Tür 7: Schlange und Schlangenträger

Ein Doppelsternbild, das modern wie antik viele schöne Geschichten einleitet, über die wir in Planetarien m.E. viel zu selten die Zeit haben zu berichten: Erstens ist der Schlangenträger mit seiner Schlange das dreizehnte Sternbild des Tierkreises, zweitens ist er das einzige Sternbild, das – sehr wahrscheinlich – nach einer Person benannt wurde, die real gelebt haben könnte.

Ob Kassiopeia, Kepheus, Andromeda, Perseus, Herakles und die Zwillingsbrüder Polydeukes (Pollux) und Kastor wirklich gelebt haben, wissen wir nicht. Beim Schlangenträger ist man sich ziemlich sicher, dass das Bild einem berühmten Arzt gewidmet wurde – Uneinigkeit besteht nur darin, welchem.
Jedenfalls ist es die Verstirnung von Asklepios (lat.: Aeskulab), den Schutzheiligen der Apotheker (deren Symbol der Aeskulabstab, den eine Schlange umwindet, ist international das Symbol dieses Berufs), sagen die Griechen – aber das ist wahrscheinlich ein Phantasiename für den Halbgott, für den wahrscheinlich ein echter Mensch Vorbild war. Möglicherweise war die Vorlage ein ägyptischer Arzt namens Imhotep (so hießen viele) oder auch jemand anders… bisher ist das nicht eindeutig erwiesen. Jedenfalls ist der Mann mit der Schlange in der Hand nicht irgendein Würgekünstler, sondern ein Symbol für die Heilkunst und darum entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass sein Fuß gerade den Skorpion zertritt. Auf dem Atlas Farnese ist sein Bild am Fuß abgeschnitten, denn dort befindet sich die steinerne Hand des Titanen Altas und verdeckt den Himmelsanblick:

Door 7: Snake and Ophiuchus

A double constellation that introduces many beautiful stories, both modern and ancient, that we in planetariums far too rarely have the time to report on: Firstly, the Serpent Bearer with its serpent is the thirteenth constellation of the zodiac, secondly, it is the only constellation that – very probably – was named after a person who could have lived in real life.

Whether Cassiopeia, Cepheus, Andromeda, Perseus, Heracles and the twin brothers Polydeukes (Pollux) and Kastor really lived, we do not know. In the case of the Serpent Bearer, we are fairly certain that the image was dedicated to a famous doctor – the only disagreement is as to which one.
In any case, it is the deconstruction of Asclepius (Latin: Aesculab), the patron saint of apothecaries (whose symbol, the Aesculab staff entwined with a snake, is the international symbol of this profession), say the Greeks – but this is probably a fantasy name for the demigod, for whom a real person was probably the model. Possibly the model was an Egyptian doctor called Imhotep (that was the name of many) or someone else… but so far this has not been clearly proven. In any case, the man with the snake in his hand is not just any strangler, but a symbol for the art of healing, and therefore it is not without a certain logic that his foot is trampling the scorpion. On the Atlas Farnese, his image is cut off at the foot, because the stone hand of the Titan Altas is located there and obscures the view of heaven:

Ophiuchus, Schlangenträger mit seiner Schlange auf dem Atlas Farnese, Zeichnung SMH 2017.
Unterschied Sternbilder (Flächen) und Sternzeichen (Abschnitte): gleiche Namen, gleiche Farbe, Grundkarte mit Stellarium, Hervorhebungen SMH 2014, Ersteveröffentlichung im OnlinePlus-Material von meinem Buch “Hipparchs Himmelsglobus”, Springer-Verlag, 2017.
Tierkreis mit zwölf gleichen Abschnitten (orange) und Sternbilderflächen bei Ptolemaios, Almagest: Man beachte, dass der Streckenabschnitt des Skorpions auf der Ekliptik überwiegend dem SternBILD Ophiuchus (Schlangenträger) gehört. Das war also schon vor 2000 Jahren so.

Babylon

In Babylon war in der Gegend des Schlangenträgers vermutlich auch eine antropomorphe Gestalt gedacht worden: Der Gott Zababa. Sicher ist das zwar nicht, denn ursprünglich wurde das benachbarte Sternbild Adler dem Gott Zababa zugeordnet. Sehr wahrscheinlich wurde später aber der Gott Zababa selbst neben den Adler (und über den Skorpion) an den Himmel projiziert und die babylonische Gottheit dann griechisch umgedeutet zu einem Mann, der eine Schlange hält – dem griechischen Schutzpatron der Ärzte und Apotheker, dem Halbgott Asklepios.

Babylon

In Babylon, an antropomorphic figure was probably also thought of in the area of the serpent bearer: The god Zababa. This is not certain, because originally the neighbouring constellation of the eagle was assigned to the god Zababa. Very likely, however, the god Zababa himself was later projected into the sky next to the eagle (and above the scorpion) and the Babylonian deity was then reinterpreted in Greek as a man holding a snake – the Greek patron saint of doctors and apothecaries, the demigod Asclepius.

Gott Zababa. Hörnerkronen sind typische Kennzeichen für babylonische Götter.

China

Im Reich der Mitte ist hier keine männliche Figur projiziert worden, sondern der Himmlische Marktplatz, eine riesige Gruppe von lauter kleinen Asterismen.

China

In the Middle Kingdom, no male figure has been projected here, but the Heavenly Marketplace, a huge group of noisy little asterisms.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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