Weg mit dem Schwurbel aus der Medizin!

BLOG: Die Monacologin

Medizin einfach erklärt
Die Monacologin

Wenn Menschen schlecht über medizinische Sachverhalte informiert sind, können sie damit nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Mitmenschen schaden – daran hat die Pandemie uns erinnert. Was tun, um Menschen medizinische Grundlagen besser verständlich zu machen und ihnen die Skepsis gegenüber der Wissenschaft zu nehmen? Ein Teilschritt sollte sein, dass medizinisches Personal sich von unseriösen Methoden distanziert. Wenn nicht einmal medizinische Autoritäten Evidenz-basierte Medizin propagieren, wer soll es dann tun?

Vielfältige Ursachen für Skepsis gegenüber Medizin und Wissenschaft

Wie werden Menschen zu Impfgegnern, zu Corona-Leugnern? Dieses Thema könnte eine Dissertation füllen, denke ich. Ich bin der Meinung, dass die Ursachen sehr vielfältig sind, und möchte hier nur kurz einige mögliche nennen: zum einen halte ich die medizinische und naturwissenschaftliche Bildung in Deutschland für sehr schlecht. Wer nicht weiß, dass es einen zweiten Weltkrieg gegeben hat, oder wer noch nie von Goethe gehört hat, der muss sich in Deutschland schämen. Nicht zu wissen, wie eine Niere funktioniert oder was das zentrale Dogma der Biochemie ist (nämlich, dass eine Erbinformation aus DNA über Zwischenschritte in eine Aminosäuresequenz übersetzt wird und daraus Proteine zusammengebaut werden), ist eher die Regel als die Ausnahme. So jedenfalls ist meine persönliche Erfahrung. Ich kenne sogar promovierte Akademiker, die die vermeintlich höchste Bildung im Land genossen haben, die das nicht wissen.

Ein anderer sehr wichtiger Punkt ist, dass unser Gesundheitssystem Ärztinnen und Ärzten kaum Zeit lässt, in Ruhe mit Patienten zu sprechen. Zwar erhalten Menschen in Deutschland eine erstklassige medizinische Versorgung, jedoch nicht unbedingt eine erstklassige menschliche Behandlung. Viele Patienten fühlen sich abgefertigt, schlecht informiert, nicht gehört – das Vertrauen in die Medizin sinkt.

Dann ist da in meinen Augen noch die deutsche Hybris. Ohne jegliche Grundkenntnisse selbstbewusst über medizinische Sachverhalte zu urteilen und zu sprechen – für viele Deutsche kein Problem. Auch sind wir in der komfortablen Situation, Leid durch Krankheiten nicht auf eine Art zu kennen, wie es etwa Menschen in armen Ländern tun. In Berlin Kreuzberg zu sitzen und eine kostenlose Impfung zu verweigern ist leichter als in Ländern des globalen Südens.

Vermeintlich alternative Medizin in Deutschland sehr beliebt

Und dann gibt es da noch die historischen Wurzeln. Die Nazis etwa führten das Heilpraktikergesetz ein. Eine umstrittene Erklärung: viele Ärzte damals waren Juden – da musste schnell neues medizinisches Personal her, ohne jahrelange Ausbildung. Das Heilpraktikergesetz hat sich bis heute gehalten. In Deutschland ist vermeintliche Alternativmedizin – ich nenne sie vermeintlich, weil sie keine Medizin ist – sehr beliebt. Homöopathika etwa bringen jährlich Millionen ein. Apotheken, die keine Globuli anbieten, gibt es nur vereinzelt. Bis vor kurzem hat es in den meisten Bundesländern noch eine offizielle Zusatzweiterbildung “Homöopathie” für Ärzte gegeben. Erst langsam werden Homöopathika aus Arztpraxen und Apotheken verbannt. Auch andere Verfahren und Therapeutika, für deren Wirkung es kaum oder keine Evidenz gibt, etwa aus dem Bereich der traditionellen chinesischen Medizin, sind etabliert. Heilpraktiker, also Menschen ohne geregelte medizinische Ausbildung dürfen Patienten behandeln, noch dazu mit irgendwelchen dubiosen Methoden fernab jeder Evidenz.

Desinformation untergräbt die Autonomie von Patienten

Jeder Mensch darf glauben, woran er will. Doch sollten Menschen, die in der Gesellschaft als medizinische Autoritäten wahrgenommen werden und eine medizinische Vorbildfunktion erfüllen – nämlich medizinisches Personal – bestimmte Methoden und Substanzen als Medizin verkaufen, obwohl sie es gar nicht sind? Zu den obersten Pflichten von medizinischen Behandlern gehört, ihre Patienten nach bestem Wissen und Gewissen aufzuklären und so ihre Entscheidungsfähigkeit zu stärken. Nur informierte Patienten können selbstbestimmte, autonome Entscheidungen über ihre medizinischen Behandlungen treffen. Nur gut informierte Patienten sind mündige Patienten.

Mit wachsendem technologischem Fortschritt wird es für Patienten immer schwieriger, Therapiepläne nachvollziehen zu können und medizinische Entscheidungen für sich oder Angehörige zu treffen. Ein zentraler Aspekt einer guten medizinischen Behandlung besteht deshalb darin, die Patienten auf einen zeitgemäßen Wissensstand zu bringen. Wenn medizinische Autoritäten Patienten allerdings signalisieren, dass wissenschaftliche Belege für Heilmethoden irrelevant sind, oder gar Methoden oder Substanzen empfehlen, deren angeblicher Wirkmechanismus dem heutigen Wissen über Medizin widerspricht, kann das fatale Konsequenzen haben und sich auf alle medizinischen Entscheidungen der Patienten auswirken. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen kann fehlgeleitetes medizinisches Wissen tödliche Folgen für Patienten haben. Immer wieder vertrauen Patienten buchstäblich bis in den Tod auf “alternative” Verfahren und verweigern für sich oder ihre Angehörigen so lange wirksame Behandlungen, bis es zu spät ist.

Fehlinformierte Bürger schaden sich und der Gesellschaft

Auch wenn ein Irrglaube Patienten in den meisten Fällen nicht umbringt, so wirken sich Fehlinformationen maßgeblich auf die desinformierten Individuen und ihre Mitmenschen aus. Und zwar nicht nur auf ihre medizinische Entscheidungen, sondern auf alle Lebensbereiche. Weitreichende gesellschaftspolitische Entscheidungen – etwa zum Einsatz von Gentechnik, zur Forschung an Stammzellen oder zur Klimapolitik – werden davon beeinflusst, wie Wähler zu diesen Themen stehen. Letztendlich also davon, wie gut oder schlecht eine Bevölkerung über naturwissenschaftliche Themen informiert ist und wie gut sie wissenschaftliche Daten bewerten kann. Wer an Verschwörungserzählungen glaubt, der nutzt übrigens auch eher vermeintliche Alternativmedizin.

In einem Zeitalter, in dem das Wissen stetig wächst und von Einzelpersonen nicht im Ansatz zu überblicken ist, ist es extrem wichtig, dass sich die Bevölkerung auf die Einschätzung Sachverständiger verlassen kann. Mündige Bürger verdienen es, von Experten egal welcher Art über den aktuellen Wissensstand des jeweiligen Fachgebiets aufgeklärt zu werden. Dass medizinische Autoritäten Substanzen und Methoden empfehlen, etwa Homöopathika, deren Wirkmechanismus so plausibel ist wie der von Zaubertränken, ist für eine aufgeklärte, moderne Gesellschaft unwürdig. Gerade Patienten, die auf die vermeintlich alternativen Methoden schwören, sind häufig gebildet und gut informiert. Ihnen ist durchaus bewusst, wenn eine Methode umstritten ist. Wenn medizinische Autoritäten eine solche Methode dann unterstützen, fühlen sie sich in ihrer Skepsis der Evidenz-basierten Medizin gegenüber womöglich bestärkt.

Der Schwurbel muss weg aus der Medizin

Wenn wir als Gesellschaft gegen medizinische Fakenews vorgehen wollen und uns wünschen, dass wir und unsere Mitmenschen den technologischen Fortschritt um uns herum im Ansatz nachvollziehen können, dann ist es wichtig, dass wir uns nicht gegenseitig verdummen.

Einer der vielen Schritte im Kampf gegen medizinischen Irrglauben muss in meinen Augen daher sein, dass sich medizinische Autoritäten von Unwissenschaftlichkeit distanzieren und Bürger nicht systematisch desinformieren. Konkret hieße das: weg mit Globuli und Co. aus Praxen und Apotheken.

Schwachsinn zu verbreiten ist keine gute Medizin

Einige Angehörige medizinischer Berufe sind allerdings sogar stolz darauf, vermeintlich sanfte, nebenwirkungsfreie Medizin anzuwenden: „Es sind doch nur Zuckerkügelchen, die schaden doch nicht.“, „Wer heilt, hat Recht“, „Gerade bei leichten Erkrankungen oder psychosomatischen Ursachen lieber sanfte Medizin als Medikamente mit Nebenwirkungen“, „Man kann doch Patienten nicht den Placebo-Effekt vorenthalten“.

Tatsächlich ist es problemlos möglich, den Placebo-Effekt in der Medizin zu nutzen, ohne Patienten zu desinformieren. Der Effekt ist kein Alleinstellungsmerkmal von Globuli und Co. und lässt sich mit jeder beliebigen Substanz oder Methode auslösen. Auch ist es problemlos möglich, ohne Schwurbel „sanfte“ Medizin zu betreiben und Medikamente nur dann zu verschreiben, wenn es unbedingt notwendig ist – das gehört sogar zu den obersten ärztlichen Pflichten. Ebenso gibt es durchaus Heilmittel aus der Komplementärmedizin, etwa naturheilkundliche Präparate, die eine erwiesene Wirkung haben. Manchmal kann die Empfehlung einer Lebensstiländerungen (z. B. Sport, Ernährungsumstellung) ähnliche Effekte wie eine Pharmakotherapie erzielen. Auch gehört es zur medizinischen Tätigkeit dazu, Patienten auch mal ohne Rezept aus der Praxis zu schicken und gleichzeitig zu vermitteln, dass sie ernstgenommen werden.

Wer als medizinischer Behandler empathisch ist und Evidenz-basiert entscheidet, der wird immer in Einklang mit dem Patientenwunsch die Behandlungsmethode mit dem individuell angemessensten Nebenwirkungsprofil anbieten und dem Patienten das Gefühl geben, gehört zu werden. Behandelnde, die sich ohne Pseudomedizin entwaffnet fühlen, sollten sich in meinen Augen fragen, warum das eigentlich so ist.

Wenn medizinische Autoritäten Patienten darin bestärken, an mysteriöse Kräfte zu glauben, die mit dem heutigen Wissen unvereinbar sind, ist das nichts anderes als eine bewusste Fehlinformierung. Das ist unwürdig für jeden Behandler, für jede Gesellschaft.

Ich wünsche mir deshalb von medizinischem Personal aller Bereiche: weg mit dem Schwurbel aus der Medizin!

Quelle: Pixabay ka_re

Veröffentlicht von

Marisa Kurz ist Assistenzärztin an einem Universitätsklinikum und befindet sich in der Ausbildung zur Fachärztin für Hämatologie und Onkologie. Vor dem Medizinstudium hat sie ein Studium der Biochemie (M. Sc., B. Sc.) und der Philosophie mit Nebenfach Sprache, Literatur und Kultur (B. A.) abgeschlossen. Nebenbei schreibt sie als freie Journalistin, u. a. für den Georg Thieme-Verlag. Sie promoviert in der Krebsforschung zu Immuncheckpoints bei Lungenkrebs. Mein Ziel: Ich will, dass Patienten ihre Erkrankungen und Therapien besser verstehen. Deshalb möchte ich Medizin leicht verständlich ohne Fachbegriffe erklären. Nur gut informierte Patienten können autonome Entscheidungen über ihre Behandlungen treffen. Und gut informierte Patienten fühlen sich, so bin ich überzeugt, besser aufgehoben.

17 Kommentare

  1. Man kann keine Glaubwürdigkeit erzeugen – wenn man selbst Unglaubwürdig ist.

    Ein Rechenbeispiel:

    Ca. 4-5% der Bevölkerung hatten eine ´Nahtod-Erfahrung (NTE) = Gruppe A

    wenn diese Gruppe A-Leute jeweils 4-5 anderen Personen davon erzählen (= Gruppe B), dann sind wissen jetzt ca 20-25 % der Bevölkerung (= A+B-Leute), dass es NTEs gibt.
    Und wenn die Leute der Gruppe B jeweils weiteren 4-5 Leuten davon erzählen, dann weiß der größte Teil der Bevölkerung dass es NTEs gibt.

    NTEs gelten aber bisher als völlig unerklärbar.
    Dies bedeutet dass der größte Teil der Bevölkerung aus glaubwürdiger Erst-/Zweitquelle (= eigener Bekanntenkreis) weiß, dass es ETWAS gibt, was die Wissenschaft/Medizin nicht erklären kann.

    Und genau diese Behauptung ´dass es etwas gibt was unerklärbar ist´ – ist die wichtigste Grundlage für Esoterik-/Querdenker-Glauben. Denn damit lässt sich jede rationale Argumentation lächerlich machen – nach der Strategie: Wenn man NTEs nicht erklären kann, dann hat man kein kompetentes Wissen und ist deshalb auch mit anderen Aussagen unglaubwürdig

    Wenn sich Wissenschaft/Medizin nicht mit einer der wichtigsten Grundlagen für esoerisches Denken beschäftigen – dann wird die Wissenschaft/Medizin es nie schaffen, ihre Glaubwürdigkeitswerte zu erhöhen und Skepsis abzubauen.

    Übrigens:
    Ich habe seit 2006 ein komplettes Erklärungsmodell für NTEs entwickelt und veröffentlicht. NTEs werden als Ergebnis eines einfachen Erinnerungsvorgangs erklärt.
    Quellen:
    per Google-suche [Kinseher NDERF denken_nte] ist eine frei lesbare PDF zu finden
    Mein Buch/e-Buch ist im Handel erhältlich; ´Kinseher Richard: Pfusch Betrug, Nahtod-Erfahrung´

    Dieser Beitrag soll zeigen, dass Wissenschaftler/Mediziner sich unbedingt mit dem Thema NTE beschäftigen müssten – wenn sie esoterischem Denken Paroli bieten wollen.

    • noch eine Ergänzung

      Ich habe kürzlich in meinen Unterlagen nachgeschaut:
      Seit 2010 habe ich mich 35x bei verschiedenen Personen/Abteilungen des Bayerischen Rundfunks (BR) darüber beschwert dass ´Nahtod-Erfahrungen´ vom BR nur ausschließlich als unerklärbar dargestellt werden – obwohl diese Information nachweisbar/nachprüfbar falsch ist.

      D.h. der BR berichtet trotz besseren Wissens zu 100 % falsch. Es gab keine Rückfragen und zugesandte Bücher wurden originalverschweisst an mich zurückgeschickt.

      Wenn in den Medien immer nur ausschließlich Esoterik-Wissen verbreitet wird, muss man sich nicht wundern, wenn dann auch nur dieses Wissen in der Bevölkerung vorhanden ist.

  2. Vielen Dank für diesen Beitrag.
    Ich finde es erschreckend, wenn ausgebildete Ärzte von homöopatischen Mitteln schwärmen, pseudowissenschaftliche Erklärungen dazu liefern und im Anschluss ernsthaft vor den COVID-Impfungen warnen, weil “ihr werdet sehen, zehntausende werden daran sterben”. Dies sind leider Erfahrungen aus dem persönlichen (Ex-)Bekanntenkreis.

  3. Ja, genau das ist das Problem: Homöopathen können auch ausgebildete „Schul“mediziner sein und nicht wenige Hausärzte verschreiben gern Globuli oder verabreichen Akupunktur. Grund: diese Ärzte wollen den Wünschen ihrer Klienten nachkommen, sie wissen aus eigener Erfahrung, dass 1/3 oder noch mehr ihrer „Kunden“ eigentlich kein klassisch medizinisch therapierbares Leiden haben, sondern dass sie etwas suchen was ihnen ebenso gut ein Pfarrer, ein Psychotherapeut oder eben ein Alternativmediziner bieten kann.

    • Ich kenne einige meiner Kollegen, die Akupunktur und Homoepathie v.a. aus Gewinnstreben anbieten. Leider.

      Ein Kollege ist aber voellig durchgeknallt und will mit Aku ALLES HEILEN – VON aids ueber Krebs bis zu Zahnschmerzen.

      Die Kranken rennen ihm die Tuere ein. Leider.

      Vermeintliche Erfolge werden hochgejubelt, die Toten verschwiegen.

      Der Kollege ist stinkereich damit geworden.

  4. Digitale Medizin, Gesundheitswikis und ubiquitäre eHealth als Zukunft
    In der Wikipedia erhält man jederzeit meist ziemlich seriöse Informationen zu fast jedem Thema. Eine medizinisches digitales Äquivalent, welches auf persönliche Fragen zur eigenen Gesundheit oder der von Angehörigen, Auskunft geben könnte, wäre in meinen Augen höchst erstrebenswert.
    Im Unterschied zu einer reinen Recherche wie in der Wikipedia, sollte man bei der universell zugänglichen eHealth-App oder Health-Website, die mir vorschwebt, etwa auch Fotos von eigenen medizinischen Befunden wie Hautveränderungen, Daten von eHealth-Smartwatches, Beschwerden etc eingeben können und eine künstliche Intelligenz hilft einem dann weiter und verbindet einen eventuell auch telemedizinisch mit einem Mediziner. Warum ist das sinnvoll? Weil Gesundheit heute sehr viele Leute fast ständig beschäftigt und es auch sehr viele, nicht selten alternative Ratgeber gibt. Hier gilt es eine schulmedizinische Beratungs-Alternative aufzubauen und anzubieten – und zwar von einer Qualität, die den nichtschulmedizinischen Alternativen das Wasser abgräbt.

    • Es gibt bereits Apps, die einiges von dem, was Sie da aufzählen, leisten. Und in der Zukunft wird es sicherlich noch viel mehr solcher Apps geben, und bessere. Ich stimme zu, dass man da unbedingt gute Angebote schaffen muss

  5. Ein Ansatzpunkt für alternative Mediziner ist immer wieder die angebliche Ganzheitlichkeit ihrer Therapien. Schulmediziner dagegen therapierten nur eine klar definierte Krankheit mit oft spezifischen Medikamenten, die aber nicht die Gesamtheit der Gesundheitsstörung berücksichtigten.

    Gerade traf ich einen Kollegen von früher, der darüber berichtete, er leide seit kurzem an einem Zwölffingerdarmgeschwür und die H2-Rezeptorblocker, die er erhalten habe, hätten auch sofort gewirkt. Doch inzwischen nehme er sie nicht mehr ein und er suche nun nach anderen Mitteln um das, was mit diesem Magengeschwür/Zwölffingerdarmgeachwür zusammenhänge und es begünstige zu behandeln. Dabei denke auch er an alternative Methoden und an die Ernährung.
    Dieser „Patient“ ist alles andere als irrational. Er arbeitet als Informatiker und das was er sagte und überlegte hätte meiner Meinung nach fast jeder zweite in einer ähnlichen Lage äussern können. Wie man sieht, gibt es für alternative Medizin , alternative Verfahren einen riesigen potentiellen Markt. Damit sich das ändert muss einiges geschehen – auch in der Schulmedizin selbst.

    • Im Anzeigenblatt unserer Tageszeitung gab es letztes Jahr einen ganzseitigen Beitrag über eine Heilpraktikerin, welche die Fähigkeit hatte, Menschen und Tiere auch gedanklich zu heilen zu können – per Telefon – so die Information.
      Ich habe auf ihrer Internetseite nachgeschaut – Stundensatz 90 Euro.

      Eine bessere Werbung gibt es nicht, da viele Menschen Journalisten für ehrlich und deren Berichte für kompetent betrachten.

      Man muss sich nicht wundern, wenn Scharlatane dann großen Zuspruch haben

      • Schauen Sie mal auf das Angebot der Volkshochschulen, was da fuer ein esoterischer Mist angeboten wird.

        90 € je Stunde?

        als ich noch psychiatrisch-forenische Gutachten machte – incl. mord und Totschlag, sowie Paedos , bekam ich vor 15 Jahren als ASSI 40€ vor Abzug der Klinikbeteiligung…

  6. @Placebo und Nocebo

    Ich meine, Homöopathische Zuckerpillen, Akupunkturnadeln und weniger kräftige Kräutermischungen sind schon mal wirklich gute Placebos. Wenn man diese bei kleineren Blessuren bevorzugt, so ist das durchaus vernünftig. Gleich radikalere echte Medikamente können durchaus weiterführende Folgen haben. Ich denke da etwa an Antidepressiva, die man bei leichteren depressiven Verstimmungen besser nur sehr vorsichtig verschreiben sollte.

    Wie wollen Sie denn als evidenzbasierter Arzt sonst die nachgefragten Placebos ersetzen? Medikamente, die nachweislich den Placeboeffekt nicht übersteigen, bekommen doch überhaupt keine Zulassung. Oder bin ich hier falsch informiert?

    Am anderen Ende der Scala, also nicht bei kleinen Blessuren, sondern wenn es richtig lebensbedrohlich wird, macht dann z.B. eine Krebsdiagnose einen ordentlichen Nocebo-Effekt, den man durchaus vermeiden kann, wenn man schon mal auf alle Früherkennungsmaßnahmen verzichtet. Und wenn es doch passiert, dass man eine Krebsdiagnose mit überwiegend tödliche Prognose bekommt, so ist es wohl anzuraten, notfalls auch noch zu einem Geistheiler zu gehen. Wie gesagt, wenn der Evidenzarzt sowieso im wesentlichen passen muss, würde ich dies durchaus vorschlagen.

    Man muss hier bedenken, dass eine wirklich schlimme Diagnose einen erheblichen Noceboeffekt mitsichbringen kann, der sich zu einem gewissem Teil als selbsterfüllende Prophezeiung erweisen kann. Wenn man also tatsächlich mithilfe des Geistheilers wenigstens den Noceboeffekt reduzieren kann, könnte das den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Zumal der Besuch beim Geistheiler auch recht kostengünstig ist.

    Bei den mittelschweren Krankheiten würde ich allerdings selbst immer zu einem richtigen Arzt gehen, wenn der Placeboeffekt eben wohl kaum reichen kann, aber auch kein „Todesurteil“ zu erwarten ist. So gehe ich auch tatsächlich nicht zu einer Krebsfrüherkennung hin. Weil ich eben vermute, dass der Noceboeffekt der Diagnose in der Regel größer ist, als der Vorteil einer frühzeitigen Diagnose, eventuell den Krebs besser behandeln zu können.

    Was noch dazukommt ist, dass man nun leider durchaus damit rechnen muss, dass manche medizinischen Maßnahmen nur des Geldgewinns wegen von Ärzten vorgeschlagen werden. Etwa bekommt man bei Rückenschmerzen oft Spritzen oder gar Operationen angeboten, obwohl man es meistens erstmal mit gezieltem Sport versuchen kann.

    Ich gehe mal davon aus, das den meisten Menschen durchaus bewusst ist, dass die Alternativmedizin nicht evidenzbasiert ist. Wenn einer dann doch mal dahin geht, wen stört es denn wirklich?

    • Lieber Herr Jeckenburger, im letzten Absatz meines Textes geht es darum, dass Globuli und Co. eben nicht notwendig sind, um einen Placeboeffekt hervorzurufen. Das kann theoretisch jede beliebige Substanz und jede Methode. Zum Nocebo-Effekt: das bedeutet zum Beispiel, dass Patienten mehr Nebenwirkungen entwickeln, umso mehr sie über die Nebenwirkungen Bescheid wissen. Krebsfrüherkennungsuntersuchungen sollten Sie unbedingt wahrnehmen. Leider lässt sich der Verlauf von Krebserkrankungen durch Gedanken nicht beeinflussen. Die beste Waffe gegen Krebs ist, ihn gar nicht zu bekommen oder früh zu erwischen. Es gibt über 100 verschiedene Krebsarten. Nur eine Hand voll kann man mit Früherkennungsmethoden entdecken: zum Glück handelt es sich dabei allerdings um häufige Krebsleiden. Es ist schade, wenn ein Mensch an Krebs stirbt, und eine frühere Erkennung sein Leben hätte retten können. Ich kann Ihnen nur ans Herz legen, die Untersuchungen wahrzunehmen. Und noch zur Geldmacherei: gerade Mittel wie Homöopathika bringen eine enorme Gewinnspanne. Milchzucker wird für teures Geld verkauft, es musste kein Geld und die Entwicklung und Zulassung gesteckt werden.

  7. Schade, viel weg, weg, weg und gegen, gegen, gegen und Begriffe wie eine Kampfansage, anstelle von Ursachen und daraus folgenden Lösungsansätzen.
    Somit verbleibt der Artikel in der Blase und schafft es noch nicht einmal die Zweifler zu überzeugen, geschweige denn die richtigen Schwurbler.

  8. Die Kritik im Beitrag mag ja größtenteils berechtigt sein. Allerdings stört mich das Bild der Hexe, das den Artikel etwas reißerisch erscheinen lässt. Was soll damit ausgesagt werden?
    Nicht nur, dass in unserer Gesellschaft alte Frauen eher von Armut betroffen sind, sie sind auch oft Altersdiskriminierung ausgesetzt (Stichwort: Alte Hexe). Zudem wurden im Mittelalter und der frühen Neuzeit Millionen Frauen als Hexe verfolgt und hingerichtet. Darunter viele sog. Kräuterweiblein, die als Trägerinnen der Volksmedizin über Heilkräuter Bescheid wussten, aus denen auch heutzutage oft noch „echte“ Medizin hergestellt wird. Heilkundige Frauen waren nicht nur der Kirche, sondern auch Ärzten ein Dorn im Auge, die um ihre Kundschaft fürchteten. Dabei konnten sich damals sowieso nur Reiche einen Arzt leisten, aber auch da war man oft nicht vor Fehldiagnosen oder „Kunstfehlern“ sicher.
    Interessant dazu auch: https://www.emma.de/artikel/wer-waren-die-hexen-316909

  9. Unabhängig von der leidigen Diskussion um (Un)Wirksamkeiten von Zuckerkügelchen (Globuli), konnte das Publikum während der Coronazeit merken, dass selbst Wissenschaftler in Bewertungen von Pandemie-Problemen heftig diskutierten. Eigentlich hätte diese notwendige wissenschaftliche Diskussion nicht öffentlich geführt werden dürfen, sondern nur in Fachgesellschaften. Diese Fachleute-Diskussion wird dann als generelle Uneinigkeit der Wissenschaft empfunden – von der Sensations-Presse hervorgehoben.
    Zweitens “informieren” sich viele in den Medien, zB auf Youtube oder web sites, wo völlig schwachsinnige Behauptungen z.B. über Impfungen von jedermann verbreitet werden dürfen. So halten sich die Filmchenbetrachter selbst für Experten.
    Außerdem befürchte ich, dass manche ärztliche Kollegen ihr alternativmedizinisches Angebot für Marketingzwecke ihrer Praxis missbrauchen. Dadurch entsteht ebenfalls ein spezieller Markt.

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