Das Ende der Kurzzeitverträge? Was sich mit der WissZeitVG-Novelle ändert und was nicht

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Betrachtungen von Menschen und Strukturen in Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen
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Die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) ist ab 17.3.2016 geltendes Recht. Das Plenum des Deutschen Bundestages hatte bereits kurz vor Weihnachten die Novellierung mit Koalitionsmehrheit verabschiedet. Weitergehende Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wurden abgelehnt. Aber auch die von den großen Wissenschaftsorganisationen vorgetragenen Vorschläge wurden zum größten Teil nicht umgesetzt. Zuvor war, auch in öffentlichen Anhörungen, intensiv um die Formulierungen im WissZeitVG gerungen worden. Zuletzt gab es am 11. November im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung eine öffentliche Anhörung zum Thema “Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses”[1], die die unterschiedlichen Standpunkte in der Wissenschaftspolitik und bei den Experten deutlich machte. Überwiegend befanden die geladenen Sachverständigen wie auch die Wissenschaftspolitik zwar, dass eine Novellierung des Gesetzes dringend nötig sei. Welche Änderungen erfolgen sollten, dazu gab es aber durchaus unterschiedliche Ansichten. Kontroverse und teilweise hitzige Diskussionen entzündeten sich insbesondere an der (Verbindlichkeit von) “angemessenen” Mindestlaufzeiten von Verträgen, ob das nicht-wissenschaftliche Personal wie geplant aus dem Gesetz rausgenommen werden solle, und was unter wissenschaftlicher Qualifikation zu verstehen sei (z.B. auch jeder Rhetorik-Kurs?). Was davon findet sich jetzt wie in der beschlossenen Gesetzesnovelle wieder? Hier ein Überblick, was sich mit Blick auf einzelne Diskussionspunkte mit der nun beschlossenen WissZeitVG-Novelle wie ändert:

  • Das nicht-wissenschaftliche Personal wird aus dem Gesetz herausgenommen. Dieses ist künftig nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz befristet einzustellen oder unbefristet einzustellen. Dies betrifft insbesondere Beschäftigte in Technik, Verwaltung und Management von Wissenschaftseinrichtungen.
  • Verbindliche Mindestvertragslaufzeiten für das wissenschaftliche Personal gibt es weiterhin nicht. Es wurde aber festgelegt, dass die Vertragslaufzeit bei Drittmittelverträgen dem (meist mehrjährigen) Projektzeitraum der Drittmittelprojekte entsprechen soll (und nicht der oft nur jährlichen Mittelbewilligung), bei Qualifikationsverträgen der angemessenen Dauer der Qualifikationen. Eine verbindliche maximale Anzahl an Verträgen pro Qualifizierungsphase (wie teilweise diskutiert)[2] wird es ebenfalls nicht geben.
  • Die Befristung nach dem WissZeitVG ist künftig nur noch zulässig, wenn die Finanzierung überwiegend aus Drittmitteln erfolgt oder wenn die Beschäftigung zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. Qualifizierung und Angemessenheit wurde aber nicht klarer definiert, weshalb dies – wie durch mehrere Sachverständige in den Anhörungen kritisiert, nun durch Arbeitsgerichte geklärt werden muss. Auch von der HRK hieß es hierzu: „Die Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Angemessenheit der Befristungsdauer geht zu Lasten der Hochschulen.“
  • Einen Rechtsanspruch auf Vertragsverlängerung nach Mutterschutz und Elternzeit wird es nicht geben. Ebenso wenig gibt es die Übertragung dieses Anspruchs auf Drittmittelbeschäftigte.[3] Es bleibt also bei der unverbindlichen Kann-Regelung für aus Haushaltsmitteln Beschäftigte, obwohl Bundesministerin Wanka vor wenigen Monaten noch versprach, das neue Gesetz werde bei Vertragsverlängerungen familien­kompatibler.[4] Allerdings gilt künftig ein erweiterter Kindbegriff, der auch Stief- und Pflegekinder einschließt, und eine Verlängerungsmöglichkeit um zwei Jahre bei Behinderung oder einer chronischen Krankheit.
  • Eine Verlängerung der maximalen befristeten Beschäftigungszeit für studentische Hilfskräfte von 4 auf 6 Jahre wird kommen.

Der oft im Zusammenhang mit der WissZeitVG-Novelle diskutierte voraussichtlich mit 1 Mrd. € für die nächsten 10 Jahre ausgestattete „Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs“, der für mehr dauerhafte Stellen mit Tenure Track sorgen sowie Personalstruktur- und -entwicklungskonzepte fördern soll, war nicht Gegenstand der WissZeitVG-Novelle. Er soll im Frühjahr 2016 konkretisiert werden und ab 2017 laufen.

Weiterführende Informationen: Der stenografische Bericht der Bundestags-Plenardebatte ist online abrufbar (http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/18/18146.pdf, ab S. 14.466 = S. 140 des PDF-Dokuments), ebenso Protokoll und Material zur Ausschuss-Anhörung vom 11. November: https://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a18/anhoerung-wisszeitvg/394536. Eine Synopse mit der beschlossenen Novelle und dem (vorauss. bis 29.02.2016) noch geltenden alten Gesetzestext hat die GEW zusammengestellt: http://www.gew.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=36937&token=38901bec0a5f4da4d494354726cbcb477312f1a5&sdownload.

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[1] Als sachverständige Experten diskutierten: Dr. Nikolaus Blum (Geschäftsführer Helmholtz Zentrum München), Dr. Matthias Goldmann (Vertreter der Wissenschaft­lichen Mitarbeiter/-innen der Geistes- Sozial- und Humanwissenschaftlichen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft), Prof. Dr. Horst Hippler (Präsident der Hochschulrektorenkonferenz), Prof. Dr. Thomas Hofmann (Vizepräsident für Forschung und Innovation Technische Universität München), Dr. Andreas Keller (stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft), Ute Kittel (Mitglied im ver.di-Bundesvorstand), Antonia Kühn (Leiterin der Abteilung Hochschule, Wissenschaft und Forschung beim Deutschen Gewerkschaftsbund Nordrhein-Westfalen), Prof. Dr. Ulrich Preis (Universität zu Köln, Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht), Prof. Dr. Martin Stratmann (Präsident der Max-Planck-Gesellschaft), Prof. Dr. Peter Strohschneider (Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft), Dr. Anna Tschaut (Bundesvorsitzende THESIS e. V.).

[2] Dies wurde von Ulrich Preis anstelle von Mindestvertragslaufzeiten vorgeschlagen.

[3] Das hatte auch DFG-Präsident Peter Strohschneider gefordert; Strohschneider verwies dabei auch auf die DFG-Finanzierungsregelung für Mutterschutz- und Elternzeitverlängerungen, die demnach generell für alle Eltern in der Wissenschaft gelten sollte.

[4] „Die Familienzeit, die so genutzten Zeiten werden noch ergänzt, also kommen noch oben drauf.“, sagte sie DeutschlandRadio (Verschriftlichung des Gespräches mit Bundesministerin Johanna Wanka im “DeutschlandRadio” am 7. Juli 2015 in URL: www.bmbf.de/de/28901.php).

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Dr. René Krempkow bloggte zunächst seit 2010 bei den academics-blogs, nach deren Einstellung zog er zu Scilogs um. Er studierte Soziologie, Kommunikationswissenschaft und Psychologie an der Technischen Universität Dresden und der Universidad de Salamanca. Nach dem Studium baute er zunächst am Institut für Soziologie, dann im Kompetenzzentrum Bildungs- und Hochschulplanung an der TU Dresden u.a. eine der ersten hochschulweiten Absolventenstudien in Deutschland auf und erarbeitete den ersten Landes-Hochschulbericht Sachsen. Nach seiner Promotion 2005 zum Themenbereich Leistungs- und Qualitätsbewertung an Hochschulen arbeitete er am Institut für Hochschulforschung Wittenberg am ersten Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWiN) mit. Danach war er im Rektorat der Universität Freiburg in der Abteilung Qualitätssicherung tätig, wo er die Absolventen- und Studierendenbefragungen leitete und eines der ersten Quality Audits an einer deutschen Hochschule mit konzipierte. Von 2009 bis 2013 leitete er am iFQ Bonn/Berlin (jetzt Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung - DZHW) ein bundesweites Projekt zur Analyse der Wirkungen von Governance-Instrumenten (v.a. Leistungsorientierte Mittelvergabe an Hochschulen) und arbeitete im Themenbereich wiss. Nachwuchs und Karrieren mit. Anschließend koordinierte er im Hauptstadtbüro des Stifterverbandes u.a. das Projekt zur Personalentwicklung für den wissenschaftlichen Nachwuchs und den Gründungsradar; sowie an der HU Berlin u.a. ein hochschulweites Projekt zur Kompetenzerfassung, sowie Sonderauswertungen der hochschulweiten Absolventenstudien. Derzeit ist er an der HTW Berlin im Curriculum Innovation HUB im Bereich Wirkungsanalysen und Evaluation tätig, sowie an der IU - Internationale Hochschule. Er berät seit etlichen Jahren Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Ministerien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Leistungs- und Qualitätsbewertung an Hochschulen; Akademische Karrieren und Nachwuchsförderung; Indikatorenentwicklung, Evaluationsforschung; Hochschul-, Wissenschafts- und Bildungsforschung.

5 Kommentare

  1. Hallo René,
    ja, nun ist die Novelle des WissZeitVG durch. Ich bin auch (?) vorsichtig optimistisch, dass es nun etwas schwieriger geworden ist, das WissZeitVG zur Permanent-Befristung zu missbrauchen, aber es muss sich noch einiges in unserem Wissenschaftssystem ändern, damit stabile Beschäftigung für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möglich ist.
    Übrigens: Ich hatte kurz nach der Verabschiedung im Bundestag die Novelle aus meiner Sicht bewertet: https://scilogs.spektrum.de/promotion-mit-interferenzen/die-novelle-des-wissenschaftszeitvertragsgesetzes/
    Viele Grüße,
    Leonard Burtscher

  2. Hallo Leonard,

    Danke für Deinen Kommentar und den Hinweis zu Deinem Beitrag, den ich auch sehr interessant finde!

    Viele Grüße
    René Krempkow

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  4. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, aber wenn ich mir den aktuellen Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs im Hinblick auf die Befristung wissenschaftlicher Stellen anschaue und auch die Kommentierung der GEW dazu wahrnehme (siehe z.B. die Zusammenfassung bei https://www.textundwissenschaft.de/2017/05/02/1272/ ), hat sich nicht nicht wirklich etwas zum Besseren gewendet. Nach wie vor hat die Mehrzahl der Nachwuchswissenschaftler nur sehr begrenzte Chancen, eine echte Lebensplanung zu machen – wie sollen sie es da ihren Studentinnen und Studenten beibringen? Ich sehe hier die politisch Verantwortlichen, aber auch die Hochschulleitungen selbst gefordert, eine für alle betroffenen Gruppen akzeptable Lösung zu finden. Das Geld kann letztlich in einem reichen Land wie Deutschland nicht die Ausrede sein.

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