Angekommen in der Auszeit

BLOG: Das Sabbatical

Abenteuer Auszeit
Das Sabbatical

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An meinem ersten Tag in Arequipa regnet es dort seit zwei Jahren zum ersten Mal und die Kappe des Vulkans “Misti” erstrahlt am Morgen in blendendem Weiß. Vermutlich werde ich jetzt zu einer Art Wettergöttin. Normal ist diese lange Durststrecke im Süden Perus nicht. Kein Wunder, dass der Klimawandel nicht nur seit dem Gipfel in Lima ein Thema ist. Wo Wasser ist, da sprießt Leben, das erkenne ich bei meinem Flug von Lima nach Arequipa mehr als deutlich. Etwa 1000 Kilometer führt die Route nach Süden, erst am Meer und der daran angrenzenden Wüste entlang, dann links ab in die Anden auf 2300 Meter Höhe. Grün sind hier die Täler und Canyons nur, wo von den bis zu 6000 Meter hohen Bergen das Leben spendende Nass hinunter fließt.

Doch das wird immer weniger. Die ausbleibenden Niederschläge und die schmelzenden Gletscher lassen die Menschen in der peruanischen Hauptstadt, wo rund neun Millionen der insgesamt 30 Millionen Einwohner Perus leben, schon die Knappheit fürchten. Auch in Arequipa, mit knapp einer Million Menschen die zweitgrößte Stadt, wird übers Sparen nachgedacht.

Wo einer der Bergflüsse sprudelt, da wachsen im ewigen Frühling Früchte und Gemüse aller Art, da sprießt das Gras für die Kühe und Lamas, dort gedeihen die 35 Sorten Kartoffeln, für die die Region berühmt ist. Mir wird das Ankommen leicht gemacht, eine morgendliche Joggingstrecke mit ein bisschen Grün ist schnell gefunden. Die Höhe macht sich nur mit einem leichten Kopfsummen bemerkbar, das Jetlag bleibt mir erspart.

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Trotz einer kleinen Odyssee über Sao Paulo statt über Madrid, komme ich mit vier Stunden Verspätung an, werde von meinem Liebsten am Flughafen ungeduldig erwartet und lande inmitten einer gastfreundlichen Großfamilie nahe der Weltkulturerbe-Altstadt. Leonor und Paco, die Gastgeber, ihre Kinder, der Enkel, sowie ein Pärchen Freiwilliger aus Hamburg und wir beide teilen uns Küche, Wohnzimmer, Bad und Haus, inklusive Katze Rita und Hund Nicolas.

Alles ist üppiger als ich erwartet habe. Perus Bodenschätze haben dem Land eine Mittelschicht beschert. Das ist auch den Aymara und Quechua (den Indio-Bevölkerungsgruppen) zu Gute gekommen. Doch die Armut ist damit nicht verschwunden. An den Randgebieten der Städte und im Hochland ist sie nicht schwer zu finden. Und wer es zu bescheidenem Wohlstand gebracht hat, schottet sich ab: Mit Hunden, Wachpersonal und Stromzäunen entlang der Dächer. Das ist in unserem eher bescheidenen Zuhause glücklicherweise nicht notwendig. Ich verstehe nur beim morgendlichen Blick auf die Dusche, warum im Reiseführer nachdrücklich steht, dass man nicht während das Wasser über einen rieselt, am Duschkopf herumfummeln soll.

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

5 Kommentare

  1. Liebe Kirsten,

    es macht Laune Deine Berichte zu lesen, die so eindrucksvoll nicht nur das fremde Land sondern auch Deine Empfindungen aufgreifen. Bereits Dein letzter Artikel über das “Dazwischen sein” hat mich meinerseits darüber nachdenken lassen, wie oft man dieses neugierige und gleichzeitig unbehagliche Gefühl schon im Leben hatte. Dein Duschkopf kann mich nicht erschüttern, im Gegenteil, die Erfahrung auch mit weniger vielleicht sogar zufriedener und auch gut auszukommen, beruhigt doch eher. Ich freue mich auf weitere Berichte und vermisse Dich!

  2. Liebe Kirsten, auch ich bin ganz begeistert von deinen Berichten, das wird ein wundervolles Jahr mit deinem Blog! Aber bist du dir sicher, dass das der Duschkopf und kein Lautsprecher ist 😉

  3. Liebe Kirsten, schön dass du gut angekommen bist. Bei diesem Brausekopf stellen sich mir schon die Nackenhaare auf… ist das Duschkopf, Durchlauferhitzer und Fön in einem Gerät? Liebe Grüße aus dem verschneiten Odenwald! Wir warten auf Fotos von der Regengöttin!!

  4. Liebe Kirsten,

    klingt alles super spannend und interessant. Da freue ich mich natürlich auf mehr!!! Warst Du in der Wartehalle ganz allein? Man könnte wirklich meinen, es ist der Transit in eine ganz andere Welt!!! Eben wie die Dusche, die abenteuerlich ist und nicht von hier scheint! Übrigens ist die Info über die vielen Kartoffelsorten witzig – wie viele hast Du denn in den paar Tagen bereits probiert? Was gibt es sonst so dazu? Und aus wie vielen (Familien-)Mitgliedern besteht denn nun der Haushalt? 10, 20, dazwischen? Wie sieht Dein Drang nach Entdecken, Forschen und Kennenlernen aus? Bist Du schon viel unterwegs? Bin auf alle Fälle sehr gespannt… Es umarmt Dich von Heidelberg aus Susanne

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