Ins Reich der Riesenmoleküle

Dieser Beitrag entstammt dem Magazin “Polymere – Alleskönner der Moderne” der Gesellschaft Deutscher Chemiker und wurde publiziert von Spektrum CP.

Vor 100 Jahren postuliert ein deutscher Chemiker die Existenz beliebig großer Moleküle und erntet dafür von vielen Kollegen Spott und Kritik. Doch seine Theorie bewahrheitet sich und ebnet den Weg für den rasanten Aufstieg der Kunststoffindustrie.

Riesen gibt es nur im Märchen. Wenn man so will, galt das bis in die 1920er Jahre auch in der Chemie. Moleküle aus Hunderttausenden oder gar Millionen von Atomen hält die Fachwelt zu jener Zeit für ein Hirngespinst. Die Grundbausteine aller Stoffe sind Atome oder kleine Moleküle, besagt die vorherrschende Lehrmeinung. Doch ein junger Chemieprofessor namens Hermann Staudinger lässt sich davon nicht beeindrucken und macht sich auf die Suche nach den molekularen Riesen.

Es ist keine Forschungsexpedition im eigentlichen Sinne. Denn auf die Frage, ob chemische Verbindungen aus derart vielen Atomen tatsächlich existieren, können ausschließlich wissenschaftliche Theorien und Experimente eine Antwort liefern. Ähnlich wie die Entdeckung manch ferner Länder jedoch entpuppt sich Staudingers Reise in die unbekannten Gefilde der organischen Chemie als wahre Odyssee. Aber der Reihe nach.

Wir schreiben das Jahr 1920. Der Erste Weltkrieg (1914–1918) ist seit Kurzem vorüber und Europa aus den Fugen geraten. Hermann Staudinger, der in jenem Frühjahr 39 wird, ist Professor für Chemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Dort erforscht er unter anderem den molekularen Aufbau von Biopolymeren wie Naturkautschuk, einem kriegswichtigen Rohstoff, aus dem Gummi hergestellt wird, und pflanzlicher Zellulose für die Papier- und Textilindustrie.

Zwar hatten Polymere in den wissenschaftlichen Sprachgebrauch bereits einige Jahrzehnte zuvor Einzug gehalten, doch über ihre Struktur oder ihr Molekulargewicht ist bis dahin noch wenig bekannt. Eingeführt wurde der Begriff im Jahr 1829 von dem schwedischen Chemiker Jöns Jakob Berzelius. Er beobachtete bei Experimenten mit Weinsäure, dass sich Stoffe trotz identischer chemischer Zusammensetzung in ihrer Erscheinungsform und bezüglich ihrer physikalischen Eigenschaften unterscheiden können. Berzelius nannte solche niedermolekularen Stoffe Polymere (griechisch: polý =viele, méros = Teilchen).

Die Bedeutung des Begriffs wandelte sich jedoch mit der Zeit: Im frühen 20. Jahrhundert bezeichnen Chemiker solche Materialien als Polymere, die ein vermeintlich hohes Molekulargewicht aufweisen. Darauf deutet nämlich die geringe Flüchtigkeit von polymeren Stoffen hin. Die Wissenschaftler glauben allerdings, dass das die Existenz riesiger Moleküle nur vortäuschen würde. Stattdessen versuchen sie die Beobachtungen mit so genannten Kolloiden, einer losen Zusammenlagerung vieler kleiner Moleküle, zu erklären.

Seiner Zeit voraus

Einen Beleg für diese These liefern ihrer Meinung nach Röntgenstrukturanalysen. Damit lässt sich die Größe einzelner Kristallite in Polymeren bestimmen. Kristallite sind Kristalle, die die eigentliche Kristallform nicht oder nur teilweise ausbilden. Sie entstehen, wenn Polymere abkühlen und erstarren. Die Mehrzahl der Wissenschaftler ist überzeugt: Ein einzelnes Molekül kann nicht größer sein als ein einzelner Kristallit. Daher folgern sie aus ihren Messungen, dass kettenartige Verbindungen aus maximal 500 Atomen bestehen. Die Existenz größerer Makromoleküle lehnen sie vehement ab.

Staudinger kommt durch eigene Überlegungen und jahrelange Experimente zu einem anderen Schluss. Am 12. Juni 1920 veröffentlicht er seine These in den »Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft«:

»Polymerisationsprozesse […] sind alle Prozesse, bei denen zwei oder mehrere Moleküle sich zu einem Produkt mit gleicher Zusammensetzung, aber höherem Molekulargewicht, vereinigen.« Auf diese Weise könne ein chemisches Molekül »eine fast beliebige Größe erreichen«, mithin zu einem Riesenmolekül anwachsen. »Immer gleiche oder ähnliche kleine Atomgruppen reihen sich in ständiger Wiederholung zu einem Muster aneinander, wodurch schließlich die enorme Größe des Makromoleküls produziert wird.«

Mit seinem Aufsatz »Über Polymerisation« wird Hermann Staudinger – in der Rückschau – zum Begründer der Polymerchemie.

In den 1920er Jahren ist die Zeit noch nicht reif für ein neues Bild vom Mikrokosmos der Moleküle. In Deutschland ist die Monarchie Vergangenheit, und es entsteht eine neue Gesellschaftsordnung. Mitten in diesem Umbruch wagt es Staudinger auch noch, die Welt im Allerkleinsten ins Wanken zu bringen. Seine Gegner verspotten ihn dafür. Einem Zuhörer reist bei einem Vortrag der Geduldsfaden. Er erhebt sich und brüllt in den Saal: »So etwas gibt es nicht!« Damit spricht der Kollege das aus, was praktisch die gesamte Fachwelt von Staudingers Ideen hält.

Staudingers These basiert in erster Linie auf Experimenten mit Naturkautschuk, der als Basis für die industrielle Herstellung von Gummi dient. Das dabei angewandte Verfahren der Vulkanisation geht zurück auf Charles Goodyear, der im Jahr 1839 entdeckte, dass sich klebriger Naturkautschuk durch die Zugabe von Schwefel in einen elastischen Kunststoff umwandeln lässt.

Nach der damals vorherrschenden Lehrmeinung besteht Kautschuk aus ringförmigen Kolloiden, die von je zwei Isopren-Molekülen gebildet werden, einer ungesättigten Kohlenwasserstoffverbindung (C5H8). Staudinger glaubt hingegen, dass Tausende von Isopren-Molekülen im Kautschuk wie Perlen auf einer Schnur chemisch miteinander verknüpft sind. Seine These gründet sich auf Experimente, in denen er versucht, die vermeintlichen Isopren-Moleküle mit Wasserstoff (H2) zu gesättigtem Isopentan (C5H12) umzusetzen. Nach traditioneller Vorstellung würde die Kautschukmasse dadurch flüssiger werden, da sich gesättigte Kohlenwasserstoffe nicht ringförmig zusammenlagern können. Tatsächlich aber bleibt die hohe Viskosität erhalten – was Staudinger damit erklärt, dass Kautschuk aus langkettigen Makromolekülen besteht.

Ambitionen und Talent

Die Ergebnisse überzeugen seine Gegner und notorische Zweifler jedoch nicht. Selbst dann nicht, als Staudinger und der Physiker Gustav Mie 1927 mit Hilfe von Röntgenaufnahmen nachweisen, dass im Polyoxymethylen nur kurze Abschnitte, aber nicht das gesamte Molekül einen Kristallit ausbilden. So schreibt beispielsweise der Chemie-Nobelpreisträger Heinrich Wieland 1928 an Staudinger:» Lieber Herr Kollege, lassen Sie doch die Vorstellung mit den großen Molekülen […]. Reinigen Sie Ihre Produkte, wie zum Beispiel den Kautschuk, dann werden diese kristallisieren und sich als niedermolekulare Stoffe erweisen.«

Staudinger lässt sich davon allerdings nicht beirren. Nicht zum ersten Mal steht er mit seiner Meinung ziemlich allein da: Als einziger deutscher Chemiker sprach er sich während des Ersten Weltkriegs öffentlich gegen die Entwicklung und den Einsatz chemischer Massenvernichtungswaffen aus. Auch forderte er 1917 das deutschen Oberkommando in Berlin auf, das sinnlose Blutvergießen zu beenden. Während das Militär lediglich Soldaten und Waffen zähle, so Staudinger, sei der Krieg angesichts der hohen Wirtschaftskraft der USA nicht mehr zu gewinnen.

Mögliche Gründe für Staudingers selbstbewusste und standhafte Persönlichkeit finden sich in seiner jungen Erwachsenenzeit, als er erst über Umwege eine akademische Laufbahn einschlägt, dann aber schnell Karriere macht: 1899 legt Staudinger das Abitur in seiner Geburtsstadt Worms ab. Sein Vater Franz – so heißt es – empfiehlt ihm, zunächst einen bodenständigen Beruf zu erlernen. Also absolviert Hermann eine Lehre als Tischler. Die Schreinerarbeit erfüllt ihn jedoch nicht, stattdessen brennt er für die Pflanzenkunde. Nach seiner Handwerksausbildung bekommt er vom Vater den Segen für ein Studium und schreibt sich an der Universität Halle/Saale im Fach Botanik ein.

Kurz darauf greift der Vater erneut in die Berufswahl ein: Hermann solle sich zuerst der Chemie widmen, um die Botanik besser verstehen zu können. Und so beginnt er in Darmstadt – nachdem die Familie Staudinger dorthin gezogen ist – an der Technischen Hochschule mit dem Chemiestudium. Nach zwei Semestern legt er das Verbandsexamen ab, die Voraussetzung für eine Promotion, und im Jahr 1903 verleiht ihm die Universität Halle/Saale den Doktortitel. Mit gerade einmal 27 Jahren wird er 1907 Professor für organische Chemie an der Technischen Hochschule Karlsruhe. 1912 wechselt er an die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. Nach 14 Jahren Forschung in der Schweiz folgt er 1926 schließlich einem Ruf als Professor für Chemie an die Universität Freiburg.

Ende der 1920er Jahre beginnt die Front gegen die These der Makromoleküle allmählich zu bröckeln. Denn Laborversuche haben mittlerweile bestätigt, dass die Glieder der postulierten Kettenmoleküle tatsächlich Atombindungen eingehen. Staudinger selbst schreibt dazu sinngemäß und korrekterweise: Der experimentelle Beweis sei dann erbracht, wenn sich ein Stoff in Derivate (abgeleitete Verbindungen) verwandle, ohne dass sich dabei sein Polymerisationsgrad ändere. Übersetzt heißt das: Die Atombindungen der Makromoleküle werden bei einer chemischen Reaktion nicht gespalten. Dieser Nachweis gelingt für immer mehr natürliche und synthetische Polymere, etwa für Zellulose, Stärke oder Polyvinylacetat.

Die Beweise sind so erdrückend, dass Anfang der 1930er Jahre immer mehr Chemiker – zumeist kleinlaut – ins makromolekulare Lager wechseln. Für Staudinger eine große Genugtuung. Er wird zum gefeierten Star in der Chemieszene und erfährt nun weltweit Anerkennung. Auf seinem Erfolg ausruhen kann er sich allerdings nicht. Denn schon bald sieht er sich mit einem mächtigeren Gegner konfrontiert als mit spöttischen Kollegen: den Nationalsozialisten.

Eine neue Industrie

Vor allem der Rektor der Universität Freiburg, der Philosoph Martin Heidegger, sieht es als NSDAP-Mitglied als seine Pflicht an, alle Kollegen auf ihre »deutsche Gesinnung« zu überprüfen. Bei Staudinger bezweifelt er diese, unter anderem wegen dessen pazifistischer Äußerungen während des Ersten Weltkriegs. Auch Staudingers Familie lässt unerwünschte politische Einstellungen vermuten: Sein Vater ist Teil der Genossenschaftsbewegung, seine Mutter Frauenrechtlerin und sein Bruder ein von den Nazis verfolgter Sozialdemokrat und USA-Emigrant. Heidegger stößt daher ein Amtsenthebungsverfahren an. Indem Staudinger bedingungslose Systemtreue an den Tag legt und vor allem, weil er eine sehr hohe Reputation in der internationalen Wissenschaftsgemeinde genießt, übersteht er auch diese Herausforderung. Er bleibt ordentlicher Professor der Chemie und Leiter des Chemischen Laboratoriums der Universität. 1940 gründet er das Institut für Makromolekulare Chemie in Freiburg, das erste Polymerforschungszentrum Europas.

Parallel entwickelt sich basierend auf Staudingers Entdeckungen ein völlig neuer Industriezweig. Zwar produzieren Fabriken bereits Alltagsgegenstände wie Aschenbecher oder Telefone aus Bakelit®, dem ersten synthetischen Kunststoff, den der belgisch-amerikanische Chemiker Leo Baekeland im Jahr 1907 entdeckte. Aber ein mangelndes Verständnis des molekularen Bauprinzips von Kunststoffen erschwert weitere Fortschritte.

Telefone aus Bakelit gehören zu den ersten Produkten aus synthetischem Kunststoff. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird Plastik zur Massenware.

Staudingers theoretisches Fundament für die Polymerchemie verändert die Situation. Forschern gelingt es plötzlich, völlig neuartige Polymere mit unterschiedlichsten Eigenschaften herzustellen. In den 1930er bis 1950er Jahren erfinden Chemiker die Materialien der Zukunft: Polystyrol, Polyethylen, Polypropylen, Polyester, Polyamid und viele mehr. Sie eignen sich für eine Vielzahl von Anwendungen und können preiswert hergestellt werden. Je nach Zusammensetzung und molekularer Architektur sind die neuen synthetischen Kunststoffe weich oder stahlhart, elastisch oder formstabil. Sie lassen sich zu Fasern spinnen und in fast jede erdenkliche Form gießen.

Doch obwohl Kunststoffe rasch in viele Haushalte Einzug halten, ist Hermann Staudinger außerhalb der Wissenschaftsgemeinde kaum jemandem ein Begriff. Das ändert sich erst 1953, als man ihm im Alter von 72 Jahren für seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Polymerchemie den Nobelpreis verleiht. Seinen Vortrag bei der Preisverleihung beendet er mit folgendem Satz:

»Im Licht dieser neuen Erkenntnisseder makromolekularen Chemie zeigt sich das Wunder des Lebens von seiner chemischen Seite her in der unerhörten Mannigfaltigkeit und meisterhaften molekularen Architektonik der lebenden Materie.«

Staudinger ahnte damals offenbar schon, dass der Bauplan von natürlichen Makromolekülen wie der DNA oder Proteinen den Zugang zu innovativen Werkstoffen mit vielfältigen Eigenschaften eröffnen würde. Und tatsächlich stellen Forscher heute etliche Polymere und Materialien nach biologischen Vorbildern her.

Damit ist Hermann Staudinger nicht nur der Vater der Makromolekularen Chemie, sondern gleichzeitig ein Pionier der bioinspirierten Materialforschung. 100 Jahre nach Erscheinen seines wegweisenden Aufsatzes und 55 Jahre nach seinem Tod (1965) ist die Entdeckungsreise im Reich der Riesenmoleküle also noch immer in vollem Gange.

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Maren Mielck ist Wissenschaftskommunikatorin aus Überzeugung. Sie begeistert sich für die Naturwissenschaften und insbesondere die Chemie. Selbst nicht vom Fach, sondern mit klassischer Kommunikations- und Journalismusausbildung, möchte sie im Namen der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) auch anderen ihre Faszination für Chemie näherbringen.

2 Kommentare

  1. off topic
    Im obigen Beitrag steht, dass ein Zuhörer bei einem Vortrag Staudingers brüllte: “So etwas gibt es nicht!” – heute formuliert man dies etwas anders.

    “Die inhaltliche Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien erfolgt über den wissenschaftlichen Diskurs in der wissenschaftlichen Fachliteratur und entsprechenden wissenschaftlichen Fachforen.
    In der Ausübung ihrer Tätigkeit sind Wissenschaftler aufgrund der in Art. 5 III Grundgesetz enthaltenen Wissenschaftsfreiheit geschützt. Diese umfasst sowohl die Auswahl der Themen als auch die der Methoden und ist lediglich durch kollidierendes Verfassungsrecht begenzt.
    Dies schließt es aus, die Auseinandersetzung mit einem bestimmten Forschungsansatz einzufordern.”

    Dieses Zitat ist ein Auszug aus einem Schreiben der Max Planck Gesellschaft, Generalverwaltung, Abteilung I – Institute, Frau M-A R….. – welches ich Ende Juli 2020 erhalten habe, nachdem ich mich über eine Forschungsarbeit beim mpib-Berlin beschwert habe.
    Dabei wies ich unter ausdrücklicher Berufung(!) auf den Qualitätsstandard ´Gute wissenschaftliche Praxis´ darauf hin, dass die Lehrmeinung ´Infantile Amnesie´ fragwürdig/falsch ist. Belege zu meiner Behauptung lagen dem MPG-Präsidium vor.
    ( Die Lehrmeinung ´infantile Amnesie´ besagt, dass wir uns nicht an unsere frühesten Erlebnisse erinnern können. Es lässt sich aber belegen, dass Erlebnisse ab dem 5. Schwangerschaftsmonat lebenslang dem bewussten Erinnern zugänglich sind. D.h. diese Lehrmeinung ist nachweisbar fragwürdig bzw. falsch. – und die gesamte Fachliteratur zu diesem Thema muss umgeschrieben werden. Per Google-suche [Kinseher NDERF denken_nte] ist eine PDF zu meiner Behauptung lesbar)

    Mich amüsiert es, zu lesen, dass die gleiche Reaktion welche Staudinger vor einem Jahrhundert erfuhr auch heute noch üblich ist. Staudinger hatte einen unsachlichen Schreihals unter den Zuhörern – mir geht es ähnlich: obwohl ich meine Behauptung Schritt-für-Schritt belegen kann, war es bisher nicht möglich, Wissenschaftler zu finden, mit denen eine sachliche Diskussion möglich ist.
    (Dass Erfahrungen aus der Foetus-Zeit lebenslang dem bewussten Erinnern zugänglich sind – veröffentlichte ich seit 2006. Bei SciLogs wies ich seit 2008 darauf hin.)

  2. Hermann Staudinger machte die Polymerchemie zu seinem Lebensthema und er tat auch alles dafür seine Position an der Universität Freiburg zu halten. Er überlebte das Amtsenthebungsverfahren, welches Martin Heidegger eingeleitet hatte, unter anderem wegen seinem wissenschaftlichen Ruf und möglicherweise auch weil er sich mehrmals antisemitisch äusserte. Dennoch misstrautem ihm die Nazis und verweigertem ihm unter anderem Auslandsreisen. Nach dem zweiten Weltkrieg wiederum überstand er auch Historikerkommissionen, die seine Rolle im Nationalsozialismus untersuchten, denn sie kamen zum Schluss, dass man ihn weder entlasten noch entscheidend belasten könnte.

    Falls es so ist, dass Hermann Staudinger seine Arbeit uns sein Lebenswerk wichtiger waren als irgend ein Bekenntnis zu einer politischen Idee oder Ideologie, dann hätte Hermann Staudinger auch der Ideologisierung/Politisierung aller Bereiche, wie sie das 20. Jahrhundert prägten, widerstanden.