Kostbarkeit der kleinen Dinge
BLOG: Das Sabbatical

Verändert es das Lebensgefühl, im Schatten eines Vulkans und auf einem Erdbeben gefährdeten Gebiet zu leben? Ich denke schon. Auf alle Fälle gelingt es, schneller wesentlich zu werden und den Blick für die kleinen Schönheiten zu schärfen. Was gefährdet ist, erscheint kostbar, vermutlich geht das allen Menschen so.
Ich habe das große Glück mit Fabricio einen Spanischlehrer gefunden zu haben, der sich nicht nur mit großer Geduld meinen ungeduldigen Fortschritten in dieser wunderschönen Sprache widmet, sondern auch ein begeisterter Pädagoge ist, was Landeskunde angeht. Dazu kommt, dass er als Halbchilene mir auch über die Länder um uns herum noch einiges erzählen und den Horizont weiten kann.
Das fängt bei den chaotischen Zeitzonen an und hört bei Seismik nicht auf. Von ihm erfahre ich, dass Arequipa zum “Feuerring der Vulkane” (circulo de fuego) gehört und die Auswirkungen des Tsunamis, der in Asien vor mehr als zehn Jahren so viele Menschen das Leben kostete, bis an die Küste Perus spürbar waren. Er beruhigt mich aber auch insofern, dass beim letzten Erdbeben in Arequipa 2001, nur zwei Menschen tatsächlich von Mauerstücken erschlagen wurden, die anderen vier starben an Herzinfarkt. Und das, obwohl das Beben eine acht auf der Skala aufzuweisen hatte. Fabricio erklärt das mit der Art der Schwingungen, die sei wellenförmig und deshalb zwar traumatisierend, für jeden, der sie erleben muss, aber leichter zu überleben. Dazu kommt, dass die Bauweise hier eher niedrig und stabil ist.
Nun ja, auf alle Fälle empfiehlt er im Falle eines Falles, nicht nur die “Zona Segura des Sismo” (meist unter tragenden Balken oder Türstürzen) aufzusuchen, sondern auch Ruhe zu bewahren und auf der Straße auf die Stromkabel zu achten, die herunterstürzen könnten, denn sie sind wie lose Strippen gespannt. Ja, die Elektrizität, das ist hier so eine Sache.
Den Duschkopf mit den lebensgefährlichen Kabeln, um für warmes Wasser zu sorgen, hatte ich bereits erwähnt. Dennis, der Hamburger Physiker, der mit uns im Haus lebt, hat sich entschlossen, konsequent kalt zu duschen und ich tue es ihm bibbernden Körpers nach. Dazu kommt, dass Arequipa und die umliegende Region anscheinend nicht nur das Wasser aus den umliegenden Bergen beziehen, sondern auch die Elektrizität aus Wasserkraft stammt. Ein Grund mehr, mit allem spar- und achtsam umzugehen.
Das fällt vielen Leuten wie Leonor und Paco, unsere Gastgeber, nicht schwer. Sie sind im Hochland unter ärmsten Bedingungen mit vielen Geschwistern aufgewachsen und haben ihr Leben lang mit zusammengebissenen Zähnen ums Überleben gerungen. Noch heute kann ein Lehrer kaum von seinem Gehalt leben und jeder Krankheitsfall kann eine Familie in den Ruin stürzen. Auch wenn die Stimmung in Arequipa manchmal fast heiter scheint, erinnert sich Leonor gut daran, dass sie noch wenigen Jahrzehnten einen Eintrag im Pass hatten, der da lautete “raza: indio” (auf Deutsch so viel wie “Rasse: Indio”) und dass dieser Rassismus an allen Ecken und Enden spürbar war. Doch das hindert sie nicht daran, dem Neuen eine Chance zu geben und trotzdem ihre Traditionen zu bewahren. Und wenn Leonor genussvoll lächelt, weil es Frank gelungen ist, mit peruanischen Nüssen, Mehl und Äpfeln einen deutschen Kuchen zu backen, dann geht ohnehin die Sonne auf.
Erst wenn das Gewohnte nicht da ist, wird es gewöhnlich zu schätzen gelernt.
Gut auch der Hinweis auf die vorkommende Handhabung der Indios,
Viel Erfolg dort und auch Spaß und so,
MFG
Dr. W
Salü, meine liebe Kirsten, schon 6 Tage kein Beitrag mehr !!!!!!!!!!! 🙁
Du siehst also, dass ich Dich mit großer Aufmerksamkeit “verfolge”, auch wenn ich mich erst jetzt melde…. Ich freue mich schon jetzt auf Deine nächsten Berichte aus Peru und finde, dass du einfach sehr hübsch schreibst! Lass es Dir gutgehen!! Viele liebe Grüße auch an Frank, Bea