Anekdoten von Dschuha

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In meinem Artikel „Nasreddin Hodscha“ habe ich einen weisen Narren vorgestellt, der vor allem im türkisch und persischsprachigen Raum bekannt und sehr beliebt ist. Nun soll es um sein arabisches Pendant Dschuha gehen, der wohl schon im 7. Jh. (andere Angaben datieren ihn viel später ein) im Irak gelebt und seit der ersten Hälfte des 9. Jh. eine ähnliche Rolle als Schwankheld wie Nasreddin Hodscha erhält.
Dschuha ist im Vergleich zu Nasreddin Hodscha ein wenig frecher; oft streitet er mit seiner Frau, seiner Mutter und den Menschen um ihn herum. Dabei gehen einige seiner Anekdoten unter die Gürtellinie und er erlaubt sich gelegentlich auch mal einen Spaß mit dem Herrn wie folgende Anekdote zeigt:

Als eines Tages die Tür seines Hauses gestohlen wurde, ging Dschuha sogleich in die Moschee, hängte die Tür aus und nahm sie mit nach Hause. Die Leute fragten ihn: „Warum hast du die Tür des Gotteshauses weggenommen?“

Und er erwiderte: „Gott kennt den Dieb, und wenn er ihn mir zeigt, dann werde ich ihm auch seine Haustür wiedergeben!“

Außerdem hat Dschuha eine fragwürdige Art, mit Koranversen und Prophetenaussprüchen umzugehen. Eine Weisheit verbirgt sich aber auch in solchen Geschichten:Hier ein Beispiel zum Koran:

Als er einmal mit seiner Mutter stritt, beschimpfte er sie, so dass sie ihn tadelte: „Hat denn nicht Gott, der Erhabene im Koran gesagt: ‚Dann sag nicht „Uff“ zu ihnen!‘ “

Er erwiderte: „Da hat Gott, der Allmächtige wahr gesprochen. Aber ich habe weder Uff noch Buff gesagt. Ich habe nur zu dir gesagt: „Du Hure, du Verräterin, du Ehebrecherin.“

„Uff“ ist ein Ausdruck, der im Koran Sure 17 (Die Nachtreise), Vers 23 vorkommt und in deutschen Koranübersetzungen gerne auch als „Pfui“ wiedergegeben wird. In diesem Vers wird man ermahnt respektvoll mit seinen Eltern umzugehen. Dort heißt es:

„Dein Herr hat bestimmt, dass ihr Ihn alleine anbeten sollt und dass ihr gegen eure Eltern gütig seid, auch wenn der eine von ihnen oder beide bei dir ins hohe Alter kommen. Sag daher nicht „Uff!“ zu ihnen und schelte sie nicht, sondern rede mit ihnen auf ehrerbietige Weise.“

Uff ist übrigens bis heute noch im arabischen Sprachgebrauch ein Ausdruck für Unzufriedenheit.  Und noch ein Beispiel zu einem Ausspruch Muhammads:

Als sein Vater starb, gab Dschuha ihm nicht das letzte Geleit. Als man fragte: „Warum hast du das getan?“ erwiderte er: „Der Prophet hat gesagt: „Folgt niemandem, der euch den Rücken zukehrt!“

„Weh dir!“ warf man ein, „das bezieht sich doch auf den Krieg!“

Dschuha aber erwiderte: „Ich verstehe es wörtlich!“

In beiden Anekdoten wird darauf aufmerksam gemacht, dass man die Verse des Korans und Prophetenaussprüche nicht immer einfach wörtlich übernehmen kann; man muss auch die Hintergründe verstehen und auch vor allem im Falle der beschimpften Mutter Lehren daraus ziehen.  Man stößt übrigens nicht nur bei Dschuha auf absichtlich veränderte Korantexte sowie Nachahmungen von Suren, um humoristische Zwecke zu erfüllen.Auch im modernen Alltag werden gerne noch Witze mit religiösem Hintergrund gemacht. Der Koran eignet sich aufgrund seiner Dominanz im Alltag der Muslime sehr dafür, Gegenstand von witzigen Geschichten zu sein.Aber zu beachten ist, dass nicht der Koran selbst hierbei der Gegenstand des Humors ist; vielmehr werden koranische Äußerungen in satirischer Absicht eingesetzt, ohne dabei den Offenbarungsanspruch des Korans anzutasten.Während die einen über solche Witze lachen können, lehnen andere diesen Umgang mit koranischen Äußerungen ab.

Dschuha Anekdoten werden gerne auch auf die Gegenwart übertragen und sie gehören zum kulturellen Allgemeingut der arabischen Welt. Dort gibt es auch kindergerechte Dschuha-Witze, die mit Fritzchen-Witzen hierzulande verglichen werden können. Daher zum Abschluss zwei von dieser Art:

Warum duscht sich Dschuha immer mit der ganzen Familie?

Warum wohl, weil er ein Familienshampoo benutzt.

Und warum hängt Dschuha die Toilettentür ab, wenn er auf Toilette geht?

Damit niemand durchs Schlüsselloch schauen kann.

Literaturempfehlungen zu Dschuha:

  • „Nasreddin Hodscha. 666 wahre Geschichten.“ übers. und hrsg. von Ulrich Marzolph. –> Im ersten Kapitel werden Dschuha Anekdoten erzählt.
  • „Arabische Witze“. Gesammelt von Abdelhamid Hussein, München 2004, Deutscher Taschenbuch Verlag.

 

  • Veröffentlicht in: Humor
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Hussein Hamdan M.A., geb. 1979 studierte Islam- und Religionswissenschaft sowie Irankunde in Tübingen und schloss sein Studium 2007 mit einem Magister ab. Anschließend folgte, ebenfalls an der Universität Tübingen, die Doktorarbeit über das Wirken der Azhar-Universität im christlichen-islamischen Dialog, die im März 2013 abgeschlossen wurde. Hussein Hamdan war die ersten beiden Jahre seiner Promotion Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, ehe er 2009 für zwei Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für interkulturelle Kommunikation in Heidelberg wurde. Dort verfasste er u.a. den Band „Muslime in Deutschland. Geschichte, Gegenwart und Chancen“. Aktuell ist er an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angestellt und für das Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Hussein Hamdan ist Autor und Sprecher der Kolumne „Islam in Deutschland“ (SWR) und Referent zu diversen Themen des Islam. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Zudem ist er Mitglied des Runden Tischs Islam von Integrationsministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg. Hamdan hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen des interreligiösen und interkulturellen Dialogs engagiert. Von 2004-2007 moderierte er in Tübingen den Arabisch-Amerikanischen Dialog. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Bendorfer Forums.

2 Kommentare

  1. Mosaik

    Und Ironie: sowohl Dschuha als auch Nasreddin tauchen im DDR-Comic Mosaik als Begleiter der Haupthelden Abrafaxe auf und haben es damit ins Bewusstsein Hundertausender junger Leser geschafft.

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