Dissipatives dunkles Soliton in einem Komplexen Plasma

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Blick über den Plasmarand
Zündspannung

ResearchBlogging.orgNormale Wellen verbreitern sich im Laufe der Zeit. Solitonen sind eine Form von Wellen, die sich einzeln fortpflanzen. Die klassischen Solitonen bewegen sich dabei über eine lange Strecke mit konstanter Geschwindigkeit fort, ohne ihre Form zu verändern, was ein Resultat von einem Gleichgewicht zwischen linearen und nicht-linearen Effekten ist. Sie können einander auch durchlaufen, ohne ihre Eigenschaften zu verändern.

Diese Phänomene können zum Beispiel in Glasfasern zur Datenübertragung verwendet werden, um Daten ohne Repeater über enorme Strecken zu übertragen. Allerdings geht in diesen Systemen Energie verloren, so dass sich die Form des Solitons mit der Zeit durchaus ändert und es irgendwann auch völlig verschwunden ist. Man spricht dann von dissipativen Solitonen.

Das Gegenteil eines Solitons besteht aus einem sich fortpflanzenden Loch mit ansonsten genau denselben Eigenschaften – ein "dunkles Soliton".  

Kollegen von mir am Max-Planck-Institut haben nun ein solches dissipatives dunkles Soliton in einem unserer Komplexen Plasmen beobachtet und in dem renommierten Journal Physical Review Letters beschrieben. Ein Komplexes Plasma besteht aus einem Plasma – also einem ionisierten Gas – in dem sich 1/1000 Millimeter große Plastikteilchen befinden. Diese Teilchen laden sich negativ auf und können z.B. durch elektrische Felder in dem System in der Schwebe gehalten werden. Wenn man sie mit einem Laser beleuchtet, kann man jedes einzelne Teilchen mit einer Kamera aufnehmen und deren Verhalten beobachten. Der große Vorteil von Komplexen Plasmen ist, dass viele derselben Effekte auftreten wie in herkömmlichen System, z.B. Phasenübergängen oder Wellen – oder eben der Spezialfall von Solitonen.

In diesem Fall hat der Experimentator, Ralf Heidemann, eine zusätzliche Kraft auf die Mikroteilchen ausgeübt, indem er die untere Platte der Experimentkammer geheizt hat. Damit konnten die Teilchen aus dem Grenzbereich des Plasmas in das Hauptplasma gehoben werden. Zusätzlich zu dem elektrischen Wechselfeld, das das Plasma erzeugt, hat er eine Gleichspannung an die Elektroden angelegt. Die resultierende Kraft hat die Mikroteilchen aus ihrer Gleichgewichtsposition gehoben. Wenn diese Spannung nun abrupt abgeschaltet wurde, fielen die Teilchen weiter nach oben in der Kammer – aber nicht alle gleichzeitig, sondern lagenweise, erst die oberste Lage, dann gefolgt von der darunter, usw.

Soliton - Heidemann, PRL 102, 135002 (2009)

Dieser Prozess ist auf dem Bild zu sehen. Die obere Reihe zeigt die direkte Aufnahme der Teilchen, die untere die Teilchenpositionen, die aus den Bildern per Computerprogramm bestimmt wurden und die dann im Weiteren ausgewertet werden.

Man sieht, dass die Teilchen im oberen Bereich eine wachsende Sedimentationsschicht mit hoher Dichte bilden. Das dunkle Soliton ist der Bereich, in dem die Teilchen nach oben fallen und die Dichte deutlich geringer ist. Es bewegt sich entgegengesetzt zu den Teilchen, nämlich nach unten.

Ralf Heidemann und seine Mitautoren haben dieses Soliton genau analysiert. Sie zeigen, dass es sich mit etwa 2 cm/s fortpflanzt, und zwar interessanterweise über Zeiten, die mindestens 10 Mal länger sind als die Zeit, in der die Reibung der Mikroteilchen mit dem Hintergrundgas des Plasmas eigentlich die Strukturen zerstören sollte.

Die Gestalt des Solitons ändert sich dabei während der Ausbreitung, ebenso wie die Stärke: Bei hohen Drücken wird das Soliton mit der Zeit schwächer, bei niedrigeren Drücken allerdings stärker. Warum das genau so ist, ist noch nicht ganz klar. Das Soliton beeinflusst auch das Plasma, was man an dem Leuchten des Plasmas sehen kann: Hinter der Dichtevariation in der Mikroteilchenkomponente leuchtet das Plasma heller.

 


Weitere Infos: http://en.wikipedia.org/wiki/Soliton
Heidemann, R., Zhdanov, S., Sütterlin, R., Thomas, H., & Morfill, G. (2009). Dissipative Dark Soliton in a Complex Plasma Physical Review Letters, 102 (13) DOI: 10.1103/PhysRevLett.102.135002

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Erhöht man die Spannung zwischen zwei Elektroden, die ein Gas umgeben, beginnt das Gas irgendwann zu leuchten: Freie Elektronen im Gas haben genug Energie, um die Gasteilchen zu ionisieren und noch mehr Elektronen aus den Atomen zu schlagen. Ein Plasma wurde gezündet, die Zündspannung ist erreicht. Gibt man nun noch zusätzlich Mikrometer große Teilchen in das Plasma, erhält man ein sogenanntes "Komplexes Plasma", mit dem ich mich zunächst als Doktorand und Post-Doc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und nun an der University of California in Berkeley beschäftige. In diesem Blog möchte ich sowie ein wenig Einblick in den Alltag im Forschungsinstitut bieten, als auch über den (Plasma)-Rand hinaus blicken. Mierk Schwabe

3 Kommentare

  1. Frage ?

    Wurden die Temperaturen oben/unten gemessen?
    Die Bilder sehen so aus, wie man es vom/beim Kochen mancher Substanzen her kennt (Blick von der Seite in ein hohes Becherglas).

    Durch von unten zugeführte Wärme kommen die Teilchen in Bewegung. Wenn sie nach oben kommen, kühlen sie etwas ab, weil es dort kühler ist. Weil aber durch die Masse und den Volumenbedarf der Teilchen die Beweglichkeit eingeschränkt wird, wenn sie abkühlen (wie in einem Brei), dann setzt sich das Abkühlen von oben nach unten durch. D.h. das ´Soliton´ wäre nur der Effekt eines Temperaturunterschiedes.

  2. Tipp

    Sie sollten sich Küvetten zulegen, die so gebaut sind, dass man die Versuche sowohl in senkrechter, wie auch waagrechter Position durchführen kann.

  3. Temperatur und horizontale Solitonen

    Danke für die Kommentare. Die Ursache der Solitonen ist klar, sie entstehen immer genau dann, wenn die zusätzliche Spannung, die vorher angelegt war, abgeschaltet wird. Die Temperatur wird dabei konstant gehalten.
    Ähnliche Untersuchungen gab es auch bereits in zwei-dimensionalen horizontalen Systemen. Dabei wurde eine horizontale Lage Teilchen in der Schwebe gehalten und dann mit einem elektrischen Puls von einem Draht in System gestoßen.

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