Mitten im Odenwald: Die Einhardsbasilika

Nicht auszudenken, wenn alles, was jemals gebaut wurde und von einiger Bedeutung war, bis auf den heutigen Tag und in alle Zukunft erhalten bliebe.

Trotzdem sind Verluste schmerzlich und die Freuden groß, wenn unverhofft Zeugen der Vergangenheit auftauchen, wie jüngst in der Vatikanstadt, wo bei einem Hotelneubau Überreste des Privattheaters von Kaiser Nero entdeckt wurden. Erbaut um die Mitte des 1. Jahrhunderts, wurde der Theaterkomplex nur für kurze Zeit als Theater genutzt und schon in den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts systematisch abgebaut, um die kostbaren Materialien neu zu verwenden. Bekannt war das Theater bislang nur durch Erwähnungen in der antiken römischen Literatur.

Auch von der Basilika des Einhard, Ratgeber Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, in Michelstadt wusste man über die Jahrhunderte nur aus Berichten – dabei stand das Gebäude allezeit unübersehbar vor aller Augen und musste nicht einmal ausgegraben werden. Doch dauerte es Jahrhunderte, bis die Identität des zuletzt als Scheune und Holzlager genutzten Gebäudes erkannt wurde.

Das ist nun schon genau 150 Jahre her. Im Juni 1873 entdeckte der Darmstädter Professor für Kunstgeschichte Georg Schäfer während eines Familienausflugs die karolingische Herkunft des Mauerwerks an dem schon seit Jahrhunderten aufgehobenen Kloster. Eine Sensation, denn der Bau gehört zu den ganz wenigen gut erhaltenen Bauten aus karolingischer Zeit! Dass man den Kirchenbau nicht schon früher als Einhardsbasilika identifiziert hatte, lag auch an einem Vorurteil: Man vermutete sie mitten in Michelstadt und nahm an, sie sei ein Vorgängerbau der dortigen Stadtkirche gewesen. Im kaum zwei Kilometer entfernten, unbedeutenden Steinbach hatte man nicht gesucht.

Dort aber hatte sie Einhard erbaut, nachdem er von Kaiser Ludwig dem Frommen im Jahr 815 die Mark Michelstadt erhalten hatte – ein kleines, aber architektonische komplexes Gebäude, das jedoch nur kurz genutzt wurde. Zwar ließ Einhard im Jahr 827 die Gebeine zweier Märtyrer rauben, um ihnen seine neue Basilika zu weihen, die er als Grablege für sich und seine Frau sowie als Wallfahrtskirche vorgesehen hatte. Doch schon Anfang des Jahres 828 besann er sich anders und ließ die Reliquien nach dem heute Seligenstadt benannten Ort bringen, der ihm ebenfalls gehörte und wo er bald eine weitaus größere Basilika baute. Damit war natürlich ein gewaltiger Prestigeverlust der Odenwälder Basilika verbunden, die nach dem Tod Einhards an das Kloster Lorsch fiel, zumindest urkundlich dann aber gut zwei Jahrhunderte lang nicht weiter erwähnt wurde. Nach Seligenstadt aber pilgern bis heute Gläubige zur Ruhestätte der Märtyrer Petrus und Marcellinus.

Doch bestanden die Gebäude weiter. Wenn auch vermutlich in schlechtem Zustand, ermöglichten sie doch 1073 die Gründunge einer Niederlassung des Klosters Lorsch. Es gab in den folgenden Jahrhunderten ein paar bauliche Eingriffe. Unter anderem stammt das noch heute in wesentlichen Teilen erhaltene Dach aus dem 12. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert wurde die Propstei in ein Frauenkloster umgewandelt, das rund dreihundert Jahre lang existierte, jedoch ohne nennenswerte Überlieferung. Zugleich diente die Basilika im 13. und 14. Jahrhundert als Grablege der Schenken von Erbach, die auch in den kommenden Jahrhunderten ein schützendes Auge auf das Gebäude behielten und mitunter Erhaltungsmaßnahmen durchführten.

Im 16. Jahrhundert wurden die Gebäude durch die Fürsten von Erbach in ein Spital für Bedürftige umgewandelt und unter anderem mit einer Aufstockung und einer zugehörigen, noch heute erhaltenen Holztreppe versehen. Bis 1873 machte sich der Bau dann wie oben erwähnt als Schuppen und Holzlager nützlich.

Die Einhardsbasikia in Steinbach im Odenwald beeindruckt auch durch ihre schiere Größe neben den dörflichen Häusern.

Seitdem kümmerte sich der Denkmalschutz um das Gebäude, das heute letztlich keine Funktion mehr hat. Seine Erhaltung über weit mehr als 1000 Jahre verdankt die Basilika jedoch ihrer guten Bausubstanz. Sie konnte über die Zeit ganz unterschiedlichen Zwecken dienen und wurde deshalb auch immer instandgehalten. 1967 kaufte das Land Hessen die Liegenschaft und führte mehrere sichernde Baumaßnahmen durch. Mit einem Festakt, vielen Vorträgen und weiteren Events feiert „Staatliche Schlösser und Gärten Hessen“ in diesem Jahr die bahnbrechende Wiederentdeckung vor 150 Jahren.

Unmittelbaren Gebrauchswert hat die Basilika nun nicht mehr. Aber vielleicht kann sie nachholen, was sie schon vor zwölf Jahrhunderten eigentlich sein sollte: Ein attraktives touristisches Ziel, wie sie es als mittelalterlicher Wallfahrtsort gewesen wäre.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

7 Kommentare

  1. Die Wirklichkeit ist nicht immer schön. Diese Basilika ist so alt und im Inneren zerfallen , dass keine Wandmalereien oder sonstige Kunstwerke zu erahnen sind.
    Wer also der Geschichte auf der Spur ist, der findet in der Einhardsbasilika ein Original.
    Wem sie dann doch zu nüchtern erscheint, dem ist ein Besuch von Erbach angeraten und dem dortigen Elfenbeinmuseum.
    Und nicht weit entfernt liegt Michelstadt, auch ein Zeuge deutscher Vergangenheit.
    Frau Bambach, da haben Sie ein Kleinod deutscher Vergangenheit ins Web geholt.

  2. Neues zur Einhardsbasilika,
    Bei der Restaurierung der Stadtkirche in Bad Cannstatt hat man festgestellt, dass Vorgängerkirche auch aus dem 8. Jahrhundert stammt und in den Abmessungen genau gleich der Einhardsbasilika im Odenwald.
    Und zusätzlich weiß man , dass diese Vorgängerkirche von Chr. von Einhard erbaut wurde, welch ein Zufall, dem Baumeister Karls des Großen.

      • Eva Bambach
        So weit ich informiert bin wird geforscht. Die Bauhütten , ich nehme mal an, dass es nicht viele waren ,haben ihre Maße und Pläne geheim gehalten.
        Man kann also annehmen, dass Chr. von Einhard beteiligt war und ,….es könnte auch sein, dass seine Frau Imma der Kopf dahinter war.
        (Einhard war kein Geistlicher)

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