Landwirt Hubi über den Milchmarkt Chinas

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Zu meinem letzten Artikel über den globalen Milch-Markt wusste Landwirt Hubi auf Facebook noch interessante Aspekte bzgl. China zu ergänzen. Grund genug diesen Kommentar mal wieder als Artikel zu publizieren. Geht los!

Ich glaube nicht, dass sich ein Milcherzeuger oder eine Molkerei da große Hoffnungen macht.
Man kann das nie genau sagen, aber ich glaube, China ist bis zum nächsten Wohlstandsschub oder bis zur nächsten Krise selbst versorgt.
Dennoch hat China eine erhebliche positive Einwirkung auf einen deutschen Milchmarkt: den Biomilchmarkt, welcher sich im Moment bei frei verfügbarer Milch etwa 30-40 Cent vom konventionellen Milchmarkt abhebt – und das hat nur einen einzigen Grund – und der ist nicht bei einer sprunghaft angestiegenen Bio-Nachfrage beim deutschen Verbraucher zu suchen, sondern im Export von Babynahrung nach China, welcher den Biomilchmarkt in Deutschland leergefegt hat – und das auch weiterhin tun wird. Zumindest bis zu dem Zeitpunt, wo sich die nächste Umstiegswelle mengenwirksam niederschlägt.

Der Biomarkt erlebt gerade einen Umbruch. Qualität und Tierschutz erhalten einen höheren Stellenwert, den die Schmuddelbetriebe, die den Biomarkt bisher bedient hatten, nicht bedienen können. Ein längst überfälliger Wandel sozusagen, von Roß und Holzpflug hin zu hi-tec-Landwirtschaft. Diese Bios werden sich nicht an den Verleumdungkampagnen von WHES beteiligen – dort steht nicht Verbrauchertäuschung, sondern Effizienz und Sorgfalt im Vordergrund. Für konventionelle Milch könnte sich in Richtung Iran was anbahnen, aber die Läger sind so voll, dass sich das im Preis wahrscheinlich nicht zeigen wird.

(…)

Für Baby-Nahrung werden praktisch nur Bioprodukte verwendet, obwohl sie weder besser, noch sicherer sind. Das ist eine Ohrfeige für jeden konventionellen Produzenten, der nachweislich bessere und gesündere Produkte liefern kann. So verhält es sich auch bei mir. Ich liefere ganzjährig und seit vielen Jahren Rohmilch mit Zellzahlen deutlich unter 100tsd ab, und bin mir sicher, meinen Betrieb weit ökologischer zu bewirtschaften, als es die EU-Ökoverordnung als Mindestanforderung an Bios überhaupt erlaubt.

Der Durchschnitt der Anlieferungsmilch liegt in Deutschland bei ca. 210tsd. Zahlen zu Bio werden statistisch nicht extra erfasst. Ein Mitarbeiter des Milchprüfrings sagte, dass es dazu auch gute Gründe gäbe. Das ist für mich auch mehr als nachvollziehbar, denn schlechtere Haltung (aus Sicht der Kuh), und durchwegs schlechtere Fütterung (wissenschaftlich gesichert) können keine bessere Tiergesundheit hervorbringen (bei der Kuh insbesondere Eutergesundheit). Sundrum ging im Video auch zum Teil darauf ein, nur eben nicht mit der Erfahrung eines Praktikers, und auch nicht ganz ehrlich.

So weit wollte ich eigentlich garnicht drauf eingehen. Niedrigere Zellzahl deutet zweifelsfrei auf die Vorteile eines stabileren Immunsytems durch bessere Haltung und Fütterung, und bedeutet auf jeden Fall gesündere Kühe – also noch weniger Erkrankungen, noch weniger Behandlungen und noch geringeres Riskiko restistenter Keime.
Es ist mir unerklärlich, warum die Hersteller von Babynahrung sich nicht mehr auf greifbare Laborwerte stützen, als auf ideologische Rollenspiele. Die permanenten Rückrufe wegen Gift in Babynahrung müssten ihnen doch schon von der anderen Seite her eine Warnung sein, eher den Laborwerten zu vertrauen.
(google: babynahrung rückruf gift)
Mir als Milcherzeuger stinkt aber vor allem, dass es nicht möglich ist, für beste Qualität, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt, und ganzjährig vielleicht von 5% der Bauern erreicht wird, einen Cent Qualtätszuschlag rauszukitzeln, aber für ein schnödes “Bio” ohne jede Aussage auf Qualität, Umweltschutz und Tierschutz gleich mal den doppelten Preis. Der Verbraucher ist genau so verarscht, wie die Erzeuger.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass natürlich auch Milch mit 400tsd Zellzahl (EU-Milchgüteverordnung) sicher und gut ist, aber es geht besser – für Mensch UND Tier.

Anmerkung

Kommentare als Artikel zu publizieren war eine Idee, die ich schon vor einiger Zeit hatte, um zu vermeiden, dass wirklich gute Kommentare zu meinen Artikel in Diskussionen untergehen.


Referenz

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

1 Kommentar

  1. Mir als Milcherzeuger stinkt aber vor allem, dass es nicht möglich ist, für beste Qualität, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt, und ganzjährig vielleicht von 5% der Bauern erreicht wird, einen Cent Qualtätszuschlag rauszukitzeln, aber für ein schnödes “Bio” ohne jede Aussage auf Qualität, Umweltschutz und Tierschutz gleich mal den doppelten Preis. Der Verbraucher ist genau so verarscht, wie die Erzeuger.

    Es ist ja nicht die Schuld der Biolandwirte das sich konventionellen mit Spitzenqualität die Deutungshoheit durch Biomarketing und deren esoterische Wohlfühlprodukte haben aus der Hand nehmen lassen.

    Es hat immer und liegt immer noch im Interesse der Produzenten hochwertiger Nahrungsmittel – bzw. allgemein Produkte – Marketing und Verbraucheraufklärung mit und durch ihre Verbände selbst machen zu lassen. Bildung der Verbraucher durch kostenfreie Schul(ungs)materialien, Artikel, Zeitungen, Informationsportale und Kooperationen – eben Gegenpole bieten zur Propaganda der Bioverbände und dessen Märchenwelten. DIe Verlogenheit und Kampagnenstrukturen dieser Bioideologen aufdecken und öffentlich die Schmutzige Wäsche dieser Truppe waschen (Beispiel) steht offen. Nur kostet das natürlich Geld und wäre eine langfristige Marketingpflege, die derzeit ein bischen auf verlorenem Posten steht aber langfristig sich dann doch auszahlen dürfte.

    Es ist mir unerklärlich, warum die Hersteller von Babynahrung sich nicht mehr auf greifbare Laborwerte stützen, als auf ideologische Rollenspiele.

    Verkauft sich besser. Das dürfte das Primärargument sein. Der Kunde “Eltern” fühlt sich heute wohler mit dem Biolabel, den Bio-/Marketing(lügen?) sei dank. Gegen halten und Aufklärungsarbeit leisten.

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