Doch nicht Hiskias Minister?

BLOG: Archäologische Spatenstiche

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Archäologische Spatenstiche

Peter van der VeenIn  der neuesten Nummer der amerikanischen Zeitschrift „Biblical Archaeology Review“ hat der israelische Epigraphiker Robert Deutsch eine neue Tonbulle veröffentlich, dessen Eigentümer er mit einem Minister König Hiskias gleichsetzen möchte. Bereits August 2008 hatte Deutsch seine Entdeckung auf einer internationalen Tagung in Lissabon vorgestellt, woran auch ich teilgenommen habe. Der Tonverschluss stammt nicht aus einer legalen Grabung, sondern aus dem Antikenhandel. Dennoch scheint es sich um ein echtes Stück zu handeln, was an sich nicht so selbstverständlich ist, denn in der Vergangenheit dürften einige gefälschte Stücke auf dem Markt vor allem an reiche Sammler verkauft worden sein.

Abb. Schebanjahu Bulle (mit freundl. Genehmigung von R. Deutsch (c))

Die Tonbulle hat eine zweizeilige Inschrift. Sie liest: „Gehört dem Schebnajahu // [….]d vom König!“ Mit anderen Worten, der Eigentümer des ursprünglichen Siegels (womit der Tonverschluss bedruckt worden war) stand im Dienst eines nicht namentlich erwähnten judäischen Königs (dass der Eigentümer ein Judäer war, zeigt sich vor allem an dem judäischen Gottesnamen Jahu = Jahwe). Vor allem das „d(alet)“ in der zweiten Zeile ist sehr wichtig. Bereits 1966 wurde ein nahezu identisches Stück in Tell Lachisch in Juda vom Archäologen Yohanan Aharoni ausgegraben. Dieses Stück war jedoch noch fragmentarischer erhalten als das neue Stück und es war bisher ungeklärt ob der Eigentümer des Siegels ein „Sohn“ (hebr. ben) oder ein „Diener/Minister“ (hebr. cebed) des Königs gewesen war. Das nun auf dem neuen Stück erhaltene „d“ lässt keinen Zweifel mehr darüber bestehen, dass es sich beim Eigentümer um einen Minister (cebed) und nicht um einen Königssohn (ben) handelt.

Wer aber war Schebnajahus König?

Robert Deutsch vermutet, dass es sich hier um den aus Inschriften wohl bekanntesten judäischen König Hiskia handeln muss, der zwischen 725-697 v. Chr. über Jerusalem regierte. Tatsächlich hat Hiskia einen Minister gehabt, der in der Bibel Schebna genannt wird (2. Könige 18, 18. 26. 37; 19, 2; Jesaja 22, 15-18). Der Name Schebna ist zweifellos eine Kurzform für das längere Schebnajahu (mit Gottesnamen), wie wir von anderen Siegelabdrucken wissen. Ob es sich allerdings um den gleichen Schebna aus der Zeit Hiskias handelt, halte ich zumindest für sehr fraglich. Es scheint mir nämlich, dass sich Deutsch mehr vom Wunsch hat führen lassen, eine neue Identifikation mit einer biblischen Person herzustellen als von der eigentlichen Faktenlage.

Zuallererst wurde das frühere Stück, das auf Tel Lachisch (im judäischen Bergland) gefunden wurde, gut stratifiziert gefunden und zwar in einer Schicht II, die einwandfrei auf die letzte Phase des judäischen Königreichs (ca. 630-587 v. Chr.) datiert werden konnte. So entsprechen die Keramik und Kleinfunde aus diesem Stratum den Funden anderer zeitgenössischer Ruinenhügel. Z. B. treffen wir solche Funde in der letzten eisenzeitlichen Anlage in der Davidstadt/Jerusalem an, die auch aufgrund von Inschriften auf die Zeit kurz vor der Eroberung durch die Babylonier datiert werden kann. Die Bulle aus Tel Lachisch selbst wurde zusammen mit 16 anderen Tonbullen in einem zylindrischen Schöpfkännchen gefunden, das nicht, wie Deutsch behauptet, aus der Zeit um 700 v. Chr. stammt, sondern eindeutig stilistische Merkmale aus der Zeit um 600 v. Chr. enthält. So sprechen die längliche Form, der Knick an der Schulter, der feine Hals und der Rand für die spätere Datierung (s. auch das Kännchen in Vitrine 4 in unserer permanenten Ausstellung im Schönblick bei Schw. Gmünd > Archäologie vor der Haustür). Auch die stilistischen Merkmale der Buchstaben passen nicht zur Zeit Hiskias um 700 v. Chr., sondern deuten auf eine spätere Zeit hin. Das hebräische „he“ in Zeile 1 und 2 ist nämlich typisch für die Schlussphase des Königreichs (der vertikale Strich des Buchstabens durchquert den oberen horizontalen Querstrich, wie auch auf anderen gut datierbaren Siegeln und Tonbullen ersichtlich ist, wie z.B. auf einer Tonbulle aus Jerusalem, auf der ein Hohepriester Asarjahu, der Sohn Hilqijahus aus der Zeit um 600 v. Chr. erwähnt wird).

Sowohl archäologisch wie auch paläografisch datiert also die Tonbulle auf die Zeit um 600 v. Chr., also aus einer Zeit 100 Jahre nach König Hiskia. Der Eigentümer kann also unmöglich mit dem biblischen Minister Hiskias identisch sein. Wer er wirklich war, wissen wir nicht. Er wird als Hofbeamter in der Periode zwischen König Josia um 630 und Zedekia bis 587 v. Chr. in Jerusalem tätig gewesen sein.

Bedeutet das nun, dass der Minister Hiskias (bekannt aus der Bibel) nicht existiert hat? Keineswegs. Nur besitzen wir weiterhin keine eindeutigen Funde, die ihn belegen können. Aber wie wir aus Erfahrung wissen, ist und bleibt die Archäologie immer gut für neue Überraschungen. Sind wir also gespannt darauf!       

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Tracking Down Shebnayahu, Servant of the King

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Peter van der Veen hegt seit seiner Jugend großes Interesse an der Geschichte und Archäologie der Bibel. Er ist Leiter einer deutschen Arbeitsgruppe für Biblische Archäologie und arbeitet seit seiner Promotion über antike Beamtensiegel (Uni Bristol, 2005) an mehreren Forschungsprojekten zur Archäologie des alten Israel.

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