptids im Blut.

[2] Andernorts (z.B. bei Biofortified) wird darüber spekuliert, ob eine solche medizinische Anwendung für das Bt-Toxin eventuell einige Gentechnikgegner wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen könnte. Ich bin da skeptisch – wir sehen ja gerade wieder an der Amflora-Geschichte, dass da schon lange jeder Realitätsbezug verloren gegangen ist.

Hu, Y., Georghiou, S., Kelleher, A., & Aroian, R. (2010). Bacillus thuringiensis Cry5B Protein Is Highly Efficacious as a Single-Dose Therapy against an Intestinal Roundworm Infection in Mice PLoS Neglected Tropical Diseases, 4 (3) DOI: 10.1371/journal.pntd.0000614

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