Lebensmittelchemie: Im Auftrag des Verbraucherschutzes

Im alltäglichen Leben begegnen wir fast überall Chemie. Oft ist uns das bereits so geläufig, dass wir gar nicht weiter darüber nachdenken. Manchmal ist es uns nicht einmal bewusst. Doch ohne diese „unsichtbare“ Chemie sähe unser Alltag ganz anders aus.

Einen wichtigen, aber oft unsichtbaren Beitrag leisten beispielsweise Lebensmittelchemiker*innen. Sie stellen sicher, dass unsere Lebensmittel und alltäglichen Bedarfsgegenstände gewissen Standards genügen, und verhindern, dass Lebensmittelfälscher uns gepanschte Produkte unterjubeln. Dabei entwickeln sie permanent neue Methoden, um selbst die geschicktesten Betrügereien aufdecken zu können. Auch sorgen sie dafür, dass Hygienestandards eingehalten werden und setzen sich aktiv für die Etablierung von Standards bei neuen Lebensmitteln, Materialien und Produkten ein. Lebensmittelchemiker*innen „ermitteln“ also quasi im Auftrag des Verbraucherschutzes.

Ins Bewusstsein rückt ihre Arbeit meist erst in Verbindung mit „großen“ Lebensmittelskandalen. Wir erinnern uns beispielsweise an den Gammelfleischskandal (2005/2006), Dioxin in Hühnereiern (2011), den Darmkeim EHEC in Sprossen (2011), das undeklarierte Pferdefleisch in Fertiggerichten (2013) und das Insektizid Fipronil in Hühnereiern (2017) – um nur einige zu nennen. All diese Skandale konnten nur dank lebensmittelchemischer Methoden aufgedeckt und zurückverfolgt werden. Das Aufdecken und die Aufarbeitung großer Skandale sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs dessen, was Lebensmittelchemiker*innen tagtäglich für uns tun.

Einen kleinen Einblick, wo uns Lebensmittelchemiker*innen uns im Alltag unterstützen, gibt der folgende Clip unserer AG Junge LebensmittelchemikerInnen.

Kurze Geschichte der Lebensmittelchemie

Bevor wir jedoch zu den heutigen Aufgaben der Lebensmittelchemiker*innen kommen, werfen wir kurz einen Blick auf die Geschichte dieser Disziplin. Denn die reicht weit länger zurück als man zunächst vermuten könnte. Die Lebensmittelchemie ist als Teilgebiet der Chemie bereits vor über 130 Jahren entstanden. Der deutsche Chemiker Joseph König trug 1879 erstmals die damaligen Kenntnisse in dem mehrbändigen Werk „Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genussmittel” zusammen. Zur gleichen Zeit wurde auch der Politik bewusst, dass der Staat Fachleute benötigt, um die Bevölkerung vor Risiken durch Lebensmittel zu schützen. So wurde ebenfalls 1879 das erste Lebensmittelgesetz Deutschlands verabschiedet, an dem auch Joseph König maßgeblich beteiligt war. In diesem wurde unter anderem die „chemisch-technische Untersuchung und Beurteilung von Nahrungs-, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen“ vorgeschrieben. Hierfür wurden natürlich entsprechend ausgebildete Fachleute benötigt und bald darauf die ersten Lebensmittelchemiker ausgebildet – auch wenn die Berufsbezeichnung erst 1927 offiziell eingeführt wurde. Zunächst waren sie vor allem in der amtlichen Lebensmittelüberwachung oder in der Forschung tätig. Doch bald übernahmen sie als Fachleute auch die Qualitätskontrolle und -sicherung in der beginnenden Lebensmittelindustrie.

Fachleute für Verbraucherschutz

Auch heute noch besteht die Hauptaufgabe von Lebensmittelchemiker*innen darin, Verbraucher beim Umgang mit Lebensmitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen zu schützen. Dazu gehören neben der Lebensmitteluntersuchung und -kontrolle auch Fragen rund um Ernährung und Gesundheit, beispielsweise zu funktionellen Eigenschaften von Lebensmitteln und ihren Inhaltsstoffen. Außerdem entwickeln Lebensmittelchemiker*innen neue Produkte und sorgen dafür, dass diese sicher hergestellt werden. Und sie erarbeiten unterschiedliche Analysemethoden (chemisch, physikalisch-chemisch, enzymatisch, immunologisch, mikrobiologisch, molekularbiologisch und sensorisch) und entwickeln diese permanent weiter.

Einsatzgebiete

Diese Analysemethoden werden für verschiedene Kontrollen und/oder Überprüfungen eingesetzt. So lassen sich mit ihnen gesundheitsbedenkliche Stoffe aufspüren. Schokolade kann beispielsweise gesundheitsschädliche Stoffe wie Cadmium oder Acrylamid enthalten. Damit wir diese Stoffe nicht – ohne es zu wissen – zu uns nehmen, führen Lebensmittelchemiker*innen entsprechende Analysen durch.

Weitere Analysemethoden verraten, ob Lebensmittel von guter Qualität sind und ob sie und ihre Rohstoffe „rein“ sind. Auf diesem Wege lässt sich dann zum Beispiel überprüfen, ob der Lindenblütenhonig (der als Sortenhonig teurer ist als ein Mischhonig) wirklich von der Lindenblüte stammt und ob das als nativ verkaufte Olivenöl nicht in Wirklichkeit mit einem günstigeren geschmacksneutralen Pflanzenöl gemischt wurde.

Aber auch wenn die Betrüger immer besser werden, sind ihnen die Lebensmittelchemiker*innen stets auf der Spur. Seit Jahren steht „Food Fraud“, wie vorsätzliche Verletzungen lebensmittelrechtlicher Vorschriften, um einen finanziellen oder wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, in der Fachsprache genannt werden, im Fokus der amtlichen Überwachung. Dabei entwickeln die Fachleute immer neue und genauere Methoden, um den Fälschern auf die Spur zu kommen.

Veröffentlicht von

Maren Mielck ist Wissenschaftskommunikatorin aus Überzeugung. Sie begeistert sich für die Naturwissenschaften und insbesondere die Chemie. Selbst nicht vom Fach, sondern mit klassischer Kommunikations- und Journalismusausbildung, möchte sie im Namen der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) auch anderen ihre Faszination für Chemie näherbringen.

8 Kommentare

  1. Lebensmittel erfüllen viele Funktionen, nicht nur den uns zu nähren, quasi unsere Batterie wieder aufzuladen. Diese Funktion übernehmen sie zwar auch, doch viele Menschen verbinden noch viel mehr mit dem was sie essen und trinken.

    Beispielsweise die richtige Lebensweise, was von vegan bis koscher gehen kann. Oder ein bestimmtes Genuss- oder Lebensmittel verkörpert ein genau definiertes Produkt und sein Wert und Preis rechtfertigt sich nur damit, dass es die mit ihm verbundene Qualität, Herkunft, Herstellung und Originalität auch erfüllt.

    Kobe-Rind ist nun mal nicht einfach Rindfleisch, sondern es ist Rindfleisch mit dem ich einen ganzen Prozess verbinde und wofür ich nur deshalb bereit bin dafür mehr zu bezahlen. Doch gerade dieser Mehrwert macht es für Betrüger attraktiv, mir ein Nachahmerprodukt zum selben Preis aber den halben Herstellungskosten unterzujubeln. Gäbe es doch nur eine eindeutige Identifizierbarkeit und Nachverfolgbarkeit nicht nur von Luxusuhren, sondern auch von Lebensmitteln, von Lebensmitteln, die behaupten dies und das zu sein, in Wirklichkeit aber vielleicht etwas ganz anderes sind.

    Nun, solche Probleme hat man weniger wenn man bei den ganz einfachen Lebensmitteln bleibt, etwa Kartoffeln, Spaghetti oder Milch. Wobei auch dort nicht alles stimmen muss. Bei der Milch sowieso, aber selbst bei den Kartoffeln ist allerhand möglich. Von unerwünschten natürlichen Eigenschaften bis hin zum übermässigen Pestizideinsatz.

  2. Frau Mielck,
    gehört es zum Aufgabenbreich der Lebensmittelchemie z.B. Pilze auf ihre Radioaktivität hin zu untersuchen ?

    Oder noch einfacher, wer untersucht die Pilze, ob da giftige darunter sind ?

    • Diese Aufgabe (Untersuchung der Pilze auf Radioaktivität) übernehmen auch Lebensmitteluntersuchungsämter, in denen viele Lebensmittelchemiker*innen tätig sind. Ob die einzelnen Untersuchungen aber auch tatsächlich von diesen durchgeführt werden oder von Wissenschaftler*innen verwandter Disziplinen, mag im Einzelfall unterschiedlich sein.

  3. Dieser Beitrag mag ja eine gute Werbung für den Beruf des Lebensmittelchemikers zu sein. Hier wird aber nur die positive Seite des Berufs geschildert. Sind nicht auch die Gegenspieler des Lebensmittelchemikers selbst solche? Diejenigen, die Lebensmittel mit diversen Zusatzstoffen anreichern, um sie meinetwegen haltbarer oder billiger zu machen? Teilweise werden dann solche Stoffe beigemischt, die krankheitsfördernd sind (bewusst oder unbewusst)?

    • Lebensmittelfälscher sind in der Regel deutlich weniger wissenschaftlich unterwegs: Es benötigt kein Studium, um Pferdefleisch in Fertiggerichten zu verarbeiten oder Olivenöl mit einem günstigeren Pflanzenöl zu strecken.
      In Deutschland arbeiten Lebensmittelchemiker*innen im Rahmen unseres im internationalen Vergleich sehr strengen Lebensmittelrechts (in Deutschland gibt es über 700 Vorschriften). Zusätze, die Lebensmittel haltbarer oder günstiger machen, müssen sich in diesem gesetzlichen Rahmen bewegen. Krankheitsfördernde Zusätze sollten daher eigentlich nicht beigefügt werden. Wenn es aber wie beim Dioxinskandal doch geschieht, können Lebensmitteluntersuchungsämter es herausfinden und nachverfolgen.
      Nichtsdestotrotz lässt sich natürlich jegliche Expertise auch für kriminelle Machenschaften einsetzen, aber dabei sollte es sich um Ausnahmen handeln. Zudem entwickeln (amtliche) Lebensmittelchemiker*innen immer neuere und genauere Methoden, um auch geschickten Lebensmittelbetrüger*innen auf die Spur zu kommen.

      • Ich schaue auch mit etwas skeptischem Blick auf die Lebensmittel”designer”, welche z. B. durch Beimengung von Enzymen in Teig diesen “aufwerten” oder Schinken mit Hilfe von Enzymen aus kleinsten Fleischstückchen zusammenkleben. Es ist alles im gesetzlichen Rahmen, aber der “Geist des Lebensmittels” geht meiner Meinung nach verloren.

  4. Nicht zu vergessen natürlich die ganzen Aromastoffe (Stichwort Erdbeerjoghurt, das noch nie auch nur von Ferne eine Erdbeere gesehen hat), Geschmacksverstärker, Verdickungsmittel, von denen ggf. noch nicht abschließend geklärt ist, ob sie den menschlichen Organismus schädigen… Alle diese Stoffe haben (wie gesagt, alles nur meine Meinung) in Lebensmitteln nichts zu suchen.

  5. Das Insektizid/Akarizid Fipronil als N-Phenylpyrazol-Derivat Fipronil –übrigens ein GABAa- Chlorid Kanal Blocker, macht mir als Katzenbesitzer eigentlich eher wenig Sorgen. Fast jeder Katzen oder Hundebesitzer hat, wenn er seinen Tierchen ein Zeckenhalsband umlegt oder mit Anti-Milbenpuder behandelt (muss ich bei meinen “Freigängern” ziemlich oft machen) vermutlich mehr Kontakt mit Fipronil, als es in den – doch eher geringen Spuren , die 2017 in Spuren in Eiern nachgewiesen wurden.

    Ich vermute übrigens eher, dass Hühnerfarmer es als Mittel gegen lästige Federlinge bei ihren Hühnern angewendet hatten als – wie es damals hieß – das Fiprolnil über ei Reinigungsmittel in die Hühnerställe gelangte.

    Was mir eher Sorgen macht ist, dass man immer wieder Spuren von Glyphosat in verschiedensten Lebensmitteln findet. Jaja, manche werden jetzt jovial abwinken und sagen “Glyphosat, hach das greift doch nur in den Shikimisäure-Weg ein, und der spielt bei Vertebraten keine Rolle, sondern nur bei Pflanzen, Mikroben und Pilzen!”.

    Das ist falsch! Glyphosat hat einen erwiesenermaßen genotoxischen Effekt, und zwar bereits bei extrem niedrigen interzellulären Titern.

    Es verursacht auch eine mitochondriale Dysfunktion. Glyphosat stimulierte in Zellkulturexperimenten mit verschiedenen humanen Zellkulturen (Fibroblastee, Hepatocyten u. a.) die Aktivität von Glutathionperoxidase, Glutathionreduktase, Glutathion-S-Transferase, γ-Glutamyltransferase, Katalase, Superoxiddismutase und Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase und reguliert den GSH-Spiegel z. T. dramatisch herab.

    Glyphosat wurde als endokriner Disruptor beschrieben, der das männliche Fortpflanzungssystem beeinflusst. Die molekulare Basis seiner Toxizität muss jedoch noch geklärt werden.

    Zwar ist Glyphosat inzwischen glücklicherweise offenbar in Deutschland verboten worden, jedoch ist wohl erst schätzungsweise ab 2023 mit einer vollständigen Clearence in der Umwelt zu rechnen.