Als Boltos den olympischen Stadionlauf gewann…

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Edle Einfalt, stille Größe

Die olympischen Spiele von Peking sind vorbei. Und wie alle vier Jahre, wenn die Wettkämpfe nicht gut abgelaufen, sprich die Sprinter zu schnell gelaufen sind, werden die Griechen beschworen. Nein, nicht die der Jetztzeit, denn die haben sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Bei der jetzigen Olympiade landeten sie im Medaillenspiegel hinter Miniländern wie Bahrein und Panama auf dem 59. Platz. Gewonnen wurde je eine Silbermedaille im Rudern und Taekwondo, je eine bronzene in der Leichtathletik und im Segeln. In einer Disziplin allerdings rangieren die Griechen an erster Stelle: Sie sind Weltmeister im Dopen.

Schon im Vorfeld zu den Spielen sind sechs Frauen und fünf Männer der griechischen Gewichthebermannschaft positiv getestet worden. Während der Wettkämpfe wurde die griechische Hürdenläuferin Fani Chalkia des Dopings überführt. Der griechische Staat reagierte sofort: Die Staatsanwaltschaft erstattete Anzeige – nein, nicht gegen die Leichtathletin, sondern gegen ihren Trainer.

In Griechenland sind die Sportler sakrosankt. Man erinnere sich nur an das Theater um die beiden griechischen Sprinter Ekaterini Thanou und Kostas Kenteris im Jahre 2004. Die beiden entzogen sich einer Doping-Kontrolle zwei Tage vor den Wettkämpfen in Athen durch eine abenteuerlichen Flucht auf dem Moped. Dann ließen sie sich entschuldigen, ließen verlauten, sie hätten einen Unfall gehabt. Kenteris verschanzte sich die ganzen Spiele über im Krankenhaus. Am ersten Tag der Wettkämpfe beschloss das griechische Nationale Olympische Komitee mit fünf zu einer Stimme, Thanou und Kenteris nicht aus der griechischen Mannschaft auszuschließen. Die einzige Gegenstimme kam vom Präsidenten des NOKs. Kurz darauf sprach ein Schiedsgericht des griechischen Leichtathletikverbandes Thanou und Kenteris vom Vorwurf des Dopings frei, obwohl sich die beiden bis dato keiner Kontrolle unterzogen hatten. Thanou und Kenteris wurden allerdings wegen Meineids angezeigt. Der erste Prozess war für 2007 angesetzt, wurde bis jetzt zwei Mal verschoben, der nächste soll 2009 stattfinden. Kenner sagen allerdings, dass es nie zu einer Verhandlung kommen wird.

 

Auch die Männer der Straße, sprich Sitze hielten zu ihren flüchtigen Volkshelden. Im Athener Olympiastadion verzögerten sie durch Pfeifkonzerte den Start zum 200-Meter-Lauf, der Paradedisziplin ihres Sportidols Kenteris, um eine schlechte Viertelstunde.

 

Haben die Griechen auch die Ratio aus der Taufe gehoben, fürs Unrecht scheint ihnen das Bewusstsein zu fehlen. Und wie immer, wenn ich mich im Labyrinth der griechischen Denke nicht mehr zurechtfinde, suche ich meinen Tankwart auf.

„Was sagst du zu diesen Spielen in Peking?“ frage ich.

„Nicht so spritzig wie unser Kenteris, dieser Boltos.“

„Bolt“, korrigiere ich.

„Sag ich doch: Boltos!“ sagt mein Tankwart.

„Der war doch sicher gedopt“, presche ich vor.

„Na und?“ sagt mein Tankwart. „Ich finde, dass alles erlaubt ist, um zu siegen.“

Ich schaue ihn groß an.

„Um wieder faire Wettkämpfe zu haben, sollten alle die gleichen Mittel benützen dürfen. Erst dann geht es im Sport wieder gerecht zu.“

„Aber, aber im alten Olympia…“ stottere ich.

„Hah!“ sagt mein Tankwart. „Zanes, sag ich da nur!“

„Zanes?“ denke ich und sage „Ahah!“

 

Weil ich als Frühgeschichtlerin fern der klassischen Antike forsche, vergrabe ich mich jetzt in meine Bücher und finde heraus, dass es Betrug und Doping vom Anbeginn der Olympiade gegeben hat. Die sogenannten Zanes –  von 17 stehen noch die Sockel in Olympia – waren die Bußsäulen, die ein Athlet zu stiften hatte, wenn er der Schiebung überführt worden war. Siege wurde gekauft und erpresst; Gegner wurden geschlagen, dabei oft grün und blau geschlagen (die Blessuren sind auf den Vasenmalereien zu sehen), mitunter auch tot geschlagen.

 

Die alten Griechen dopten sich mit speziellen Heilkräuter, magischen Tinkturen und stark proteinhaltiger Nahrung. Um diese Mittel auszuschalten, mussten sich die Sportler bereits vier Wochen vor den Spielen in Olympia einfinden, wurden dort kaserniert, um sicherzustellen, dass alle die gleiche Nahrung bekamen: eine rein vegetarische Kost. Im Vaterland der Durchstecher war aber dafür gesorgt, dass auch in Olympia der Nachschub an Rindersteaks klappte.

Bei den Spielen stand viel auf dem Spiel. Die Sieger waren gemachte Männer, hatten ausgesorgt. Der Sieger des Stadionlaufs war das Maß aller Dinge und vor allem das Maß der Zeit. Mit ihm wurde die Zeit gemessen, sein Name war für immer mit der Zeitrechnung verquickt. Auf unsere Gegenwart übertragen, würde man das Datum für eine geschichtliche Begebenheit so fixieren: „Als Boltos den olympischen Stadionlauf gewann, bekriegten sich Georgier und Russen.“  

20 Tage nachdem Boltos den olympischen Stadionlauf gewann, reichte der griechische Minister für Kultur einen Gesetzesentwurf gegen das Doping ein. Er wünsche sich, so tat er sich fächelnd vor den Fernsehkameras kund, „Medaillen, die mit Schweiß und Anstrengungen erworben werden.“ Schwitzen gedopte Sportler nicht?

Einen Monat nachdem Boltos den olympischen Stadionlauf gewann, türken die Griechen bei den Paralympics in Peking einen Zwerg, der dann unverdienterweise die Goldmedaille im Kugelstoßen der Kurzwüchsigen gewinnt.

Zurück auf Anfang.  

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Geboren in Deutschland; Vater und Mutter – der eine klassischer Archäologe, die andere Altphilologin – brainwashten ihr einziges Kind bereits im zarten Alter, lasen ihr z. B. als Gute-Nacht-Geschichte die „Odyssee“ vor – auf Altgriechisch. Studium der Vor- und Frühgeschichte und Alter Geschichte in Tübingen, Oxford und Athen. Weil es ihr die alten Griechen angetan haben, zog sie nach ihrem Examen in deren Land; und lebt gern hier, auch wenn die neuen Griechen nichts unversucht lassen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Sie arbeitet hier als Archäologin; flüchtet mitunter – wenn Abstand von Griechenland angeraten ist – in ihren Blog und zu Grabungen in die Türkei, den Vorderen Orient, Mittleren und Hinteren Orient. Nera Ide

4 Kommentare

  1. Nix bleibt sauber

    Wie ich wieder sehe hat sich gar nicht viel geändert. Wir haben mehr technische Möglichkeiten, aber die Geschichten von früher sind die gleichen Geschichten wie heute. Wird etwas populär, dauert es nicht lange und es wird unfair. Keinem macht es mehr richtig Spaß, bis ein Idealist mit etwas neuem kommt. Das findet dann immer mehr Anhänger, wird poplär und …

    Jetzt überlege ich mir, ob eigentlich gute Sachen, die mit der Zeit aus dem Ruder gelaufen sind, auch mal wieder zu dem wurden, was sie ursprünglich sein sollten. Oder ob sie einfach abgeschafft wurden und etwas Neues kam. Wahrscheinlich eher letzteres.

  2. Werner Große

    Man könnte als Neues doch einmal die Disziplin “Doping” ins olympische Programm aufnehmen. Da könnte man sich die peinlichen Pinkelkontrollen ersparen und herausfinden, ob dieser Sport wirklich ungesünder ist als etwa der Ironman.

    p. s. Welch schöner Satz:
    Die Griechen türken in Peking einen Zwerg.

  3. Dieser Text erscheint Monate nach dem Ende der Olympischen Spiele in Peking und dennoch gibt keine Informationen, ob chinesische, amerikanische oder russische Athleten bei anti-doping Kontrollen “sauber” oder nicht, geunden wurden.
    Und wir sollten auch nicht die “Abenteuer” der Athleten des DDR-Staates mit “verbotenen Medikamente” vergessen – oder? Aber hier geht es warscheinlich darum, wie man die “Landsleute” fertig machen kann.

    Ist so toll, was man mit einbischen Ironie in Zusammenhang mit der Tollpatschigkeit der “Landsleuten” schaffen kann…

  4. Welche Zahpasta benutzt du denn eigentlich?

    Doch nicht die, die Baumann jahrelang aus Versehen verschluckt hat, oder? Tja, die Sache mit Kenteris war schon heikel. Hätte er mal lieber die dreifache Dosis genommen, dann wäre er mit den restlichen 200m Läufern auf einer Wellenlänge.. Shit happens..

    ring ring….ring ring… ring ring… Hallo? Ah, Herr Dr. Goebbels! Ja, einen Moment bitte. Nera, dein Ziehvater ist am Telefon. Er hat feedback für deinen nächsten Bericht: Leonidas, ein teutonischer Baumhöhlenbewohner?

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