Q&A zum Golfstromsystem und dem “cold blob” im Atlantik

Am vergangenen Wochenende fand in Reykjavik die Arctic Circle Assembly statt, die jährliche große Konferenz zu allen Aspekten der Arktis. Ein Thema dieses Jahr lautete: Was ist los im Nordatlantik? Gemeint war die auffällige Kälteblase im subpolaren Atlantik, zu der es Vorträge und eine Podiumsdiskussion gab (die Reykjavik University hatte mich dafür zu einem Vortrag eingeladen).  Anlass für eine kurze Übersicht über die diskutierten Fragen.

Was ist der „cold blob“?

Es geht dabei um ungewöhnlich kaltes Wasser in einer Meeresregion im subpolaren Atlantik südlich von Grönland. In unserem Paper letztes Jahr haben wir dies so dargestellt (siehe auch unseren Blog dazu).

Fig1a_newAbb. 1 Lineare Temperaturtrends 1901-2013 nach NASA-Daten. Quelle: Rahmstorf et al., Nature Climate Change 2015.

Manchmal wird damit auch nicht der Langzeittrend sondern die aktuelle Situation gemeint, etwa die im Jahr 2015, das in dieser Region das kälteste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war – mitten im global wärmsten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Bei der Diskussion sollte man auseinander halten, ob man vom Langzeittrend oder einer kurzfristigen Anomalie spricht. Als wir unser Paper geschrieben haben, ahnten wir natürlich nicht, dass bei dessen Erscheinen zufällig Rekordkälte in der Gegend herrschen würde.

Auch derzeit sieht man den „cold blob“ wenn man sich z.B. beim Climate Reanalyzer die Anomalie der Meeresoberflächentemperatur ansieht.

GFS-025deg_NH-SAT1_SST_anom-6Oct16Abb. 2 Anomalie der Meeresoberflächentemperatur (relativ zum Basiszeitraum 1971-2000) am 6. Oktober 2016. Quelle: Climate Reanalyzer

Was ist die Ursache der Kälteblase?

Grundsätzlich kann es zwei Gründe für eine Veränderung der Wassertemperatur geben: Wärmeaustausch durch die Oberfläche, oder Wärmetransporte innerhalb des Ozeans. Halldór Björnsson vom isländischen Wetterdienst hat in seinem Vortrag am Samstag gezeigt, dass die kurzfristigen Temperaturschwankungen von Jahr zu Jahr zwar mit dem Wärmeaustausch durch die Meeresoberfläche korrelieren, dass dieser aber nicht die längerfristige Entwicklung des „cold blob“ über Jahrzehnte erklärt. Er folgerte, dass letztere durch Veränderungen des nordatlantischen Strömungssystems verursacht wird, auch Golfstromsystem genannt. Genau das erwartet man auch. Das Wetter dominiert die kurzfristigen Schwankungen, aber die Meeresströme mir ihrer größeren Trägheit dominieren die langfristige Entwicklung.

Ein Vorschlag, der vor einigen Jahren gemacht worden war – dass die Abkühlung durch Abschattung der Sonne durch Aerosolverschmutzung verursacht sein könnte – tauchte in der Diskussion am Samstag gar nicht mehr auf. Dem war auch seinerzeit rasch in der Fachliteratur mit guten Gründen widersprochen worden (wir haben das ausführlicher in unserem Paper diskutiert).

Was spricht für eine Abschwächung des Golfstromsystems?

Das Grundproblem ist der Mangel an direkten, kontinuierlichen Messungen der Umwälzbewegung im Atlantik, der sogenannten AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation), um die es hier hauptsächlich geht. Solche Messungen gibt es erst seit 2004 durch eine Reihe von Verankerungen bei 26°N (RAPID-Projekt). Für die längerfristige Entwicklung muss man daher indirekte Indikatoren der Strömungsstärke heranziehen.

Die Kollegen Mihai Dima und Gerrit Lohmann vom Alfred Wegener Institut haben in einer Studie 2010 die Veränderungsmuster der globalen Meeresoberflächentemperaturen analysiert und als erste daraus gefolgert, dass sich seit 1930 die großräumige Umwälzzirkulation im Atlantik abschwächt. Hinweis darauf ist der Trend zur Abkühlung im subpolaren Nordatlantik, der mit den Temperaturen im Südatlantik antikorreliert (weil die Strömung Wärme vom Südatlantik in den nördlichen Atlantik befördert).  Zudem fanden Dima und Lohmann eine Antikorrelation mit den Temperaturen vor der US-Küste südwestlich des „cold blob“. Diese sieht man nicht in Abb. 1 oben, da die NASA-Daten einen Glättungsradius von 1200 km verwenden, aber man sieht z.B. die aktuell hohen Temperaturen in Abb. 2.

Die neuesten hochauflösenden Simulationen des GFDL in Princeton zeigen genau dieses Muster als Reaktion auf einen CO2-Anstieg in der Atmosphäre; Grund im Modell ist die Abschwächung des Golfstromsystems (mehr dazu in diesem Blog bei Realclimate). Es gibt zudem Korallendaten aus dem Gulf of Maine vor der US-Küste, die einen ähnlichen Zeitverlauf der Wassermassenänderung zeigen wie der „cold blob“ (auch das ist näher im Realclimate-Beitrag mit Grafiken dargestellt).

Rahmstorf15Abb. 3 Index für die Stärke der Umwälzströmung im Atlantik (AMOC), berechnet aus der Temperatur im subpolaren Atlantik abzüglich der mittleren Temperatur der Nordhalbkugel (rote und blaue Kurve). Grün sind die Korallendaten von Sherwood und Kollegen. Quelle: Rahmstorf et al., Nature Climate Change 2015.

Für die jüngste Vergangenheit zeigt der von uns aus dem Temperaturmuster berechnete Index für die Atlantikströmung das Gleiche wie andere Daten. Für die Zeit ab 2004, für die es direkte Messungen der Umwälzbewegung vom RAPID-Array gibt, deckt sich der dort gemessene Abschwächungstrend um 3 Sv mit unserer indirekten Analyse. Auch die deutliche Abschwächung nach 1970 und die dann folgende Erholung ab ca. 1990 in unserer Kurve sind durch andere Studien mit anderen Methoden bestätigt (u.a. Haine 2016, siehe seine Schemazeichnung).

Was spricht gegen eine Abschwächung des Golfstromsystems?

Als Gegenargument gegen eine Abschwächung des Golfstromsystems brachte Steingrímur Jónsson die Messungen im sogenannten Overflow vom Nordmeer über die Schwellen zwischen Grönland, Island und Schottland ins Spiel, die keinen Trend zeigen. Hier muss man einfach zwischen verschiedenen Teilen der atlantischen Ozeanzirkulation unterscheiden. In unserer Studie argumentieren wir, dass sich die Umwälzzelle im offenen Atlantik abgeschwächt hat – südlich des „cold blob“, wo die Wärme herkommt. Also das, was vom RAPID Array gemessen wird. Die Overflows weiter im Norden dürften kaum einen Einfluss auf die Temperaturen im „cold blob“ haben und sich weitgehend unabhängig von der Umwälzzelle im offenen Atlantik verhalten – das zumindest legt eine Modellsimulation des Max-Planck-Instituts für Meteorologie nahe (Korrelationsanalyse in Abb. 2b in unserem Paper).

Als weiteres Gegenargument wurden (allerdings nicht in der ernsthaften Fachdiskussion sondern nur auf einer „Klimaskeptiker“-Website) die Messungen auf der Oleander-Linie im Golfstrom angeführt, die keine Abschwächung zeigen (Rossby et al. 2014). Allerdings decken diese nur einen 20-Jahreszeitraum ab, in dem auch unser AMOC-Index keine Abschwächung zeigt. Und wie Tal Ezer in einer Studie 2015 gezeigt hat korrelieren diese Messungen im Golfstrom nicht mit den AMOC-Messungen des RAPID-Arrays – was nicht überrascht, weil die AMOC nur einen kleineren Teil des überwiegend windgetriebenen Golfstroms ausmacht. Diese diversen Messungen von anderen Aspekten des komplexen atlantischen Strömungssystems stehen also keineswegs im Widerspruch zu einer generellen langfristigen Abschwächung der Umwälzzelle, wie sie von Dima und Lohmann postuliert wurde.

RAX_GreenlandSchmelzwassersee auf Grönland. Foto mit freundlicher Genehmigung von Ragnar Axelsson

Welche Rolle spielt das Schmelzwasser von Grönland?

In unserem Paper haben wir argumentiert, dass der Schmelzwassereintrag vom grönländischen Eisschild eine bislang vernachlässigte Rolle spielen könnte (aber nicht etwa die Hauptrolle, wie manche fälschlich verstanden haben). Die IPCC-Modellrechnungen zum Beispiel berücksichtigen diesen Schmelzwassereintrag bislang nicht. Eine neue Studie von Claus Böning und Kollegen (Nature Geoscience 2016) hat den Schmelzwassereintrag in einem hochauflösenden Ozeanmodell untersucht. Dabei wurde angenommen, dass ab dem Jahr 1990 der grönländische Eisschild an Masse zu verlieren beginnt – erst mit einer Abschmelzrate von Null, die linear bis 2020 gesteigert wird. Dabei finden die Autoren bis heute nur geringen Einfluss auf die Strömung – was aber angesichts der Vorgaben in diesem Experiment kaum überrascht. Das reale Grönlandeis verliert nicht erst seit 1990 an Masse, es braucht Zeit bis das Schmelzwasser sich ausbreitet und ansammelt, und auch die Meeresströmung reagiert ja erst zeitverzögert und träge. Die vorgeschriebene akkumulierte Schmelzwassermenge in dem Modellexperiment beträgt 7.500 Kubikkilometer im Zeitraum 1990-2020, über die Hälfte davon in den letzten zehn Jahren, worauf die AMOC daher wenig Zeit zu reagieren hat. In unserem Paper schätzen wir aufgrund von Daten von Jason Box vom Geologic Survey of Denmark and Greenland, dass der grönländische Eisschild schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Gleichgewicht zu geraten begann und seither dem Ozean rund 13,000 Kubikkilometer Schmelzwasser zugefügt hat; die Reaktion der Strömung könnte daher größer sein als in diesem Modellexperiment. In einem weiteren Experiment zeigten Böning et al., dass eine kumulierte Süßwassermenge von ~20.000 Kubikkilometern in ihrem Modell innerhalb weniger Jahre zu einem Abbruch der Tiefenkonvektion und einer Abschwächung der AMOC um 5 Sv führt. Die Haupterkenntnis der Bönung-Studie ist denn auch nicht, dass die Grönlandschmelze keinen Einfluss auf das Golfstromsystem hat, sondern wie der Titel des Papers sagt: „Emerging impact of Greenland meltwater on deepwater formation in the North Atlantic Ocean“. Sie stützt damit unser Argument, dass man den Beitrag von Grönland nicht vernachlässigen sollte.

Übrigens hat das Schmelzwasser kaum eine direkte kühlende Wirkung in der „cold blob“ Region – die Wirkung besteht vielmehr in der Verdünnung des Meerwassers mit Süßwasser, was die Dichte verringert und damit das Absinken des Wassers behindert, das die Umwälzbewegung im Atlantik treibt.

Ist die Kälteblase vom Menschen verursacht?

Eine wichtige  Frage ist natürlich, inwieweit die Veränderungen im subpolaren Atlantik vom Menschen verursacht wurden oder Teil natürlicher Schwankungen sind. Nach meiner Überzeugung ist das eine Frage der betrachteten Zeitskala: die Schwankungen von Jahr zu Jahr sind offensichtlich vom Wettergeschehen dominiert, und auch dekadische Variationen – etwa die Erwärmung (wahrscheinlich: Zunahme der Strömung) von 1990 bis Mitte der 2000er und die dann folgende Abkühlung (Abschwächung der Strömung) – dürften überwiegend natürliche Schwankungen sein. Den von Dima und Lohmann festgestellten Langzeittrend seit 1930 dagegen halte ich für überwiegend anthropogen. Wie die Proxydaten in unserem Paper zeigen, ist er wahrscheinlich einzigartig im Kontext der vorangegangenen eintausend Jahre. Er wurde zudem von Klimamodellen als Reaktion auf den steigenden Treibhausgasgehalt der Atmosphäre vorhergesagt.

Was den Kälterekord von 2015 im subpolaren Atlantik angeht sind die Argumente ein Spiegelbild der Diskussion über den globalen Wärmerekord von 2015. El Niño oder globale Erwärmung? Die Antwort ist das Zusammenspiel von beiden. Geht die natürliche Schwankung in dieselbe Richtung wie der vom Menschen verursachte Klimatrend, dann gibt es einen zuvor nie erreichten Rekordwert. Geht die natürliche Schwankungen in die Gegenrichtung, kann sie den Klimatrend vorübergehend überkompensieren.

Rax_IcelandEis an der Küste von Island. Foto mit freundlicher Genehmigung von Ragnar Axelsson

Welche Auswirkungen hat eine Abschwächung des Golfstromsystems?

Die möglichen Auswirkungen werden derzeit verstärkt erforscht. Haarsma et al. (2015) argumentieren auf Basis von Modellrechnungen, dass die Abschwächung des Golfstromsystems in Zukunft die Hauptursache von Veränderungen in der Sommerzirkulation der Atmosphäre über Europa sein wird. Jackson et al. (2015) fanden, dass die Abschwächung zu verstärkter Sturmaktivität in Mitteleuropa führen dürfte. Und eine ganz neue Studie von Duchez et al. (2016) bringt die Kälteblase im Sommer 2015 in Verbindung mit der Hitzewelle über Europa in diesem Jahr, weil die Kälte im subpolaren Atlantik eine bestimmte Luftdruckverteilung begünstigt (ich hatte diesen Zusammenhang schon letztes Jahr hier  in einem Beitrag erwähnt).

Aufnahme eines früheren Vortrags von mir zum Thema. Quelle: Earth101

Droht ein komplettes Abreißen der Strömung?

Dieses Risiko wird seit den 1980ern diskutiert, ursprünglich aufgrund von Paläodaten über abrupte Strömungsänderungen in der Erdgeschichte. Gut verstanden ist inzwischen, dass es einen kritischen Kipppunkt im System gibt. Wie weit wir davon entfernt sind, weiß man allerdings nicht. Frühere Modellvergleiche legen nahe, dass ein Süßwasserzustrom in der Größenordnung von ab 0,1 Sv (das entspricht rund 3.000 Kubikkilometern pro Jahr) kritisch werden könnte. Eine ausführlichere Diskussion dieses Themas finden Sie hier.

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Postscriptum zur Arctic Circle Assembly. Am Samstag wurde UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mit dem Arctic Circle Prize ausgezeichnet für sein langjähriges Engagement für den erfolgreichen Abschluss des Pariser Klimaabkommens.  Er bekam dafür von den über Tausend Konferenzteilnehmern im überfüllten Saal stehenden Beifall. In seiner Dankesrede betonte Ban Ki-moon das Rekordtempo, in dem der Pariser Vertrag ratifiziert wurde – wenige Tage zuvor war die kritische Schwelle erreicht worden, sodass das Abkommen schon am 4. November in Kraft treten wird. Jetzt müssen den Worten Taten folgen, sagte Ban Ki-moon, das Abkommen muss umgesetzt werden. „Es gibt keinen Plan B, denn wir haben keinen Planeten B.“

Für den Abend hatte der Präsident von Island, Guðni Jóhannesson, einige isländische Regierungsmitglieder (u.a. den Premierminister Sigurður Jóhannsson und die Außenministerin Lilja Alfreðsdóttir) und eine Handvoll Wissenschaftler in seine Residenz zu einem Abendessen zu Ehren von Ban Ki-moon eingeladen, bei dem wir in kleinem Kreis weiter über die dramatischen Klimaveränderungen in der Arktis und die Fortschritte der Klimapolitik diskutieren konnten.

Links

Die isländische Zeitung Morgunbladid hat ein Sonderheft zur Arctic Circle Assembly herausgebracht, mit den wundervollen Fotos und zwei Artikeln von Ragnar Axelsson und einer Reihe lesenswerter Interviews (das mit mir beginnt auf Seite 16).

Morgunbladet

Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimageschehen.

53 Kommentare

  1. Pingback:Potential abrupt cataclysmic change and the Atlantic – Climate State

  2. Wäre schön wenn Roland Emmerich und seine Hollywood Connection jetzt auch noch mal ein Film produzieren der die Wissenschaften klar darstellt.

    Teile für das Drehbuch gibt es hier in Stefan’s Blog ja zu genüge.

  3. Das Volumen des Grönlandeis-Schmelzwassers trägt also zur Abschwächung des Golfstroms bei. Und dieses Schmelzwasservolumen nimmt als Konsequenz der steigenden Temperaturen von Jahr zu Jahr zu. Damit wäre eine Art Eskalation des Phänomens denkbar. Allerdings bedeutet ja ein abgeschwächter Golfstrom auch, dass weniger Wärme in die Arktis transportiert wird. Ein in der Folge weniger warmes arktisches Meer würde das Abschmelzen der Gletscher, die ins Meer ragen somit abschwächen. Auch die Lufttemperaturen über Grönland würden wohl weniger stark ansteigen.

    Die weitere Entwicklung wird damit schwer einschätzbar. Vielleicht könnten hier paläoklimatische Daten über die Vergangenheit der Arktis und des Golfstroms behilflich sein. Allerdings ist die Geschwindigkeit der jetztigen Erwärmung des Erdsystems ohne Präjudiz, also wohl noch nie dagewesen. Immerhin besteht durch den “cold blob” die Chance, dass sich die Grönlandschmelze nicht immer mehr beschleunigt. Während der Eem-Warmzeit soll ja das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds zwischen 0.6 und 3.5 Meter zum damals 6 bis 9 Meter höheren Meeresspiegel beigetragen haben. Der Rest des Anstiegs ging auf die thermische Expansion des Meeres und ein teilweises Abschmelzen der Antarktis zurück. Auch jetzt wird wohl ein Teilabschmelzen der Antarktis mehr zum Meeresspiegelanstieg beitragen als man aufgrund der Temperaturverhältnisse – die Antarktis ist deutlich kälter als Grönländ – vermuten könnte.

    • @ Martin Holzherr: Kleine Korrektur Ihrer Aussage, dass die jetzige Erwärmung ohne Präjudiz sei. Laut der bekannten Dansgaard-Oescher-Ereignisse ging es mindestens schon einmal viel schneller und heftiger mit einem Temperaturanstieg:
      http://www.nature.com/nature/journal/v339/n6225/pdf/339532a0.pdf
      Die Studie “The abrupt termination of the Younger Dryas climate event” von Dansgaard et. al. sagt im abstract aus: “… in less than 20 years, the climate in the North Atlantic region turned into a milder and less stormy regime, as a consequence of a rapid retreat of the sea-ice cover. A warming of 7 °C in South Greenland was completed in about 50 years.”
      Die Ursachen für diese rapide Erwärmung sind -soweit ich recherchieren konnte- bisher ungeklärt, und die Studie von John F. B. Mitchell versucht mit Modellsimulation ein Analogon zur heutigen globalen Erwärmung herzustellen, abstract siehe:
      http://journals.ametsoc.org/doi/abs/10.1175/1520-0442(1990)003%3C1177%3AGWITMH%3E2.0.CO%3B2

      Interessanterweise wird die nach diesem Temperatursprung folgende Zeit im Holozän bzw. genauer im Atlantikum als “Klimaoptimum” bezeichnet, als die Temperaturen dann über längere Zeit ca. 2 bis 3 Grad über den heutigen Temperaturen lagen.

      7 Grad Celsius Temperaturanstieg in 50 Jahren, geschehen vor 10.700 Jahren, das war schon sehr heftig. Dagegen sind die bisher rund 1°C Erhöhung der Globaltemperatur innerhalb etwa 150 Jahren und seit dem Ende der sogenannten “kleinen Eiszeit” noch wenig, bezogen auf Zeitdauer und Temperaturanstieg – bitte beachten Sie: ich sage “noch”, denn es kommt ja darauf an, wie es in der Zukunft weitergeht.

      • Die Dansgaard-Oeschger Ereignisse sind eine lokale Erwärmung im Nordatlantikraum aufgrund abrupt verstärktem Golfstromsystem – insofern passt ihr Beitrag sehr gut zum Thema. Dabei kühlt sich die Südhalbkugel entsprechend ab, sodass im globalen Mittel fast keine Temperaturänderung entsteht – die Wärme wird durch die veränderte Strömung nur umverteilt. Das ist eines meiner Forschungsthemen, hier ein deutschsprachiger Artikel dazu.
        Der 4. IPCC-Bericht schrieb zum Mechanismus der DO-events:

        There is good evidence now from sediment data for a link
        between these glacial-age abrupt changes in surface climate
        and ocean circulation changes (Clark et al., 2002). Proxy data
        show that the South Atlantic cooled when the north warmed
        (with a possible lag), and vice versa (Voelker, 2002), a seesaw
        of NH and SH temperatures that indicates an ocean heat
        transport change (Crowley, 1992; Stocker and Johnsen 2003).
        During D-O warming, salinity in the Irminger Sea increased
        strongly (Elliot et al., 1998; van Kreveld et al., 2000) and
        northward flow of temperate waters increased in the Nordic
        Seas (Dokken and Jansen, 1999), indicative of saline Atlantic
        waters advancing northward. Abrupt changes in deep water
        properties of the Atlantic have been documented from proxy
        data (e.g., 13C, 231Pa/230Th), which reconstruct the ventilation
        of the deep water masses and changes in the overturning rate
        and flow speed of the deep waters (Vidal et al., 1998; Dokken
        and Jansen, 1999; McManus et al., 2004; Gherardi et al., 2005).

        • Danke für die Ergänzung. Zu Ihrer Information bezüglich der gleichzeitigen Abkühlung der Südhalbkugel bitte ich um einen Link zu der Studie, die dieses Ergebnis erbracht hat, oder auch gerne mehrere entsprechende Links.
          Wie wurden die Daten zum damaligen Temperaturverlauf der Südhalbkugel gewonnen?
          Wie im Buch “Kulturgeschichte des Klimas” nachzulesen wird als Auslöser für diesen Temperatursprung eine erhöhte Sonnenaktivität diskutiert. Gibt es dazu inzwischen neue Studien? Das genannte Buch spricht übrigends (S.62) von einer globalen Erwärmung und nicht davon, dass es auf der Südhalbkugel gegenphasig lief – allerdings ist die hier genannte Studie nicht kostenlos zugänglich, so dass ich das nicht nachlesen kann.

        • Ich betrachte die Hervorhebung des Papers von Wright und Schaller durch Herrn Krüger als Premium-Ausführung eines Cherry-Pickings. Über das PETM und die damit verbundenen Aspekte gibt es einige Tausend Fachartikel, und es würde wissenschaftlicher Gepflogenheit entsprechen, die verschiedenen Kernaussagen gegeneinander abzuwägen und einzuordnen. Eine der fundiertesten Studien aus jüngster Zeit ist dieser Artikel (mit einer postulierten “Aufheizphase” des PETM von 4000 Jahren).

          http://climatechange.lta.org/wp-content/uploads/cct/2015/03/ZeebeEtAl-NGS16.pdf

          Das Auseinanderbrechen Laurasias begann – mit großem Feuerwerk – bereits an der Trias-Jura-Grenze (Zentralatlantische Magmatische Provinz) und setzte sich unter zunehmenden Ausdehnung des Atlantiks durch das gesamte Mesozoikum fort.

          Eine plötzliche Freisetzung von mehreren Tausend Gigatonnen Kohlenstoff im Eozän binnen weniger Jahre durch tektonische Prozesse ist mehr als unwahrscheinlich. Und zwar schon aus dem Grund, weil derartige Ereignisse nicht nur erhebliche Mengen CO2 ausgasen, sondern in noch größerem Umfang Schwefeldioxid, Stickstoffoxide und Aerosole. Ein Szenario dieser Größenordnung in einem derart komprimierten Zeitrahmen ist für den Umkreis des PETM jedoch auszuschließen.

          • Noch ein interessantes Detail dazu: Herr Krüger hatte ja “Schaller et al.” geschrieben – sodass mir zunächst unklar war, welche Studie er meint, und ich danach gegoogelt habe. Tut man dies, findet man zu “Schaller et al.” im Zusammenhang mit den 13 Jahren PETM nur Hits auf “Klimaskeptiker”-Seiten! Dort wurde über die Studie von Wright und Schaller fälschlich als “Schaller et al.” berichtet. Was vielleicht Aufschluss darüber gibt, woher Herr Krüger seine Thesen hatte, und die Frage aufwirft, ob er das Paper von Wright und Schaller überhaupt schon mal gesehen hat.

            Positiv zu vermerken ist allerdings, dass selbst ein altbekannter “Klimaskeptiker” wie Herr Krüger als Fakt akzeptiert, dass die Freisetzung von 3000 Gt Kohlenstoff zu 5 Grad Erwärmung geführt haben. Damit dürfte er es ja sicher ebenfalls sehr glaubwürdig finden, dass die vom Menschen verursachte Freisetzung von einem Sechstel dieser Menge durch Verbrennung fossiler Brennstoffe zu den knapp 1 Grad Erwärmung geführt haben, die wir seit Beginn der Industrialisierung messen. Und dass die Begrenzung der Gesamtmenge auf rund 1000 Gt notwendig ist, um unter 2 Grad zu bleiben, wie im Pariser Abkommen vereinbart. Darüber, dass ein Massenaussterben von Arten wie im PETM keine wünschenswerte Zukunft darstellt, darüber dürften wir uns ja sicher auch alle einig sein!

          • “Über das PETM und die damit verbundenen Aspekte gibt es einige Tausend Fachartikel, und es würde wissenschaftlicher Gepflogenheit entsprechen, die verschiedenen Kernaussagen gegeneinander abzuwägen und einzuordnen.”

            Das ist eben der wesentliche Unterschied, ob man (ich nenne es mal) politisch oder wissenschaftlich argumentiert. Ein Politiker im Bundestag kann sich genau die eine Studie herauspicken, die seine Sichtweise bestätigt und alle gegenteilige Studien ignorieren. Er kann trotzdem ein “guter” Politiker sein und Anhänger damit überzeugen. In der Wissenschaftswelt kann man seine Fachkollegen kaum mit Cherry-Picking überzeugen, sie durchschauen das. Die Qualität eines wissenschaftlichen Papers zeichnet sich u.a. dadurch aus, wie gut man im Introduction-Abschnitt den gegenwärtigen Wissensstand darbietet, wichtiges von unwichtigen trennt und die dazugehörige Literaturrecherche.

            Gut, man muss in einem Diskussions-Forum keine Antworten liefern, die in der Wissenschaft zitierfähig wären. Aber ich unterscheide in den Debatten schon, wer durch rauspicken nur seine Meinung bestätigt sehen will oder wer ein “sowohl als auch” in komplexen Themen erkennt.

  4. interessant!
    ich sage aber immer wieder dazu, dass es neben dem Einfluss von Treibhausgasen wie immer natürliche Klimavariationen gibt, welche zum Großteil nicht verstanden sind und auch nicht modellierbar sind.
    Bekannt ist ua. eine Nordverlagerung des subtropischen Hochdruckgürtels über Afrika und dem Atlantik seit ca. 100 Jahren. Das bringt z.B dem Alpenraum einen sommerlichen Strahlungsgenuss von rund 5W/m².
    Im Bereich südlich von Grönland herrschen seit Dekaden häufiger kalte Winde aus N bis NW, der Trog liegt häufig westlich vor der europäischen Küste, was wiederum stromaufwärts milderes Wetter und an der Rückseite kältere Bedingungen bewirkt. Da der sg. Golfstrom ja primär windgetrieben erscheint, wären auch diese Strömungen dort aus vermehrt “falscher Richtung” für die Anomalien zumindest mitverantwortlich. Ich denke, mal sollte nicht immer versuchen, alles auf das CO2 zu schieben. Diese Fixierung lässt einem gerne vergessen, dass es oft viel einfacher ist und es geht am Ende doch um Verständnisgewinn, oder?

    • Der Golfstrom im engeren Sinne ist (wie im Artikel erläutert) überwiegend windgetrieben, die vertikale Umwälzbewegung (AMOC) dagegen nicht – sie wird v.a. durch Dichteunterschiede des Wassers verursacht und daher als thermohaline Zirkulation bezeichnet. Der windgetriebene Teil des Golfstromwassers sinkt nicht im hohen Norden ab sondern rezirkuliert an der Oberfläche im Subtropenwirbel – daher trägt er kaum zum Netto-Wärmetransport bei, weil das Wasser fast genauso warm wieder nach Süden zurückkehrt wie es zuvor nach Norden geströmt ist. Für die hier diskutierte Kälteblase ist daher die AMOC relevant, die den großen Wärmetransport bringt, dessen Veränderungen daher auch zu starken Temperaturänderungen führen können.

  5. Sie haben ein interessantes Thema fundiert abgehandelt. Positiv ist insbesondere auch zu vermerken, dass man Einblicke in die Abläufe seriöser Klimaforschung erhält. Das Sonderheft zur Arctic Circle Assembly ist wirklich sehr gut geworden (das sage ich jetzt mal als ehemaliger Marketing-Spezialist). Mein offener Wunsch wäre, irgendwann einmal zu erfahren, wer oder was eigentlich „Q&A“ ist (?).

    Da möchte ich nun auch etwas bieten, was für viele interessant sein könnte. Ich habe mir gestern in der Uni-Bibliothek eine sehr empfehlenswerte und soeben erschienene Monographie ausgeliehen: „Klima und Mensch – Eine 12.000-jährige Geschichte“ ist von Heinz Wanner, ein renommierter emeritierter Professor und aktiver Klimaforscher aus Bern in der Schweiz.

    Das Buch bietet in der Breite eigentlich alles Notwendige für den großen Überblick, geht jedoch auch sehr in die Tiefe, es werden z.B. viele detaillierte Schaubilder und wichtige Berechnungen geboten oder sogar Begriffe wie „Parametrisierung“ im Kontext verständlich erläutert.

    Geeignet für alle Nicht-Experten, die sich fachlich orientieren oder gezielt höher entwickeln wollen (vgl. dazu die „Kompetenzstufen“ bei Wikipedia).

    • Ah, vielleicht war Q&A zu sehr englischer Jargon für das deutsche Publikum… ist eine Standardabkürzung für Questions & Answers, so ähnlich wie FAQ – ich dachte solche Anglizismen sind durch die Netzwelt inzwischen auch hierzulande geläufig.
      Wanner ist gut, wir kennen uns auch persönlich schon lange.

  6. Herr Rahmstorf, wann genau in der Erdgeschichte gab es schon mal ein Abreißen des Nordatlantikstroms und Golfstroms durch einen schnellen CO2-Anstieg und damit verbundenen Temperaturanstieg? Ich kann mich nicht erinnern. Zudem ist der Golfstrom, wie Sie als Ozeanograph wissen sollten, windgetrieben. Das warme Oberflächenwasser wird von Golf von Mexiko in den Nordatlantik transportiert. Ein Teil rezirkuliert vor Afrika nach Süden, der andere Teil kühlt sich im Nordatlantik und Nordpolarmeer ab, wird dadurch dichter und schwerer und sinkt ab und rezirkuliert dann in der Tiefe nach Süden. Das Wasser bleibt also nicht stehen.

    MfG

    Michael Krüger

    • Es ist doch immer wieder erfrischend, wenn Laien einen so forsch belehren (“wie Sie als Ozeanograph wissen sollten”)! (Dass ich’s schon weiß, hätten Sie aber daran erkennen können, dass ich es selbst oben im Artikel geschrieben habe…)

      Aber zu Ihrer Frage: der letzte Zusammenbruch der atlantischen Umwälzzirkulation fand bei der letzten vergleichbar starken Erwärmung wie in diesem Jahrhundert erwartet statt, nämlich beim Übergang von der letzten Eiszeit ins Holozän. (Jetzt sagen Sie bestimmt: diese Erwärmung war aber nicht CO2-getrieben. Stimmt, Antrieb waren die Erdbahnzyklen, der gleichzeitige CO2-Anstieg war nur eine verstärkende Rückkopplung. Aber der Ozeanzirkulation ist die Ursache der Erwärmung egal, es ist der Temperaturanstieg und der damit verbundene Schmelzwassereinstrom der die Strömung in die Knie zwingt.

      • Herr Rahmstorf, stellen Sie sich vor, ich habe ein Diplom im Ozeanographie. Das Jüngere Dryas-Ereignis, auf das Sie anspielen, fand am Ende der letzten Eiszeit statt. Als Grund für das Aufhören der Tiefenkonvektion (Tiefenumwälzung) wird eine plötzliche und gewaltige Schmelzwasserzufuhr vom Laurentischen Eisschild über die Labradorsee in das Absinkgebiet der thermohalinen Zirkulation angenommen. Gigantische Massen an süßen Schmelzwasser ergossen sich dabei in den Nordatlantik. Heute gibt es keinen Eisschild über Nordamerika, der abschmelzen könnte.

        Nun, es gab also bisher kein Ereignis in der Erdgeschichte bei dem Infolge eines CO2-Anstieges das Golfstromsystem, oder ein ähnliches System zum Erliegen gebracht wurde.

        MfG

        Michael Krüger

        • Wie gesagt gab es auch noch nie einen so raschen und starken CO2-Anstieg, wie wir ihn durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe verursachen – pro Jahr verbrennen wir soviel, wie sich in rund einer Million Jahr gebildet hat. Wir kennen in der Erdgeschichte auch keine so rasche globale Erwärmung wie die, die wir derzeit verursachen. Bei der Erwärmung aus der letzten Eiszeit stieg die globale Temperatur um ca. 5 °C innerhalb von 5.000 Jahren, das sind 0,1 °C pro Jahrhundert. Wir reden jetzt von 2, 3 oder 4 °C im 21. Jahrhundert, je nach Erfolg der Klimapolitik. Der Grönländische Eisschild ist zwar viel kleiner als der Laurentische Eisschild während der letzten Eiszeit gewesen ist – die mindestens zwanzig mal raschere Erwärmung als damals könnte aber dennoch solche Schmelzwasserströme freisetzen, dass dadurch (gemeinsam mit dem Effekt der Erwärmung selbst und den zunehmenden Niederschlägen) die thermohaline Zirkulation abreißen könnte. Dieses Risiko können wir nach heutigem Forschungsstand leider nicht ausschließen.

          • Wir kennen in der Erdgeschichte auch keine so rasche globale Erwärmung wie die, die wir derzeit verursachen.

            Herr Rahmstorf, dann nenn ich mal das PETM. Einen schnellen CO2-Anstieg gab es z.B. auch vor ungefähr 50 bis 55 Millionen Jahren im Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (PETM). Bis zu 4500 Gigatonnen Kohlenstoff wurden dort in relativ kurzer Zeit freigesetzt gemäß James Zachos der Bohrkerne vom Bohrschiff “Joides Resolution” nahe Namibia ausgewertet hat. Eine andere Studie kommt auf 3000 Gigatonnen Kohlenstoff in 13 Jahren für diese Zeit (PETM) und 5°C Temperaturanstieg. Schaller et. al Paper.

            Was war passiert? Das meiste CO2 ist nicht in den fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas gebunden, sondern im Karbonatgestein (durch Verwitterung). Durch das auseinanderbrechen des Kontients Laurasiens (Nordamerika und Europa/Asien) vor ca. 55 Millionen Jahren, wodurch sich der Nord-Atlantik gebildet hat (die Landbrücke zwischen Nordamerika und Nord-Europa verschwand), wurden wahrscheinlich gigantische Mengen an CO2 aus der Erdkruste aus Karbonatgesteinen freigesetzt und Methan aus Gashydraten. 3.000 Gigatonnen Kohlenstoff in 13 Jahren. Das führte zu einen globalen Temperaturanstieg um 5°C.

            Zum Vergleich: Durch die Verfeuerung fossiler Energieträger seit Beginn der industriellen Revolution sind erst 500 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Kohlenstoff zusätzlich in die Atmosphäre eingebracht worden. Also Peanuts.

            Die Kontinente lagen vor 50 Mio. Jahren nicht weit weg von ihrer heutigen Position. Den Golf von Mexiko gab es damals auch schon, der Nordatlantik war gerade entstanden und vermutlich auch ein Proto-Golfstromsystem. Dieses ist während des PETMs nicht versiegt, z.B. durch mehr Niederschläge, denn große Eismassen gab es damals ja nicht. Es schloss sich keine Eiszeit an, sonder das Eozän-Klimaoptimum.

            Heute schwankt das Meereisvolumen in der Arktis um bis zu 20.000 km^3 pro Jahr. Im Frühjahr und Sommer schmelzen in der Arktis bis zu 20.000 km^3 Meereis, also Süßwasser. Selbst das bringt das Golfstromsystem nicht zum Erliegen.

            Herr Rahmstorf, für Ihre Theorie zum Versiegen des Golfstromsystems infolge von CO2, Temperaturerhöhung und Schmelzwassereintrag/ mehr Niederschläge, gibt es nicht einen Präzedenzfall in der Erdgeschichte. Reine Erfindung. Das Schlimme ist, wie ich finde, dass diese Erfindung unbedarfte Klimaschützer glauben und auch einige unbedarfte Fachkollegen.

            MfG

            Michael Krüger

          • Lieber Herr Krüger, in der Tat wird das PETM seit etlichen Jahren in der Fachliteratur diskutiert als das praktisch einzige Paradebeispiel einer raschen Kohlenstoffreisetzung in ähnlicher Größe wie die Menschheit sie derzeit betreibt – in unserem Buch Der Klimawandel von 2006 ist das PETM auf den Seiten 18-20 behandelt. Die These von Wright und Schaller (2013), auf die Sie sich beziehen, dass der Kohlenstoff innert 13 Jahren freigesetzt worden sein soll, ist aber (gelinde gesagt) höchst umstritten und wird von kaum einem Experten geteilt. Das Paper hat sofort drei Kommentare in PNAS nach sich gezogen – was sehr ungewöhnlich ist, einer davon mit dem Titel “Onset of carbon isotope excursion at the Paleocene-Eocene thermal maximum took millennia, not 13 years”. Dass die Freisetzung Jahrtausende dauerte ist der tatsächliche weitgehende Konsens in der Paläocommunity, die 13 Jahre sind eine extreme Außenseiterthese. Wenn Sie das Paper von Wright und Schaller lesen werden Sie feststellen, dass die Autoren als “Uhr” in der von ihnen betrachteten Sedimentschicht eine rythmische Variation benutzen, von der sie lediglich vermuten, dass es sich um Jahresschichten handelt – sie diskutieren u.a. auch die Möglichkeit, es könnte sich um Orbitalzyklen mit einer Periode von 20.000 Jahren statt um einzelne Jahre handeln. Man weiß es nicht. Es ist sicher eine sensationelle und provokante These, die noch weiter diskutiert werden wird – gesichertes Wissen ist das definiv nicht. Und wie soll durch einen extrem langsamen plattentektonischen Prozess (Bildung des Nordatlantiks) innert 13 Jahren soviel Kohlenstoff freigesetzt worden sein? Der von Ihnen genannte Mechanismus passt nicht zu dieser Zeitskala. Meine Kritik an “Klimaskeptiker”-Autoren wie Ihnen ist die selektive Wahrnehmung: was Ihnen ins Konzept passt, wird wie ein definitives Faktum präsentiert, egal wie wenig wissenschaftlich gesichert es ist; anderes lehnen sie einfach rundheraus ab, obwohl es von der breiten Fachcommunity allgemein akzeptiert wird, weil die Belege dafür solide und vielfältig sind.

            Und woher wissen Sie denn, dass infolge der Erwärmung im PETM die Atlantikströmung nicht abgerissen ist? In der Fachliteratur wird just ein solches Abreißen der Strömung als Erklärung dafür diskutiert, dass es zu Sauerstoffmangel (Anoxia) in der Tiefsee und zu einem Massenaussterben mariner Arten im PETM gekommen ist. (Das erfahren Sie schon im Wikipedia-Artikel zum PETM.)

            Die Gefahr eines Versiegens des Golfstromsystems infolge der globalen Erwärmung ist übrigens nicht meine Erfindung sondern wurde schon in der Fachwelt diskutiert, als ich noch Physikstudent war, siehe etwa Wally Broecker, Unpleasant Surprises in the Greenhouse, Nature 1987. Der IPCC hat das Risiko mit bis zu 10% eingestuft (was ich ähnlich sehe). Dass Sie dieses Risiko als “Erfindung” abtun und die Mehrzahl der Fachkollegen als “unbedarft”, das disqualifiziert Sie höchstens selbst.

          • Lieber Herr Krüger, ich habe gerade einen Hinweis auf Ihren Artikel zu meinem Blogbeitrag erhalten und möchte nicht versäumen, diesen an unsere Leser weiterzugeben. Illustriert Ihr Artikel doch nochmals sehr schön ihre übliche Vorgehensweise, offensichtlich unter Pseudonym absurde Vorwürfe gegen Wissenschaftler zu erheben. Sie behaupen dort:

            Herr Prof. Rahmstorf hat, wie er schreibt, als „Student“ u.a. den Nature-Artikel von Wally Broecker aus dem Jahr 1987 als Anleihe für das mögliche Versiegen des Golfstromsystems genommen. Das finde ich als Grundlage doch sehr selektiv und spekulativ. Gerade ein solches Verhalten wirft er aber den „Skeptikern“ vor.

            Nur habe ich nicht das geschrieben, was Sie mir unterstellen – sondern ich habe darauf hingewiesen, dass die Gefahr eines Versiegens des Golfstromsystems bereits in der Fachliteratur debattiert wurde, als ich noch Physikstudent war und mich gar nicht mit Klimaforschung befasst habe – mein Diplom habe ich zur Allgemeinen Relativitätstheorie gemacht. Zum Thema Stabilität der Atlantikzirkulation bin ich erst 1991 als Postdoc in Kiel gekommen, weil am Lehrstuhl von Prof. Willebrand damals zu diesem Thema geforscht wurde. Vor mir u.a. durch Jochem Marotzke, der jetzt Direktor am Max-Planck-Institut in Hamburg ist.

            Interessant ist auch Ihre These:

            Wäre im PETM die Atlantikströmung abgerissen, wie Herr Rahmtorf schreibt, dann hätte sich dem PETM wohl kaum das Eozän-Klimaoptimum angeschlossen, dass ca. 10 Millionen Jahre andauerte.

            Warum nicht? Sie bringen hier erstens die Zeitskalen durcheinander. Ein Abreißen der Atlantikzirkulation hält ja nicht ewig an. Die letzten Male, die die Zirkulation kollabiert ist (Heinrich-Ereignisse und Jüngere Dryas), hat dieser Zustand ca. 1000 Jahre angehalten – ein Wimpernschlag im Vergleich zu den von Ihnen genannte 10 Millionen Jahren. Zudem hat die Atlantikzirkulation praktisch keinen Einfluss auf die globale Mitteltemperatur, weil sie Wärme nur umverteilt. Wenn diese Strömung aktiv ist, dann ist der nördliche Nordatlantik einige Grad wärmer als sonst, die Südhalbkugel dafür kühler. Sie gehen offenbar von der falschen, in manchen Medien früher vermittelten Vorstellung aus (“es schloss sich keine Eiszeit an”), ein Abreißen der Atlantikströmung würde zu einer Eiszeit führen – und übertragen dies gar auf das sehr warme, völlig eisfreie Klima vor 55 millionen Jahren. Wenn Sie regelmäßiger KlimaLounge-Leser wären, hätten Sie sich diesen Irrtum erspart. Oder wenn Sie sich einfach mal auf meiner Homepage umgeschaut hätten (einfach “Eiszeit” in die Suchmaske eingeben). Dort findet man nämlich den Artikel von 1999: DIE EISZEIT KOMMT! – und andere Presse-Irrtümer.

            Wenn Sie doch nach eigener Angabe ein Ozeanografie-Diplom haben: warum stellen Sie ihre Thesen nicht einfach mal unter Fachleuten vor, in einer Fachpublikation oder auf einem Kongress? Einem Laienpublikum gegenüber alle möglichen Dinge über das PETM zu behaupten ist einfach – und ich fürchte, weder Sie noch Ihr Publikum lernen dabei etwas dazu. Sich einer kritischen Fachdiskussion zu stellen ist vielleicht weniger bequem, aber nur so kommt man in der Wissenschaft voran.

  7. Na das ist ja ein Ding, dass die Kälteblase in Modellen vorhergesagt wurde. Bei all der Komplexität der Zusammenhänge zwischen Luft- und Meeresströmen und deren Veränderungen bei der Erderwärmung. Mag sein, dass ich nicht die aller hellste Kerze auf der Geburtstagstorte bin, aber das Klimawissenschaftler selbst solch doch relativ kleine Kälteblase auf dem Schirm gehabt haben zeigt doch, dass die lieben Klimawissenschaftler was drauf haben.

  8. mich würde interessieren, wie das funktionieren soll und zwar:

    wenn nun Süßwasser von Grönland in den Atlantik fließt, wo genau finden die nennenswerten Zuflüsse statt, wann (Wochen, Monate im Jahr), wie viel ist das über die letzten 20 Jahre gewesen und wie verhält sich dieses kalte Schmelzwasser? Wo taucht es ab, wo kann es sich an der Oberfläche halten, wieso ist die Kälteblase so weit weg von Grönland? Die Studien sind meist zahlungspflichtig und man hat in die Modellparameter eh keinen Einblick.

  9. @ Stefan Rahmstorf 13. Oktober 2016 @ 11:59: Danke für die Links und Infos.
    Interessant ist, dass Wanner in seinem Buch, das ich mir sofort gekauft habe, die Daansgard-Oeger-Zyklen weder namentlich benennt noch im Text als die extrem schnellen Temperaturanstiege der Nordhemisphäre in extrem kurzer Zeit beschreibt, wie Sie das in ihrer Studie tun. Er scheint diese Zyklen total vergessen zu haben und beschreibt nur die Bond-Zyklen mit den Kälteeinbrüchen.
    Das wundert mich sehr, zumal er Daansgard und Oescher in einer Übersicht der Klimaforscher kurz nennt und auch den entsprechenden Zeitabschnitt betrachtet.

    Interessant sind in Bild 32 (Wanner) die Temperaturverläufe der Nord- und Südhalbkugel, da diese im Holozän eine wärme Südhemisphäre als Nordhemisphäre zeigen – als ob es den auch im Buch beschriebenen Seesaw-Effekt im Holozän und bei den nicht beschriebenen Daansgard-Oescher-Zyklen nicht gegeben hätte. Klar, die zeitliche Auflösung der Grafik ist gering – doch es ginge auch anders.
    Es wundert mich, wie unterschiedlich in 2 Büchern (Behringer und Wanner) mit einem gut bekannten Klimaphänomen der Vergangenheit umgegangen wird.

    • Ich besitze das Buch von Heinz Wanner noch nicht, bekomme es aber demnächst zum Geburtstag geschenkt. Ich nehme jedoch aufgrund des Untertitels an, dass der Autor den Schwerpunkt seiner Darstellung auf die Historische Klimatologie legt, also auf das Holozän. Dansgaard-Oeschger-Ereignisse fanden jedoch während der letzten Kaltzeit statt (auch wenn gelegentlich die Meinung vertreten wird, dass sie sich in stark modifizierter Form während des Holozäns fortsetzten).

      Ich bin überzeugt davon, dass Heinz Wanner über die Dansgaard-Oeschger-Events sehr gut Bescheid weiß (bei Behringer bin ich mir nicht so sicher). Sie werden in Wanners Werk deshalb nicht behandelt, weil sie außerhalb der gewählten Thematik angesiedelt sind.

    • Hallo Nemesis, vielen Dank, vor allem für den ersten Link. Über die klassischen Experimente des großen Physikers John Tyndall wollte ich schon immer einmal etwas lesen. Er war übrigens auch ein bedeutender Bergsteiger, ganz wilder Typ mit Nordwandgesicht, von ihm gibt es einen grandiosen Bericht über die Erstbesteigung des Weißhorns, außerdem hat er die erste Überschreitung des Matterhorns gemacht.

      Ähem: Er starb jedoch wider Erwarten nicht durch einen Absturz, sondern er erlitt den sog. “Heldentod des Experimentalphysikers” (den Begriff habe ich soeben neu kreiert), ihm mißglückte ein Versuch mit gefährlichen Chemikalien (leider!).

      P.S.: Ich bin ganz dringend auf der Suche nach Informationen zur historischen Entwicklung des Klimaskeptiker-Phänomens. Wenn Sie dazu etwas finden, bitte posten!

  10. @Rahmstorf

    Herr Rahmstorf, Sie gehen auf meine Haupteinwand gar nicht ein: „Im Frühjahr und Sommer schmelzen in der Arktis bis zu 20.000 km^3 Meereis, also Süßwasser. Selbst das bringt das Golfstromsystem nicht zum Erliegen.“ Und das, bei derzeit nur 200 km^3 Eisverlust in Grönland pro Jahr. Also 1% vom schmelzenden Meereis. Sie halten 3.000 km^3 aber schon für kritisch. Ich persönlich halte das für eine Schnapsidee in Anleihe an Wally Broecker. Warum sollte ich das noch unter Fachkollegen vortragen. Die Dinge sind offensichtlich.

    Zumal: Seit etwa 50-55 Mio. Jahren (Bildung des Nordatlantiks) gibt es den Proto-Golfstrom. Dieser und der Golfstrom selbst sind in dieser Zeit nie nachweislich in einer Warmzeit zum Versiegen gekommen. Nur in Eiszeiten, durch die Eismassen (die die Oberflächenzirkulation behinderten) und am Ende der letzten Eiszeit durch gigantische Massen an Schmelzwasser vom Nordamerikanischen Kontinent.

    Übrigens: Herr Lünig hat in Bremen im Geo-Gebäude promoviert, wo ich auch gearbeitet habe und bis vor wenigen Jahren in meiner Nachbarschaft gewohnt. Ich kenne Herrn Lüning aber nicht persönlich. Ich kann Ihnen aber versichern, Herr Lüning hat nicht in Saus und Braus gelebt von Schmiergeldern von RWE und Big Oil. In der Nachbarschaft von Herrn Lüning hausten gar die Grünen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stadtteilgruppe Findorff.

    Und warum machen die “Skeptiker” das, was sie tun? Ganz einfach: Vielleicht weil Sie Herr Rahmstorf Klimaschutzpolitik betreiben und Klimaschützer anstachelt, um eine große Transformation der Gesellschaft durchzusetzen? Diese zerstört dann auch noch nachhaltig unsere Natur, Umwelt und die Sozialsysteme. Durch Vermaisung, Vogelschredder, Krähenspiegel, die in der Landschaft rumstehen und auf Wind und Sonne warten und eine volle konventionelle Reserve im Hintergrund erfordern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint und so praktisch kein CO2 einsparen. Und wer darf es zahlen? Genau, die verarmende Bevölkerung, u.a. über Kürzungen im Sozialbereich und Abgaben. Und woher kommen die Rohstoffe für die große Transformation. Genau, aus der 3. Welt und den Schwellenländern. Wir “Skeptiker” machen das also, um unseren Wohlstand für uns und die nachfolgenden Generationen zu bewahren und damit die Entwicklungsländer auch diesen Weg zu Wohlstand und einen lebenswerten Leben gehen können. Sollte der Klimawandel bedrohlich werden, dann kann man dem ganz einfach entgegen steuern. Über Wetterballons und daran angebrachte Schläuche wird Schwefelsäure vom Boden aus in die Stratosphäre eingetragen und eine Abschattung bewirkt. Dadurch kühlt sich die Erde umgehend ab. So machen es auch die Vulkane. Das ist eine effektive und schnell wirksame Maßnahme, die kostengünstig umzusetzen ist, bis Ihr CO2 aus der Atmosphäre wieder in den terrigenen und biogenen Senken verschwunden ist.

    MfG

    Michael Krüger

    • Lieber Herr Krüger, das Meereis, das im Frühjahr schmilzt, bildet sich doch im Herbst wieder. Das ergibt übers Jahr betrachtet keinen Netto-Süßwassereintrag. Nur der Nettoverlust von Meereis im Zuge der globalen Erwärmung trägt zur nachhaltigen Abnahme des Salzgehaltes im Nordatlantik bei. Dieser Beträgt von 1980-2016 insgesamt rund 10.000 km3. Das ist natürlich auch ein wichtiger Beitrag, der mit zur Abschwächung der Atlantikzirkulation beiträgt. Wie im Artikel oben explizit erläutert: wir sagen nirgends, dass Grönland der Hauptbeitrag ist, wir haben in unserem Paper nur darauf hingewiesen, dass das Schmelzwasser von Grönland solche Ausmaße erreicht, dass man es auch einkalkulieren sollte. Bislang wurde es in den allermeisten Studien einfach vernachlässigt.

      Wenn Ihr Anliegen darin besteht, dass Sie mit bestimmten Aspekten der Klimapolitik nicht einverstanden sind (wie deren Kosten oder Landschaftsverbrauch), dann habe ich dafür volles Verständnis. Wie Klimapolitik am besten gestaltet werden sollte: genau darüber brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte! Unsinnige Argumente gegen die Klimawissenschaft vorzubringen, die leicht widerlegbar sind, bringt diese notwendige Debatte allerdings keinen Schritt weiter. Sie führen da eine sinnlose Stellvertreterdebatte, für die Sie offenbar nicht genug Sachverstand haben und die ja offenbar auch gar nicht ihr eigentliches Anliegen ist. Führen Sie doch einfach eine ehrliche Debatte z.B. über die Kosten der erneuerbaren Energien!

      • @Rahmstorf

        Lieber Herr Krüger, das Meereis, das im Frühjahr schmilzt, bildet sich doch im Herbst wieder. Das ergibt übers Jahr betrachtet keinen Netto-Süßwassereintrag.

        Herr Rahmstorf, Schelfeis, Festlandeis und Schnee bilden sich auch in Grönland im Herbst und Winter wieder neu. Das ergibt dann auch nur Netto -200 km^3 Eisverlust. Zudem zweifele ich an, dass der Ozean/ der Nordatlantik Netto-Süßwasser-Jahres-Bilanzen kennt. Schmelzwasser vom Laurentischen Eisschild ergoss sich auch zum Ende der letzten Eiszeit spontan in den Nordatlantik und das zeigte sofort Wirkung auf das Golfstromsystem.

        Nur der Nettoverlust von Meereis im Zuge der globalen Erwärmung trägt zur nachhaltigen Abnahme des Salzgehaltes im Nordatlantik bei. Dieser Beträgt von 1980-2016 insgesamt rund 10.000 km3. Das ist natürlich auch ein wichtiger Beitrag, der mit zur Abschwächung der Atlantikzirkulation beiträgt.

        Herr Rahmstorf, im jeden Frühjahr und Sommer schmelzen aber rund 20.000 km^3 Meereis/ Süßwasser pro Jahr ab, die sich ins Nordpolarmeer und in den Nordatlantik ergießen.

        http://www.science-skeptical.de/wp-content/uploads/2016/10/CryoSat-2-Meereisvolumen2-665×1024.jpg

        Die sollten dann eigentlich das Wasser im Nordatlantik soweit versüßen (die Dichte verringern), dass es dort nicht mehr absinken kann. Jedenfalls, wenn man an ein solches Versiegen des Golfstromsystems glaubt.

        MfG

        Michael Krüger

        • Lieber Herr Krüger, wann schmilzt das Eis? Im Frühjahr/Sommer. Wann bildet sich neues Tiefenwasser? Nur im Winter, wenn die Dichte des Wassers am höchsten ist (und übrigens auch nicht unbedingt jeden Winter).
          Im Sommer bildet sich eine flache, warme und relativ salzarme Wasserschicht an der Meeresoberfläche, die aufgrund ihrer geringen Dichte die Tiefenkonvektion verhindert. Deswegen bricht die Strömung natürlich nicht jeden Sommer zusammen, da das ganze System träge ist und erst auf längeren Zeitskalen reagiert.

          Wussten Sie nicht, als angeblicher Diplom-Ozeanograph? Macht ja auch nichts – nur halte ich es nicht für besonders sinnvoll, wenn Leute, die die elementaren Zusammenhänge gar nicht verstehen, meinen es besser zu wissen als die professionellen Forscher.

          • @Rahmstorf

            Lieber Herr Krüger, wann schmilzt das Eis? Im Frühjahr/Sommer. Wann bildet sich neues Tiefenwasser? Nur im Winter, wenn die Dichte des Wassers am höchsten ist (und übrigens auch nicht unbedingt jeden Winter).
            Im Sommer bildet sich eine flache, warme und relativ salzarme Wasserschicht an der Meeresoberfläche, die aufgrund ihrer geringen Dichte die Tiefenkonvektion verhindert.

            Herr Rahmstorf, Tiefenwasser bildet sich, in der Gröndland-, Island-, Nowegischen-See und Labrador-See wenn die Temperatur des Oberflächenwassers unter die des darunter befindlichen Wassers absinkt. Also unter ca. 5 bis -1°C. Und das ist im Frühjahr, Herbst und Winter der Fall, also auch während der Meereisschmelze. Das offene Polarmeer durchmischt sich übrigens unter der Windeinwirkung bis ca. 100-200 Meter Tiefe. Die salzarme Oberflächenschicht, bei 30 Promille anstatt 35, kommt vor allem durch Süßwasserzuflusssyteme der Flüsse Ob, Lena, Yenisey und Mackenzie, etc., aus weiten Teilen von Nordamerika und Asien. Auch das bringt das Golfstromsystem übrigens nicht zum Erliegen.

            MfG

            Michael Krüger

          • Lieber Herr Krüger, ich sehe schon, wir könnten diese Diskussion endlos fortsetzen, da Sie stets darauf beharren, alles besser zu wissen als die am Thema forschenden Profis. Ich will dies nun aber auch aus Zeitgründen auf sich beruhen lassen und Ihnen nur noch drei Literaturhinweise geben. Der Grundmechanismus der Tiefenwasserbildung ist in Send und Marshall 1995 beschrieben, er beruht auf der winterlichen Tiefenkonvektion, die typischerweise bis 2000 Meter Tiefe reicht. Im Sommer bildet sich dagegen die von Ihnen genannte flache Oberflächenschicht aus. Eine aktuelle Arbeit zur Abschwächung der Labradorseekonvektion aufgrund des zunehmenden Süßwassereintrags ist die Studie von Yang et al. 2016, die folgert: “We suggest that recent freshening in the vicinity of Greenland is reducing the formation of dense Labrador Sea Water, potentially weakening the AMOC.”

            Die einströmenden Mengen an Süßwasser, die seit jeher da waren, können das Golfstromsystem natürlich nicht in die Knie zwingen, denn damit befindet es sich ja seit jeher im Gleichgewicht. Nur eine klimatische Zunahme des Süßwassereintrags schwächt das Golfstromsystem relativ zu seinem vorherigen Gleichgewichtszustand. Auch der Zustrom von Süßwasser durch die von Ihnen genannten Flüsse hat übrigens im Zuge der globalen Erwärmung zugenommen, wie wir in einem Paper in Science 2002 bereits nachgewiesen haben. Die verschiedenen Beiträge zum zunehmenden Süßwassereintrag – die zunehmenden Niederschläge und Abflussmengen, die Schmelze des Meereises und des Grönlandeises – summieren sich auf und führen zur beobachteten Abnahme des Salzgehaltes im subpolaren Atlantik.

      • Ich verfolge die Diskussion zwischen Ihnen und Herrn Krüger ja überaus gerne und ich finde das Ganze für mich persönlich durchaus lehrreich.

        Sie deuteten weiter oben an, dass Sie der Ansicht sind, es handele sich bei seinem Namen um ein Pseudonym. Was veranlasste Sie zu dieser Annahme?

        Die Disussion zwischen ihnen beiden hat natürlich längst den Charakter “Geduldiger Lehrer klärt einfältigen Schüler auf” angenommen. Ich konnte mir ja nach Ihrem “Lieber Herr Krüger, das Meereis, das im Frühjahr schmilzt, bildet sich doch im Herbst wieder.” den Schenkelklopfer nicht verkneifen, würde aber bei derartigen Fettnäpfchen eher darauf tippen, dass zwar der Name der Wahrheit entspricht, aber das angebliche Diplom eher eine vollmundige Aufschneiderei ist.

    • @Krüger: Wie definieren Sie eigentlich „unser Wohlstand“? Deckt ihre Definition auch meinen Wohlstand ab? Was haben z.B. 40 (oder sind es schon 60?) Millionen grotesk übermotorisierte PKW – die 23 Stunden am Tag sinnlos herumstehen, für die gigantische Mengen Rohstoffe verschwendet wurden, die ein einziges ästhetisches und städtebauliches und andere Menschen belästigendes Desaster sind – mit Wohlstand zu tun?

      Es muss der wissenschaftliche Anspruch sein, ein komplexes System (ob Wirtschaft, Klima, Energiewende usw.) in allen relevanten Facetten zu beschreiben – aus bilanzierender volkswirtschaftlicher Sicht gehören dazu immer externe Effekte. Sie, Herr Krüger, betreiben (wie andere Skeptiker) eine ziemlich schräge Partialanalytik, ihr greift euch immer nur die ideologisch passenden Teilaspekte eines Sachverhalts heraus. Dazu kommt eine nach außen (und innen!) verheerend wirkende destruktive und jede Verantwortung abschiebende Grundhaltung, die eine Kommunikation mit echten Wissenschaftlern, ernsthaften Politikern oder wirtschaftlichen Entscheidungsträgern nachhaltig verhindert (und die übrigens konsequent dazu geführt hat, dass ihr schon lange in immer gleichen und langweiligen Wiederholungsschleifen gefangen seid).

      Eine „society of free people“ im Sinne Friedrich von Hayeks und Walter Euckens mit vielfältigen Wahlmöglichkeiten: Ich bezahle mehr für meinen Strom, weil die Gemeinde ihn erzeugt, weil die Wertschöpfung in der Region bleibt, weil die externen Kosten gering sind. Mein Nachbar produziert seine Energie jetzt ganz stolz selbst; der Bauer dort hinten ist durch die Biogasanlage (plus PV) zum Energiewirt geworden, nur so kann er seinen Betrieb erhalten. Das sind nur drei Beispiele (von vielen möglichen) für externe Nutzen-Komponenten der Erneuerbaren, die diesem dezentralen Energie-4.0-System selbstverständlich auf der Haben-Seite gutzuschreiben sind.

    • @Krüger: “Sollte der Klimawandel bedrohlich werden, dann kann man dem ganz einfach entgegen steuern.”

      Ich frage mich, wie das “ganz einfach” passieren soll, wenn wir in der Welt schon mit den ganz normalen Wetterereignissen zu kämpfen haben? Für Haiti ist das ganz normale Wetterphänomen “Hurrikan” ein Armutsrisiko. Wie wollen solche Länder auf die Füße kommen, wenn klimatische Veränderungen diese Phänomene noch verschärfen.

      Ganz ehrlich, sie klingen wie ein Raucher, der zum Arzt meint, wenn seine Angewohnheit zur Bedrohung werden sollte, dann solle man eben ganz einfach die schlechten Organe austauschen.

      “Wir „Skeptiker“ machen das also, um unseren Wohlstand für uns und die nachfolgenden Generationen zu bewahren und damit die Entwicklungsländer auch diesen Weg zu Wohlstand und einen lebenswerten Leben gehen können.”

      Viele “Skeptiker” machen sich erstmal Sorgen um ihre eigene Brieftasche. Ein Zuschlag von 7 ct pro kwh sehen sie schon als Bedrohung ihres eigenen Wohlstandes an. Umgekehrt meinen sie aber, dass die Menschheit sich schon immer widrigen Bedingungen angepasst hat. Ja, nur mit dieser Einstellung sicher nicht. 😉 Und ganz ehrlich Herr Krüger, vielen geht die Lebenswirklichkeit der Entwicklungsländer ziemlich am Allerwertesten vorbei. Ich lese keinen Beitrag von Ihnen, dass selbst die Jahrzehnte der Politik ohne Klimaschutz dazu führte, dass heute immer noch eine Milliarde Menschen nicht an einem Stromnetz angeschlossen sind.

    • Herr Krüger, nehmen Sie zur Kenntnis, dass die “Vermaisung” zu zwei Dritteln dem Anbau von Futtermais geschuldet ist. Damit werden unsere lieben Tiere aufgezogen, die wir zum Fressen gern haben und deren Exkremente ein Umweltproblem darstellen und eventuell in einer Biogasanlage verstromt werden. Die Welt ist nicht so einfach, wie Sie es gerne hätten.

    • @Krüger

      Ja ! Schwefelsäure in die Stratosphäre einzubringen ist wirklich eine gute Idee. Noch besser wäre eine Atombombe, die ordentlich Staub erzeugt (ähnlich wie Vulkane). Wenn dieser noch entsprechender Zeit sich gesetzt hat, zündet man die nächste. Solange bis nach ca. x mal Hunderttausend Jahren das CO2 wieder in den natürlichen Senken verschwunden ist.

  11. über das Holozän war es doch um Grönland die meiste Zeit deutlich milder als gegenwärtig. Das hat den Golfstrom anscheinend wenig gestört!

    • Nicht höhere Temperaturen an sich, sondern deren Anstieg schwächen das Golfstromsystem. Im Holozän fanden sich die höheren nördlichen Breiten in einem allmählichen Abkühlungstrend aufgrund der Erdbahnzyklen, der erst durch den Menschen ins Gegenteil verkehrt wurde.

        • Hallo Hubert N

          Die verlinkten Seite von JoNova ist mal wieder ein sehr gutes Beispiel von Cherry Picking und Manipulieren durch weglassen von Daten. Hier sind es rekonstruierten Daten aus dem Grönländischen Eisschild. Jedoch ist hier zu berücksichtigen das diese Daten nur bis 1855 reichen und keinesfalls den aktuellen Temperaturanstieg wiederspiegeln. (Über eine Änderung des Posts von Nova wurde das auch in der zweiten Grafikunterschrift ergänzt – “UPDATE: This graph shows the ice-core data up until 1855.”)

          Ergänzt man die Temperaturdaten um die gemessenen Temperaturen, so ergibt sich schon ein ganz anderes Bild: https://www.skepticalscience.com/10000-years-warmer.htm.

          • zu Geyer und Hader,

            ich weiß, dass die Eisbohrkerne nicht bis heute reichen, aber auch, dass alle verfügbaren über Grönland sehr ähnliche Verläufe über das Holozän zeigen, was auch kein wunder ist, liegt die Auflösung doch bei mehreren Dekaden. Klar ist es die jüngsten Jahrzehnte noch etwas milder geworden, aber das spielt keine Rolle, weil gezeigt werden kann, das Grönland schon mehrmals und größere T Amplituden erlebt hat, schnelle Erwärmungen mit (nach Theorie Rahmstorf) gewaltigen Schmelzwasserflüssen. Der Golfstrom blieb weitestgehend stabil, was alle T Aufzeichnungen rund herum beweisen. Wenn ich im Begutachterraum sitzen würde, hätte ich so ein Paper nicht durchgelassen, da parametrisierte Simulationen alleine für solche Behauptungen zu wenig sind und die Daten der Vergangenheit klar gegen solche Ansätze sprechen, zumindest mittelfristig über etliche weitere Jahrzehnte.

        • Sorry Hubert N. wenn ich da mal als Laie nachharke. Aber diese Eisbohrkerne können doch nur Klimaänderungen lokaler Art festhalten. So wie man mit dem eigenen Thermometer das Wetter und Klima (durch Mittelung) Vorort erfassen kann, aber nicht der gesamten Erde. Einen Eindruck über den globalen Verlauf des Klimas bekommt man doch erst dann, wenn man ein verteiltes Netz von Eisbohrkernen und weiteren Proxys entsprechend mittelt.

  12. @Rahmstorf

    Die einströmenden Mengen an Süßwasser, die seit jeher da waren, können das Golfstromsystem natürlich nicht in die Knie zwingen, denn damit befindet es sich ja seit jeher im Gleichgewicht.

    Herr Rahmstorf, da gibt es einige Probleme mit Ihrer Theorie:

    1. Grönlandeis schmilzt wie Meereis und Festlandeis, welches die Flüsse zuführen im Sommerhalbjahr. Hat demgemäß dann auch keine
    Auswirkung aus die Tiefenwasserbildung, die ja nur im Winter stattfinden soll?

    2. Über die sommerliche Meereischmelze werden 20.000 km^3 Süßwasser zugeführt und über die Flüsse ähnlich große Mengen. Der Verlust an Grönlandeis liegt bei nur 200 km^3 pro Jahr, also nicht mal 1% vom Meereis und den Flüssen. Diese nicht mal 1% sollen eine relevante Größe sein und 3.000 km^3 sollen das System möglicherweise zum Kippen bringen? Zumal ändern sich die Süßwasserzuflüsse jährlich.

    3. Das salzreiche Oberflächenwasser, welches der Golf- und Nordatlantikstrom antransportieren kühlt sich im Norden ab und sinkt dann, in 100-200 m Tiefe, unter das salzärmere Polare Oberflächenwasser (als Atlantic water layer). Siehe z.B. Matthias Tomczak. Pflichtlektüre bei uns. Oder Aagaard and Carmack. Das geschieht nicht nur im Winter (Dez, Jan, Feb), sondern auch bei kalten Temperaturen im Frühjahr und Herbst. Der Tiefenwasserbildung kommt nicht 9 Monate im Jahr zum Erliegen.

    4. Das Ganze funktioniert schon das ganze Holozän (unserer heutigen Warmzeit) über, also seit ca. 10.000. Und vor allem im frühen Holozän, vor ca. 7.000-6.000 Jahren, hatten wir höhere Temperaturen und andere Süßwasserzuflüsse als heute. Auch in der Arktis. Von Gleichgewicht kann im Anbetracht der klimatischen Schwankungen alleine im Holozän auch nicht die Rede sein.

    MfG

    Michael Krüger

  13. kann dieser cold blob auch etwas mit einer Sea Level Anomalie zu tun haben?

    Ich meine, Ozeane und Atmosphäre sind ja immer bestrebt, ein hydrostatisches Gleichgewicht einzunehmen. Wie kann eine solche, fast kreisförmige Anomalie entstehen, wenn eine NO Strömung an Stärke verliert? Ich verstehe das leider überhaupt nicht, es kommt mir alles sehr suspekt vor. Vielleicht kommt es genau in diesem Gebiet vermehrt zur Zyklogenese an der Polarfront, dann ergeben sich solche typischen Muster.

  14. Hubert N. sagt:
    es gab aber über Jahrhunderte sehr bedeutende T Anstiege, oder etwa nicht?
    http://images.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F
    =================================

    Lieber Herr Hubert N.,
    was wollen sie demonstrieren mit einer Temperaturreihe, die im Jahr 1855 endet??
    Vervollständigen sie mal bis heute, dann sehen sie die Relation des momentanen, anthropogen bedingten Anstiegs zu den vorherigen.
    MfG
    Frankfurter

  15. Im Nordatlantik ist diese Anomalie bereits in der 1. Hälfte des letzten Jahrhunderts zu finden und da es zu dieser Zeit deutlich kühler, insbesondere um Grönland war, als die meiste Zeit der letzten paar 1000 Jahre, halte ich die vorgestellte Theorie für haltlos.

    • Ich verstehe das Argument nicht. Die Zeitreihe der Anomalie ist ja oben in Abb. 3 gezeigt. Was auf eine Abschwächung der Zirkulation hindeutet ist ja gerade die Abnahme in dieser Kurve, relativ zur ersten Hälfte des 20. Jh.