• Von Dierk Haasis
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Alle humorlos, ausser ich

Bitte nicht den Troll füttern - Don't feed the troll

Es war mal wieder Karneval. Eine Zeit des Ausgelassenseins, des Witze reissens, des Lachens. Über andere selbstverständlich. Das ist immer viel einfacher, als über sich selbst zu lachen. Dabei wird ‘lach doch mal über dich selbst’ inzwischen als Waffe gegen jene eingesetzt, die zu Recht kritisieren, dass die Wiederholung von Klischees über jene, die immer Schwierigkeiten hatten, von der Mehrheit anerkannt zu werden, weder komisch noch hilfreich ist.

Der Kolumnist Malte Lehming will sich gerade im Karneval nicht mit Diskriminierung auseinandersetzen, sondern weiterhin nach unten treten – über dickschwänzige Schwarze, geldgeile Juden mit Hakennasen, Schwuchteln, immerscharfe Fotzen, nörgelige Schwiegermütter und so fort lachen. Mit Witz hat das alles nichts zu tun. Es werden im Karneval vorwiegend Zoten verteilt.

Karneval, so erzählt man mir, sei ein satirisches Fest, bei dem die Unterdrückten Kritik an den Herrschenden üben dürfen. Es wird aufgezeigt, dass auch die Mächtigen am Ende nur Menschen sind, mit all den Fehlern, die zum Menschsein dazu gehören.

Satire benennt. Manchmal auch drastisch, um jene zu enttarnen, die ihre Privilegien nutzen, um andere zu unterdrücken. Der gute, alte weisse Mann gehört nicht zu den Unterdrückten. Hat er noch nie. Nicht selten hängt es vom Kontext ab, von der augenblicklichen sozialen Rolle, die jemand einnimmt. Da kann dann auch eine Frau mal zum alten weissen Mann mutieren, wie die gegenwärtige CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer.

Will AKK wirklich witzig sein, stellt sie sich vor die CDU-Mitgliederversammlung und macht sich lustig über z.B. über Homophobie, über das Christentum, über Konrad Adenauer. Dem Mob seine Vorurteile zu bestätigen, noch dazu mit einem völlig unkomischen Geblubber über nicht-getrennte Toiletten, ist keine Satire, kein Witz.

Sich humorvoll gegen Erdogan, religiöse Fanatiker, Putin oder Trump zu positionieren, ist gefährlich. Im günstigsten Fall kann man keinen Urlaub in einem Land machen. Sich über Autisten, Rollstuhlfahrer, alleinerziehende Mütter, Transsexuelle lustig machen, gibt einem etwas kritischen Gegenwind, den man nutzen kann, um sich auch noch als Opfer einer respektvollen Empörblase zu gerieren. Praktisch ein Win-Win für einfach gestrickte Intellektuelle.

Wenn jemand gern Zoten auf Kosten von Gruppen machen möchte, deren Mitglieder es ohnehin schon schwer haben, dann bitte auch dazu stehen: ‘Ja, ich finde das komisch, ich bin so. Ich lebe mit den Konsequenzen, dass ihr mich deutlich kritisiert, mich ausgrenzt. Ich bin auch ausserhalb des Karnevals ein dummes Schwein.’

Man muss auch über sich selbst lachen.

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?