Grauer Star: Forscher auf der Suche nach seinen genetischen Ursachen
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Der Graue Star (Katarakt) ist weltweit die häufigste Ursache für Blindheit. Bing Cheng Wang und Sudha K. Iyengar, Forscher der Case Western Reserve Universität in Cleveland, haben als Erste ein Gen entdeckt, dass bei der Bildung von altersbedingtem Grauen Star eine wichtige Rolle spielt.
Schon lange war bekannt, dass es eine erbliche Form des altersbedingten Grauen Stars gibt, aber niemand kannte den zugrundeliegenden Gendefekt. Dann kam den Wissenschaftlern der Zufall und eine plötzliche Eingebung zu Hilfe.
Abb. 1: Grauer Star in fortgeschrittenem Stadium
Wang untersuchte Mäuse, bei denen die Forscher das Gen Ephrin-Rezeptor A2 (Epha2) ausgeschaltet hatten. Er wollte wissen, ob dieses Gen die Bildung von Tumoren im Alter verhindert. Wang vermutete, dass Mäuse ohne Epha2-Gen früher und häufiger Tumore bilden als normale Mäuse. Wie erwartet, entwickelten die Mäuse ohne EphA2 im Alter vermehrt Tumore aber auch Grauen Star (der nach drei Monaten sichtbar war und nach sechs Monaten voll ausgebildet), was die Forscher überraschte. Könnte es sein, dass Epha2 auch eine wichtige Rolle bei der Bildung von Grauem Star hat?
„Das war eine ganz aufregende und überraschende Entdeckung“,
berichtet der Pharmakologe Wang.
Das Gen Epha2 gibt es nämlich nicht nur bei der Maus, sondern auch beim Menschen. Dort liegt es auf dem Chromosom 1 und codiert ein Protein das auch in der Augenlinse exprimiert wird und dessen Menge im Laufe des Lebens abnimmt. Das Epha2-Protein ist eine Rezeptor-Tyrosinkinase, die Phosphatgruppen auf die Aminosäure Tyrosin in anderen Proteinen transferiert. Durch diesen Prozess, Phosphorylierung genannt, werden beschädigte Proteine in der Augenlinse als Zell-Müll deklariert und von bestimmten Enzymen abgebaut. Die Entfernung des Epha2 führte zu einer Überexpression des Gens Hsp25 (dem Maus-Homolog des humanen Gens HSP27) vor dem Beginn des Grauen Stars. Hsp25 ist ein Chaperon und gehört zur Familie der "small heat shock proteins" (sHsps). Diese Chaperone, wie z.B. αA-Crystallin und αB-Crystallin, helfen bei zellulärem Stress anderen Proteinen sich in die richtige räumliche Struktur zu falten. Mehr dazu in dem Artikel "Aufklärung der Schutzfunktion von Hitzeschockproteinen in der Augenlinse ".
Abb. 2: Die Struktur des Ephrin-Rezeptors
Kann das EphA2-Protein durch die Veränderung seiner Aminosäuresequenz nicht richtig arbeiten, werden die beschädigten Proteine nicht abgebaut und klumpen zusammen, es kommt zum Grauen Star. Ursache für so einen Protein-Defekt kann eine Mutation des EphA2-Gens sein, also eine Veränderung seiner DNA-Sequenz.
Der Genetiker Iyengar suchte daraufhin nach Mutationen im menschlichen EphA2-Gen bei drei, nicht miteinander verwandten, Familien, bei denen einige Mitglieder an der erblichen Form des altersbedingten Grauen Stars litten. Er fand in den Exons die Missense Mutation Arg721Gln. Diese Mutation führt zu einem Aminosäureaustausch in der Kinasedomäne des Proteins und ändert dessen zellulären und biochemischen Eigenschaften. Dieser Befund öffnet den Wissenschaftlern ganz neue Wege in der Erforschung der Ursachen des Grauen Stars.
„Wie werden nun viel besser die zellulären Prozesse verstehen, die zur Bildung des altersbedingten Grauen Star führen“,
so Iyengar.
Literatur:
Bildnachweis:
Abb. 1: Grauer Star in fortgeschrittenem Stadium
Alterskatarakt im fortgeschrittenen Stadium
mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. H. Busse, Universitätsklinikum MünsterBVA – Bilddatenbank Augenkrankheiten
http://cms.augeninfo.de/hauptmenu/presse/bilddatenbank.html
Abb. 2: Die Struktur des Ephrin-Rezeptors
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Jun G, Guo H, Klein BE, Klein R, Wang JJ, Mitchell P, Miao H, Lee KE, Joshi T, Buck M, Chugha P, Bardenstein D, Klein AP, Bailey-Wilson JE, Gong X, Spector TD, Andrew T, Hammond CJ, Elston RC, Iyengar SK, & Wang B (2009). EPHA2 is associated with age-related cortical cataract in mice and humans. PLoS genetics, 5 (7) PMID: 19649315
Interessanter & professioneller Eintrag
Wirklich sehr interessanter Artikel. Vielleicht kriegt man das Problem ja in Zukunft durch eine Gen-Therapie oder etwas in der Art gelöst.
Bis dahin muss man wohl leider noch weiter auf Operationsmethoden zurückgreifen und diese noch weiter verbessern.
Vielen Dank für den guten Lesestoff!