Traum im Transit

BLOG: Das Sabbatical

Abenteuer Auszeit
Das Sabbatical

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Es begann mit der Frage nach dem Begriff „Zwischen den Jahren“ an einen befreundeten Astronomen und endet im brasilianischen Transitbereich eines Flughafens im Wartesaal für den Weiterflug nach Lima: Es gibt Momente im Leben, die sind eine Art „Dazwischen“.
Richtig gut fühlen sich das selten an, eher wie eine Hängepartie. Eins ist vorbei, das Andere hat noch nicht begonnen. Zeit zum Wesentlichwerden? Was macht einen eigentlich aus, wenn man weg ist, von wo man kommt, und noch nicht angekommen ist, wohin man will?

Die Räume dafür sehen auf der ganzen Welt ähnlich aus. Kalt und unpersönlich, die Menschen kennen sich nicht und wollen sich auch nicht kennen. Wer kann, schläft; wer nicht kann, versucht zu lesen oder sinniert vor sich hin.

Zwölf Stunden Flug stecken mir in den Knochen, statt Frankfurt-Madrid-Lima-Arequipa geht es Frankfurt-Sao Paolo-Lima-Arequipa. Schon bei der Umbucherei wurde mir eines klar: Mit meiner deutschen Hektik und Intoleranz gegenüber spontanen Veränderungen werde ich in meinem Sabbatical nicht weit kommen. Hat ja dann am Ende auch alles gut geklappt, irgendwie.

Angekommen auf dem Kontinent, wo ich die nächsten Monate verbringe, aber vom Zeitempfinden her noch in Europa. Hier ist die Zeit vier Stunden zurück, in Peru werden es noch einmal zwei Stunden mehr sein. Das gefürchtete Jetlag kenne ich bislang zumeist nur vom Hörensagen, aber der menschliche Körper ist wohl nicht wirklich gemacht für diese Umstellungen, er fühlt sich schwammig an.
Ein langer Tag also, der vor mir steht, sechs Stunden länger als gewohnt. Ich werde auf 2300 Meter Höhe über dem Meeresspiegel in einer Art Wüstengegend ankommen, am Fuß von zwei mächtigen Vulkanen, im Dauerfrühling. Doch noch hänge ich irgendwo dazwischen.
Dazwischen fühle ich mich auch noch in Sachen Temperatur. Meine regendichte Winterjacke liegt neben mir, ich habe das Gefühl, den letzten Heidelberger Schneeregen noch ein wenig zu riechen. In der Tasche stecken die Handschuhe. Die Leute hier tragen T-shirt und Hemd, gefühlt beläuft sich die Temperatur auf etwa 20 Grad Celsius, irgendwo bläst eine Klimaanlage. Gut möglich, dass es da draußen, wo die gelben Lichter flackern und wo die ersten Flugzeuge starten, fast tropisch ist.

Wie in einem Film sind im Dämmern während des Nachtflugs die letzten Monate an mir vorbei gezogen. „Man müsste häufiger weggehen, um zu erfahren, wer einen so alles vermisst“, habe ich kürzlich scherzhaft gesagt und es doch so empfunden. Das, was in meinem Abenteuer Auszeit auf mich wartet, ist noch viel schemenhafter, wie im Nebel. Doch so langsam schält sich die Vorfreude aus dem Abschied. Transit ist Zeit zum Innehalten. Als wer bin ich weggegangen, als wer komme ich an und wie will ich zurückkommen? Das sind Fragen, die es sich lohnt zu stellen. Auch ohne Wartesaal.

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

4 Kommentare

  1. Liebe Kirsten,
    so hatten wir ‘Daheimgebliebenen’ dir deine Reise nach Peru nicht gewünscht, aber wie immer machst du das Beste draus und schreibst mal schnell nen Transitbericht – einfach bewundernswert. Wünsche dir ein baldiges Gutes Ankommen in Arequipa und nochmals herzlichen Dank, dass du mir dein Gina-Auto überlassen hast. Da reist gerade eine sehr wertvolle Frau und persönliche Freundin nach Peru, du fehlst mir jetzt schon, aber ich freue mich für dich, dass du die Chance ergriffen und diesen Schritt gewagt hast. Herzliche Grüße aus der aktuell wieder verschneiten Metropolregion

  2. Liebe Kirsten,
    nachdem unser Kaffee trinken nicht geklappt hat und ich nicht weiß, ob du deine privaten mails
    noch gelesen hast, drücke ich dich jetzt noch mal ganz fest ( feinstofflich) und wünsche dir ein gutes Ankommen.
    Etwas entschleunigt bist du ja wohl schon, sonst hätte dich die Umbucherei noch mehr aus der Bahn geworfen.Dass du allerdings gleich schreibst find ich auch enorm,aber auch gut,da kannst du deine Gedanken für dich und uns festhalten.
    Danke liebe Grüße

  3. Liebe Kirsten, schön, dass Du gut gelandet bist. Ich wünsche Dir ein gutes Ankommen im Dauerfrühling und ein schönes Wiedersehen mit Frank. Ich denke an Euch

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