mRNA-Impfstoffe 2.0: Eine neue Idee aus der Bionik

Im mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 wird die messenger RNA in eine Lipidhülle gepackt, damit sie in die Körperzellen transportiert und dort nicht sofort durch Endosomen abgebaut wird. Endosomen sind winzige, mit Säure gefüllte Bläschen im Inneren der Zelle. Sie fangen große Moleküle, die in die Zelle eingedrungen sind, ab und verdauen sie.

Der mRNA-Impfstoff enthält die Bauanleitung für das Spikeprotein des Coronavirus SARS-CoV-2. Diese Bauanleitung brauchen die Ribosomen in den Muskelzellen, um das Spikeprotein herzustellen. Das Spikeprotein wird dann vom Immunsystem als fremd erkannt und löst damit die Bildung von Antikörpern aus.

Ein Ribosom, eine mRNA und viele tRNAs (jedes an eine Aminosäure gebunden) interagieren um ein Peptid/Protein zu bauen.

Damit die Bauanleitung nicht zerstört wird, bevor sie die Ribosomen erreicht, muss der mRNA-Impfstoff den Endosomen entkommen können. In der Natur sind Grippeviren sehr gut darin, den Endosomen zu entkommen. Das Influenza-A-Virus beispielsweise hat auf seiner Oberfläche ein spezielles Protein namens Hämagglutinin, das, wenn es durch eine Säure im Endosom aktiviert wird, das Virus dazu bringt, seine Membran mit der endosomalen Membran zu verschmelzen. Dadurch öffnet sich das Endosom und das Influenzavirus kann seine RNA in die Zelle freisetzen, ohne das diese zerstört wird.

Liangfang Zhang, Professor für Nanotechnik an der Universität von Kalifornien San Diego Jacobs School of Engineering, USA, will diesen viralen Schutzmechanismus mit Nanopartikeln nachahmen, um mRNA-Impfstoffe vor den Endosomen zu schützen. Sein Forscherteam hat diese Nanopartikel an Mäusen getestet und die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition publiziert [1].

Um die Nanopartikel herzustellen, veränderten die Genetiker im Labor gentechnisch Zellen, sodass sie Hämagglutinin auf ihren Zellmembranen exprimierten. Anschließend trennten sie die Membranen von den Zellen ab, zerbrachen sie in winzige Stücke und beschichteten damit Nanopartikeln aus einem biologisch abbaubaren Polymer, in das mRNA-Moleküle eingepackt waren. Das fertige Produkt ist ein grippevirusähnliches Nanopartikel, das in eine Zelle eindringen, aus dem Endosom ausbrechen und seine mRNA-Ladung freisetzen kann.

Die Nanopartikel waren mit mRNA gefüllt, die für ein biolumineszierendes Protein namens Cypridina luciferase codiert. Sie wurden sowohl in einer Lösung an den Nasenlöchern aufgetragen als auch in eine Körpervene gespritzt. Die Forscher untersuchten die Nasen und das Blut der Mäuse und stellten eine erhebliche Menge an Biolumineszenzsignalen fest. Das war ein Beweis dafür, dass die Nanopartikel ihre mRNA effektiv in die Zellen transportiert und sie vor den Endosomen geschützt hatten.

Die Wissenschaftler testen ihre Methode jetzt mit therapeutischer mRNA. “Wenn man mehr mRNA in die Zellen bringen kann, bedeutet dies, dass man eine viel geringere Dosis eines mRNA-Impfstoffs einnehmen kann, was die Nebenwirkungen bei gleicher Wirksamkeit verringern könnte. Es könnte auch die Einbringung von small interfering RNA (siRNA) in Zellen verbessern, die bei einigen Formen der Gentherapie eingesetzt wird.” so Zhang.

Mir gefällt die Idee von Chang. Die Immunologen werden dann für eine Impfung vermutlich eine Prime-Boost-Strategie – ähnlich wie bei Vektorimpfstoffen – mit unterschiedlichen Nanopartikeln, daher unterschiedlichen Hämagglutininen verfolgen.

Weiterführende Literatur

[1]. Joon Ho Park, Animesh Mohapatra, Jiarong Zhou, Maya Holay, Nishta Krishnan, Weiwei Gao, Ronnie H. Fang, Liangfang Zhang. (2021) Virus‐Mimicking Cell Membrane‐Coated Nanoparticles for Cytosolic Delivery of mRNA. Angewandte Chemie International Edition; DOI: 10.1002/anie.202113671

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

15 Kommentare

  1. Zitat:„Mir gefällt die Idee von Chang.“
    Mir auch. Wobei: mRNA-Impfungen funktionieren ja schon und Chang‘s verbesserte, virenähnliche Nanopartikelhülle ist lediglich eine Optimierung – eine Optimierung, die es wohl ermöglicht, kleinere, aber gleich wirksame Impfdosen zu verabreichen.
    Nun, im Softwareengineering gilt die Regel: nur optimieren, wenn nötig. Denn zusätzliche Komplexität kostet spätestens in der Wartung.
    Aber es könnte durchaus sein, dass sich Changs Ansatz lohnt. Nur schon weil dann kleinere Impfdosen genügen. Bis das in der Impfpraxis ankommt, kann aber noch einige Zeit vergehen.

    Aber es stimmt: Irgendwann werden die medizinischen Interventionen so raffiniert oder noch raffinierter sein wie Mechanismen, die es in der Natur gibt und die beispielsweise von Viren angewandt werden.

  2. Es ist geisteskrank hoch 3, dass jetzt eine Impfpflicht für Pflegeberufe zum 15. März kommen soll. Denn dann ist der Winter längst vorbei. Dann wird die Inzidenz 10-mal niedriger sein als jetzt. Hoffentlich klagt Stephan Brandner vor dem BVG. Wenn jeder Impfgegner Geld an die AfD spendet, kommen über 1 Milliarde € zusammen. Bitte googeln: Manifest Natura Christiana

    • @Frei”christ”343
      Weder teile ich Ihre Meinung, noch finde ich Ihren Kommentar an diese Stelle richtig einsortiert.

    • @Freichrist343
      Sie sind geisteskrank hoch 10 und an beschämender dummer gehirnbefreiter Primitivität nicht zu überbieten und absolut unerwünscht,
      weder hier noch sonst wo!
      Wie man deutlich sieht kann die Evolution bei „einigen“ schnellstmöglich rückwärts laufen,
      hoffe „das“ bereinigt sich im höchsten Tempo innerhalb unserer Spezies von selbst.
      Unfassbar..

  3. @Freichrist: Wie ihr Kommentar eindeutig beweist, haben Sie ein komplett gestörtes Verhältnis zur Realität. Das soll bei Freikirchlern im südlichen Sachsen und anderswo ja gehäuft passieren. Wie die Inzidenz mit Omikron im März ist kann man nur vermuten, das wird auch von den Kontaktbeschränkungen abhängen die zurzeit so notwendig sind. Da die AfD GEGEN diese Kontaktbeschränkungen ist, können nur Menschen ohne jeden Realitätsbezug annehmen, dass die Situation ohne solche Maßnahmen und ohne Impfungen im März besser wäre. Offenbar gibt der Herr den Seinen auf jeden Fall keine Klugheit, man könnte sogar konstatieren, dass der Glaube ihnen oft das Hirn massiv vernebelt.

  4. Mir fehlt im Beitrag noch ein Hinweis, wie diese Methode sich auf die Stabilität der mRNA auswirkt. Bei dem Biontech Impfstoff ist ja eine Kühlung mit Trockeneis nötig; bei Curevac angeblich nur ein normaler Kühlschrank (wenn der Impfstoff endlich einmal wirkt). Ein Impfstoff mit reduzierten Kühlanforderungen würde die Logistik deutlich vereinfachen.

  5. Zitat aus obigem Beitrag:

    Die Immunologen werden dann für eine Impfung vermutlich eine Prime-Boost-Strategie – ähnlich wie bei Vektorimpfstoffen – mit unterschiedlichen Nanopartikeln, daher unterschiedlichen Hämagglutininen verfolgen.

    Prime-Boost-Strategien zielen ja auf eine bessere, länger anhaltende Immunisierung ab. Etwas, was gerade bei Corona wichtig wäre, denn es ist ein bekanntes Problem, dass die natürliche und auch die impfstoffinduzierte Immunantwort auf Corona relativ schnell abklingt. Um eine bessere, länger anhaltende Immunantwort zu erhalten genügt es aber wohl nicht, einfach die Nanopartikel zwischen den aufeinanderfolgenden Impfungen auszuwechseln. Statt dessen könnten leicht unterschiedliche Antigene verwendet werden. Zum Beispiel sowohl Spikeproteinabschnitte als auch Sars-CoV-2-Teile, die konstanter, die weniger mutationsanfällig sind. Wenn man mehrfach impfen muss, wäre ohnehin eine Impfung per Nasenspray am besten. Zudem würde das die Atemwege besser schützen und die sind ja bei Corona-Infektionen am stärksten betroffen.

    • Eigenzitat: Statt dessen könnten leicht unterschiedliche Antigene verwendet werden. Zum Beispiel sowohl Spikeproteinabschnitte als auch Sars-CoV-2-Teile, die konstanter, die weniger mutationsanfällig sind.
      Der Artikel A longer-lasting COVID vaccine? Study points the way schreibt dazu:

      Forscher sagen, dass wahrscheinlich eine neue Generation von Impfstoffen benötigt wird, um eine robustere und weitreichendere Immunantwort zu schaffen, die in der Lage ist, aktuelle und zukünftige Varianten zurückzudrängen.

      Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, besteht darin, Impfstoffen ein Fragment eines anderen viralen Proteins hinzuzufügen – eines, das weniger anfällig für Mutationen ist als das Spike-Protein und das die T-Zellen des Immunsystems aktiviert.

      Die Forscher konzentrierten sich auf das virale Polymerase-Protein, das nicht nur in SARS-CoV-2 vorkommt, sondern auch in anderen Coronaviren, einschließlich denen, die SARS, MERS und die Erkältung verursachen. Virale Polymerasen dienen als Motoren, mit denen Coronaviren Kopien von sich selbst erstellen und die Ausbreitung der Infektion ermöglichen. Im Gegensatz zum Spike-Protein ist es unwahrscheinlich, dass sich virale Polymerasen verändern oder mutieren, selbst wenn sich Viren entwickeln.

      Kurzum: In Zukunft könnte es universelle Corona-Impfstoffe geben, die eine Grundimmunität gegen sämtliche Corona-Viren verleihen ohne eine Infektion völlig zu verhindern. Doch eine Impfung, die schwere Erkrankungen verhindert, ist bereits sehr viel wert.

    • Mir ging es hier um eine mögliche Anti-Nanopartikel-Immunität, die sich wegen des viralen Hämagglutinins beim ersten Impfen entwickeln könnte. Die könnte bei den nachfolgenden Impfungen die Wirksamkeit des betreffenden mRNA-Impfstoffs beeinträchtigen. Ein ähnliches Phänomen kennen die Immunologen bereits von Vektorimpfstoffen dort nennt man es “Anti-Vektor-Immunität”.

      • Danke für die Antwort. Das wegen der Anti-Nanopartikel-Immunität wusste ich nicht.
        Und danke auch für die Vorstellung und Besprechung interessanter Forschungsartikel zum Thema Vakzinentwicklung.

  6. @Martin Holzherr
    Zitat: “Wenn man mehrfach impfen muss, wäre ohnehin eine Impfung per Nasenspray am besten. Zudem würde das die Atemwege besser schützen und die sind ja bei Corona-Infektionen am stärksten betroffen.”

    Wollen Sie zum Ausdruck bringen, die Antikörper hätten es schwer vom Ort der Impfung (Bizeps) zum Ort der Ansteckung (Nase) zu kommen? Für den Fall empfehle ich noch mal einen Blick nach oben in den Artikel zu dieser Stelle:

    “Diese Bauanleitung brauchen die Ribosomen in den Muskelzellen, um das Spikeprotein herzustellen. Das Spikeprotein wird dann vom Immunsystem als fremd erkannt und löst damit die Bildung von Antikörpern aus.”

    Trotz meines Alters ist mein Bizeps noch kräftiger als die Nasenmuskulatur und besser geeignet Spikeproteine zur Provokation der Antikörperantwort zu erzeugen. An der Stelle könnte ich weiter spekulieren, ob eine geringe Muskelmasse und -aktivität älterer Menschen zu einer schwächeren Impfantwort führt? Passt gut.

    • @Wolfidummerle: eine Impfung per Nasenspray wäre
      1) leichter zu applizieren
      2) würde tendenziell eher Antikörper vom Typ IgA produzieren und diese schützt Schleimhäute und Atemwege besser als die IgG-Antikörper bei einer systemischen Immunisierung
      3) Solche Antikörper wirken auch tendenziell besser gegen neue Virusvarianten

      Im Artikel Nasal vaccine may aid fight against new viral variants liest man dazu:

      Eine neue Antwort auf das schnell mutierende Virus könnte direkt an der Tür zu unserer Lunge gefunden werden, sagt Akiko Iwasaki von Yale, Waldemar-von-Zedtwitz-Professorin für Immunbiologie. In einer neuen Studie fanden sie und ihre Kollegen heraus, dass die intranasale Impfung bei Mäusen einen breit angelegten Schutz gegen heterologe Atemwegsviren bietet, während die sogenannte systemische Immunisierung, die durch eine Injektion einen körperweiten Schutz hervorruft, dies nicht tat.
      Ihre Ergebnisse werden am 10. Dezember in der Zeitschrift Science Immunology veröffentlicht.

      “Die beste Immunabwehr findet am Tor statt und schützt vor Viren, die versuchen einzudringen”, sagte Iwasaki, leitende Autorin der Studie.

      Schleimhäute enthalten ein eigenes Immunabwehrsystem, das luft- oder lebensmittelbedingte Krankheitserreger bekämpft. Wenn sie herausgefordert werden, produzieren diese Barrieregewebe B-Zellen, die ihrerseits Immunglobin-A (IgA)-Antikörper sezernieren. Im Gegensatz zu Impfstoffen, die eine systemweite Immunantwort auslösen, wirken IgA-Antikörper lokal auf Schleimhautoberflächen in Nase, Magen und Lunge.

      Während die schützende Rolle von IgA-produzierenden Zellen bei der Bekämpfung von Darmpathogenen gut bekannt war, fragte sich Iwasakis Labor, ob das Auslösen einer IgA-Antwort auch eine lokalisierte Immunantwort gegen Atemwegsviren hervorrufen könnte.

      In Zusammenarbeit mit Forschern der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York testeten sie einen proteinbasierten Impfstoff, der eine IgA-Immunantwort in Gang setzen soll, und verabreichten ihn Mäusen durch Injektionen, wie es bei systemischen Immunisierungen üblich ist, und auch intranasal. Dann setzten sie Mäuse mehreren Stämmen von Influenzaviren aus. Sie fanden heraus, dass Mäuse, die intranasal geimpft wurden, viel besser gegen die respiratorische Influenza geschützt waren als solche, die Injektionen erhielten. Nasenimpfstoffe, aber nicht die Spritze, induzierten auch Antikörper, die die Tiere gegen eine Vielzahl von Grippestämmen schützten, nicht nur gegen den Stamm, gegen den der Impfstoff schützen sollte.

      Das Yale-Team testet derzeit nasale Impfstämme gegen COVID-Stämme in Tiermodellen.

      Während sowohl Impfstoffinjektionen als auch nasale Impfstoffe die Antikörperspiegel im Blut von Mäusen erhöhten, ermöglichte nur der nasale Impfstoff die IgA-Sekretion in die Lunge, wo sich Atemwegsviren einnisten müssen, um den Wirt zu infizieren, sagte Iwasaki.

      Wenn sich die nasalen Impfstoffe beim Menschen als sicher und wirksam erweisen, stellt sich Iwasaki vor, dass sie in Verbindung mit aktuellen systemweiten Impfstoffen und Boostern verwendet werden, um das Immunsystem an der Infektionsquelle zu stärken.

      Einschätzung: Ich denke Akiko Iwasaki von Yale, die Waldemar-von-Zedtwitz-Professorin für Immunbiologie liegt mit ihren Versuchen zu Nasenspray-basierten Covid-Impfstoffen absolut richtig. Und ja, wenn schon boostern, dann könnte Boostern mit einer anderem Typ von Impfstoff als bei der Erstimpfung ganz gut sein.

Schreibe einen Kommentar