Der Wasenberg bei Mötzow – Ergebnisse der Forschungsgrabung 2016

BLOG: Abenteuer Geschichte – Archäologie unterm Galgen

Geköpft und mit Steinen beschwert – archäologische Spuren von Hinrichtungen und Abwehrzauber in Mittelalter und Neuzeit
Abenteuer Geschichte – Archäologie unterm Galgen

Für die Stadt Brandenburg gibt es bereits  umfangreiche Aufarbeitungen zu den hier amtierenden Scharfrichtern (Schumann 2001, Genesis 2006). Schon im Jahre 1466 muss es einen solchen gegeben haben, denn die Stadt Ruppin borgt sich den Henker für eine anstehende Hinrichtung von Brandenburg aus. Mit Brose Moller (Möller) ist ab 1570 ein erster Name zu dem Mann fassbar, der sämtliche peinlichen Befragungen und Hinrichtungen der Alt- und Neustadt sowie des Dombezirks durchzuführen hatte. Außerdem hatte er das Aas von den Gassen zu räumen, den Markt fein sauber zu halten, die heimlichen Gemächer in Ratskeller, Rathaus, Schule und St. Pauli zu reinigen, lederne Feuereimer an die Stadt zu liefern und Hundehandschuhe für die Ratsherren herzustellen.

Diese Aufgaben übernahmen in mehr oder weniger lückenloser Reihenfolge ebenso seine Nachfolger. Den letzten Scharfrichter verzeichnen die Akten für das Jahr 1835. Es handelt sich um Gottfried August Hellriegel, der möglicherweise auch die letzte Hinrichtung der Stadt Brandenburg am 27. Januar 1819 am Mörder Kirschbein durchführte (Genesis 2006).

Doch wo fanden die Hinrichtungen der Stadt statt?Für den Dombezirk dürfte bereits recht früh der Wasenberg in Mötzow als außerstädtische Richtstätte existiert haben. Die Vollstreckung innerhalb der Stadtmauern fand nachweislich erst ab 1682, wahrscheinlich aber schon davor auf dem Platz vor der Petrikirche statt.

Der Richtplatz Wasenberg befindet sich nördlich von Brandenburg in ca. 6 km Entfernung rechtsseitig vor dem Ort Mötzow. Unmittelbar am Fuße des Berges läuft die ehemalige Heerstraße nach Spandau entlang. Damit war sichergestellt, dass die dort auf dem Wasenberg gerichteten und ausgestellten Delinquenten für die Reisenden wahrnehmbar waren. Richtstätten wurden üblicherweise an weithin sichtbaren Orten errichtet. So baute man an Wegkreuzungen, vor Stadtmauern, an Gemarkungsgrenzen und auf natürlichen oder künstlich angelegten Anhöhen hölzerne und steinerne Gerüste, die die Blutgerichtsbarkeit der Stadtherren und Territorialfürsten demonstrierten. Die lange Zurschaustellung der gepeinigten Körper auf dem Hochgericht sollte gleichzeitig als Prävention und Abschreckung dienen. Eine Abbildung aus dem 17. Jh. zeigt einen zweischläfrigen Galgen auf der Bergkuppe

 

Die Lehrgrabung wurde von der Verfasserin im Rahmen der an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) durchgeführten Lehrveranstaltung umgesetzt. Gemeinsam mit der Humboldt-Universität zu Berlin und durch die Unterstützung des BLDAM in Wünsdorf sowie der Unteren Denkmalschutzbehörde Potsdam-Mittelmark gelang es auch in diesem Jahr, einen Platz mittelalterlicher/neuzeitlicher Justiz in Teilen zu erforschen.

Es handelt sich hierbei bereits um den dritten Richtplatz im Land Brandenburg, der durch die Forschungsgrabungen teil-dokumentiert werden konnte (Genesis: Gehenkt, geköpft und verscharrt. Richtstättenarchäologie auf dem Galgenhügel bei Bad Belzig, Lkr. Potsdam-Mittelmark. – In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2014,Darmstadt, S. 146-149).

Die im Vorfeld durchgeführte geomagnetische Prospektion ergab im Bereich des westlichen Hügelplateaus nur wenige Hinweise auf Anomalien. Dies ließ eine zweite Suchgrabung notwendig erscheinen. So wurden an zwei Stellen des Hügelplateaus Kreuzsondagen angelegt, die zum einen den Hügelaufbau und zum anderen eventuelle Befunde verifizieren sollten.

Die als Stelle 1 bezeichnete georeferenzierte Ausgrabungsfläche war weitestgehend von Birken bewachsen, was großflächige Eingriffe von vornherein ausschloss.  Dicht unter der Waldkante befand sich ein auf dem gesamten Areal flächig aufliegender feiner grauer Befund, bei dem es sich um Podsol handelt. Der anstehende Boden war bei etwa 30 cm bereits erreicht. Verstreute Funde aus dem Neolithikum ließen sich in Form von Silexabschlägen und -klingen ausschließlich hier im Bereich von Stelle 1 nachweisen.

Auffällig war eine kompakte, abgegrenzte, unregelmäßig verlaufende  Schichtauflage, die sich im südöstlichen Bereich des geöffneten Planquadrates befand. Es handelt sich um eine schwarze, feste, homogene Schicht, die Fundmaterial aus dem Hochmittelalter beinhaltete. In stark korrodiertem Zustand kamen ein Reitersporn und ein Armbrustbolzen zutage.

Kleinste Knochensplitter ließen sich schwer in humanes bzw. tierisches Material unterscheiden. Ihr Zustand zeigte Einwirkungen von Feuer an und sie waren angrenzend an die schwarze Schichtpackung in einer hellbraunen, leicht holzkohlehaltigen, feinsandigen Auflageschicht großflächig verteilt.  Hier könnte es sich um Reste eines Scheiterhaufens handeln, dessen Anlage jedoch im Hinblick auf die zeitliche Einordnung (urgeschichtlich/mittelalterlich)  ebenso fraglich bleiben muss, wie der Umstand, ob der Scheiterhaufen für Mensch oder Tier errichtet wurde.

Am westlichen Rand des Planquadranten wurde im Laufe der Grabung eine unregelmäßig verlaufende Grube angetroffen, deren Inhalt nach dem Abtrag der oberen Schichten eine aufwendig vernagelte Holzkiste ergab. Das Holz wies einen relativ guten Erhaltungszustand auf, lediglich die oberen Planken waren in das Innere der Kiste hinein gesunken. In der etwa 0,95 x 0,60 m großen Kiste befand sich die Bestattung eines Hundes. Mangels anderer Beifunde ist die Tierbestattung anhand der geschmiedeten Nägel und des relativ guten Holzzustandes in das 19. Jh. zu datieren. Weitere Untersuchungen am Tierskelett stehen noch aus. Eine erste Arbeitstheorie könnte eine rituelle Tierbestattung in Verbindung mit der Aufgabe des Platzes als Richtstätte darstellen.

Im Grabungsareal der Stelle 2 ergaben sich einige Hinweise auf Pfostengruben, wobei ihre Anlage nur grob in die Neuzeit datiert werden kann. Eine nähere Deutung im Rahmen einer justiziablen Handlung (Ausstellungspfahl für abgetrennten Gliedmaßen/Radpfahl) kann hier nicht mit Sicherheit erfolgen.

Das Fundspektrum in diesem Grabungsbereich fiel äußerst rar aus. Eine Scherbe des Typs Pingsdorf aus den hier angetroffenen Pflugspuren könnte hier auf die agrarische Nutzung während des Mittelalters schließen lassen.

Auf dem Fundplatz war insgesamt relativ wenig Keramik dem mittelalterlich-neuzeitlichen Fundhorizont zuzuordnen, es handelt sich um einige wenige harte Grauware des Spätmittelalters/ der Frühen Neuzeit und bunt glasierte Keramik der Neuzeit. Dies entspricht der bekannten Fundsituation auf Richtstätten, keramisches Material gehört zu den eher unterrepräsentierten Funden.

Nachweisbar stellt sich das Mittelalter mit seinen Keramik- und insbesondere Metallfunden dar. Ein Blick auf die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Siedlungsraumes Brandenburg ergibt den ersten sicheren Nachweis für einen Scharfrichter vor Ort im Jahr 1466. Allgemein ist das 15. Jh. im Kulturraum Brandenburg die Zeit der Entstehung der Scharfrichterämter. Mithin ist zu erwarten, dass längerlebige Hochgerichte auch erst in diesen Zeiten entstanden. Die mittelalterlichen Funde könnten demnach in eine Epoche vor der Nutzung des Wasenberges als Richtplatz einzuordnen sein.  Diese Annahme wird durch den Fund der Pingsdorfer Keramik in den Pflugspuren des östlichen Hügelplateaus erhärtet.

Die Pfostenspuren, die allerdings fundleer waren, könnten sich zu den neuzeitlichen Keramikfunden einordnen lassen und ergäben eine nächste Nutzungsphase für die beginnende Neuzeit. Zieht man hier das schriftliche Quellenmaterial hinzu, fängt nun die Ausführung von Todesurteilen auf dem Wasenberg an. Der Richtplatz Wasenberg mit einem Galgen entsteht. Fraglich ist und bleibt, wo die Delinquenten auf dem Hügel begraben wurden. Die Antwort dazu liegt irgendwo unter der Erde der außerordentlich großen Ebene auf der Hügelkuppe. Möglicherweise können zukünftige bodeneingriffsfreie geophysikalische Messungen hierzu weitere Aufschlüsse erbringen.

Marita Genesis

Ausführlicher Bericht mit Quellenangaben erscheint demnächst in: Jahresbericht des Historischen Vereins Brandenburg (Havel), NF, 2017.

 

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Zu meiner Person: Dr. phil., Historikerin/Archäologin M.A. Schwerpunkt: Rechtsarchäologie, archäologische und historische Richtstättenerfassung

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