Plasmakristall-Experiment Mission 11

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Blick über den Plasmarand
Zündspannung

Gestern sind wir in Korolyov in der Nähe Moskaus angekommen, um die 11. Mission des Plasmakristall-Experiments auf der Internationalen Raumstation vorzubereiten. Dieses Mal sind sogar vier anstelle der üblichen drei Experimenttage geplant, da ein Experiment gemeinsam mit japanischen Kollegen durchgeführt wird.

Gestern waren wir nur einkaufen und haben unsere Hotelzimmer bezogen. Heute sind wir dann ins Kontrollzentrum gefahren, wo wir zusammen mit unseren russischen Kollegen den Vergleichsexperiment-Aufbau aufgebaut haben. Wir haben dann gleich angefangen, die geplanten Experimente zu testen.

Die Experimente werden normalerweise teilautomatisch ausgeführt, d.h., die meisten Einstellungen werden automatisch gemacht, und der Kosmonaut auf der ISS muss nur bei bestimmten Dingen eingreifen, z.B. wenn ein Parameter wie der Druck oder die Teilchendichte so lange geändert werden soll, bis ein bestimmter Effekt auftritt, den man nur per Zuschauen und Mitdenken eindeutig identifizieren kann. Deshalb werden immer automatische Abläufe, die Prozeduren, ausgeführt, an denen an den Stellen Pausen eingebaut sind, wenn der Kosmonaut handeln soll.

Zwei der Prozeduren, bei denen es unter anderem um Kristallisation geht, liefen heute beim Testen ohne Probleme durch; bei einer anderen traten kleinere unerwünschte Effekte auf. Einmal ist das Plasma unerwartet ausgegangen, was natürlich möglichst vermieden werden soll. Die Einstellungen hat unsere Ingenieurin, Tanja Hagl, dann auch gleich in dem Programm geändert. Morgen wird diese Prozedur dann noch einmal getestet, und auch die bisher fehlende vierte Prozedur ausprobiert.

Außerdem haben wir auch Probleme simuliert, die während der Durchführung auf der ISS auftreten könnten. Falls das Plasma unerwarteterweise doch auch auf der Raumstation ausgehen sollte, muss die Apparatur das Plasma automatisch wieder zünden, Teilchen einschütteln und bei einem späteren Punkt wieder einsteigen.

Besonders gespannt bin ich bei dieser Mission auf ein Experiment zu selbstangeregten Wellen. Bisher sind diese Wellen in der Mikroteilchenkomponente des komplexen Plasmas auf der Raumstation nicht selbstständig entstanden, anders als auf dem Boden. Kollegen von uns von der Universität Kiel haben diese Wellen auf Parabelflügen bereits mehrmals beobachtet und haben uns die Parameter zur Verfügung gestellt, von denen sie denken, dass die Wellen in dem Experiment auf der ISS auftauchen sollten.

Leider werden wir das Ergebnis wohl erst erfahren, wenn die Daten in einigen Monaten zurück auf den Boden gebracht werden; es stehen uns ja an jedem Experimenttag nur etwa 15 Minuten Live-Videozeit zur Verfügung, die typischerweise an den Anfang des Experiments gelegt werden.

Für mich ist auch der Versuch, den unsere japanischen Kollegen mitgeplant haben, spannend. Dort werden sehr hohe Leistungen verwendet, wie wir sie typischerweise nicht einstellen, was ebenfalls neue Effekte hervorrufen könnte.

Ein weiteres Novum für mich ist bei dieser Mission außerdem der Shuttle-Start in wenigen Tagen (der allerdings leider für uns mitten in der Nacht stattfindet). Die momentane Planung bedeutet, dass die Shuttle-Astronauten an einigen der Tagen, an denen das Plasmakristall-Experiment durchgeführt wird, mit an Bord der ISS sein werden. Ich hätte mir eigentlich vorgestellt, dass auch die Stammbesatzung der Raumstation während dieses Zeitraums zu beschäftigt ist, um wissenschaftliche Experimente durchzuführen, aber es scheint doch zu gehen, für PK-3 Plus Zeit freizuschaufeln.

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Erhöht man die Spannung zwischen zwei Elektroden, die ein Gas umgeben, beginnt das Gas irgendwann zu leuchten: Freie Elektronen im Gas haben genug Energie, um die Gasteilchen zu ionisieren und noch mehr Elektronen aus den Atomen zu schlagen. Ein Plasma wurde gezündet, die Zündspannung ist erreicht. Gibt man nun noch zusätzlich Mikrometer große Teilchen in das Plasma, erhält man ein sogenanntes "Komplexes Plasma", mit dem ich mich zunächst als Doktorand und Post-Doc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und nun an der University of California in Berkeley beschäftige. In diesem Blog möchte ich sowie ein wenig Einblick in den Alltag im Forschungsinstitut bieten, als auch über den (Plasma)-Rand hinaus blicken. Mierk Schwabe

3 Kommentare

  1. Zeitfreischaufeln

    Daß die Kosmonauten trotz Shuttlestart Zeit für Wissenschaft haben, ist vermutlich der Tatsache zu verdanken, daß sie jetzt zu sechst sind, oder?
    Endlich nehmen die Wartungsarbeiten nicht mehr den größten Teil der Arbeitszeit in Anspruch und es kann richtig viel Wissenschaft gemacht werden. Schön, wenn man selber davon direkt profitiert, oder?

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