(Editiert 27.10.) ExoMars-Lander, Ursache für Absturz wahrscheinlich gefunden

ExoMars, Trace Gas Orbiter

Fünf Tage nach dem Absturz des ExoMars-Landers “Schiaparelli” scheint die Ursache dafür nun bekannt zu sein. Über den Verlauf des Absturzes waren seit Mittwoch einige Details bekannt geworden, nicht aber der eigentliche Auslöser. Zwar hatte sich der Fallschirm des Landers wie geplant geöffnet, war aber dann samt dem zweiten Teil des Hitzeschildes aus unbekanntem Grund zu früh abgeworfen worden. Gleichzeitig hatten auch die Schubdüsen nur 3 bis 4 statt der geplanten ca. 40 – 60 Sekunden gezündet. Infolgedessen stürzte der Lander aus größerer Höhe als geplant und mit hoher Geschwindigkeit ab.

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Edit, 27. Oktober 2016:
Das im Folgenden zitierte Interview schien, als ich diesen Beitrag verfasste, offizielle und gesicherte Infos zu enthalten. Inzwischen gibt es in den Medien Widersprüche, mindestens aber Unklarheiten, im Vergleich mit weiteren Interviews. Zum Beispiel hieß es im ZDF Heute-Journal vom 27. Oktober nun auch, das Verhalten des Fallschirms an sich habe die Fehlfunktion mit verursacht. Ich halte es daher für angezeigt darauf hinzuweisen, dass Dr. Densings Interview mit dem Deutschlandfunk bestenfalls erste Hinweise auf die Absturzursache enthält. Gesicherte, endgültige Erkenntnisse liegen meines Wissens offiziell noch nicht vor.

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In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte Dr. Rolf Densing, Leiter des ESOC in Darmstadt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach die Software des Radars dafür verantwortlich war:

“Soweit wir das bisher rekonstruieren können, hat die Software aus einem Radar-Höhenmessgerät mit der allgemeinen Navigationssoftware nicht richtig gesprochen. Es hat einen Time-Out gegeben, der dazu geführt hat, dass der Fallschirm etwas zur früh abgesprengt wurde, und der dazu geführt hat, dass das Gerät in dem Glauben war, es wäre bereits auf der Oberfläche. So dass es die Bremsraketen abgeschaltet hat. Und jetzt gehen wir davon aus, dass die Sonde aus ca. zwei bis vier Kilometern im freien Fall abgestürzt ist.”
(Quelle: Interview Deutschlandfunk mit Dr. Rolf Densing, 24. Oktober 2016, Dank an Susanne Auer für den Hinweis.)

Ein solcher Glitch ist natürlich unglaublich ärgerlich. Sollte er sich aber als Ursache zu 100% bestätigen, ist er wahrscheinlich immerhin leichter zu beseitigen als ein Fehler im Design oder Gesamtkonzept des Landers. Insofern betrachte ich persönlich diese Neuigkeiten fast schon als gute Nachricht, denn sie werden (hoffentlich) dazu beitragen, dass der für 2020 geplante Rover trotz des Missgeschicks mit “Schiaparelli” nicht in Frage gestellt und nun doch noch vollends finanziert wird.

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Ute Gerhardt hat nach dem Abitur einen B.A. in Wirtschaft, Sprachen und Politik an der Kingston University sowie eine Maîtrise in Industriewirtschaft an der Universiät Rennes abgeschlossen. Seit 1994 arbeitet sie in der Privatwirtschaft, derzeit im IT-Bereich. Ute hat zwei Kinder (*2005 und 2006) und interessiert sich neben Raumfahrt und Astronomie auch für Themen aus den Bereichen Medizin und Biologie.

13 Kommentare

    • Was mich interessieren würde: Wie, wie oft und unter welchen Bedingungen wurde der Lander vorab getestet? Handelt es sich um ein grundsätzliches Problem in der Software, oder ist der Glitch einfach auf “dumm gelaufen” und äußere unvorhergesehene Umstände zurück zu führen? Ich denke, da erwarten uns in naher Zukunft noch ein paar weitere interessante Details.

      Was mich etwas wundert: Von… äh… gewissen Ausrutschern letzte Woche mal abgesehen kommuniziert die ESA grundsätzlich eigentlich besser bzw. schneller. Das oben erwähnte Interview hat gestern zwar in den Social Media (relativ verhalten) die Runde gemacht, aber die Accounts, die ich von der ESA auf Twitter und Facebook kenne, wiesen erst heute darauf hin. Manche auch gar nicht. Wie ist das zu erklären? Habe ich gestern was übersehen/überlesen? Gab es noch Zweifel an den Ergebnissen? War das Interview gar ein spontaner Alleingang von Densing?

  1. Pingback:Allgemeines Live-Blog ab dem 25. Oktober 2016 | Skyweek Zwei Punkt Null

  2. Die Rekonstruktion offenbart einen Softwarefehler, Zitat:

    „Soweit wir das bisher rekonstruieren können, hat die Software aus einem Radar-Höhenmessgerät mit der allgemeinen Navigationssoftware nicht richtig gesprochen. Es hat einen Time-Out gegeben, der dazu geführt hat, dass der Fallschirm etwas zur früh abgesprengt wurde, und der dazu geführt hat, dass das Gerät in dem Glauben war, es wäre bereits auf der Oberfläche. So dass es die Bremsraketen abgeschaltet hat.

    Als Laie frägt man sich, warum so etwas erst in der Rekonstruktion und nicht schon in den unzähligen Simulationen gefunden wird, die dem Einsatz von Schiaparelli vorausgehen sollten.
    Eine weitere Frage: Warum weiss man, dass es einen Time-Out gegeben hat. Wurde diese Information zurück auf die Erde übermittelt oder wurde das bei der Nachstellung, bei der Simulation, eruiert.

    • Hallo Herr Holzherr, Sie haben zwar meinen eigenen Text (bzw. den von Dr. Densing) korrekt zitiert, aber Ihre Schlussfolgerung ist nicht ganz richtig. Ein Time-Out bedeutet nur, dass eine Komponente keine Antwort auf ihre Anfrage an eine andere Komponente bekommen und daraufhin das Warten aufgegeben hat. Aber warum keine Antwort kam, wissen wir deshalb noch lange nicht. Daher auch mein “aller Wahrscheinlichkeit nach”. Primär wissen wir, die Kommunikation der Komponenten hat nicht geklappt. Es kann letzten Endes aber durchaus auch an der Hardware gelegen haben, vom defekten Chip bis hin zur Unterbrechung der Stromversorgung oder sonstwas. Selbst noch so viele Tests im Vorfeld können eben nicht 100%ig garantieren, dass nichts mehr schief geht.

        • “Es hat einen Time-Out gegeben” ist also gar keine gesicherte Aussage? Warum hat der Leiter(!) des ESOC sie dann öffentlich so in die Welt gesetzt? Die Frage ist völlig ernst gemeint. Ich frage mich inzwischen seit gut 24 Stunden, warum die obigen Aussagen im Raum stehen, wenn doch offensichtlich niemand von der ESA sich traut, sie als korrekt anzuerkennen? Ich war schon drauf und dran, den ganzen Eintrag hier zu löschen, denn irgendwas an jenem Interview scheint angesichts der Reaktionen ja ganz und gar nicht koscher zu sein?

  3. Pingback:Morgen gibt's (vielleicht) mehr zu Schiaparelli - Himmelslichter

  4. Auch wenn ein technisches System automatisch auf externe Reize (hier die Abstandsmessung) reagiert, ist es nicht in der Lage etwas zu “glauben”! Man sollte eine durch einen Algorithmus vorgegebene Reaktion nicht vermenschlichen: Das System reagiert immer nur so, wie es programmiert wurde – es hat da keinen Handlungsspielraum.
    Zudem hat der Begriff “glauben” eine religiöse Bedeutung, die überhaupt nicht zu dem Vorgang passt.

    • Nun ja. Das ist ein wörtliches Zitat aus dem Interview. Dass Dr. Densing mein Blog liest und dabei die Wünsche der Kommentatoren bzgl. seiner Ausdrucksweise zur Kenntnis nimmt oder gar erfüllt, glaube ich allerdings eher weniger. 😉

  5. Die Ingenieure der ESA sollten so cool bleiben wie einst Simon Ramo, der Vater der ICBMs:

    When the United States’ first ballistic missile rose about 6 inches above the launch pad before toppling over and exploding, Ramo turned to an Air Force general and said: “Well, Benny, now that we know the thing can fly, all we have to do is improve its range a bit.”

    http://www.latimes.com/business/la-fi-simon-ramo-20160628-snap-story.html

    > „Soweit wir das bisher rekonstruieren können, hat die Software aus einem Radar-Höhenmessgerät mit der allgemeinen Navigationssoftware nicht richtig gesprochen.”

    Falls die Software des Radar-Höhenmessgeräts nuschelt oder die Navigationssoftware schwerhörig ist, sollte dieses Problem lösbar sein. Da bin ich zuversichtlich.

  6. “Well, ESA, now that you know the thing can land on Mars, all you have to do is improve the landing procedure a bit.” Good luck for your next mission!

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