Kohärent voll im Trend? Ein Gastbeitrag von Serge Palasie
BLOG: Die Sankore Schriften
Überlegungen zu einem Begriff, der in aller Munde ist
Kohärenz als beschlossene Sache der Politik
Wie so oft mangelt es nicht an der theoretischen Kenntnis notwendiger Prozesse, die es einzuleiten gilt, wenn man in bestimmten Bereichen (positive) Änderungen erzielen möchte. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele – um ein besonders aktuelles herauszugreifen, sei die vor kurzem beendete Klimakonferenz in Paris genannt. An positiven Absichtserklärungen mangelt es in den seltensten Fällen. So verhält es sich auch mit der sehr viele Bereiche (um nicht zu sagen alle Bereiche) umfassenden Politikkohärenz, also der Stimmigkeit aller Politikfelder unter- bzw. zueinander. Keines soll hierbei ein anderes durch sein eigenes Handeln negativ beeinflussen. Bezogen auf Politikkohärenz für Entwicklung (Policy Coherence for Development (PCD)), die als offizielles Leitprinzip der OECD und EU beschlossen wurde, heißt dies, dass alle Politikbereiche eine Mitverantwortung für Entwicklung (im sogenannten Globalen Süden) tragen. Mindestforderung ist hierbei, dass das Handeln in anderen Politikfeldern die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bzw. genauer gesagt die Situation in den Ländern, auf die sich die jeweilige EZ bezieht, nicht negativ beeinflussen oder gar verschlechtern darf. Dabei liegt der Fokus von PCD in den folgenden Bereichen: Handel und Finanzen, Klimawandel, Ernährungssicherheit, Migration und Sicherheit. Um sicherstellen zu können, dass die Zielsetzung von PCD auch tatsächlich ernst genommen wird, gibt es fortlaufende Kontrollen; zumindest aber wurden Kontrollmechanismen etabliert.
Nachdem die MDG (Millennium Development Goals) weitestgehend „klassische“ Entwicklungsziele darstellten, in denen EZ nahezu völlig isoliert von anderen, in ihrer unmittelbaren Wirkkraft mächtigeren und einflussreicheren Politikfeldern betrachtet wurde, sind die Ende September 2015 durch die politische Führungsriege der Weltpolitik ratifizierten SDG (Sustainable Development Goals, auch Weltnachhaltigkeitsziele genannt) zumindest von der Intention her ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung hin zu mehr tatsächlicher Politikkohärenz bezogen auf Entwicklung. Erstmals werden die Felder Wirtschaft einschließlich des wichtigen Bereichs der Unternehmensverantwortung sowie der Bereich der Ökologie und der Klimapolitik konsequent zusammen mit Entwicklung gedacht. Beim Lesen der SDG – besonders, wenn man die feierliche Präambel mitliest – drängt sich einem unweigerlich der Gedanke auf, dass das alles viel zu schön ist, um wahr zu werden. Aber: Solange die Realität uns im negativen Sinne nicht einholt, wollen wir – und ich tue dies ebenfalls bis auf weiteres – zuversichtlich bleiben.
Kohärenz im Bereich Migration und Entwicklung
Eine kohärente Politik sollte in puncto Migration und Entwicklung darauf abzielen, dass möglichst viele Beteiligte (individuell sowie kollektiv – also als Herkunfts- bzw. Zielland oder -region…) möglichst stark von den globalen Migrationsprozessen profitieren bzw. dass ihnen dadurch möglichst geringer Schaden entsteht. Angesichts der derzeitigen Flucht- und Migrationsbewegungen vor allem aus dem Nahen Osten und Afrika gen EU-Gebiet ist die Frage, ob hier alles weitestgehend kohärent läuft, von besonders aktueller Relevanz. Hier muss strikt zwischen individuell und kollektiv sowie hier und dort unterschieden werden. Dass Aufnahmegesellschaften als Ganzes unter dem Strich von Zuwanderung profitieren – zumindest bis zu einem gewissen Punkt – ist weitestgehend anerkannt. Daran ändern auch Massen von zunehmend unzufriedenen Individuen und eine daraus resultierende Panikmache-Politik nichts. Die wenigsten „Einheimischen“ der jeweiligen Aufnahmegesellschaften erfahren tatsächlich unmittelbare Nachteile einer verstärkten Migration. Dazu ist die Dimension der Migration – trotz des schwunghaften Anstiegs – noch viel zu niedrig. Wie aber verhält es sich aufseiten der MigrantInnen und Flüchtlinge? Hier wird es schon komplexer – insbesondere, da wir hier nicht von Migration aus einer sogenannten Industrienation in eine andere Industrienation sprechen, sondern uns auf die Migration aus dem sogenannten Globalen Süden konzentrieren. Individuen, die nicht als illegalisierte Flüchtlinge in Europa ankamen, sind letztlich GewinnerInnen, Illegalisierte oftmals zumindest für eine kürzere oder längere Anfangsphase VerliererInnen. Nun könnte man vorschnell sagen: Nach einer Zeit profitieren also letztlich alle – also „Einheimische“ (zu denen man je nach Maßstab auch etablierte MigrantInnen bzw. deren Nachkommen zählen kann und sollte) und Zugewanderte – in den Aufnahmeländern von der Migration. Man könnte geneigt sein zu sagen, dass also in puncto Migration und Entwicklung Politikkohärenz herrscht. Aber in dieser Rechnung fehlt der Blick auf die Herkunftsländer. Denn so sehr kaum ein/e MigrantIn, die ernsthaft reflektiert und die / der nicht reflexartig die Opferkarte spielt, trotz aller möglicherweise existenten Schwierigkeiten im Aufnahmeland zu dem Schluss kommen wird, dass es ihr mittel- u. langfristig schlechter als vor der Migration geht (falls doch, dann sollte man im eigenen Interesse nochmals alle Handlungsoptionen für sich durchgehen), so sehr gilt für die Herkunftsländer trotz aller Geschichten wie brain gain oder brain circulation etc., dass das zunehmende und dauerhafte Abwandern der besonders Tatkräftigen trotz aller Rücküberweisungen in der Regel eher nachteilig ist. Also gibt es mindestens einen Verlierer sicher: Die Herkunftsländer – und zwar als Ganzes sowie auch in Bezug auf die zurückgebliebenen Individuen. Ein Verlierer reicht aber schon aus, um mangelnde Politikkohärenz im Bereich Migration und Entwicklung auszumachen.
Tatsächlicher Stand in Sachen Kohärenz – Wonach hat sich alles zu richten?
Bezogen auf PCD ergeben sich de facto folgende Probleme, bei denen neben der EZ auch die Asyl-/ Migrationspolitik sowie Sicherheitspolitik betrachtet werden müssen. So werden entwicklungspolitisch motivierte Zusagen nicht selten zweckentfremdet und an Bedingungen geknüpft, die letztlich EU-Interessen im Bereich Sicherheits- und Migrationspolitik fördern (so zum Beispiel Rücknahmeabkommen etwa mit Mauretanien oder dem Senegal, Delegieren von Grenzschutzaufgaben der EU an Dritte (Transit- u. Herkunftsländer; man denke da etwa an die autoritären Regime in Nordafrika insbesondere vor dem sogenannten Arabischen Frühling und an Gaddafis Satz auf dem EU-Afrika-Gipfel 2010 „Fünf Milliarden oder Europa wird schwarz“)).
Schnell wird klar, dass sowohl EZ als auch Asylpolitik nicht als uneigennützige Gewährung von Hilfe betrachtet werden können und dass sich PCD nicht ohne Berücksichtigung weiterer Politikfelder erklären lässt. Und da gelangen wir unweigerlich zu der zentralen Frage: Welches Politikfeld ist tatsächlich die Determinante, nach der sich alles zu richten hat, wenn von Kohärenz gesprochen wird? Bei der Beantwortung dieser Frage müssen die aktuellen globalen Kräfteverhältnisse (die bekanntlich im Wandel begriffen sind) berücksichtigt werden.
Diese sind historisch bedingt und primär ökonomischer Natur. Des einen „Glück“ bedeutet hierbei des anderen „Pech“; und Pech hat in diesem Falle der sogenannte Globale Süden, der vielfach durch historisch gewachsene und stetig weiter ausgebaute Abhängigkeitsverhältnisse mit dem sogenannten Globalen Norden und mittlerweile auch weiteren Global Players wie etwa China ehern verbunden ist. Daraus resultierende Folgen sind etwa eine mangelnde bis nicht vorhandene Souveränität über eigene Ressourcen (im Boden, an Land und im Wasser), die Abhängigkeit von Weltmarkpreisen bei sich stetig verschlechternden „terms of trade“ (d.h. vereinfacht, dass Rohstoffe immer billiger werden, während verarbeitete Fertigprodukte gleichzeitig immer teurer werden) und die Überschwemmung der eigenen Märkte etwa mit hoch subventionierten Agrarerzeugnissen aus dem sogenannten Globalen Norden (und anderen Staaten wie z.B. China oder Brasilien). All dies hemmt und zerstört vielfach Entwicklung(en) vor Ort bzw. macht positive Effekte von EZ zunichte. Das Bekämpfen von Migrations- und Fluchtursachen bzw. das Schaffen von Perspektiven vor Ort gelingt daher unter dem Strich nicht. Daher ist die gebetsmühlenartige Wiederholung der Forderung nach good governance in den Ländern des Globalen Südens insofern ignorant, indem sie scheinbar nicht berücksichtigt, dass wirkliche und nachhaltige gute Regierungsführung nur dann tatsächlich umgesetzt werden kann, wenn die ökonomischen Grundlagen dafür da sind. Daher gilt: Selbst wenn aus bad governance – was immer wieder als ein Hauptgrund für Miseren vor Ort genannt wird – good governance werden sollte, ist es zweifelhaft, ob sich tatsächlich etwas grundlegend vor Ort verbessern wird. Ohne ökonomische Souveränität wird keine dauerhafte Verbesserung der Verhältnisse vor Ort zu erwarten sein. Für die nachhaltige Schaffung von Grundlagen für good governance ist eine funktionierende, breit gefächerte Wirtschaft Voraussetzung, die beispielsweise nicht nur Bodenschätze und sonstige Rohstoffe für den Weltmarkt liefert, sondern die diese auch in zunehmendem Maße selbst weiterverarbeitet. Damit wäre allerdings das in der Kolonialzeit geschaffene Muster einer globalen Arbeitsteilung ab einem gewissen Kipppunkt obsolet. Die Frage nach „Glück“ und „Pech“ würde sich zwangsläufig neu stellen. Oder konkreter: Ein auf breiter Ebene wirtschaftlich erfolgreicher Globaler Süden würde der bisherigen Weltwirtschaftsordnung die Grundlage entziehen. Eine Migration von Süd nach Nord wäre dann nicht mehr die Voraussetzung um aus „globalen VerliererInnen“ potentiell „globale GewinnerInnen“ zu machen.
Fazit
Letztlich ist die Politik – und dies gilt gerade auch für die Asyl- Und Entwicklungspolitik – von „double speak“ und „Feigenblättern“ geprägt. Ersteres will heißen, dass etwa eine positive Absichtserklärung schlicht nicht ernst gemeint ist. Letzteres ist unter anderem auf ein schlechtes Gewissen zurückzuführen. Zu diesen „Feigenblättern“ zählen zum Beispiel (temporäre) Zugeständnisse in der Asylpolitik, Bereiche wie der faire Handel oder – wenn man will – sogar die EZ als Ganzes. Es wird suggeriert, dass alles besser wird, obwohl sich das bisherige Weltwirtschaftssystem, also das „big picture“ nicht wesentlich ändert.
Sicherlich ist dies alles in Anbetracht der aktuellen globalen Schieflage besser als nichts. Und vielfach ist es in hohem Maße der Arbeit der in diesem Bereich engagierten Akteure – darunter nicht zuletzt zahllose zivilgesellschaftliche Akteure – zu verdanken, dass sich politische EntscheidungsträgerInnen überhaupt ansatzweise in diese grundsätzlich richtige Richtung bewegen – also gut, dass es diese Akteure gibt. Die eingangs erwähnten SDG, die von oberster politischer Ebene angenommen wurden, wären ohne das zivilgesellschaftliche Engagement wohl kaum zustande gekommen. Eine tatsächlich greifende Strategie von Politikkohärenz würde allerdings einige „Feigenblätter“ überflüssig machen. Ein den gesamten globalen Warenverkehr umfassender fairer Handel würde zum Beispiel ökonomische Voraussetzungen vor Ort schaffen, die jegliche Flucht- und Migrationsursachen on the long run erheblich reduzieren würden. Den Preis dafür würde jedoch das „Global Establishment“ bezahlen müssen.
Autorenporträt Serge Palasie
Serge Palasie, M.A.: Studium der Afrikanistik, der Anglo-Amerikanischen Geschichte und der Iberischen und Lateinamerikanischen Geschichte an der Universität zu Köln. Selbst „zwischen den Kulturen” aufgewachsen, interessierte sich Serge Palasie früh für den Themenbereich Migration, Diaspora, Integration und Entwicklung. Neben Afrikanistik befasste er sich daher auch mit der afrikanischen Diaspora in den Amerikas.
Weiterführende Literatur
Policy coherence: a sensible idea lost in translation?
Ja, Migration verbessert die Lage der Migranten, nicht aber die Lage der Länder, aus denen die Migranten wegziehen. Heute spricht man sogar lieber von Flüchtlingen was die Länder aus denen geflohen wird noch schlechter dastehen lässt. Die Flüchtlingskrise lässt Europa und die USA als Hort der Stabilität erscheinen und kann zu Gedanken führen wie “nur hier ist ein menschenwürdiges Leben möglich” mit der Schlussfolgerung, dass jedem Bewohner des Globalen Südens die Migration, also die Emigration aus dem Elend erlaubt sein sollte.
Das Tragische daran ist, dass Entwicklung eine bereichernde Erfahrung sein könnte, wenn sie ein Aufstieg aus der Armut in den selbst geschaffen Wohlstand wäre. China hat jedenfalls den eigenen Wohlstand zwischen den Jahren 2000 und 2010 verdoppelt. Im Idealfall sollten auch viele heute noch arme Entwicklungsländer das schaffen.
Partiell natürlich Zustimmung, kleine Nachfrage:
Mit der im Gastbeitrag intonierten Ablösung der ‘bisherigen Weltwirtschaftsordung’ oder des ‘bisherigen Weltwirtschaftssystems’ ist eine Art Welt-Räte-Wirtschaftssystem gemeint, woll?!
BTW, nette Unterscheidung ‘MigrantInnen und Flüchtlinge’, es ist sicherlich sozusagen kohärent nicht generell Flucht vor Verfolgung für Wanderungsbewegung als alleinige Ursache festzustellen.
MFG
Dr. W
PS @ Herrn Holzherr hierzu:
‘Ja, Migration verbessert die Lage der Migranten, nicht aber die Lage der Länder, aus denen die Migranten wegziehen.’
Negativ, es gibt ganz beachtliche finanzielle Rückflüsse, die den Herkunftsländern der -je nach Sicht- Emigranten oder Immigranten nicht schaden müssen.
China ist bspw. ab einem gewissen Zeitpunkt ganz bewusst so verfahren, dass eigene Leutz rausgeschickt worden sind, um zu Hause in der Folge Mehrwert (und Wohlstand) zu generieren; müsste unter Deng Xiaoping geschehen sein, bei besonderem Bedarf sucht Ihr Kommentatorenfreund hierzu noch was raus…
Ja, die sogenannten Remittances (Rücküberweisungen) von Migranten zurück in ihre Heimatländer beträgt weltweit das Fünfache der Entwicklungshilfe. Doch das ist nicht nur positiv. Es kann bedeuten, dass ein Land zum grossen Teil von Rücküberweisungen lebt, wobei dieses Geld kaum für Investitionen genutzt wird sondern die Daheimgebliebenen unterhält. Haiti erhält 21% seines BIP über Rücküberweisungen. Doch dadurch entwickelt sich Haiti nicht besser als andere Entwicklungsländer.
Als Entwicklungsmodell können Rücküberweisungen kaum dienen. Natürlich gab es und gibt es auch Chinesen, die so etwas tun. Aber für China ist das prozentual unbedeutend. Viel wichtiger sind die Chinesen, die ins Ausland – auch nach Afrika – gezogen sind (40 Millionen Auslandchinesen) als Botschafter des chinesischen Entwicklungsmodells.
@ Herr Holzherr :
China hat so auch einen Know-How-Import betrieben, nicht zufällig wird in Fernost “nachgekupfert”, was keineswegs schlecht sein muss, am Ende könnten Spitzenprodukte bereit stehen und tun es oft auch.
Was Ihren Kommentatorenfreund ein wenig stört, ist das im Gastbeitrag nur einmal persönlich und damit erkennbar: unzureichend verwendete Zauberwort:
Es geht weitgehend auch um Kultur, wenn sich bspw. drastisch unterschiedliches “BIP / Kopf” ergibt, bemerkt wird und in der Folge angemängelt.
An dieser Stelle muss nicht sparsam geblieben werden seitens des hiesigen und um ‘Kohärenz’ bemühten Gastbeiträgers.
MFG
Dr. W
Chinas Entwicklung zeigt wie wichtig der Staat ist. Die Chinesen vor und nach Deng Xiaoping waren die gleichen, doch nachdem Deng Xiaoping die Konsequenzen aus dem Spruch „Es spielt keine Rolle, ob die Katze schwarz oder weiß ist; solange sie Mäuse fängt” gezogen hatte, ging es steil aufwärts mit China. Entscheidend sind die Rahmenbedingungen, die die Wirtschaft und alle Arbeitsuchenden und Arbeitschaffenden in einem Land vorfinden. Wenn sich arbeiten weniger lohnt als beispielsweise hoffieren der richtigen Leute oder das Bilden von Gruppen, die ihre eigenen Vorteile gegen andere verteidgen, dann wird mehr hoffiert, mehr geklüngelt oder werden Privilegien verteidigt.
Im obigen Artikel wird vor allem über die Bemühungen der EU berichtet, kohärent im Bereich Entwicklung und Migration zu agieren und zu theoretisieren. Doch man darf sich keinen Illusionen hingeben: Die EU will zwar helfen, aber nicht nur den Entwicklungsländern, sondern auch sich selbst. Die Interessen der europäischen Landwirte, Entwicklungshelfer, Poltiker und der europäischen Firmen haben letztlich Vorrang vor den Interessen der Entwicklungsländer zumal nicht einmal klar ist ,wer die Ansprechpartner in den Entwicklungsländern sein sollen. Sind es die Regierungen im Globalen Süden, die NGO’s die sich dort engagieren oder nimmt die EU einfach an, sie wüsste was die Interessen der Entwicklungsländer seien?
Letztlich gibt es nur einen Weg zur Entwicklung. Den Weg, der vom zu entwickelnden Land selber kommt. Wenn die (Zitat)ökonomische Souveränität fehlt, dann entscheiden andere.
Dumm nur, dass (Zitat)
Das ist eben der Circulus vitiosus: Wenn wichtige Grundlagen fehlen kann sich nicht einmal eine vernünftige Regierung bilden. Schlechte Verhältnisse schaffen bad governance, die wiederum die schlechten Verhältnisse zementiert.
Der Autor hat auch recht, wenn er schreibt, dass ein erfolgreicher globaler Süden die eingespielten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen entwickelten und sich entiwckelnden Ländern in Frage stellen würde. Die Länder würden nicht mehr länger reine Rohstofflieferanten bleiben oder wie der Autor schreibt:
Allerdings gilt das immer, wenn ein Souverän erfolgreich agiert. Er ändert die Bedingungen für seine Partner. So hat der Wirtschaftsaufschwung in China Arbeit von den Industrieländern nach China verlagert, was mit dazu beigetragen hat, dass es in den USA einen neue weisse Unterschicht aus ehemalig gut entlöhnten Industriearbeitern gibt. Hier irrt der Autor übrigens, wenn er schreibt:
Das Global Estabhlishment kann sich im allgemeinen schadlos halten. Es betrifft einfach viele Jobs in den USA, Europa und neu auch China, die beispielsweise nach Afrika oder Lateinamerika wandern würden. So läuft die Geschichte nun mal.
@ Herr Holzherr :
Spaßeshalber kann ja mal singulär derartige Aussage seziert und (natürlich: rein spekulativ) versucht werden zu dekodieren:
‘Fair’ ist hier womöglich der kollektivistische Kode für ein wie auch immer geartetes Rätesystem. – Wenn ‘Fairness’ im Preis nicht vom Markt selbst bestimmt werden soll.
In denjenigen Systemen, die gesellschaftlich den Ideen und Werten der Aufklärung folgend implementieren konnten, in sogenannten westlichen, wobei die Richtungsangabe hier metaphorischer Art ist und fürwahr irreleitend, geht es um das staatliche Setzen von Rahmen, von Rahmenbedingungen, in denen wirtschaftliches Handeln, möglichst frei, erlaubt sein soll.
Die Preisbildung ergibt sich dann über den Markt, vs. über eine wie auch immer geartete ‘Fairness’.
Nicht notwendigerweise, wenn es unterschiedliche Fertilitäten und unterschiedliche Wohlstandsverhältnisse gibt.
Der globale Ansatz deutet wiederum auf ein globales Räte-System hin.
Die liberale Alternative besteht hier Hervorheben der Kompetitivität, der sich alle aussetzen dürfen, eine wie auch immer geartete Ähnlich-, gar Gleichheit, wird nicht angestrebt.
Es gilt aus oben beschriebener Sicht auch hier: Jeder nach seiner Façon, jeder so gut er kann und jedem das Seine.
Es soll auch gerne beizeiten e- wie immigriert werden.
Saug, saug, saug – andere meinen natürlich, dass niemand anderen irgendetwas ‘bezahlen muss’, außer eben Märkte offen zu halten und Chancen anzubieten.
Kultur (das Fachwort) kann ohnehin nicht aufgedrängt werden, jedenfalls bestimmte nicht, denn jeder hat ja schon seine, abär:
Es darf aus funktionierenden Systemen gelernt werden.
MFG
Dr. W
Fairerer Handel wäre schon der Verzicht auf Zölle, Einfuhrbeschränkungen und Dumpingpreise bei überschüssigen Lebensmitteln. Das alles gibt es in der EU. Die EU-Länder haben eine solche Übermacht, dass sie den afrikanischen Markt ignorieren können und die EU produzieren selbst schon soviel Nahrungsmittel, dass sie keine Importe aus Afrika, Asien oder Lateinamerika braucht. Doch mit Importbeschränkungen oder Zöllen verstösst die EU gegen Prinzipien eines freien Marktes.
Klar ist allerdings, dass das Problem nicht allein bei der EU oder den schon entwickelten Ländern liegt, sondern dass meist wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung in vielen Entwicklungsländern fehlen.
@ Herr Holzherr :
Sie meinen, wenn kein gemeinsamer Staaten übergreifender Wirtschaftsraum vorliegt, wäre dies nicht ‘fair’? (Was mit der EU-Landwirtschaft geschehen würde, läge kein Protektionismus vor, könnte klar sein.)
Was genau sind für Sie ‘Dumpingpreise’ und wie werden die international bedarfsweise festgestellt? Betreibt I.E. bspw. Saudi-Arabien mit seiner aktuellen Erdöl-Förderpraxis zurzeit ‘Dumping’?
MFG
Dr. W (der im Abgang noch feststellt, dass wenn die BRD nicht so ein großer EU-Zahlmeister wäre, nicht generell so leidensfähig wäre, wie sie es ist, die EU wirtschaftlich wohl allgemein besser aufgestellt wäre)
Dumpingpreise, also nicht kostendeckende Preise können vom wirtschaftlich Potenteren strategisch eingesetzt werden um einem neuen Konkurrenten den Markteintritt zu erschweren. Wenn die EU Überschusslebensmittel auf Afrikas Märkte wirft will sie damit Lebensmittel, die sonst verroten würden sinnvoll einsetzen. Das ist der EU nur möglich, weil die europäische Landwirtschaft hoch subventioniert ist und wirtschaftlich gesehen gar nicht mehr nötig ist.
Saudiarabien betreibt keine Dumpingpolitik betreffend Öl, denn es legt den Preis nicht fest. Zudem ist sein Anteil am weltweit geförderten Öl nur gerade 10%. Es hat damit nicht den marktbeherrschenden Einfluss, der typisch ist für Akteure, die Dumpingpreise als strategisches Mittel einsetzen.
@ Herr Holzherr :
Dumping ist in der Regel in einem Wirtschaftsraum mit der Kartell- und Monopolbildung verbunden, so dass für diesen Wirtschaftsraum Zuständige (Mandatsträger und idF Rechtspfleger) eingreifen können, wie regelmäßig befunden wird und sich in Gesetzeslagen auszudrücken pflegt.
Wenn von einem Wirtschaftsraum ausgehend Ware unterhalb der Produktionskosten und unterhalb üblicher Marktpreise geliefert wird, kann sich ein anderer Wirtschaftsraum eben durch die von Ihnen zitierten ‘Zölle’ und ‘Einfuhrbeschränkungen’ schützen, oder die Ware quasi als Geschenk annehmen und mit Profit weiter verkaufen.
—
Es geht Ihrem Kommentatorenfreund um den Begriff der ‘Fairness’, dieser wird im Wirtschaftlichen nicht benötigt und ist erkennbar etwas für die anderen, weil missbräuchlich, also schädlich und zur Bildung von Räten etc. anleitend. [1]
MFG
Dr. W
[1]
Bei Ihrem Kommentar vom 6. Januar 2016 19:55 Uhr beißen Sie sich im ersten Satz in den Schwanz.
@Webbaer: Wenn beide Handelspartner gleich mächtig sind spielt Fairness im Handel keine wesentliche Rolle, da haben sie recht. Wenn jedoch einer viel schwächer ist und auf den Wirtschaftsaustausch mit dem anderen Partner angewiesen ist, dann spielt Fairness eine wichtige Rolle.
Beispiel: Wenn die USA und Europa sehr hohe Zölle auf chinesische Waren erhoben hätten, dann hätte sich China nicht innerhalb von 2 Jahrzehnten zur grössten Volkswirtschaft nach der EU und den USA entwickeln können.
Hätten die USA den Handel mit China blockiert, wäre das US-BIP übrigens nur wenig betroffen gewesen, die Chinesen aber wären noch lange rückständig geblieben. Aus globaler Sicht und aus Sicht der Aufsteigewilligen ist als Welthandel sehr positiv, aus Sicht der bereits entwickelten Länder ist Welthandel jedoch oft verzichtbar.
@ Herr Holzherr :
Was Sie erkennbar meinen, sind politische Erwägungen (vs. Fairness), an Ihrem China-Beispiel wird dies besonders klar.
Hätte sich China nicht reformiert oder wäre politisch ein unberechenbarer Partner geworden, hätten die US den China-Handel stärker geblockt, protektionistisch.
Dies spielt sich vor dem Hintergrund außenpolitischer Erwägungen ab.
Der Protektionismus ist einerseits gut und andererseits problematisch, weil die eigene Wirtschaft nicht umfänglich dem Globalwettbewerb unterworfen bliebe und insofern zurückfallen könnte, dies vor dem Hintergrund innenpolitischer Erwägungen.
BTW, es gibt auch innerhalb einzelner Wirtschaftsräume keine ‘Fairness’, hier kann der große “Player” kleinere dominieren, Abhängigkeiten schaffen etc.
Was es in der Wirtschaft natürlich gibt ist Vertrauen, dies ist ausgesprochen wichtig, dies sollte nicht Fairness genannt werden.
MFG
Dr. W
@Dr.Webbaer: Zitat: ” hier kann der große “Player” kleinere dominieren” Deshalb gibt es das United States antitrust law, welches gegen Kartelle, Handelsbeschränkungen und Monopolstellungen aufgrund von Fusionen, gerichtet ist. Ähnliche Gesetzte gibt es inzwischen in vielen Ländern.
Offensichtlich gehen diese gesetzlichen Regelungen davon aus, dass die Fairness erzwungen werden muss und nicht von allein – beispielsweise aufgrund von Vertrauen – entsteht.
Mit dem Vertrauen sind wir dann wieder bei den Gefühlen (Sentimenten), die sogar eine Handelspartnerschaft oder die Entwicklungshilfe begleiten. Neu ist hier das starke Bedürfnis vieler schon angekommener – also wohlhabender – Nationen, als Positivum in der Welt wahrgenommen zu werden. Es gibt etwa einen Good Country Index, der nicht nur Wohlstand und Innovationskraft einfliessen lässt, sondern auch Planet and Climate und Prosperity and Equality. Nicht nur Individuen, auch ganze Länder wollen nun zu den Guten gehören und nicht mehr nur als eigennützig wahrgenomen werden. Das spiegelt sich auch im Fazit des obigen Artikels von Serge Palasie, wenn er schreibt:
Die Frage ist natürlich auch, ob Gut sein oder der Wunsch als Gut wahrgenommen zu werden, die Welt positiv verändert und insbesondere ob es die Lage in den Entwicklungsländern verbessert.
Gut sein wollen, genügt wohl nicht. Richtige und gute Beziehungen zu den Enwicklungsländern müssen danach streben, die Entwicklungsvoraussetzungen zu verbessern. Allerdings ist das für Akteuere, die von aussen kommen, schwierig, denn dazu wären oft tiefe Eingriffe nötig, die die Souveränität der Länder tangieren würde. Wenn die Regierung eines Entwicklungslandes nicht in erster Linie das Wohl des eigenen Volkes im Auge hat sondern primär das Wohl der Regierenden, dann ist Hilfe schwierig. Doch selbst wenn die Regierung eines Entwicklungslandes dieses voranbringen will, sind viele Probleme dort von aussen nur schwer zu beeinflussen. Wie beispielsweise können aussenstehende Länder dazu beitragen, dass in Nigeria radikalislamische Bewegungen wie Boko Haram, an Einfluss verlieren? Indem sie Waffen schicken? Vielleicht. Doch solcherart Hilfen sind an und für sich problematisch.
Da die heutige Welt aus Nationen besteht, die alle ihre sehr eigenen Entwicklungspfade gegangen sind, könnte eine kohärente Enwicklungsstrategie für eine Helfer-Nation darin bestehen, die Probleme des Entwicklungslandes so zu lösen, als wären es ihre eigenen Probleme. Was würde Deutschland beispielsweise machen, wenn es selber die ungeheueren Lithiumvorräte besässe, die es in Bolivien gibt. Anstatt die Rohstoffe nur zu fördern müsste es einer echten Helfernation daran gelegen sein, dass auch eine lithiumverarbeitende Industrie in Bolivien entsteht und dass das ganze Land davon profitiert.
@Dr.Webbaer: Zitat: ” hier kann der große “Player” kleinere dominieren” Deshalb gibt es das United States antitrust law, welches gegen Kartelle, Handelsbeschränkungen und Monopolstellungen aufgrund von Fusionen, gerichtet ist. Ähnliche Gesetzte gibt es inzwischen in vielen Ländern.
Offensichtlich gehen diese gesetzlichen Regelungen davon aus, dass die Fairness erzwungen werden muss und nicht von allein – beispielsweise aufgrund von Vertrauen – entsteht.
Mit dem Vertrauen sind wir dann wieder bei den Gefühlen (Sentimenten), die sogar eine Handelspartnerschaft oder die Entwicklungshilfe begleiten. Neu ist hier das starke Bedürfnis vieler schon angekommener – also wohlhabender – Nationen, als Positivum in der Welt wahrgenommen zu werden. Es gibt etwa einen Good Country Index, der nicht nur Wohlstand und Innovationskraft einfliessen lässt, sondern auch Planet and Climate und Prosperity and Equality. Nicht nur Individuen, auch ganze Länder wollen nun zu den Guten gehören und nicht mehr nur als eigennützig wahrgenomen werden. Das spiegelt sich auch im Fazit des obigen Artikels von Serge Palasie, wenn er schreibt:
Die Frage ist natürlich auch, ob Gut sein oder der Wunsch als Gut wahrgenommen zu werden, die Welt positiv verändert und insbesondere ob es die Lage in den Entwicklungsländern verbessert.
Gut sein wollen, genügt wohl nicht. Richtige und gute Beziehungen zu den Enwicklungsländern müssen danach streben, die Entwicklungsvoraussetzungen zu verbessern. Allerdings ist das für Akteuere, die von aussen kommen, schwierig, denn dazu wären oft tiefe Eingriffe nötig, die die Souveränität der Länder tangieren würde. Wenn die Regierung eines Entwicklungslandes nicht in erster Linie das Wohl des eigenen Volkes im Auge hat sondern primär das Wohl der Regierenden, dann ist Hilfe schwierig. Doch selbst wenn die Regierung eines Entwicklungslandes dieses voranbringen will, sind viele Probleme dort von aussen nur schwer zu beeinflussen. Wie beispielsweise können aussenstehende Länder dazu beitragen, dass in Nigeria radikalislamische Bewegungen wie Boko Haram, an Einfluss verlieren? Indem sie Waffen schicken? Vielleicht. Doch solcherart Hilfen sind an und für sich problematisch.
Da die heutige Welt aus Nationen besteht, die alle ihre sehr eigenen Entwicklungspfade gegangen sind, könnte eine kohärente Enwicklungsstrategie für eine Helfer-Nation darin bestehen, die Probleme des Entwicklungslandes so zu lösen, als wären es ihre eigenen Probleme. Was würde Deutschland beispielsweise machen, wenn es selber die ungeheueren Lithiumvorräte besässe, die es in Bolivien gibt. Anstatt die Rohstoffe nur zu fördern müsste es einer echten Helfernation daran gelegen sein, dass auch eine lithiumverarbeitende Industrie in Bolivien entsteht und dass das ganze Land davon profitiert.
@ Herr Holzherr :
Das wird jetzt langsam redundant, gemeint war weiter oben, dass ein einflussreicher Marktteilnehmer kleinere Marktteilnehmer, die ihn bspw. consulten oder beliefern oder die von ihm Leistung oder Ware abnehmen, eine natürliche Marktmacht hat oder (erst) gewinnt, die ihm erlaubt zu steuern ohne dass Missbräuchlichkeit (eigener Marktposition) vorliegt.
Es ist nicht unüblich, dass kleine Unternehmen nur wenige Kunden haben, vielleicht einen sehr großen, der dann eben aus Sicht des kleinen Unternehmens besonders gepflegt werden muss, “mit in Watte gefütterten Samthandschuhen” sozusagen, daran ist nichts ungewöhnlich, oft ist es so vom kleinen Unternehmen auch angestrebt.
Das sind übliche unternehmerische Risiken und hier entsteht kein staatlicher Regulierungsbedarf, hier ist nichts “unfair”.
Abär, wie bereits geschrieben, auch der große Player darf bis hat sich um Vertrauen zu bemühen, denn hat ja ein gewisses Standing, kooperiert nicht nur mit einem kleine(re)n Unternehmen, hat sich um sein Image zu kümmern, das immer auch Vertrauen meint.
MFG
Dr. W
PS hierzu :
Negativ, in der Wirtschaft ist Vertrauen KEIN emotionaler Begriff, sondern einer, der wirtschaftlich sinnhaft ist, was Kooperationsverhalten betrifft, einer, der auch wirtschaftswissenschaftlich und mathematisch (“spieltheoretisch”) beschreibbar ist.