Hinten wird die Ente fett – dieses Jahr vielleicht doch nicht

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Wissenschaft einfach erklärt
Von Menschen und Mäusen

Vogelgrippe H5N8! Schon wieder! Heißt das jetzt, dass ich keine Enten mehr füttern darf? Bei uns fressen die nämlich gerne auch mal aus der Hand und beißen einen dabei in den Finger. So sehr wie man ohne Zähne und ohne ausgeprägte Kiefermuskulatur eben zubeißen kann. Und die armen Dinger müssen jetzt im Winter ohne meine Brotkrümel auskommen? Die Welt ist eben ungerecht, nicht mal vor Enten macht sie halt.

H5N8, hatten wir die eigentlich schon mal oder ist das eine neue? Und warum werden Grippeviren eigentlich so seltsam benannt? Dafür muss ich ein bisschen ausholen. Ein Virus ist im Prinzip ein Transportvehikel für DNA. Dafür finden sie vielfach auch bei uns im Labor Verwendung, aber das ist ein anderes Thema. Außerhalb ihrer entsprechenden Zielzellen können Viren nur verbreitet werden, sich aber noch nicht selbst vermehren. Außerdem sind die meisten Grippeviren wirtspezifisch, d.h. ein bestimmtes Virus ist i.d.R. nur in der Lage einen bestimmten Organismus zu infizieren. Deswegen kann man auch noch mit einer Grippe mit seinem Haustier kuscheln,ohne befürchten zu müssen das Tier anzustecken.

Bei den Grippeviren von denen immer wieder in den Medien die Rede ist, handelt es sich um Influenzaviren vom Typ A. Das ist insofern interessant, da alle bekannten Viren dieses Typs in der Lage sind Vögel zu infizieren. Laut WHO ist es nicht bekannt warum bestimmte Virenstämme die Speziesbarriere besser überspringen können als andere. Infektionen am Menschen gehen hauptsächlich von den Subtypen H1, H2, H3 und H5 aus. Womit wir wieder bei der Benennung wären.

Ich habe dazu mal ein Bild gemalt.

Das Genom der Grippeviren vom Typ A besteht aus acht Segmenten, die u.a. für die Oberflächenmoleküle Hämagglutinin und Neuraminidase kodieren.
Das Genom der Grippeviren vom Typ A besteht aus acht Segmenten, die u.a. für die Oberflächenmoleküle Hämagglutinin und Neuraminidase kodieren.

Jedes Virus dieses Typs besitzt zwei Oberflächenmoleküle, Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N). Derzeit sind 16-17 verschiedene H- und neun verschiedene N-Untertypen bekannt. Und so erklären sich dann auch die jeweiligen Bezeichnungen der Viren. Innerhalb dieser HxNx-Untertypen unterteilt man wiederrum verschiedene Virenstämme, die z.B. unterschiedlich schwere Grippesymptome auslösen können. Im Menschen befallen Grippeviren hauptsächlich das Flimmerepithel in der Lunge, wohingegen bei Vögeln hauptsächlich Zellen des Darmepithels betroffen sind. Deswegen sollte man bei einer Grippe mit seinen Mitmenschen möglichst keine Körperflüssigkeiten austauschen. Von einer kranken Ente hingegen kann man sich ohne Probleme anniesen lassen, man sollte nur den Kontakt zu Kot vermeiden.

Grippeviren haben übrigens eine besonders hohe Mutationsfrequenz. Die kommt daher, dass bei der DNA-Vermehrung der Viren ein besonders schlampig arbeitendes Enzym an der Arbeit ist. Dieses baut pro vermehrtem Genom etwa eine Punktmutation ein. Da sich Viren sehr schnell und sehr häufig vermehren, häufen sich diese Mutationen an, die u.a. auch die Gene für Hämagglutinin und Neuraminidase betreffen können und diese dadurch ihre Struktur verändern. Man spricht dann von Antigendrift. Der menschliche Körper erkennt diese neuen, veränderten Strukturen nicht mehr und so kann man auch jedes Jahr wieder mit Grippeviren angesteckt werden, obwohl die Viren sich genetisch nur geringfügig verändert haben.

Besonders knifflig wird es dann aber wenn ein Organismus mit zwei verschiedenen Virusvarianten infiziert wird. Schweinen kommt dabei eine besondere Rolle zu, da diese sich mit Grippeviren infizieren können, die Menschen oder Vögel befallen können. In diesem biologischen Mischgefäß können verschiedene Gene, die für den Befall der jeweiligen Organismen verantwortlich sind bei der Vermehrung neu zusammen gemischt werden. So können komplett neue Oberflächenmoleküle eingebracht werden. Es besteht dann die Gefahr, dass Vogelviren auch Menschen infizieren können. Ich hab dazu auch noch mal ein Bild gemalt.

Schweine werden sowohl von hochaggressiven Vogelgrippeviren und humanen Grippeviren infiziert. Durch einen Antigendrift können so neuartige hochaggressive Viren entstehen, die Menschen infizieren können.
Schweine werden sowohl von hochaggressiven Vogelgrippeviren und humanen Grippeviren infiziert. Durch einen Antigendrift können so neuartige hochaggressive Viren entstehen, die Menschen infizieren können.

Diese größeren Veränderungen der Oberflächenmoleküle bezeichnet man als Antigenshift. Einige der Pandemien des 20. Jahrhunderts sind auf solche Antigenshifts zurück zu führen, u.a. die spanische Grippe H1N1 von 1918-1919.

Die Vogelgrippe-Erreger der Untertypen H5 und H7 werden als am aggressivsten eingestuft. Außer H7N9 gibt es zum Glück bisher aber noch keinen Virus dieser Typen der besonders gut an den Menschen angepasst ist. Die besonders schweren Krankheitsverläufe wie sie z.B. durch den Vogelgrippenerreger H5N1 seit 2006 in Südostasien ausgelöst werden, erklären sich durch eine überschießende Immunantwort, die durch die Viren hervorgerufen wird. Die Immunantwort, die eigentlich die infizierten Zellen beseitigen soll, verläuft unkontrolliert und kann in extremen Fällen zu einem toxischen Schock und Lungen- bzw. Multiorganversagen führen, wie es u.a. von dieser vietnamesischen Arbeitsgruppe 2006 in Nature Medicine publiziert worden ist.

Zurück also zu meiner eigentlichen Frage: kann ich noch Enten füttern? Praktischerweise hat die Bundesärztekammer dazu sogar einen Flyer rausgegeben. Die sagen, es besteht keine prinzipielle Gefährdung, aber man sollte es trotzdem unterlassen weil man damit ggf. dem Ökosystem schadet. Diese Spaßverderber!

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Claudia Davenport hat in Potsdam und Hannover Biochemie studiert und promoviert mittlerweile über Insulin-produziernende Surrogatzellen aus embryonalen Stammzellen zur Behandlung des Diabetes Typ 1. Wenn sie gerade mal nicht im Labor am Durchbruch arbeitet, der die Welt verändern wird, ist sie gerne im Grünen, radelt durch die Gegend oder geht Kaffee trinken.

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