Vorurteile, Sex und Eselsbrücken

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Als Mensch und Mann sieht man sich beim Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht von eben diesem gelegentlich mit dem Vorwurf konfrontiert, dass man sich bei der Partner-Wahl gerne mal verstärkt von den Signalen aus der eigenen Körpermitte leiten lasse und das Für und Wider aus dem Oberstübchen dafür in den Hintergrund stelle. Das ist natürlich ein äußerst perfider Vorwurf und selbstverständlich vollkommen richtig. Zumindest zuerst. Auf den ersten Blick. Man hat ja auch nicht immer so viel Zeit zum Gucken. Autofahren im Sommer kann da schon mal die Hölle sein. Aber das Problem liegt natürlich ganz woanders. Wir Menschen haben einfach keinen fixen Paarungstermin. Da haben es die Kröten viel besser…

Wenn die Männchen die ersten Frühlings-Gefühle bekommen, sind die zu nichts anderem mehr zu gebrauchen. Dann denken die nur noch an Frauen und…Fortpflanzung natürlich. Dabei kommt es durchaus vor, dass ihnen das Letztere ein größeres Bedürfnis ist als das Überleben der eigentlichen Frau, was in letzter Konsequenz schon mal zum Tod des Weibchens durch Ertrinken führen kann. Das ist nicht nur tragisch für das Weibchen, sondern auch völlig sinnlos für den Arterhalt. Hat den Kröten aber wohl nie wirklich geschadet. Schließlich gibt es sie immer noch. Die richtige Reihenfolge von Sex und Tod eines Partners – wenn es denn schon so sein muss – kann man sich zB. bei der Kraushaar-Vogelspinne anschauen. Dort kann es vorkommen, dass das Weibchen das Männchen nach der Paarung verspeist. Nicht schön für das Männchen, aber wenigstens ist der Arterhalt gesichert. Das kann man auch hervorragend als Beispiel für die harmonische und idyllische Natur verwenden. Aber ich schweife ab.

Mit dem Beispiel der Kröte wollte ich auf etwas Bestimmtes hinaus: den begrenzten Zeitraum des Jahres, in dem so ein "Kröterich" eben völlig von der Rolle ist. Danach ist er wieder ziemlich entspannt – bis zum nächsten Frühling. In der Tierzucht unterteilt man die Tiere dabei anhand ihres Zyklustyps. Auch die Rehe und Hirsche haben es ziemlich gut, gehören sie doch zu den monoöstrischen Tieren, die nur einmal im Jahr paarungsbereit sind. Danach kommen die Hunde mit einem diöstrischen Zyklus, was bedeutet, dass sie zwei Mal pro Jahr läufig werden. Rinde, Schweine, Schafe, Ziegen und Pferde sind polyöstrisch, werden also mehrmals pro Jahr brünstig.

Da es in der modernen Tierzucht schon Routine ist, dass die weiblichen Tiere künstlich besamt werden – was vorraussetzt, dass den Männern ihr kostbares Sperma mithilfe einer künstlichen Vagina abgeluchst wurde – gibt es auch tatsächlich Angaben über die Menge einer durchschnittlichen Ejakulation. So etwas muss man im Studium wissen…Da das aber ziemlich trocken zu lernen ist – was Werte allgemein so an sich haben – verbindet man diese Zahlen mit gängigen Behältnissen. So macht zum Beispiel ein gestandener Zuchteber ganz locker ein Bierglas (0,5l) voll, während ein Hengst es eher auf eine Tasse Kaffe bringt.

Gibt es da eigentlich auch einen Wert für Menschen? Nur so aus Interesse…

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

34 Kommentare

  1. Oha

    beim nächsten Frosch, den ich küsse, in der Hoffnung, dass ein Prinz draus wird, sollte ich mit angemessener Vorsicht vorgehen. Tod durch Ertrinken ist nicht so das, was ich mir unter einem… romantischen Abend vorstelle.

    Auf die fixen Paarungstermine, deretwegen es Kröten Ihrer Ansicht nach besser haben, verzichte ich angesichts der Gefahr für Leib und Leben auch zukünftig gerne.

    Das Spinnenmodell hingegen…

  2. Erinnert mich jetzt irgendwie an…

    …diese neue Froschart, die in Indonesien entdeckt wurde. Er hat eine, naja, lustige Nase.

    such as the frog with a long protuberance which points upwards when the male is calling but deflates when he is less active.

    Bild gibts hier!

  3. Froschkönig

    Liebe Jekylla,

    ich versichere Ihnen, dass da keine Gefahr besteht, solange sich Ihr potentieller Froschkönig noch einigermaßen artikulieren kann.
    Nicht nur, dass – wie im obigen Beispiel – die Weibchen sehr zu leiden haben, es wird wirklich alles rangenommen, was irgendwie greifbar ist…

    @ Alexander

    Super Foto. Bei den Amphibien tut sich wohl ohnehin eine ganze Menge bzgl. des Entstehens neuer Arten. Von dieser hier wusste ich noch nichts.

  4. Lieber Sören

    das hat mich jetzt sicher beruhigen sollen, diese Einschränkung mit dem Artikulationsvermögen, aber unter dem Einfluß frei erhältlicher bewußtseinsverändernder Substanzen passiert so was schneller als man denkt.

    Ich präferiere dementsprechend nach wie vor das Spinnenmodell. Die sichere Seite, Sie verstehen?

  5. Spinnen-Modell

    Liebe Jekylla,

    welches Modell Sie bevorzugen, überlasse ich natürlich ganz Ihnen, nur sollten Sie bedenken, dass auch das Spinnen-Modell einen Akt beinhaltet (wie bei den Kröten), der dann – manchmal, keinesfalls immer – mit dem Ableben des Männchens durch das Weibchen endet. Aber eben erst nachher…

  6. Um es zu konkretisieren

    ereilt beim Krötenmodell in der Regel das Weibchen der Ertrinkungstod.
    Beim Spinnenmodell unter Umständen das Männchen.
    Manchmal bin ich mir dann eben doch einfach selbst die Nächste.

    Die ersten beiden Sätze Ihrer Einleitung zum Artikel gehören aber eindeutig zu den Highlights des heutigen Tages. Danke dafür 🙂

  7. Verstanden

    Jetzt hab ich verstanden, wie Sie das meinten. Habe wohl etwas zuviel interpretiert. Dabei meinten Sie das ganz praktisch. Auch mal schön!

    Und wenn ich Ihnen mit diesem Artikel den Tag versüßt habe, freut mich das natürlich umso mehr, ist es doch so etwas wie die Währung eines jeden Bloggers^^

  8. die untere Norm

    des menschlichen Ejakulatvolumens liegt bei 1,5 ml (neue WHO-Richtwerte). Der Mittelwert dürfte bei ca. 3,5 ml liegen. Die aktuellen Normwerte habe ich mit meinem Namen verlinkt.

  9. Geschlechtsunabhängig

    Och, das war jetzt gar nicht so sehr geschlechter-spezifisch gemeint. Manchmal ist es aber für mich als Blogger etwas schwer zu erkennen, wohin die Reise geht innerhalb einer Diskussion. Gerade bei neuen Kommentatoren muss ich das erstmal ausloten. Von daher hätte ich das auch geschrieben, wenn Sie ein Mann gewesen wären.

  10. Mengenlehre

    Lieber Elmar,

    danke für die Infos. Hab mir das gerade mal angeschaut. Damit wären wir – rein von der Menge des Ejakulates her – gleichauf mit Ziegen und Schafen.

  11. Mach mir den Ziegenbock

    Och, eigentlich war das nur eine objektive Einordnung in den tierzüchterischen Kontext bzw. die Tabelle, die ich hier liegen habe.

    Und vielleicht sollte man mal drüber nachdenken, wie das mit dem Spruch “Mach mir den Hengst” ist. Aber “Mach mir den Ziegenbock” ist irgendwie nicht cool…

  12. und jetzt ein beneidenswertes Exemplar…

    Ich habe leider den korrekten Namen des Tieres nichtmehr in Erinnerung – es war etwas wie eine Wüstenspringmaus. Bei diesem herzigen Vertreter seiner Gattung handelt es sich um ein Exemplar, das aus irgendeinem Grund
    – Männchen in der Nachkommenschaft deutlich seltener macht als Weibchen und
    – noch dazu den Paarungszeitraum auf ein Minimum von Wochen reduziert hat.
    Meine Info diesbzgl stammt leider nur von einer TV-Doku. Man kann sich schon vorstellen wie es weitergeht: der “arme” Kerl muss seiner evolutiven Arterhalter-Rolle gerecht werden und in den wenigen Paarungswochen die vielen Quadratkilometer abgrasen & so ca jedes Weibchen in dem Umkreis begatten. Danach, so lt Doku, schläft er dann in seinem Bau für die nächsten Monate.

    @ Jekylla
    zunächst: der Frosch bei Froschkönig wurde _nicht_ geküsst, sondern gegen die Wand geschleudert. Keine Ahnung wann das mit Küssen dazuerfunden wurde – Disney & co vermutlich. Jedenfalls: auch nicht romantisch.

  13. Stressiger Arterhalt

    Lieber fatmike182, Danke für Deinen Kommentar.

    Sicherlich gibt es da noch eine ganze Reihe von kuriosen Fortpflanzungs-Strategien im Tierreich. Es gibt auch eine Käferart, deren Männchen einen Widerhaken-Penis haben, der dann den Genitaltrakt des Weibchens zerreißt. Auch nicht schön…Das könnte man noch eine Weile fortführen.

  14. Ejakulatvolumen

    Lieber Sören, schöner Beitrag! Ja, selbstverständlich gibt es auch ein typisch menschliches Ejakulatvolumen. Dieses Ejakulatvolumen auswendig zu lernen, mag mühsam sein, ist aber auch evolutionsbiologisch bedeutsam. Denn an Hand des Ejakulatvolumens kannst Du das Paarungsverhalten einer Art vorhersagen.
    Ein hohes Ejakulatvolumen ist in aller Regel mit Polyandrie (ein Weibchen paart sich mit vielen Männchen) und ein niedriges Ejakulatvolumen ist in aller Regel mit Polygynie (ein Männchen paart sich mit vielen Weibchen) verbunden.

    Um nur bei den Primaten zu bleiben: Gorillas leben in einer polygynen Fortpflanzungsgemeinschaft. Ein Silberrücken hat ein Dutzend Weibchen, das er eifersüchtig bewacht und von etwaigen Rivalen abschirmt. Da er jeden sexuellen Kontakt seiner Weibchen verhindert, kann er sich ein geringes Ejakulatvolumen leisten. Er weiß, dass alle Kinder, die seine Weibchen zur Welt bringen, seine eigenen Kinder und keine Kuckuckseier sind.

    Anders bei den Schimpasen. Sie leben in einer polyandrischen Fortpflanzungsgemeinschaft. Einmal in Hitze, paart sich jedes Weibchen mit all den Männchen, die Interesse haben. Wie Männchen so sind, haben sie natürlich immer Interesse. Folglich stehen die Männchen Schlange, wenn ein Weibchen im Östrus ist. Da Schimpansen nicht verhindern können, dass die Weibchen sich mit anderen paaren, verfügen sie über ein hohes Ejakulatvolumen. Die einzige Möglichkeit, sich erfolgreich fortzupflanzen und seine Gene in die nächste Generation zu bringen, besteht darin, so viele Spermien als irgend möglich ins Befruchtungsrennen zu schicken. Folglich haben sie ein hohes Ejakulatvolumen.

    Wo stehen Menschen? Nächstes Mal!

  15. Paarung durch den Menschen

    Danke Edgar, für den schönen und ergänzenden Kommentar. Ich habe auch nicht ernsthaft daran gezweifelt, dass es auch für Menschen einen entsprechenden Wert gibt. Nur war mir dieser nicht geläufig. Außerdem muss ich bei so etwas immer viel mehr Werte lernen *trotzig* als diese Human-Mediziner^^

    Deine Erläuterungen zu den Mengen sind bei wild lebenden Tieren sich noch von Belang, in der Tierzucht allerdings weniger, ist diese doch konsequent in menschlicher Hand.

    “Wie Männchen so sind, haben sie natürlich immer Interesse.”

    Danke für diesen Satz!

  16. @ Sören: Ejakulatvolumen

    “Wie Männchen so sind, haben sie natürlich immer Interesse.”

    Ja, Du bist nicht allein! Oder, wie jetzt so kurz vor der WM auch sagen könnte “You’ll never walk alone”.

  17. @ – Sören: Arterhaltung

    Nur Neugierde halber: Sprechen die bei euch im Studium tatsächlich noch von “Arterhaltung”?

  18. @ Edgar: Tierzucht

    Nein, das heißt hier einfach Tierzucht und Genetik. Da es aber viele Tiere gibt, konzentriert man sich hier auf die gängigen landwirtschaftlichen Nutztiere. Und bei denen entscheidet eben der Landwirt, wer mit wem Nachwuchs hat. Bei Kröten oder Affen läuft das aber noch etwas selbtständiger ab…

  19. @ – Sören: Noch einmal: “Arterhaltung”

    Verstehe jetzt die Antwort nicht ganz. Ich meinte, verwenden die Professoren in Deinem Studiengang nach wie vor den Begriff “Arterhaltung”?

  20. @ Edgar: Partiell^^

    Jetzt klarer?^^

    Zumindest nicht explizit. Erklärt wird er dennoch bzgl. der Frage, was eine Art ist. Auch beim Erhalt alter Haustierrassen kommt er vor, bei der landwirtschaftlichen Produktion aber nicht. Da wird schlicht von Tierzucht gesprochen.

    Was ich noch sagen wollte: Bei Grundlagen der Tiermedizin spielen Tiere wie zB. Affen keine Rolle, bei denen ich persönlich eher von Arterhalt und nicht von Tierzucht reden würde. Schließlich machen die das noch selber^^ Da geht es vorwiegend um Pferde, Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Geflügel und eben Hunde und Katzen.

  21. @ – Sören: “Art” versus “Gene”

    Was ich meinte ist: Früher behauptete man, dass die natürliche Selektion Verhaltensweisen prämiere, die der “Erhaltung der Art” dienen, während man heute davon ausgeht, dass die natürliche Selektion nur solche Verhaltensweisen prämiere, die der “Weitergabe der Gene” dienen. Von daher wäre es verwunderlich, wenn Veterinärmediziner weiter unbesorgt von der “Arterhaltung” sprechen würden.

  22. @Edgar Dahl: Arterhaltung

    “während man heute davon ausgeht, dass die natürliche Selektion nur solche Verhaltensweisen prämiere, die der “Weitergabe der Gene” dienen.”

    Bert Hölldobler und E.O. Wilson gehen 2009 in ‘The Superorganism’ von der multilevel selection aus. Selektion wirkt auf mehreren Ebenen, dem Gen, dem Individuum und der Gruppe. Ich glaube, diese Theorie wurde von David Sloan Wilson 1999 vorgestellt.

  23. @ Edgar: Arterhalt

    Wie gesagt, so genau differenzierend wurde hier nicht darauf eingegangen. Die Begriffe wurden lediglich erklärt bzw. definiert, was eine Art ist, was eine Rasse ist usw. Im weiteren Lehrmaterial war das aber ohnehin – dank künstlicher Befruchtung – irrelevant^^

    Lieber Herr Bolt,
    Danke für Ihren Kommentar. Hölldobler und Wilson kenne ich natürlich. Habe auch das Buch “Ameisen” zu Hause. Sehr spannend.

  24. @ – Jürgen Bolt: Einheit der Selektion

    Ich liebe Hölldoblers und Wilsons Ameisen-Buch. Doch ich glaube, dass Dawkins mit seiner Kritik recht hat. Dennoch werde ich mir das Buch “Superorganism” sogleich bestellen.

  25. weibliches Interesse

    Hallo Jana,

    natürlich haben auch Weibchen ein gewisses Interesse. Mir ging es hier aber eher um den Umstand, dass so ein Krötenmann gerade mal 3 Wochen pro Jahr verballert ist, während zB. wir Menschen keine derartige Paarungszeit haben. Mit anderen Worten: so wie der grüne Kollege drei Wochen drauf ist, sind wir das ganze Jahr drauf. Ist doch Mist…

Schreibe einen Kommentar