Warum Qualia den Naturalisten nicht allzu sehr beunruhigen sollten

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Hirnforschung & Theologie
WIRKLICHKEIT

Immer wieder werden die Empfindungsqualitäten des subjektiven Erlebens (die sogenannten Qualia) als Einwand gegen eine vollständige Naturalisierung psychischer Phänomene angeführt, nicht selten haften ihnen geradezu mystische Qualitäten an. Im Folgenden möchte ich argumentieren, dass die Qualia ihren Grund in einem Zusammenhang haben, den gerade Leib-Seele-Dualisten nicht ernstnehmen wollen und den zu denken zugegebenermaßen überhaupt schwerfällt. Ohne damit eine naturwissenschaftliche Erklärung des Psychischen anbieten zu wollen, legen meine Überlegungen nahe, dass wir uns bei der Erforschung des Zusammenhangs zwischen psychischen Phänomenen und Hirnprozessen von der Qualia-Problematik nicht allzu sehr irritieren lassen sollten. Zugleich unterstreiche ich damit erneut meine These, dass das Leib-Seele- bzw. Gehirn-Geist-Problem kein philosophisches (mehr) ist, sondern ein naturwissenschaftliches (Naturwissenschaft einschließlich Psychologie).

In den Blogposts der letzten Monate hatte ich mehrfach gegen die dualistische Substanzialisierung des Bewusstseins oder einer cartesischen res cogitans sowie gegen die Einführung immaterieller mentaler Agenten (Seele, Ich, Selbst usw.) zur Erklärung psychischer Phänomene argumentiert. Das wichtigste Argument war, dass ein substanzielles Bewusstsein oder ein substanzieller Geist ihrer Natur nach und per definitionem stets bei Bewusstsein sein bzw. stets geistig tätig sein, sprich: denken müssten; damit scheiden sie aber zur Erklärung der hochvariablen Zustände des Bewusstseins und des Denkens aus, wie wir sie tagein tagaus erleben. Die Zuschreibung variabler psychischer Phänomene zu immateriellen Agenten hätte hingegen keinerlei Erklärungswert, alle Fragen zu den Ursachen der zeitweisen Entstehung von Bewusstsein blieben unverändert bestehen; daher spricht alles dafür, psychische Phänomene dem ganzen Menschen (der ganzen Person) zuzuschreiben (natürlich auch Tieren!), wobei dem Gehirn eine Sonderrolle zufällt.

Es gibt verschiedene Gründe, warum eine wissenschaftliche Erklärung des Psychischen immer wieder für prinzipiell unmöglich gehalten wurde:

  • Psychologisch haben wir zwar einen objektiv beobachtenden, teils sogar messenden Zugriff auf Verhalten und berichtetes Erleben – aber die direkte Beobachtung des subjektiven Erlebens eines Probanden als solches ist wissenschaftlich unmöglich. Auch im Alltag können wir das Erleben eines Anderen nicht unmittelbar miterleben; streng genommen müsste man sogar sagen, dass wir nie sicher wissen können, ob der Andere überhaupt wirklich erlebt oder ob sein beobachtbares Verhalten ein solches Erleben nur vortäuscht (Zombie-Problem, Problem des Fremdpsychischen). Ein Zombie wäre aber nur ein sich komplex bewegendes Objekt, hier gäbe es faktisch gar keine psychischen Phänomene (z.B. Empfindungen, Gedanken, Motive oder Erinnerungen). Die kognitiven Neurowissenschaften, die ich wissenschaftstheoretisch der Psychologie zuordne (insofern sie primär an der Aufklärung des Psychischen interessiert sind), können ihre Theorien aus methodischen Gründen immer nur über äußerlich Sichtbares, aber nie über das Psychische in seiner subjektiven Qualität als solcher formulieren – schärfer formuliert: die Psychologie verfehlt, so der Einwand, geradezu notwendig ihren Gegenstand, nämlich das Subjektive als das konstitutive Proprium des Psychischen.
  • G. W. Leibniz hat in seiner Monadologie (1714) mit seinem berühmten Mühlenbeispiel das Grundproblem der kognitiven Neurowissenschaften auf den Punkt gebracht: “Denkt man sich etwa eine Maschine, deren Einrichtung so beschaffen wäre, daß sie zu denken, zu empfinden und zu perzipieren vermöchte. So kann man sie sich unter Beibehaltung derselben Verhältnisse vergrößert denken, sodaß man in sie wie in eine Mühle eintreten könnte. Untersucht man alsdann ihr Inneres, so wird man nichts als Stücke finden, die einander stoßen, niemals aber Etwas, woraus man eine Perzeption erklären könnte.” Leibniz nimmt daher einen strengen psychophysischen Parallelismus an, zwei getrennte Welten also, das Materielle und das Psychische, die nicht miteinander interagieren und deren empirisch beobachtbare Korrelation auf einer durch Gott prästabilierten Harmonie beruht. Die modernen Qualia-Argumente von Frank Jackson (Mary, die Farbforscherin, die nie Farbe gesehen hat) und anderen Autoren variieren und vertiefen den Leibnizschen Gedanken. Inbegriff der Qualia-Problematik ist die berühmte Fledermaus des Thomas Nagel, der argumentiert, dass wir keine Möglichkeit haben, jemals nachzufühlen und wirklich zu verstehen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Dem Umstand, dass es “irgendwie ist” bzw. dass es “sich irgendwie anfühlt”, eine Farbe zu sehen oder mich als mich selbst zu erleben, usw. verdankt sich auch der Begriff der Qualia (qua, lat. wie).
  • Das berühmte “Ignoramus-Ignorabimus” des Emil Heinrich DuBois-Reymond fasst diese skeptischen Überlegungen griffig zusammen (Über die Grenzen des Naturerkennens, 1872): “Gegenüber den Rätseln der Körperwelt ist der Naturforscher längst gewöhnt, mit männlicher Entsagung sein ‚Ignoramus‘ auszusprechen. Im Rückblick auf die durchlaufene siegreiche Bahn trägt ihn dabei das stille Bewußtsein, daß, wo er jetzt nicht weiß, er wenigstens unter Umständen wissen könnte, und dereinst vielleicht wissen wird. Gegenüber dem Rätsel aber, was Materie und Kraft seien, und wie sie zu denken vermögen, muß er ein für allemal zu dem viel schwerer abzugebenden Wahrspruch sich entschließen: ‚Ignorabimus‘.” Das Wesen physischer Objekte und Vorgänge und der Übergang von materiellen Prozessen zu einem Erleben von innen heraus, zu Subjektivität und Denken also, ist nach DuBois-Reymond für alle Zeiten unerklärlich; hier passieren quasi Dinge, die sich dem menschlichen Verstehen und der wissenschaftlichen Erkenntnis grundsätzlich entziehen. Vermutlich trieben DuBois-Reymond keinesfalls religiöse Motive an, aber offensichtlich läuft sein Gedanke doch darauf hinaus, dass es das Transzendente zumindest in dem Sinne gibt, dass absolut grundlegende Tatsachen der menschlichen Existenz jenseits menschlicher Erkenntnisgrenzen angesiedelt sind.

Moderne Autoren nutzen das Qualia-Argument in der Regel nicht, um doch wieder einen Dualismus vorzuschlagen. Sie markieren damit aber die Erklärungslücke (explanatory gap) bzw. das hard problem (David Chalmers) des Leib-Seele-Problems, für das ihrer Meinung nach noch niemand eine Lösung hat (nicht einmal Daniel Dennett in seinem epochalen Werk Consciousness explained). Und die meisten naturalistischen Autoren werden auch zugeben, dass die Skeptiker hier durchaus einen Punkt haben und dass es am Ende gelingen muss, das Psychische gerade in seiner Subjektivität oder Innerlichkeit – diese Dinge sind extrem schwer zu beschreiben! – aus dem Physischen erklären können muss. Ansonsten wäre der Naturalismus (Physikalismus, Materialismus) unhaltbar.

Ich teile die naturalistische These, dass das Psychische sich vollständig hirnphysiologischen Vorgängen verdankt, und vertrete die Auffassung, dass das Leib-Seele-Problem heute ausschließlich ein naturwissenschaftliches und kein philosophisches Problem mehr ist. Ich gehe also davon aus, dass irgendwann einmal eine naturwissenschaftliche Theorie die psychischen Phänomene erklären können wird – und gerade nicht eine philosophisch-konzeptuelle Argumentation oder Begriffsanalyse. Eine solche akzeptierte Theorie gibt es heute noch nicht und ich habe ganz sicher auch keine Erklärung, aber z.B. die Bewusstseinstheorien von Bernard Baars/Stanislas Dehaene (work space theory bzw. broadcasting theory of consciousness) oder Giulio Tononi/Christof Koch (integrated information theory of consciousness) vermitteln einen Eindruck davon, wohin die Reise eines Tages gehen könnte.

Ich möchte im Folgenden auf einen bestimmten, meines Erachtens zu wenig beachteten Umstand aufmerksam machen, und ich meine, dass eine hinreichende Berücksichtigung dieses Umstandes dem Qualia-Problem die Schärfe nimmt.

Dieser Umstand ist die absolute Sonderstellung des Gehirns im Organismus, und zwar die Sonderstellung dieses Organs in Bezug zu mir als Person.

Starten wir mit einem Gedankenexperiment: Während meine sämtlichen Organe transplantiert und mit Dritten noch zu Lebzeiten ausgetauscht werden könnten – Niere, Leber, Herz und sogar meine Augen, meine Hände und mein Gesicht! – ist das beim Gehirn prinzipiell unmöglich. Würde ich mit einem Dritten mein Gehirn gegen seines tauschen, wäre das Ergebnis nicht, dass ich ein neues Gehirn in meinem alten Körper hätte, sondern dass ich (samt meines transferierten alten Gehirns) in einem anderen Körper steckte. (Ganz-)Hirntransplantation ist aus prinzipiellen Gründen absolut unmöglich; denn sie wäre immer “nur” eine Ganzkörpertransplantation, und zwar ohne Gehirn.

Ich habe mein Gehirn also nicht in der Weise, wie ich andere Organe habe und besitze. Ich habe zu meinem Gehirn ein völlig andersartiges Verhältnis als zu allen anderen Organen meines Körpers: Das Gehirn ist nicht ein Anderes meiner Selbst. Mein Gehirn steht mir nicht gegenüber (wie mein Herz), und von meinem Gehirn kann ich mich prinzipiell nicht trennen – es stellt sich die Frage, ob hier überhaupt ein Verhältnis (zwischen zwei Verschiedenen) besteht?! Bedenkt man etwa die Phasen, in denen ich gar nicht da bin (z.B. im traumlosen Schlaf oder in der Narkose), mein Gehirn jedoch einwandfrei funktioniert, spräche vieles dafür zu sagen: Eher hat mein Gehirn zeitweise ein Ich (bzw. mich), als dass mein Ich (bzw. ich) ein Gehirn “hätte”. Dieses Ich ist natürlich nicht dasselbe wie ein Gehirn, es ist ja die Gesamtheit und Integrität des eigenen Verhaltens und Erlebens über die ganze Lebensspanne. Aber wir müssen dieses Ich und dessen Gehirn so eng wie möglich zusammen und letztlich in eins denken – und zwar wesentlich stärker als wir das gemeinhin tun.

Unser Erleben hängt vollständig von Hirnprozessen ab: beim epileptischen Anfall (d.h. synchronen Entladungen großer Nervenzellverbände), bei einer Psychose oder bei einem Drogenrausch können wir Erleben und Gehirn nicht trennen und sagen: “Mein Erleben bleibt unverändert, der Strom und die Chemie im Gehirn können  mich mal – was hat das Gehirn mit mir zu tun?” Wenn man die Sache genau bedenkt, dann erleben wir unsere Hirnzustände in Form der Wirklichkeit, die wir erleben. Wir schauen nicht direkt in die Welt und sehen die Welt da draußen, sondern irgendetwas, das wir nicht direkt erleben, steht vermittelnd dazwischen und wenn diese Vermittlung schiefgeht, dann erleben wir die Wirklichkeit eben völlig andersartig (z.B. psychotisch). Jeder kann das mit Hilfe der eindrucksvollen Bewegungsnacheffekte (z.B. auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=GhyEIAfyXx8) selbst prüfen.

Im Vergleich zu einem außenstehenden Beobachter, der mich und mein Gehirn beobachtet, befinde ich mich in einer gänzlich andersartigen Position: Im Hinblick auf mein Person-Sein bin ich mein Gehirn in seinem Zustand genau jetzt. Ich gebe zu, dass diese Identifikation (“bin ich”) vielleicht zu stark und auch missverständlich ist (siehe oben) – aber definitiv wäre “Ich habe ein Gehirn” viel zu schwach! Wir müsse hier eine komplexe Einheit denken (lernen)!

Der Denkfehler des Mühlenbeispiels bei Leibniz besteht meines Erachtens darin, dass der Besucher als ein Anderer in die Mühle geht; die Mühle ist ihm einfach ein Gegenüber – dies entspricht der Position eines äußeren Beobachters. Tatsächlich wird man aus dieser Position genau genommen nicht einmal “Denken, Empfinden und Perzipieren” objektiv feststellen, sondern immer nur indirekt aus dem Verhalten schlussfolgern können. Ich selbst befinde mich aber natürlicherweise nicht in dieser Außenposition zu meinem Gehirn; meine natürliche Möglichkeit, subjektiv in mein eigenes Gehirn (!) und dessen aktuellen Zustand einzutauchen – ist eben das Erleben der Wirklichkeit selbst: Unter bestimmten physiologischen Voraussetzungen (Wachheit usw.) zeigt das Gehirn (bzw. das Nervensystem) sich selbst einen sorgfältig selegierten Teil seines aktuellen Zustandes in Form bewussten Erlebens und in Form bewusster Handlungsplanung eines verkörperten Subjekts, das sich in einer es umgebenden Welt und Wirklichkeit vorfindet.* (Heutzutage hätte ich die Möglichkeit, mein eigenes Gehirn physiologisch von außen zu untersuchen; ich würde das Psychische dabei dann aber genauso wenig antreffen wie jeder andere Beobachter auch.)

Die Tatsache psychischer Phänomene und bewussten Erlebens hat wesentlich mit dem Umstand zu tun, dass die erlebende Person im Hinblick auf ihr Erleben mit ihrem Gehirn in gewisser Weise “eins” ist – anders als der Beobachter, der das Gehirn seines Probanden von außen her beobachtet. Da der Beobachter aber selbst erlebensfähig ist, ist er durchaus in der Lage, sich vorzustellen, was der Proband empfindet, wahrnimmt, erlebt, denkt, will usw. Auf dieser Grundlage, die die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Psychologie konstituiert, nähert er sich den psychischen Phänomenen als Beobachter stets “nur” indirekt an, wobei er diese Phänomene von sich selbst kennt und von daher auf das vermutliche Erleben seiner Probanden zurückschließen kann. Dabei ist ihm völlig klar, dass er das subjektive Erleben seines Gegenübers niemals als solches direkt zu fassen kriegt – aber die einfache, um nicht zu sagen triviale Erklärung dafür ist, dass sein eigenes Gehirn eben nicht das Gehirn des Probanden ist.

Alle Versuche einer Erklärung des Psychischen müssen die Einheit der erlebenden Person und ihres Gehirns denken, vielleicht sogar von dieser Einheit ausgehen. Latente Dualismen, die eine Art “Verhältnis” zwischen zwei Verschiedenen (einerseits Ich, andererseits Gehirn) annehmen und aufklären wollen oder die eine Art Gegenüberstellung von Ich und Gehirn suggerieren, müssen notwendig scheitern; sie verstellen auch mögliche Lösungen, weil die Frage sozusagen von Anfang an schon falsch gestellt wird. Wir haben es hier mit komplexen funktionellen Zusammenhängen innerhalb eines materiellen Systems und im Austausch dieses Systems mit seiner materiellen Umgebung zu tun – nicht mit zwei getrennten Substanzen.

Wir sollten den eingeschlagenen Weg der empirischen Erforschung des Zusammenhangs zwischen dem Psychischen und dem Gehirn konsequent fortsetzen und uns dabei von philosophischen Gedankenspielchen, die alle irgendwie um das Qualia-Problem kreisen, und philosophischem Skeptizismus nicht allzu sehr irritieren lassen. Die Philosophie ist heute bei der Frage nach dem Psychischen letztlich genauso irrelevant, wie sie es seit einigen Jahrzehnten bei den Fragen nach dem Biologischen ist; das ist alles allenfalls noch von historischem Interesse.

Wenn Materie sich so organisieren kann, dass sie Lebendiges hervorbringt, sehe ich kein prinzipielles Problem darin, dass sich Lebendiges so organisiert, dass es das Psychische hervorbringt (wenn dies nicht sogar konstitutiv für alles Lebendige ist!).


* Ich bin kein Konstruktivist. Ich finde, dass gerade wissenschaftliche Erkenntnis dafür spricht, dass wir die Wirklichkeit wenigstens in Teilen so wahrnehmen, wie sie real beschaffen ist. Und ich denke, dass alles dafür spricht, dass eine reale Welt den Anlass für diejenigen biologischen Vorgänge bietet, denen sich das menschliche Erkenntnisvermögen letztlich verdankt. Natürlich könnte man mir hier mit Idealismus, Konstruktivismus und Solipsismus kommen, aber ich finde diese Positionen so absurd und pseudoschlau, dass ich einfach keine Lust habe, mich damit zu beschäftigen.

 

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Geboren 1967 in Emsdetten/Westfalen. Diplom kath. Theologie 1993, Psychologie 1997, beides an der Universität in Bonn. Nach einem Jahr am Leipziger Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (1997-98) bin ich seit Oktober 1998 klinischer Neuropsychologe an der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn. Ich wurde an der Universität Bielefeld promoviert (2004) und habe mich 2015 an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn habilitiert (Venia legendi für das Fach Neuropsychologie). Klinisch bin ich seit vielen Jahren für den kinderneuropsychologischen Bereich unserer Klinik zuständig; mit erwachsenen Patientinnen und Patienten, die von einer schwerbehandelbaren Epilepsie oder von psychogenen nichtepileptischen Anfällen betroffen sind, führe ich häufig Gespräche zur Krankheitsbewältigung. Meine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen klinische Neuropsychologie (z.B. postoperativer kognitiver Outcome nach Epilepsiechirurgie im Kindesalter) und Verhaltensmedizin (z.B. Depression bei Epilepsie, Anfallsdokumentation). Ich habe mich immer wieder intensiv mit den philosophischen und theologischen Implikationen der modernen Hirnforschung beschäftigt (vgl. mein früheres Blog WIRKLICHKEIT Theologie & Hirnforschung), eine Thematik, die auch heute noch stark in meine Lehrveranstaltungen sowie meine öffentliche Vortragstätigkeit einfließt.

212 Kommentare

  1. Die buddhistische Philosophie geht seit 2500 Jahren davon aus, dass unser Bewusstsein eine Illusion ist, die aus der Art und Weise entsteht, wie wir uns erinnern.
    Und die moderne Gedächtnisforschung zeigt, dass bei der Wahrnehmung eines Reizes bestimmte Neuronen aktiv sind. Dann wird die Information gespeichert. Und beim Erinnern, sind die gleichen Neurone wieder aktiv.
    Wenn also beim Wahrnehmen und beim Erinnern die gleichen Neuronen aktiv sind – dann ist dies ein einfacher Mechanismus – der naturwissenschaftlich verstanden werden kann.

    Die Illusion eines ICH-Bewusstseins oder von Qualia entsteht aus der raschen Abfolge von aktivierten Neuronen bzw. Neuronenverbänden. Wodurch die Illusion eines zusammengehörenden kontinuierlichen Erlebnisses entsteht.

  2. Qualia, ein Begriff , wie er besser nicht sein könnte. Er beschreibt die subjektive Wahrnehmung als etwas, das sich nicht verallgemeinern lässt, sondern jedem Individuum zueigen ist.
    Wenn ein Atheist Gott nicht erkennt, dann gibt es ihn nicht. Wenn ein Mensch Gott erkennt, dann hat er eine Qualia über ihn. Richtig formuliert?

  3. Zitat KRichard: „…Die Illusion eines ICH-Bewusstseins oder von Qualia entsteht aus der raschen Abfolge von aktivierten Neuronen bzw. Neuronenverbänden. Wodurch die Illusion eines zusammengehörenden kontinuierlichen Erlebnisses entsteht….“

    Dies ist eigentlich so etwas wie eine Tautologie, es verhält sich offensichtlich auch so wie Sie es formuliert haben.
    Vermutlich kommt man dem Phänomen „Qualia“, vielleicht sollte man es eingrenzen auf Phänomene wie Lust und Schmerz, näher wenn man einmal annimmt, diese Phänomene entstehen an so etwas wie „Grenzschichten“ wo elektrische (Information verarbeitende) Prozesse mit chemischen Prozessen interagieren können.
    Abgesehen davon dass es nicht unbedingt an Grenzschichten sein muss, praktisch auch eine “Tautologie“. Allerdings reicht unsere Vorstellung nicht aus, sich dies anders und besser zu erklären als ein fast schon beliebig manipulierbares Phänomen, wie es sich ähnlich mit der Schwerkraft verhält.

    Sicherlich wird man Herrn Hoppe zustimmen müssen, dass die „krampfhaften“ Erklärungsversuche der Philosophie dies auch nicht wirklich erklären können.

    Mich, als ehemaligen Elektroniker interessieren neurologische Prozesse deswegen, weil sie laut Warren McCulloch auf so etwas wie Gatteranordnungen der Elektronik zurückgeführt werden können und damit begründet wird, dass im Gehirn Informationsverarbeitung stattfindet, „Denkprozesse“ demnach als etwas Natürliches erklärt werden können.

  4. “Bedenkt man etwa die Phasen, in denen ich gar nicht da bin (z.B. im traumlosen Schlaf oder in der Narkose), mein Gehirn jedoch einwandfrei funktioniert, spräche vieles dafür zu sagen: Eher hat mein Gehirn zeitweise ein Ich (bzw. mich), als dass mein Ich (bzw. ich) ein Gehirn “hätte”.”

    Sehr gut auf den Punkt gebracht.

  5. Denken und sogar Kreativität sind Ergebnis von Mustervergleichsaktivitäten (= Informationsverarbeitung) die sich mit einfachen Regeln beschreiben lässt. Wir können sogar bewusst erleben, wie unser Gehirn einen einzelnen Reiz verarbeitet. (Per Google-suche [Kinseher NDERF denken_nte] finden Sie eine PDF, wo diese Arbeitsweise beschrieben und erklärt wird.)

    Sie können sämtliche Experimente der Gedächtnisforschung nachlesen: Zum Kalibrieren lässt man die Versuchspersonen/-tiere etwas Lernen und registriert dabei die beobachtbaren neuronalen Aktivitäten. Wenn sich später Versuchspersonen/-tiere an das Gelernte erinnern, sind die gleichen Aktivitäten wieder messbar (man kann sogar messen, dass ´kreative Neuschöpfungen´ nur aus der Reaktivierung von gelerntem Wissen entsteht, welches nur neu kombiniert wird.)

    Man darf nie vergessen, dass Computer und Gehirn unterschiedliche Zwecke haben: ein Computer (= Rechner) soll immer gleichartige Ergebnisse liefern – das Gehirn soll nur das Überleben ermöglichen, perfekte Genauigkeit ist dazu nicht notwendig.

  6. Bei Versuchspersonen wurden die neuronalen Muster von 42 Wörtern gemessen (fmRT). Anschließend dachten sie 240 unterschiedliche Sätze, in denen diese Wörter enthalten waren. Durch Analyse der neuronalen Muster konnte man feststellen, was gedacht wurde.
    http://www.sciencedaily.com/releases/2017/06/170626105758.htm ´Beyond bananas: ´Mind reading´ technology decodes complex thoughts´

    Dieses Beispiel zeigt, dass sogar komplexe Ideen nur aus einzelnen Mustern zusammengesetzt sind.

  7. @KRichard

    Selbstverständlich / Natürlich ist unser Bewusstsein in dieser Welt- und “Werteordnung” eine Illusion, besonders das krampfhaft stets systemrationale “Individualbewusstsein” – NICHTS gehört dem “Einzelnen” allein, sogar die GEDANKEN nicht, weil diese auch immer abhängig und beschränkt von sehr “Gemeinschaft” geprägt wachsen / gleichermaßen geistig stillstehen!? 😎

  8. Illusionen und Träume werden echt, wenn sie auf Sinne treffen, die interpretiert werden, ob das im Nachhinein die Sendung beeinflußt ..

  9. Substanzdualismus und der Glauben an irreduzible Qualia haben ihren Ursprung womöglich in derselben Unfähigkeit vieler, Prozesse eine Existenz zuzugestehen. Denn unsere Gedanken, Gefühle, unser Bewusstsein ist nur als Prozess existent, nicht als Ding an und für sich. Damit haben viele Menschen Probleme. Obwohl es in unserer Welt sehr viele Dinge gibt, die nur als Prozess existieren, nicht als Ding an und für sich. Zu diesen Dingen, die nur als Prozess verstanden werden können, gehört auch die Gesellschaft, die zwar Menschen voraussetzt, aber letztlich nur als prozesshaftes Geschehen zwischen diesen Menschen zu existieren beginnt. Ebenso ist unser Bewusstsein ein prozesshaftes Geschehen, das ein Gehirn voraussetzt, aber erst als Prozess in diesem Gehirn zu existieren beginnt.

  10. Man kann Qualia einfach ignorieren. Doch was ist damit gewonnen? Dann kann man “philosophische Gedankenspiele” ignorieren. Für die Naturwissenschaft ist das auch meiner Einschätzung nach kein Problem. Wobei die Psychologie da natürlich speziell ist, da sie die Erste-Person-Perspektive benutzt, um herauszufinden, wer eigentlich Erlebniszustände hat. Die Integrated Information Theory nimmt das ja im Grunde als Axiom, soweit ich die nach kurzer Lektüre überblicken kann.
    Es ist aber ein Problem für die Ethik. Warum sind Schmerzen schlecht? Ich würde darauf antworten: Weil sie sich schlecht anfühlen. Und diese normative Perspektive setzt Qualia voraus.
    In einer umfassenden Ontologie der Welt und auch für praktische Entscheidungen ist es relevant, ob es sich tatsächlich anfühlt.

  11. BITTE DIE ANTWORT-FUNKTION NICHT BENUTZEN !!
    (die ist zu unübersichtlich)

  12. @lanzu:

    Das Erleben soll auch nicht ignoriert werden. Ich denke nur, dass es uns bei der Erforschung dieses Erlebens nicht allzu sehr beunruhigen sollte, dass wir es von außen beobachtend sozusagen gar nicht direkt zu Gesicht bekommen. Wenn man auf solipsistische oder Zombie-Gedankenspielchen verzichtet, ist klar, dass der Andere vergleichbar erlebt wie ich als Beobachter (bzw. überhaupt erlebt).

    Ich stimme Ihnen zu, dass psychische Phänomene die Voraussetzung für jede Art von wertender Evaluation von irgendetwas sind (jenseits bloß dys-/funktionaler Zusammenhänge), mithin auch die Voraussetzung von Ethik und Ästhetik.

  13. Zitat: Warum sind Schmerzen schlecht? Ich würde darauf antworten: Weil sie sich schlecht anfühlen. Und diese normative Perspektive setzt Qualia voraus.
    Nein, das Schmerzerlebnis setzt keine Qualia voraus, wenn man mit Qualia folgendes meint (Zitat aus der engl Wikipedia, von DeepL übersetzt): qualia (/ˈkwɑːliə/ oder /ˈkweɪliə/; Singularform: quale) werden als individuelle Instanzen subjektiver, bewusster Erfahrung definiert..
    Klar gibt es Schmerzen. Selbsterlebte oder von anderen kommunizierte. Doch mit der Einführung von Qualia als individuelles Schmerzexemplar (individuelle Instanz eines Schmerzerlebnisses) erklärt man gar nichts. Zudem stellt sich die Frage der Abgrenzung: Ist ein Schmerzerlebnis mit einer Qualia verbunden, der Gedanke eines Mathematikers an die Zahl Pi aber nicht? Traditionell verbindet man mit Qualia Empfindungen wie Schmerz-,Farb-,Geschmacksempfindungen, nicht aber Gedanken. Warum das? Wohl weil die meisten dem Erlebnis von Schmerz, Farbe und Geschmack eine Realität zugestehen, die sie einem Gedanken an eine Verabredung oder an ein mathematisches Problem nicht zugestehen. Mit anderen Worten: Es ist das Gefühl, der Schmerz oder ein Geruch sei real – viel realer als der Gedanke an das nächste Wochenende oder der Gedanke an die Verarbredung mit dem Kollegen nach der Arbeit. Etwas Reales oder als real erlebtes verbindet man üblicherweise mit etwas Materiellem. Da es dieses Materielle aber bei der Empfindung von Schmerz, Geruch und Farbe nicht gibt, erfindet man etwas fiktiv Materielles: die Qualia. Doch gewonnen hat man damit nichts. Für mich sind Schmerzen oder ein Geruch etwas genauso prozesshaftes wie es Gedanken sind.

  14. @Holzherr und lanzu: Im Hintergrund steht auch hier wohl wieder das Zombie-Gedankenexperiment: Was, wenn alles so aussieht, als hätte jemand Schmerzen, hat sie aber tatsächlich nicht? Dann wäre es ethisch unproblematisch, jemandem “Schmerzen” dieser Art zuzufügen, oder? – Fataler- und zynischerweise machen wir das ja genauso mit Tieren: Alles sieht so aus, als hätten sie Schmerzen (beim Schlachten und anderen Prozeduren) – aber wir nehmen einfach mal an, sie hätten tatsächlich keine ….

  15. Die Frage, ob jemand Schmerz empfinde, ist verwandt mit der Frage, ob das Töten eines Menschen durch einen anderen als Mord, Tötung oder Unfall einzustufen ist. Wenn eine Absicht bestand, war es ein Mord, andernfalls ist es eine Tötung oder ein Unfall. Bei Beidem, der Frage ob wirklich Schmerz empfunden wird und ob wirklich eine Tötungsabsicht bestand, geht es um die Echtheit, Realitätsverbundenheit der Empfingung, des Handelns.

  16. Ich bin weder Partei noch Experte bei dieser Problematik, aber mir erschließt sich nicht, weshalb Sie Philosophie bei solchen Themen verabschieden möchten und gleichzeitig eine philosophische Frage als ein ungelöstes zentrales Problem beschreiben, nämlich die Unterscheidung und genauere Bestimmung von “ich bin” und “ich habe” ein/mein Gehirn. Das paßt für mich nicht zusammen. Kann es sein, daß sie das Kind mit dem Bade ausschütten? Sie scheinen nach Ihren Bemerkungen ja – wenig überraschend – ziemlich schlechte Erfahrungen mit manchen Philosophien gemacht zu haben.

  17. @Carsten Passin: Nein, keine schlechten Erfahrungen! Aber die Naturphilosophie ist bereits in vielen Bereichen in Naturwissenschaft (und deren Theoriebildungen!) übergegangen – zuletzt beim Thema Leben (Stichwort: élan vital) – und ich vermute, dass das nun auch für das Geist-Gehirn-Problem ansteht. Das metaphysische Geist-Materie-Problem muss m.E. in das Geist-Gehirn-Problem überführt werden, da Vorstellungen von einem “Geist an sich” philosophisch kaum mehr haltbar sein dürften. Die Frage, ob ich mein Gehirn bin oder mein Gehirn habe, halte ich nicht für eine philosophische Frage; vielmehr geht es hier um die Aufklärung eines funktionalen Zusammenhangs: Ich-Funktionen (= psychische Vermögen) sind von Hirnprozessen abhängig; sie sind daher weder einfach identisch mit diesen Hirnprozessen (u.a. weil dafür Augen, Hände, Sprechwerkzeuge und dergleichen benötigt werden) (“bin”) noch davon zu trennen (“habe”).

  18. “… funktionellen Zusammenhangs: …”

    Haha 😆 Mensch ist nur ein besserer Haufen Ameisen!?

    Die Profitler dieser stets nur reformistischen Welt- und “Werteordnung” wird’s sicher freuen 😊 Glaubens- und Wirtschaftsfragen bleiben weiter …

  19. @hto: Jedenfalls ist er kein von einer Seele oder sonstigen Geistern besessener Ameisenhaufen.

  20. @Christian Hoppe

    Das metaphysische Geist-Materie-Problem muss m.E. in das Geist-Gehirn-Problem überführt werden, da Vorstellungen von einem “Geist an sich” philosophisch kaum mehr haltbar sein dürften.

    Das ist sicher richtig! Allerdings fehlt da noch eine plausible Theorie. Der US-amerikanische Philosoph Joseph Levine geht davon aus, dass der Physikalismus wahr ist und mentale Zustände physische Zustände sind. Die Qualia müssten jedoch durch eine vollständige naturwissenschaftliche Theorie erklärt werden, da man nicht weiß, warum etwas erlebt werde. Levine führte deshalb den Begriff Erklärungslücke ein. “Die Erklärungslücke ist laut Levine nicht geeignet, um zu zeigen, dass der Physikalismus falsch ist. Levine schliesst aus der Existenz der Erklärungslücke, dass der Physikalismus zwar richtig ist, aber epistemisch unzureichend weil er die Erklärungslücke nicht schliessen kann.”
    Siehe hier S. 10 ff

  21. “er”???
    Mensch bedeutet im Sinne wirklicher Wahrhaftigkeit ALLE, jedenfalls wenn man das Erleben und Erkennen von der einzig vernünftigen Perspektive angeht, nicht im Sinne der herkömmlich-gewohnten imperialistischen Unterwerfungsmechanismen!

  22. @schlechte Erfahrungen

    Ja, die irreführenden Begriffe Seele, Himmel und Hölle, Sünde und nur ein Leben bis zum “Jüngsten Gericht”, da kann man wirklich nur von abraten, denn die Worte der Bibel sind ganz anders gemeint.

    Wir sind alle im SELBEN Maße “durchströmt” vom Geist der “Gott” und in dieser Realität Mensch ist, also …!? 😎

  23. @Mona: Die Erklärung für die Levine’sche oder Chalmer’sche “Erklärungslücke” ist, dass der Beobachter ein anderes Gehirn hat als der beobachtete Proband. Insofern ist es eine epistemische Lücke. Wir können die fraglichen Phänomene dennoch mit psychologischen Verfahren hinreichend “am Anderen” studieren – und dann vermutlich auch die hirnphysiologischen Grundlagen dieser Phänomene aufklären (wozu wir zunächst viel mehr vom Gehirn als solchem verstehen müssten …).

  24. Warum sollen Qualia (also gemäss deutschsprachiger Wikipedia der “subjektive Erlebnisgehalt eines mentalen Zustandes”) überhaupt eine besondere Rolle gegenüber anderen psychischen Prozessen ohne subjektiven Erlebnisgehalt haben?
    Beispiel: Wenn jemand Auto fährt und auf den Verkehr reagiert, dann spricht man nicht von Qualia, wenn aber das Autofahren mit einem subjekiven Erlebnisgehalt verbunden ist, spricht man von Qualia. Das ist ja gerade die Idee hinter den Zombies. Zombies könnten immer noch Autofahren – aber ohne subjektiven Erlebnisgehalt. Die Idee dahinter ist, dass ein Zombie nichts weiter als ein Automat ist und dass uns erst und gerade das subjektive Erleben zu bewussten Geschöpfen macht. Zitat Philosophical Zombie (übersetzt von DeepL): Ein philosophischer Zombie oder P-Zombie in der Philosophie des Verstandes und der Wahrnehmung ist ein hypothetisches Wesen, das von außen nicht von einem normalen Menschen zu unterscheiden ist, dem es aber an bewusster Erfahrung, Qualität oder Empfindungsvermögen mangelt.1] Wenn zum Beispiel ein philosophischer Zombie mit einem scharfen Gegenstand gestochen wurde, würde er kein Schmerzempfinden empfinden, könnte sich aber genauso verhalten, als ob er Schmerzen empfinden würde (er könnte sagen: “autsch”, vom Reiz zurückschrecken und sagen, dass er Schmerzen empfindet).
    Letztlich steckt eine gemeinsame Idee hinter der Diskussion um Bewusstsein und um Qualias. Die Idee nämlich, dass bewusstes Erleben und dass subjektives Empfinden genau das ist, was Menschen von Maschinen unterscheidet und genau das ist, was nach einer nicht physikalischen Erklärung verlangt. Doch warum soll das so sein? Ich kann mir durchaus vorstellen, dass auch eine Maschine empfindet, beispielsweise Schmerz empfindet. Sie muss das nur nicht. Aber auch ein Mensch muss nicht unbedingt Schmerz empfinden können und kann dennoch ein Mensch sein. Es gibt ja fehlende Schmerzempfindung aufgrund genetischer Disposition oder aufgrund von Krankheiten. Dennoch würden wir einem Schmerzunempfindlichen die Menschlichkeit nicht absprechen. Damit verbunden ist die Idee, Maschinen könnten grundsätzlich keine Gefühle haben. Was aber, wenn einer Maschine Gefühle einprogrammiert wurden wie das etwa bei David – der Hauptperson in Spielbergs A.I Artificial Intelligence – der Fall ist. Darauf haben die Physikalisten-Neinsager meist die Antwort, dass einprogrammierte Gefühle eben keine echten Gefühle seien. Doch damit machen sie es sich sehr einfach.

  25. @Holzherr

    Gibt es denn Gefühle die, von Wem oder Was, NICHT einprogrammiert sind?
    Welchen anderen Grund, als die Gefühle zu verstehen und zu überwinden, sollte es geben, die Sinnlosigkeit in zufälliger Einmaligkeit??

  26. “Die Gefahr, dass der Computer so wird wie der Mensch, ist nicht so groß wie die Gefahr, dass der Mensch so wird wie der Computer.” Konrad Zuse (1910 bis 1995, baute den ersten funktionstüchtigen Computer)

  27. Das Scheinproblem namens “Qualia” – der letzte Strohhalm der Philosophen im verzweifelten Ringen um ihre dahinschwindende Bedeutsamkeit im naturwissenschaftlichen Zeitalter.

    Menschen sind wie Tiere und Pflanzen Produkte der Evolution.
    Die Wahrnehmung und das Fühlen eines anderen kann niemand anstelle dieses anderen erfahren, dazu müsste er dessen Gehirn innehaben und wäre somit der andere.
    Eine 100 prozentige Perspektivenübernahme des Konkurrenten, des Fressfeindes oder des Verbündeten ist im evolutionären Prozess nicht nur nicht vorgesehen, sie ist überflüssig und tatsächlich gar nicht möglich.
    Die Beharrlichkeit mit der insbesondere Philosophen auf dieser Nebelkerze herumreiten, spricht Bände; sie haben ja inhaltlich auch nicht mehr viel anzubieten, darum tragen sie das Qualia-“Problem” wie eine Monstranz vor sich her und rufen glücklich: ‘Ihr wisst aber nicht, wie die Wahrnehmung jedes Individuums beschaffen ist. Was für ein Geheimnis! Übt euch darum in Demut, ihr Neurowissenschaftler und Deterministen!’
    Das ist der motivationale Antrieb der philosophischen Qualia-Rufer: Sich über das Geheimnis, das Ungelöste, ein Terrain im Diskursfeld offen zu halten, auf dem sie, die Philosophen, endlich auch noch etwas zu sagen haben, schließlich müssten Naturwissenschaftler doch einsehen, dass es da noch das große Ungelöste gibt: Qualia!
    Man sollte den Philosophen in aller Gelassenheit entgegnen, dass sie hier ein Scheinproblem aufmachen; eine moderne Variante der Frage in den Raum stellen, wie viele Engel wohl auf einer Nadelspitze Platz finden; eine Frage, die unbeantwortbar ist; aber es war diese immanente Unbeantwortbarkeit, die einst zuverlässig die Theologen nährte und im Gespräch hielt. Heute geht es darum, zu erkennen, dass Philosophen eine ebenfalls prinzipiell nicht beantwortbare Frage – Qualia – als Fetisch und Instrument der Aufmerksamkeits – und Bedeutungsgenerierung verwenden. Mehr ist da nicht.

  28. sherfolder,
    Qualia als Fetisch,
    wie soll man die Individualität jedes einzelnen Menschen retten ,wenn die Wissenschaft die Menschen einmal zu Nummern degradiert hat?
    Da ist mir doch der Begriff Gott lieber, der garantiert, dass ich einzigartig bin auf dieser Welt und er mich nach dem Tode mit meinem Namen rufen wird.
    Wenn sich die Wissenschaft anmaßt, alles Geistige materiell erklären zu können, dann wird sie letztlich den Sturm der Menschen ernten.

  29. Nein, beide, Atheist und Religiöser können das selbe erleben (und empfinden), aber einen anderen kognitiven Kontext dazu denken.

    Der Kontext ist nur Perspektive, die Empfindungen sind gleich oder ähnlich, so die neurologischen Bedingungen gleich/ähnlich sind.

    Der Religiöse denkt im Augenblick des Glücks, Gott zu danken, der Atheist denkt in Glück und Freude über den Moment, beide aber “preisen” das Sein (und somit im Sinne der Theologien eben Gottesdank).

    Der Kontext ist nur “kognitiver Nachvollzug”, Beschreibung der Rezeption der erlebten Realitäten. Welterklärungswerkzeug, und das kann unterschiedlich funktionieren.

  30. Es muß aber neben der reinen Naturwisdsenschaft immer noch eine Instanz die Einbettung ins Subjektive leisten.

    Und das macht die Philosophie.

    Die Naturwissenschaft allein tut Messen, zählen und Rechnen.
    Die Philosophie tut die Erkenntnisse in die Subjektive integrieren.

  31. Der Mensch ist / hat ein mitfühlendes Wesen – ja, wo denn, bei all der Ignoranz, der Arroganz, der Intrigen, der Hierarchie im nun “freiheitlichen” Wettbewerb, um …???

    Das ist also nichts weiter als die illusionäre Sinnlosigkeit in zufälliger Einmaligkeit, für die wir nun Vernunft, Verantwortungsbewusstsein und das von “Aufklärung” und Zivilisation kapitulativ-bedingte “Recht des Stärkeren” spielen / heucheln – Ich denke SO ist Frieden, bzw. eine Zeit ohne Mord und Totschlag, ein Verbrechen gegen die MENSCHLICHKEIT!? 😎

  32. Leib-Seele-Problem

    Aus diesseitiger Sicht muss hier “gesprungen” werden und angenommen werden, dass Welten Welten erschaffen können, selbst wenn die Tochterwelten sozusagen in der Mutterwelt physikalisch zu stehen scheinen, ist dieser Anschein oder Schein nicht zwingend anzunehmen, wenn das, was ist, also die Welt, die Gesamtwelt sozusagen, das was waltet oder ist, Möglichkeiten offen lässt diese tatsächlich existierende oder eben nur scheinbare Welt zu ergänzen, dann : im hierarchischen Sinne unabhängig von der Mutterwelt und von erkennenden Subjekten, die eigene Welten aufbauen und in der Folge pflegen, aufgebaut, in denen -theoretisch, der Webbaer nimmt für sich dies nicht in Anspruch, ist sozusagen zu klein- wiederum erkennende Subjekte mit ihren Welten entstehen könnten.

    Immerhin könnte durch diese Annahme das Leib-Seele-Problem gelöst werden, bspw. hat sich hier auch der SciFi-Autor Philip K. Dick bemüht, in gewissem Sinne auch Terry Pratchett, und insofern wäre halt metaphysisch aufgelöst.

    Auflösung im Rahmen der Logik, der Sprachlichkeit, ist schon wichtich, vgl. auch mit dieser Bekundung von Abscheu :

    Natürlich könnte man mir hier mit Idealismus, Konstruktivismus und Solipsismus kommen, aber ich finde diese Positionen so absurd und pseudoschlau, dass ich einfach keine Lust habe, mich damit zu beschäftigen.

    Wozu wer ‘Lust hat’ oder auch nicht, macht den Braten nicht fett, informiert nicht und löst auch nicht auf.

    Vertrauen Sie gerne, lieber Herr Dr. Hoppe, Ihrem Langzeit-Kommentatorenfreund (vs. ‘fiese Sau’, wie Sie ihn, sicherlich nur in einem Anflug von Emotion genannt haben, Dr. Webbaer hat sich seinerzeit auch “ein wenig” ungünstig kommentarisch bemüht, sorry!, noch einmal), der sich hier schon lange Zeit versucht hat Auflösbares aufzulösen.

    Sollten Sie hier, werter Herr Dr. Hoppe, bei dieser weiter oben nur skizzierten Sicht oder Auflösung abhold bleiben, wovon Dr. Webbaer fast ausgeht, bliebe es dennoch nett die Kohärenz der hier skizzierten Überlegung anzuerkennen, auch wenn Sie diese als unwahrscheinlich oder als nicht gegeben betrachten.

    MFG
    Dr. Webbaer

  33. Schön, Herr Hoppe, dass Sie mal wieder Zeit gefunden haben, etwas Kluges zum sogenannten Körper-Geist-Problem schreiben.

    Was die von @Mona angesprochene Erklärungslücke anbelangt, da bin ich mit Blick auf deren zukünftige Schließung oder wenigstens Verkleinerung deutlich skeptischer als Sie.

    Selbst wenn wir genau wüssten, welche Neuronenverbände wie feuern müssen, damit z. B. ein bestimmter Farbeindruck im Hirn aufscheint, ich wüsste nicht, wie man von diesem objektiven Wissen aus zu einer Erklärung für den subjektiv erlebten Sinneseindruck kommen könnte.

    Aber nichtsdestotrotz bin auch ich der Meinung, dass das harte Qualia- oder Körper-(Gehirn)-Geist-Problem kein Grund zur Beunruhigung ist. Es beunruhigt uns ja auch nicht, dass wir das zeitliche Auftreten einzelner Quantenereignisse nicht genau vorhersagen können. Eher noch können wir vielleicht irgendwann mal Licht in die dunkle Materie bringen.

  34. @ Kommentatorenkollege ‘sherfolder’ :

    Das Scheinproblem namens “Qualia” – der letzte Strohhalm der Philosophen im verzweifelten Ringen um ihre dahinschwindende Bedeutsamkeit im naturwissenschaftlichen Zeitalter.

    ‘Scheinproblem’ kam hier gut an, andererseits scheitern einige an diesem Problem, werden bspw. vulgär-realistisch oder vertiefen sich hier in ein, aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen : auflösbares Problem, um dann doch in nie enden währenden philosophischen Diskursen zu enden.


    Zur Philosophie an sich, ganz untergeordnet, wie es sich hier bei Dr. Hoppe in seinem dankenswerterweise bereit gestellten Feedback-Bereich womöglich auch gehört, noch kurz angemerkt :

    1.) Die Philosophie meint die Liebe zum (individuellen) Denken, das der Horde sozusagen abgeschworen hat.

    2.) Am Anfang war das Wort, der Logos, wie im Johannesprolog zum Alten Testament, wie einige finden, wundervoll : herausgearbeitet, sehr schön also, auch wenn für Humanisten anders formuliert werden könnte, dann die Ratio meinend.

    3.) Die Philosophie ist die Mutterwissenschaft der Wissenschaften, insbesondere auch : der Naturwissenschaften, Einzeldisziplinen sind idF, womöglich mit der Fähigkeitslehre, der wundervollen Mathematik beginnend, sinnhafterweise sukzessive heraus gelöst worden.

    4.) Die Philosophie bleibt auch heute noch die Mutter der Erkenntnis, ihre Stärke ergibt sich überall dort, wo Fachdisziplinen sinnhafterweise herausgelöst werden konnten, sukzessive, also im Allgemeinen, von der Veranlagung her heutzutage in der Erkenntnistheorie wie im Metaphysischen auf der einen Seite, wie im Politischen / Sittlichen / Moralphilosophischen auf der anderen.

    5.) Heutzutage ist die Philosophie in praxi meist darin gut festzustellen, wie zu erklären, was (natur-)wissenschaftlich nicht geht.

    That’s life, der eine so, der andere so, Pete Singer bspw., der bundesdeutsche Precht oder die Dame Judith Butler bleiben abär dbzl. angefragt, auch andere “Beauties” meinend.

    MFG + schöne Endwoche noch,
    Dr. Webbaer

  35. (Ausnahmsweise doch die Antwortfunktion benutzt, aus Gründen)

    @hmann (alias R.; l.i.; …)

    “Dass […] er mich nach dem Tode mit meinem Namen rufen wird.”

    Hoffentlich weiß er dann, welchen er verwenden soll, oder er ruft einfach alle.

  36. @ KRichard :

    dass unser Bewusstsein eine Illusion ist

    Die Präfix ‘in-‘ könnte klar sein, ansonsten müsste die Lux (“Licht”) gemeint sein und in Form des ‘Ludere’ verbalisiert das ‘Schauspiel’.
    Könnte ‘einleuchtend’ sein.
    Das Bewusstsein bedarf idT der Erinnerung, ohne diesem kein Sein sozusagen und die Qualia meint die Gegenständlichkeit des Wies, im Gegensatz zur Gegenständlichkeit des “Wie viels?”, die Quantia sozusagen.
    Die Altvorderen dürfen mit ihren (oft : mühsam errungenen) sprachlichen Leistungen stets beachtet bleiben.

    Ein ‘einfacher Mechanismus’ kann hier nicht vorliegen, wenn erkennende Subjekte sozusagen neue Welten schaffen, nichtsdestotrotz kann es hier, mit den Mitteln der Vulgär-Erkenntnis sozusagen, versucht werden, dbzgl. Meme zu pflegen und sozusagen bio-reaktiv auf Schaltkreise oder ‘Neuronenverbände’ zurückzuführen, um so eine sozusagen gedankliche Einheit herzustellen.

    Weil in diesem Zusammenhang aber nie hinreichend Evidenz bereit gestellt werden kann, nicht so gemessen werden kann, schlägt Dr. Webbaer gerne vor, auch um bestimmten niedrigen Überlegungen bestmöglich vorzubeugen, dass Welten Welten erschaffen können.
    Auch, um sich nicht fortlaufend auf per se nicht falsi-, wie nicht verifizierbaren Terrain bewegen zu müssen.

    MFG + schöne Endwoche noch,
    Dr. Webbaer

  37. Die sog. Antwortfunktion kann in diesem Zusammenhang fast nur sinnhafterweise benutzt oder benützt werden, bei dem hier vorgefundenen Intro.
    Witzigerweise schätzt auch Stephan Schleim die eher aus Newsgroups geschätzte Sequenzialität des Seins im Web, statt die Struktur zu suchen.
    MFG + schöne Endwoche,
    Dr. Webbaer

  38. @Holzherr: zu Qualia/Zombie
    Der Begriff ´Bewusstsein´ kommt aus der Psychologie: Bewusstsein entsteht, wenn sich neuronale Akivitäten von Gehirnarealen vernetzen und dabei eine Aufmerksamkeitsschwelle überschritten wird.
    (Z.B. wenn Menschen narkotisiert werden – verhindert das Narkosemittel diese Vernetzung: der Mensch ist zwar lebendig, aber ohne Bewusstsein.)

    Autofahrende Zombies gibt es nicht – aber bestimmte Tätigkeiten laufen so stark automatisiert ab, dass sie unbewusst ausgeführt werden können.

    Nebenbemerkung:
    Die ´integrierte Informationstheorie´ von Gulio Tononi schreibt Systemen die aus wechselwirkenden Bestandteilen bestehen – eine Informationsverarbeitung und somit ein Bewusstsein zu. (Damit hätte auch Materie ein ´Bewusstsein´; z.B. im Atom wechselwirken Protonen, Neutronen, Elektronen)
    Diese Theorie ist fragwürdig – weil es nicht reicht, einfach nur den Begriff ´Bewusstsein´ falsch zu verwenden.
    Die Idee eines ´universellen Bewusstseins´ (unabhängig von neuronalen Aktivitäten des Gehirns) ist aber in der Esoterik-Szene sehr populär.

  39. @KRichard

    Tja, solange unsere Gehirne, VOR ALLEM systemrational-gespalten, in neuronal-vorbestimmten Aktivitäten funktionieren, wird es Telepathie und Verbindung mit “universellem” / nicht illusionären Bewusstsein nur sehr bedingt geben, bzw. wird der nächste GEISTIGE Evolutionssprung sehr problematisch, in dieser Realität der systemrational-gebildeten Suppenkaspermentalität!? 😎

  40. @KRichard (Zitat): Autofahrende Zombies gibt es nicht Doch, denn ein sich korrekt verhaltender Zombie, der sich bezüglich Verhalten nicht von Menschen unterscheiden lässt, ist gerade eine Denkfigur im Konstrukt des philosophischen Zombies. Im verlinkten Wikipedia-Artikel liest man dazu (übersetzt von DeepL): P-Zombies wurden in erster Linie eingeführt, um gegen bestimmte Arten von Physikalismus wie Behaviorismus zu argumentieren, nach denen mentale Zustände nur als Verhalten existieren: Glaube, Begehren, Denken, Bewusstsein und so weiter, sind einfach bestimmte Arten von Verhalten oder Tendenzen zu Verhaltensweisen. Ein P-Zombie, der verhaltensmäßig nicht von einem normalen Menschen zu unterscheiden ist, dem es aber an bewussten Erfahrungen mangelt, ist demnach nach dem Behavioristen logisch nicht möglich, so dass ein Appell an die logische Möglichkeit eines P-Zombie ein Argument liefert, dass Behaviorismus falsch ist. Befürworter von Zombie-Argumenten akzeptieren im Allgemeinen, dass p-Zombies physisch nicht möglich sind, während Gegner notwendigerweise leugnen, dass sie metaphysisch oder sogar logisch möglich sind.
    Im Falle des Autofahrens kann man wohl mit Bestimmheit sagen, dass Autofahren auch ohne Bewusstsein möglich ist, denn Waymo bietet nun offiziell einen fahrerlosen Fahrdienst an und die Fahrcomputer von Waymo haben nach allgemeinem Verständnis kein Bewusstsein.
    Allerdings können Menschen wohl nicht ohne Bewusstsein fahren – vor allem deshalb nicht, weil Menschen über Bewusstsein verfügen und dieses Bewusstsein eben nicht irgend ein Nebenprodukt der Evolution ist, sondern evolutiv entstanden ist, weil es Vorteile brachte. In dieser Sicht haben auch Tiere Bewusstsein und es muss ein Gradualismus gelten, das heisst: höher entwickelte Tiere haben mehr Bewusstsein als niedrige.

  41. off topic @ Holzherr
    Zombies, Untote, Wiedergänger, Strigoi, Nachtod-Kontakt bzw. sogar Vampire: Diese Ideen beschreiben ähnliche Phänomene, aber nur mit unterschiedlichen Begriffen benannt.
    Ihre Ursachen beruhen auf Erinnerungen bzw. dem Ergebnis von Erinnerungsvorgängen.

    Auch hier wäre es nützlich, wenn man verstehen wollte, wie Denken/Erinnern funktioniert.

  42. Qualia sind (gemäss Wikipedia) Erlebnisgehalte von mentalen Zuständen und es stellt sich die Frage (gemäss Wikipedia): Warum erleben wir überhaupt etwas, wenn bestimmte neuronale Prozesse im Gehirn ablaufen? oder konkret: Was ist der Sinn einer Schmerzempfindung oder der Sinn eines Farberlebnisses, wenn es doch gar keines Erlebnisses, keiner Empfindung bedarf, um “richtig” (adäquat) auf einen Reiz zu reagieren.
    Die Antwort sehe ich im evolutiven Vorteil, den ein Schmerzempfinden oder ein Farberlebnis mit sich bringt. Denn Erlebnisse enthalten fast immer eine implizite Bewertung, sind implizit bedeutsam. Bei Schmerz ist das offensichtlich, denn das Schmerzempfinden führt dazu, schmerzhafte Ereignisse zu vermeiden. Aber auch das Farberlebnis erhöht die Bedeutsamkeit von Wahrgenommenem und hilft mit, etwas zu memorieren und später sich wieder daran zu erinnern oder es wiederzuerkennen.
    Qualia machen also etwas bedeutsam, lenken unsere Aufmerksameit und helfen uns beim Erinnern. Das ist ganz offensichtlich ein evolutiver Vorteil und damit der Grund, warum so etwas wie das Erleben/Empfinden von mentalen Zuständen bei höheren Tieren so ausgeprägt ist.

  43. @Martin Holzherr
    ” Denn Erlebnisse enthalten fast immer eine implizite Bewertung”

    Streichen Sie das “fast”.
    Alle, ausnahmslos alle Erlebnisse, stellen immer schon eine Auswahl des Gehirns aus einer unendlichen Zahl von potentiell wahrnehmbaren Sinnesreizen dar. Es gibt daher auch keinerlei “passive Wahrnehmung”, alles was erlebt wird, wurde ” für Sie” durch die Aktivität von Nervenzellverbänden bereits als wichtig kategorisiert, konkurrierende Nervenzellverbände, mit anderen Priorisierungen haben sich dagegen nicht durchgesetzt.
    Einfaches Beispiel: Sie sind sehr spät dran und verpassen womöglich den einzigen Zug, der Sie an diesem Tag aus dem kleinen Bergdorf in die nächst größere Stadt bringen kann. Sie laufen atemlos Richtung Bahnhof und Ihr einziger Fokus liegt darauf, entgegenkommende Passanten möglichst nicht umzurennen. Gerade noch, in letzter Sekunde, gelingt es Ihnen, den Zug zu besteigen. Fragt Sie der Mitreisende im Abteil, was Sie am Morgen auf dem Weg zum Bahnhof alles so erlebt haben, können Sie, immer noch ganz außer Atem, nur antworten: ” Eigentlich nichts. Ich war nur darauf aus , den Zug noch zu erwischen.”
    Wochen später sind Sie wieder Richtung Bahnhof unterwegs, diesmal aber sind Sie rechtzeitig losgegangen. Sie gehen denselben Weg, Sie sind derselbe Mensch aber diesesmal nehmen Sie Dinge wahr, für die Sie vorher kein Auge hatten; die Katze, die, vor einer Haustür sitzend, sich bedächtig das Fell putzt, die Amsel, die aus dem Gebüsch hervorspringt, das Sonnenlicht, das sich in der kleinen Pfütze spiegelt – alles das können Sie nun wahrnehmen, da der Zustand Ihres Gehirns jetzt allein aufgrund der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit (physikalisch-chemisch) ein anderer ist und die Nervenzellaktivitäten Ihnen darum die Wahrnehmung von Sinnesreizen erlauben, die es Ihnen im ersten Beispiel versagt hat.

  44. @Holzherr

    “… stellt sich die Frage …, … evolutiven Vorteil …, implizit bedeutsam …, … machen also …, … damit der Grund …”

    Tja, irgendwo sitzt in der Sinnlosigkeit ein gelangweilter Bastler, der die zufaellige Eimaligkeit gestaltet hat, und freut sich nun, dass wir den Stuss erkannt haben und es Evolution nennen!? 😎

  45. @Holzherr: Funktionale Erklärungen für die Vorteile bewusster gegenüber vor-/unbewusster neuronaler Informationsverarbeitung liefern noch keine Erklärung für die Qualia. Das Entscheidende des akuten Schmerzerlebens ist ja z.B. das Wegziehen der Hand von der heißen Herdplatte – das könnte alles so verschaltet sein, dass es geschieht, ohne dass Schmerz gefühlt wird.

    Ich vermute eher, dass ein bestimmtes Niveau der Integration von sensorischen Informationen im Hinblick auf die Planung von Handlungen in lebenden Systemen notwendigerweise im Modus des Bewusstseins abläuft. Wir verstehen diese Integrationsleistung rein physiologisch/physikalisch bisher zu wenig – und daher verstehen wir auch den Übergang von vor-/unterbewusster zu bewusster Informationsverarbeitung (d.h. etwas wird bemerkt) nicht.

  46. @Christian Hoppe (Zitat): Ich vermute eher, dass ein bestimmtes Niveau der Integration von sensorischen Informationen im Hinblick auf die Planung von Handlungen in lebenden Systemen notwendigerweise im Modus des Bewusstseins abläuft.
    Aus Ingenieurssicht könnte man nach dem Sinn von Bewusstsein fragen. Eine mögliche Antwort wäre, dass Bewusstsein überhaupt erst ein Handlungssubjekt konstruiert, welches etwas will und welches Dinge in einen Zusammenhang mit sich selbst bringt. Nur schon der Überlebenstrieb könnte die Ausbildung eines derartigen Bewusstsein fördern, denn komplexere Überlebensstrategien erfordern Zeit (z.B Jahreszeit, Zeitdauer für die Nahrungssuche etc.) und Raum (dort wo man ist, her kam und hin will) in einen grösseren Zusammenhang zu bringen. Letztlich ist der grössere Zusammenhang im einfachsten Fall der Drang mit dem Alltag und der Zukunft zurechtzukommen um zu überleben.

  47. Zeitalter der Konfusion in Ueberproduktion vonHier ist besonders deutlich, dass Mensch sich weiter in seiner Kindheit / Trotzphase befindet. Das Erlebte wird, trotz EINDEUTIGER Vernunftbegabung, mit peripheren Verstand des geistigen Stillstandes seit der “Vertreibung aus dem Paradies”, zur TECHNOKRATISCHEN “Wissenschaft” – eine Aufloesung des Problems ist sichtbar, aber die Wahrscheinlichkeit des Erreichens ist mangels / aufgrund zuvieles … sehr gering!?

  48. Auch wenn man meine BEWUSSTEN Wiederholungen hier schon hinlaenglich / nachhaltig kennt, der Titel oben muss lauten:
    ZEITALTER DER KONFUSION IN ÜBERPRODUKTION VON SYSTEMRATIONALEM KOMMUNIKATIONSMÜLL

  49. Am ehesten dürfte man nachvollziehen können warum sich „Bewusstsein“ (zunächst einmal ohne „Qualia“ wie „Lust und Schmerz“) entwickelt hat, wenn man Vergleiche aus der Elektronik Informatik heranzieht, wie sich dort die Systeme entwickelt haben.

    Als man den ersten Schritt von einfachen elektronischen Steuerungen hin zu besonders dynamisch arbeitenden „programmierbaren Schaltwerken“ vollzog, war es notwendig, von einer Art von „zentralen Datenstruktur“ auszugehen, die sozusagen im Mittelpunkt der Informationsverarbeitung steht.
    Diese Datenstruktur nannte man „Datensammler oder Akkumulator (AKKU)“.
    Erst in dieser Struktur entstanden sozusagen (variable) „Bedeutungen“ der einzelnen „Informationsbits“, auch Ergebnisse von Berechnungen die der „Programmierer“ vorgesehen hat.
    In der Informatik gab es anfangs nur „lineare“ später auch flächige und mehrdimensionale Datenstrukturen.

    In der Biologie dürften sich ebenfalls an (eher flächigen) Schnittstellen verschiedener Neuronentypen, (z.B. Hippocampus – Cortex) „besondere Datenansammlungen“ entwickelt haben, die die nachfolgenden Prozesse steuern.
    Ich vermute sogar, dass sich das was man Qualia nennt (also die Möglichkeit Lust und Schmerz zu empfinden), sehr früh entwickelt hat, weil es extrem stark auf die Motivation von Lebewesen einwirken kann.
    „Qualia“ Phänomene entstehen vermutlich ebenfalls in der Nähe von so etwas wie „Grenzschichten“ wo elektrische (Information verarbeitende) Prozesse mit chemischen Prozessen interagieren können.
    „Qualia“ Phänomene (Lust – Schmerz) bewirken letztlich, Nützliches anzustreben und Schädliches zu vermeiden.
    Dies kann auf einfachster als auch komplexester Ebene geschehen.

    In biologischen Systemen dürften diese „Akkufunktionen“ also auf flächigen Strukturen erfolgen. Es besteht insbesonderes die Möglichkeit „komplexe örtliche und zeitliche“ Muster sozusagen auf eine Fläche „projizieren“ zu können.
    Dies ist möglich weil Neuronen „Laufzeitketten“ bilden können und man sozusagen einen früheren z.B. „Bildpunkt“ (dessen informelle Abbildung) mit einem späteren „Bildpunkt“ „gleichzeitig“ abbilden kann. Dadurch können zunächst örtlich – räumlich – zeitliche Muster, besser gesagt „Mikromuster“ abgebildet werden und daraus hierarchisch, ebenfalls mittels der neuronalen „Gatterfunktionen“ (McCulloch) komplexe Muster.

    Es entstehen auch, z.B. an der Netzhaut, flächige tatsächlich „bildhafte optische Abbildungen“ der Umgebung, deren einzelne Bildpunkte in ihrem „Zusammenhang“ (Muster) danach in den neuronalen Netzwerken ausgewertet werden.

    Neuronale Gatterfunktionen (McCulloch) sind für die neuronale Informationsverarbeitung genau so System immanent, wie logische Gatterfunktionen in der Elektronik/Informatik.

    Selbstverständlich sind für die „Speicherungsprozesse“ (Wissensabbildung) die von E. Kandel entdeckten synaptischen Funktionen wichtig.

    May-Britt Moser hat im Hippocampus und im entorhinalen Cortex „grid cells“ identifiziert. Damit konnte sie erklären wie sich Ratten im Labyrinth bei der Futtersuche orientieren. Sie konnte sozusagen die „Ergebnisse von Rechenprozessen“, zu welcher Futterstelle das Versuchstier zu laufen „gedenkt“, im Rattengehirn auslesen.

  50. Die guten Quellen

    Meine Qualia (meine Qualen!?) sagen mir: Schon vor meiner Ausserkörpererfahrung, kam mir die Art der Kommunikation dieser Realität irrsinnig / krank vor.
    Heute weiß ich, das ist verursacht durch die vom Instinkt herrührende und stets gepflegte Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und “Individualbewusstsein”, die sich leichtfertig-KAPITULATIV vom reformistischen Zeitgeist zu SYMPTOMATIK in systemrationaler Unwahrheit / systemrationalem Stumpf-, Blöd- und Wahnsinn / Suppenkaspermentalität BILDEN lässt.

    Mit ganz anderer / wirklich-wahrhaftiger / eindeutig-unkorrumpierbarer Vernunft und Menschenwürde, oder mit einem krassen Trip zum ZENTRALBEWUSSTSEIN, wie ich es relativ unbewusst
    provoziert habe, kämen euch SICHER erleuchtende / logische Gedanken bezüglich des Lebens, bzw. des Verstandes und der Geduld für die geistige Evolution / den nächsten geistigen Evolutionssprung!?

    Aber klar, wahrscheinlicher ist das Schweine fliegen, bevor sich die Wohlstands- und Gewohnheitsmenschen dieser Welt- und “Werteordnung” zu einer Kommunikation WEG VOM Kreislauf des imperialistischen Faschismus und seinem NICHTS besinnen?

  51. @Christian Hoppe
    Zitat: „Wir verstehen diese Integrationsleistung rein physiologisch/physikalisch bisher zu wenig – und daher verstehen wir auch den Übergang von vor-/unterbewusster zu bewusster Informationsverarbeitung (d.h. etwas wird bemerkt) nicht“

    Wäre aber nach dem von mir (auch weiter oben) vermuteten (aus der Elektronik/Informatik stammenden) Konzept einfach zu verstehen.
    Ganz grob und anschaulich noch weiter vereinfacht, man könnte sich Bewusstsein so vorstellen wie ein „Excel Arbeitsblatt“ (Matrix) am Bildschirm eines Tablet PC (Schnittstelle zwischen Elektronik und Anwender). Am Bildschirm werden die Input- und Outputdaten (in einem bestimmten praktischen Code) angezeigt. Die Prozesse „laufen“ im Hintergrund.
    Die Integrationsleistung „entsteht“ in den Bewusstsein abbildenden eher flächigen Strukturen.
    In diesem Sinne dürfte so etwas wie eine Gesamtheit der Grenzschichten (Netzhaut bis Hirnhaut) – Zwischenschichten im Gehirn, Bewusstsein abbilden und Einfluss auf die Outputsteuerung nehmen.
    „Nicht bewusst“ läuft ein Prozess dann, wenn eben die Bewusstsein abbildenden Strukturen „umgangen“ werden.

    Wenn z.B. Info (abbildende Impulse) von Inputkanälen direkt auf Outputkanäle gelangt.

    Ist offensichtlich so, wenn Bewegungsabläufe nicht zur Gänze (eher nur zum geringen Teil) vom Gehirn gesteuert werden, sondern Signale bereits von der peripheren Sensorik direkt über dezentrale Knoten den Output steuern. (Patellarsehnenreflex).

    Das Bewusstsein ist allenfalls nur noch Beobachter der Situation.

  52. “Ich habe mein Gehirn also nicht in der Weise, wie ich andere Organe habe und besitze.”

    Leber: ich kann nicht denken, ich scheide nur Schadstoffe aus.
    Hirn: ich denke und kann mich selbst nicht leiden, ich finde mich doof.
    Leber: bist du kaputt? wenn ich kaputt bin, werde ich zu einer Fettleber.
    Hirn: ich vergleiche mich mit anderen Hirnen und finde mich daher doof, da ich die anderen Hirne als intelligenter ansehe.
    Leber: und wer vergleicht nun dein Hirn mit dem Hirn des anderen?
    Hirn: na ich.
    Leber: also muß ich dich als gespalten ansehen. Ein Teil deines Hirns mokiert sich über den anderen Teil des Hirns. Darüber hinaus wird dir gewahr, daß du nun aus mindestens diesen zwei Teilen bestehst und wunderst dich nicht?
    Hirn: ich feure nur mein Neuronen.
    Leber: da geht es dir besser als mir. Würde ich unkontrolliert feuern, würde ich den nächsten Tag nicht überleben. Ich muß mich an die Gesetze halten, um zu funktionieren.
    Hirn: auch ich muß mich an Gesetze halten, sogar an jene, die ich mir selbst gegeben habe. Ich gab sie mir einst, um mit anderen Hirnen friedlich zusammen leben zu können. Denn ich will ja weiterkommen.
    Leber: Quo vadis?
    Hirn: das weiß ich auch nicht, denn wie man mir glaubhaft versicherte, ist die Teleologie obsolet.
    Leber: dann läufst du also chaotisch im Kreis? Ich glaub’ über das Feuern der Neuronen mußt du noch einmal gesondert nachdenken.
    Hirn: 🙂

  53. Hirn: ich gab mir einst ein Ziel über mich selbst hinaus, doch nun ist der Boden zahm geworden und kein hoher Baum wächst mehr daraus.
    Leber: das kenne ich, du wirst alt.
    Hirn: du verstehst mich nicht, ich rede ja nicht von mir.
    Leber: also über andere Hirne. Dein Hirn wird nicht mehr sein und dennoch machst du dir Gedanken über künftige Hirne? Das verstehe wer will!
    Hirn: Evolution, mein Lieber. Ich bin auch in der Zukunft an mir interessiert.
    Leber: du bist ein unverwüstlicher Metaphysiker. Ich hingegen pfeife auf alle Lebern, die nach mir kommen.

  54. Hirn: drum darf man eben Hirn und Leber nicht in eins setzen.
    Leber: ja, ja. Du hast einen Hang zum Größenwahn. Selbst wenn du die letzte verbliebene Instanz wärest, was noch lange nicht bewiesen ist, tätest du gut daran, über dich etwas noch größeres zu sehen. Wie willst du sonst über dich selbst hinaus wachsen? Du hast doch selbst gerade darüber gejammert, daß keine großen Bäume mehr wachsen.
    Hirn: ich schrieb ja zu Anfang, daß ich doof bin. Andere Hirne sind intelligenter. Um meines Hirns geht es mir ja gar nicht.
    Leber: Und woher hat das andere Hirn dann die Größe? Bist du bloß autoritätsgläubig? Gebricht es dir des Mutes, dich deines eigenen Hirns zu bedienen?
    Hirn: wer? ich? welches Hirnareal meinst du jetzt? Bin ich doch mehr als mein Hirn? Andere Hirne? Du machst mich meschugge!

  55. Leber: ich will ja nur, daß du dich nicht selbst überhöhest. Denn wer sich selbst erhöhet, soll erniedriget werden. Schöne Bach-Kantate.
    Hirn: eine religiöse Leber -was sagt man dazu?

  56. Leber: tief in deine Seele, an die du nicht glaubst, senke ich diesen folgenden Satz hinein: Halte dich an jene, die die Wahrheit suchen und meide jene, die glauben, sie gefunden zu haben. Das heißt eben auch, sich selbst gegenüber skeptisch zu bleiben. Hirn hin oder her.

  57. @Hoppe
    Bei Wikipedia [Giulio Tononi] [Panpsychismus] findet sich der Hinweis, dass der Neurowissenschaftler Christof Koch die integrierte Informationstheorie als wissenschaftliche Form des Panpsychismus betrachtet.
    Dies würde die Aussage des Spektrum-Artikels bestätigen.

  58. @Leber

    Halte dich an jene, die die Wahrheit LEBEN, so gut / so zweifelsfrei es eben geht und MEIDE NIEMANDEN, denn es ist eben auch besser sich selbst gegenüber skeptisch zu bleiben, bis … 😎

  59. @Christian Hoppe

    Ich möchte Ihnen sehr geehrter Herr Hoppe, sozusagen „zuvorkommen“.

    Sie werden an meiner Denke und Argumentation aus Sicht von Elektronikern wohl kritisieren dass ich es mir zu einfach mache.

    Ich greife nur einen ganz winzigen Bereich des neuronalen Geschehens auf. Den Bereich, dass letztlich ein Neuron dann triggert, wenn auf möglichst vielen Dendriten möglichst gleichzeitig Impulse einlangen. Bedeutet, nur in dieser kurzen Zeitspanne verhält es sich annähernd wie ein logisches UND Gatter der Elektronik und man kann deshalb auf Erkenntnisse der Elektronik zurückgreifen und diese in die Neurologie übertragen.

    Aber genau dieser winzige Aspekt erklärt für einen Elektroniker die besondere Art der neuronalen Informationsverarbeitung.

    Was für die Wissenschaft von Interesse ist, das gesamte Prozessgeschehen zu erforschen, hat für einen Elektroniker nur insoweit eine Bedeutung, dass der o.a. Aspekt mit der Triggerung möglichst stabil und reproduzierbar ist. Der wird, wie im Beispiel meiner früheren Argumentation angenommen, zur Informationsverarbeitung genutzt und ist für Elektroniker wirklich relevant, die anderen Prozesse sind für Elektroniker nur dann vom Interesse wenn sie Einfluss auf das Geschehen nehmen können.

    Dass dieser Gattereffekt im Neuron nur kurze Zeit anhält, hat den Vorteil dass das System „von Haus aus“ dynamisch ist, ähnlich wie ein elektrischer Mikroprozessor und nicht wie früher als nur die verknüpften elektrischen Gatterfunktionen genutzt wurden.
    Die Gatter der Elektronik waren in diesem Sinne nicht dynamisch.
    Der Unterschied zur neuronalen Gatterfunktion ist weiters, dass in der technischen UND Bedingung !!!alle!!! Eingänge gleichzeitig ein passendes Signal liefern müssen um den Halbleiter korrekt zu schalten, beim Neuron sind es möglichst viele Eingänge. Dies erklärt, warum Computer exakt „rechnen“ und beim neuronalen System statistisch, sozusagen „mehrheitlich“ ein Ergebnis, mitunter sogar falsch, ausgegeben werden kann.

    Ich will damit sagen, die Neurologie hat deswegen Probleme im tieferen Verständnis der neuronalen Informationsverarbeitung, weil sie sozusagen in der noch dazu komplexen Vielfalt der Prozesse „ertrinkt“. Sie sollte die jeweils echt relevanten Prozesse „herausfiltern“ um einen grundlegenden Verständnis nahe zu kommen.
    In diesem Sinne möchte ich argumentieren.

  60. @Elektroniker

    “…, sozusagen “mehrheitlich” ein Ergebnis, …”

    Danke, denn genau da liegt der “Hase im Pfeffer”, solange Mensch sein inzwischen multipel SCHIZOPHRENES Spiel des “Zusammenlebens” betreibt, entgegen der Möglichkeiten seiner ursprünglichen geistigen Kräfte – wie in der Elektronik, da ist auch die von mir hier schon oft genannte “göttliche Sicherung” vor …, die es somit GEMEINSAM zu überwinden gilt 😎

  61. GEMEINSAM – KOMPROMISSLOS und UNDIFFERENZIERT, im Sinne der wirklich-wahrhaftigen / zweifelsfrei-eindeutigen Vernunft!!!

  62. sharefolder
    “Eigentlich nichts. Ich war nur darauf aus , den Zug noch zu erwischen.”
    Wenn wir unsere Wahrnehmung auf ein Ziel richten, dann filtern wir die Reize.
    Ob wir sie aber zu 100 % gefiltert haben, dass bleibt unsicher. Wenn wir nämlich die gleiche Strecke zum Bahnhof noch mal laufen, werden uns einige Gebäude bekannt vorkommen. Und wenn wir uns dabei vom Bauchgefühl leiten lassen, werden wir den Weg sogar wiederfinden.
    Durch Hypnose kann man ja Dinge wieder auffrischen, die man als vergessen ansieht. (habe ich gelesen)

  63. @Elektroniker
    Die Arbeitsweise des Gehirns mit Elektronik zu vergleichen macht keinen Sinn.

    Das Gehirn verarbeitet Reize bzw. Erfahrungen – und eine solche Erfahrung besteht z.B. aus a) Wissen, b) Körper-, c) Sinnes-, d) Immun-Reaktion und e) Emotionen.
    Wobei jeder einzelne dieser Bestandteile flexibel in unterschiedlichem Ausmaß wirksam sein kann.
    z.B.
    Diese Woche wurde über eine Arbeit berichtet, die zeigt, dass Stress bei Mäusen auch über Alarm-Pheromone weitergegeben wird. Wobei sich die Stress-Intensität bei weiblichen Partnern anders als bei männlichen Mäusepartnern auswirkt.
    http://www.sciencedaily.com/releases/2018/03/180308143212.htm ´Is your stress changing my brain? Stress isn´t just contagious, it alters the brain at cellular level´

  64. @Web🐻

    “Das Bewusstsein bedarf idT der Erinnerung, …”

    IdT VEGETIERT das Sein AUSSCHLIEßLICH durch das Unterbewusstsein, NOCH! 😎

    Den BEWUSSTEN Zugriff auf weiterführende Informationen / zentralbewusste Erinnerungen des DASEINS, werden wir wohl …??? 😎

  65. @ KRichard

    Ich habe nur den elektrischen Teil der Verarbeitung gemeint. Elektrisch chemische Prozesse deren Zusammenwirken vermutlich für die Entstehung der Qualia maßgeblich sind, habe ich ausdrücklich ausgenommen.

    Meinen Ausgangspunkt möchte ich an folgendem Beispiel erläutern: In einer deutschen Klinik fuhr im Keller ein Querschnitt gelähmter Patient auf einem Dreirad durch die Gänge. Seine bestehenden Muskeln wurde nur von außen, von einem elektronischen Prozessor so angeregt um die Pedale im genau passenden Muster zu treten und sich mit dem Dreirad bewegen zu können.
    Daraus erlaube ich mir zu schließen, dass es mit den Sprachmuskeln nicht anders ist. Sie werden elektrisch von Impulsen angesteuert und bewirken auf bekannte Art den Sprachprozess.

    Selbstverständlich ist grundsätzlich auch eine chemische Informationsverarbeitung naheliegend und auch eine sozusagen hybride elektrisch – chemische Infoverarbeitung.

    Zitat: „Das Gehirn verarbeitet Reize bzw. Erfahrungen – und eine solche Erfahrung besteht z.B. aus a) Wissen, b) Körper-, c) Sinnes-, d) Immun-Reaktion und e) Emotionen.“

    Daran gibt es natürlich keinen Zweifel. Allerdings bilden diese Begriffe nur sehr oberflächlich und nicht ins Detail gehend die Sachlage ab.

    Reize werden weitgehend (aber vermutlich nicht immer) mittels elektrischer Signale über die Nervenbahnen übertragen, ähnlich wie Sprache z.B. über die Telefonleitung.

    Erfahrungen sind letztlich (mittels Synapsenbildung) im baumartig strukturierten neuronalen Netzwerken gespeichertes Wissen. Kann man sich als Elektroniker vorstellen, wie die mittels Lötstellen (statt Synapsen) verknüpften Gatterbausteine. Lötstellen sind ein physikalisch – chemischer Prozess, die Informationsverarbeitung erfolgt mittels der verzweigten elektrischen Signale. Die Struktur bildet das Wissen des Technikers ab (das dieser gelernt hat) der die Struktur so entworfen hat, dass letztlich z.B. die vielen Kontakte in einer Waschmaschine prozessgerecht gesteuert wurden.
    Die Synapsen bilden sich sozusagen automatisch dort, wo immer wieder elektrische Erregungen stattfinden. So bekommt ein Geiger durch Training, z.B. in Bereichen wo die Feinsteuerung der Finger erfolgt, ein besonders intensiv ausgeprägtes neuronales Netz.
    Heutzutage wird das „Programm der Waschmaschine“ nicht mehr gelötet, sondern von einem Prozessor gesteuert.
    Die chemischen Prozesse der Synapsenbildung hat E. Kandel erklärt.
    Die neuronal – elektrische Verarbeitung auf „Gatterbasis“ McCulloch.

    Sinneswahrnehmungen werden in der Sensorik, z.B. im Auge, umgesetzt und offenbar nach einer Vorverarbeitung als elektrische Impulse ins Gehirn geleitet. Es erfolgt hauptsächlich eine neuronal – elektrische Verarbeitung.

    Immun-Reaktion und Emotionen dürften hauptsächlich chemisch „abgebildet“ werden und als chemischen Reaktionsketten verarbeitet werden. Wie weit äußere elektrische Impulse Einfluss nehmen können ist mir nicht bekannt. Sollte jedoch dringend erforscht werden, weil so die Lebensprozesse künftig besser erklärt werden könnten. Das Herz wird bekanntlich auch elektrisch angeregt.

    Das Qualia Problem wird man vermutlich auch besser eingrenzen, vielleicht sogar künstlich erzeugen und nachbauen, aber darüber hinaus vermutlich nicht wirklich verstehen können.

  66. @hmann
    “Wenn wir unsere Wahrnehmung auf ein Ziel richten, dann filtern wir die Reize.
    Ob wir sie aber zu 100 % gefiltert haben, dass bleibt unsicher.”

    Nein, da ist nichts unsicher. Alle Reize werden zu 100 Prozent durch das Gehirn gefiltert, nur auf diese Weise ist Orientierung überhaupt möglich, denn potentiell geht die Anzahl wahrnehmbarer Sinnesreize ja bis ins Unendliche.
    Wahrnehmung ist immer Interpretation durch das Gehirn, eine bedeutungsfreie Wahrnehmung ausgeschlossen.
    Das Beispiel mit dem Zug (Situation unter Zeitdruck) diente nur zur Veranschaulichung dieses grundsätzlichen Prinzips selektiver Informationsaufnahme, es gehört ja zum Alltagswissen, dass, wenn ein Ziel fokussiert wird, alle anderen Sinnesreize möglichst ‘ausgeblendet’, d.h, nicht verarbeitet werden.
    Stichwort hierzu: Unaufmerksamkeitsblindheit (bekanntestes Beispiel: Gorilla auf dem Spielfeld).
    Fazit: Eine umfassende, vielfältige Wahrnehmung der Umgebung muss ein Organismus sich leisten können, d.h, er sollte sich in einem möglichst stressfreien Zustand befinden, in dem er nicht gehalten ist, nur die wichtigsten, zielrelevanten Informationen (wo befinden sich entgegenkommende Passanten, wie schnell gehen diese, wie kann ich sie am besten umlaufen) aufzunehmen.

  67. @Elektroniker
    Es gibt sehr schöne Experimente, wo gezeigt werden kann, dass unser Gehirn sehr fehlerhaft arbeitet; z.B. Marble Hand Illusion / Marmor-hand Illusion, Rubber Hand Illusion / Gummi-hand Illusion

    Alle Theorien zu Bewusstsein/Qualia, welche nicht erklären können wie Denken/Kreativität funktioniert, werden unzureichend sein – wenn nicht beschrieben werden kann, wie/warum solche Qualia-Fehler entstehen.

    Es wäre also notwendig, zuerst eine ´Theorie des Denkens´zu erstellen – mit der sich gleichermaßen die Ursachen ´richtiger´ wie ´falscher´ Qualia erklären lassen.

  68. @ KRichard

    Aus Sicht der Elektronik/Informatik liegt es sozusagen an so etwas wie unzureichenden „Algorithmen“ wenn es zu Wahrnehmungsfehlern kommt. Die „Algorithmen“ sind aus ökonomischen Gründen offenbar so optimiert dass man das normale Leben bewältigen kann, aber bei Sonderfällen kann es zu Problemen kommen.

    Es werden offenbar, z.B. bei Bildern nur Stichproben von Mustern ausgewertet und das System „rastet“ beim Vergleich mit vorhandenen Mustern auf eine „Entscheidung“ (Output) ein.
    Wenn man nun das System absichtlich in die Irre führen will, konstruiert man in der Vorlage Muster die es in der Realität normalerweise nicht gibt. Aus wenigen Bildproben erkennt ein neuronales System z.B. ein Stiegenhaus. Manipuliert man das Bild aber so dass es so aussieht als würden die Stiegen immer im Kreis aber nicht nach oben verlaufen, erkennt das auswertende System den Fehler nicht sofort und nimmt zunächst an es wäre ein normales Stiegenhaus. Erst wenn man sich besonders auf das Bild konzentriert, also mehrere Muster als üblich auswertet, erkennt man den Fehler.
    Beim Wahrnehmungsprozess werden, vermutlich ähnlich wie in der Informatik, Baumstrukturen „durchsucht“ und festgestellt dass ein bestimmtes Bild z.B. Venedig darstellen muss weil viele neu einlangende Muster mit früher abgespeicherten Muster übereinstimmen.
    Baumstrukturen können während sie „durchsucht“ werden, gleichzeitig erweitert werden (dazulernen) und auch Verknüpfungen mit dem verbalen System herstellen. Dass es sich z.B. um eine Ansicht Venedigs handeln muss, wie man es früher gemeinsam mit der verbalen Bezeichnung „gelernt“ hat.
    Bei den Denkprozessen werden vermutlich auch andere typische auch abstrakte Informationen, z.B. über die Kategorie der Muster (im Beispiel Städte) gespeichert. Es können auch Muster „extrahiert“ werden an die man normalerweise gar nicht denkt.
    Kreativität dürfte wegen dieser besonderen Mustergenerierung und Auswertung entstehen.
    Es dürfte sich so verhalten wie beim „Data Mining“.

    Die „Spezialität“ der Neuronen ist der „Vergleich von (Information abbildenden) Impulsen“.
    Die „Spezialität“ der Synapsen ist es, die bestehenden synaptischen Verknüpfungen zu stärken und neue Synapsen anzulegen, also zu lernen.

    McCuloch hat gezeigt, dass mit den Verknüpfungen die mit Neuronen möglich sind (UND, NICHT) die „Turing Berechenbarkeit“ erfüllt ist. (https://www.cognitiveagent.org/category/mcculloch-pitts/)

    Zu typischen Qualiafehlern kommt es beim Konsum bestimmter Drogen.

  69. @KRichard, @Elektroniker

    Was sind denn „Qualia-Fehler“?

    Herr Hoppe hat doch eingangs definiert, was hier unter Qualia zu verstehen ist: Das sind „Empfindungsqualitäten des subjektiven Erlebens“.

    Die können nicht falsch sein, die sind, wie sie sind. Das ist doch der Witz bei der Geschichte, dass es im Grunde völlig egal ist, welchen Farbeindruck eine bestimmte elektromagnetische Wellenlänge hervorruft. Es geht bei Qualia eben gerade nicht um eine fehlerhafte (integrierte) Informationsverarbeitung oder dergleichen. Sondern es geht bei Qualia um eine dem hinreichend komplexen Nervensystem innewohnende spezifische Eigenschaft.

    Es gibt da draußen keine Farben und Töne, die falsch oder richtig wahrgenommen werden könnten. Das dürfte auch jenen klar sein, die den Konstruktivismus für falsch halten.

  70. @ Balanus

    Wie würden Sie es bezeichnen, wenn Sie z.B. nach Drogenkonsum völlig falsche absurde Farbempfindungen bekommen?
    Geringfügige Fehler in der Farbempfindung können Sie sogar als Nebenwirkung von Antibiotika bekommen.
    Oder wenn, sagen wir es ganz direkt, ein Bastard mit 2 verschiedenen Augenfarben die Welt in einem unterschiedlichen Farbton wahrnimmt, abhängig vom jeweils „offenem“ Auge?

    Bezogen z.B. auf die persönliche „Normqualia“ kann es sehr wohl Abweichungen geben, die man eigentlich „Qualiafehler“ bezeichnen könnte.

    Die dem komplexen Nervensystem innewohnende spezifische Eigenschaft ist nun einmal auch von der “Informationsverarbeitung“ abhängig.
    Dies kann auf eine eher einfache Art auf eine Filterwirkung beruhen, oder aber z.B. auf eine schwere chemische Beeinträchtigung der elektrischen und chemischen Signalwege zurückzuführen sein.
    Diese Beeinträchtigung setzt angeblich eher bei den Synapsen an, wie ich einmal gelesen habe. Könnte aber vielleicht auch durch einen Einfluss auf die elektrische Übertragungsfunktion von Neuronen zurückzuführen sein? (Weil z.B. „falsche“ Neuronen zu „sensibel“ geworden sind und fehlerhaft triggern).

  71. @Balanus
    “Es gibt da draußen keine Farben und Töne, die falsch oder richtig wahrgenommen werden könnten. ”

    Nun ja, von einem rein physikalischen Standpunkt aus betrachtet, gibt es keine falsche oder richtige Wahrnehmung.
    Wir, homo sapiens sapiens, sind aber, wie alle anderen Tiere auch, auf Überleben angelegt, und unter einer evolutionären Betrachtungsweise lässt sich dann doch ein besseres oder schlechteres Wahrnehmen der Umweltreize feststellen; wer zB in der Vergangenheit wegen seiner Rot-Grün-Blindheit häufiger giftige oder ungenießbare Früchte zu sich nahm, hatte im survival-of-the-fittest race eben die schlechteren Karten als seine Artgenossen mit intakten Genen für die Farbwahrnehmung.

  72. @Elektroniker

    Zum Ersten:
    Langweilige Halluzination, denn da gibt viel mehr die ganz verrückten “Sinnesverdrehungen” wie z.B. Farben schmecken, Musik durch die ausgestreckte und anscheinend gespaltene Zunge plastisch EMPFANGEN 😋 usw. bis man den fast nicht beschreibaren Zustand einer Ausserkörpererfahrung …

    Zum zweiten, “Bastard”:
    Zählen Blinde deiner Meinung auch dazu, oder sind das Unnormale??? 😒

  73. @ KRichard,
    Zitat: „Die Arbeitsweise des Gehirns mit Elektronik zu vergleichen macht keinen Sinn.“

    Ihr Zitat möchte ich nochmals aufnehmen.

    Es hätte für mich durchaus Sinn, würden Sie oder andere Neurologen Warren McCullochs These dass die Informationsverarbeitung im Gehirn auf Basis von logischen elektrischen Gatterfunktionen erfolgt widerlegen.
    Ich würde es mir ersparen einer falschen These die aus elektronischer Sicht völlig plausibel erscheint, hinterher zu laufen.
    Diese These wäre dann hinfällig, wenn es nicht zuträfe dass Neuronen statistisch häufiger dann triggern wenn auf möglichst vielen Dendriten möglichst gleichzeitig elektrische Impulse eintreffen, bzw. die Ausgangsimpulse auch auf keinem Fall mit irgend welchen elektrischen Impulsmustern am Eingang korrelieren.

    Ich kenne keine Untersuchungen die Warren McCulloch widerlegen würden.

  74. Einige Kommentatoren haben @Balanus offenbar nicht richtig verstanden. Es geht nicht um optische Täuschungen oder um Wahrnehmungsstörungen. Die Frage ist, warum wir Farben als Farben und Töne als Töne wahrnehmen, das ist eine viel grundsätzlichere Frage. Dass wir bestimmte Frequenzen des Lichtes als bestimmte Farbe wahrnehmen, das ist bekannt und nicht Gegenstand dieser Frage.

    Vor wenigen Tagen gab es einen Bericht über eine wissenschaftliche Studie zur Synästhesie im Spiegel. Synästhesie bedeutet, dass Qualia anders als bei normalen Menschen wahrgenommen werden, z.B. Farben als Töne oder Gerüche als Buchstaben. Bekannt ist, dass Nervensignale unabhängig sind von den Sinnesorganen, von denen sie stammen, sie sind neutral gegenüber den Sinnen. Die Studie besagt nun, dass infolge genetischer Anomalien die Nervensignale anders vernetzt sind.

  75. Dass Qualia, also die Sinnes-/Empfindungsqualität eines Reizes uns beim Erinnern und Verarbeiten von Reizen behilflich sind – dafür gibt es viele Hinweise. Höhere Formen der Synästhesie, bei der abstrakte Konzepte visualisiert werden, bringen den Synästesiebegabten beispielsweise nachgewiesenermassen Verarbeitungsvorteile wie man dem folgenden Text entnehmen kann:
    Die Zeit-Raum-Synästhesie ist bemerkenswert, weil sie diesen Synästheten erlaubt, Zeitintervalle visuell und sequentiell zu kartographieren. Eine Woche kann dabei auf einer Ellipse arrangiert werden, welche wiederum in einer Darstellung für ein Jahr verwoben sein kann. Diese Art der Synästhesie ist nach der Synästhesieforscherin Julia Simner eine Synästhesie höherer Ordnung, weil Sequenzen einem höheren Verarbeitungsniveau zugeordnet werden. Bemerkenswert ist, dass es diesen Synästheten möglich ist, innerhalb dieser mentalen Visualisierungen die Perspektive, den Ausschnitt sowie die Größe der Abbildung zu variieren. Die Figuren werden größtenteils in einem dreidimensionalen Raum wahrgenommen, was diese Manipulationen ermöglicht.
    Der Großteil der Synästheten dieses Typus hat ein visuelles Vorstellungsvermögen für Zeiteinheiten, Zahlen und Buchstaben.
    Neben Vorteilen im Erinnern von Ereignissen sind diese Synästheten ebenfalls besser in visuellen Aufgaben. Sie können räumliche Anordnungen besser erinnern, 3D-Objekte anhand von 2D-Bildern besser erkennen und ihr visuelles Kurzzeitgedächtnis ist erheblich besser, als bei Nicht-Synästheten. Sie haben die Fähigkeit, abstrakte Konzepte in konkrete Darstellungen zu transferieren. Durch die mentale Repräsentation des inneren Kalenders haben diese Synästheten die Möglichkeit, leichter auf Gedächtnisinformationen zuzugreifen, was ihnen in Bezug auf das episodische und autobiografische Gedächtnis erhebliche Vorteile verschafft. In extremen Fällen können sie ihren inneren Kalender einer Inspektion unterziehen und die Information direkt ablesen.

  76. @Anton Reutlinger
    “Einige Kommentatoren haben @Balanus offenbar nicht richtig verstanden. Es geht nicht um optische Täuschungen oder um Wahrnehmungsstörungen. ”

    Da irren Sie, denn selbstverständlich geht es auch (!) um optische Täuschungen und Wahrnehmungsstörungen, denn es handelt sich hierbei ja nur um die Spitzen eines Eisberges, nämlich der zugrunde liegenden Tatsache, dass Wahrnehmung immer ‘verzerrt’, immer schon gefiltert, immer schon Interpretation ist und darum bei jedem Einzelnen ein wenig anders erlebt wird. Es gibt keine objektive Wahrnehmung und wie sehr die individuelle Wahrnehmung des Einzelnen von der des Anderen abweicht, hängt dann eben doch mit der spezifischen Verarbeitung der Nervenzellen zusammen, die, je nachdem, wie diese Verarbeitungsvorgänge durch genetische oder pathologische Faktoren beeinflusst werden, recht unterschiedlich ausfallen kann. Synästhesie, Rot-Grün-Blindheit liegen da nur am äußersten Ende eines Kontinuums.

    Die Aussage von Balanus: “Es gibt da draußen keine Farben und Töne, die falsch oder richtig wahrgenommen werden könnten ” – ist deshalb schlicht unzutreffend, da sie außer acht lässt, dass Wahrnehmung nicht um ihrer selbst willen geschieht, sondern evolutionär entstanden ist und dem Organismus zum Überleben dient.

  77. off topic @Elektroniker
    Elektronische Bauteile müssen schalten, wenn ein Signal kommt. Sonst sind sie fehlerhaft.
    Neuronen müssen nicht schalten, wenn ein Signal kommt. Neuronen schalten erst dann, wenn ein bestimmter Anregungszustand überschritten wird – d.h. wenn die Summe der anliegenden Signalinformationen einen bestimmten Schwellwert überschreitet

    Und Sehzellen des Auges triggern sogar dann, wenn überhaupt kein Impuls kommt. Dies ist ein Entladungsvorgang, den man als neuronales Flimmern wahrnehmen kann. (weisses Flackern bei geschlossenen Augen, im Dunkeln). Dieser Entladungsvorgang, dient dem Schutz der Sehzellen damit die nicht überlastet werden (durchbrennen).

  78. @ KRichard,
    Zitat: „Neuronen schalten erst dann, wenn ein bestimmter Anregungszustand überschritten wird – d.h. wenn die Summe der anliegenden Signalinformationen einen bestimmten Schwellwert überschreitet“

    Genau so kann man es auch sehen und ich habe es auch immer so wahrgenommen. Es ist offenbar eine korrekte allgemeine Sicht der Wissenschaft, was mir sehr wichtig ist. (Obwohl ich mich nur aus „Gründen des geistigen Trainings“ damit beschäftige, sozusagen im Wettlauf gegen „Alzheimer“ noch möglichst lange durchhalten möchte.)

    Dass auf möglichst vielen Dendriten, möglichst gleichzeitig, elektrische Impulse eintreffen sollten, bedeutet nichts anderes, als dadurch die Überschreitung eines bestimmten Schwellwerts für das „Triggern“ im Neuron erst möglich wird. Dies ist eben dann der Fall, wenn auf möglichst vielen Eingängen möglichst gleichzeitig Impulse einlangen. Ungefähr „gleichzeitig“ ist deswegen wichtig, weil normalerweise mit der Zeit auch Entladevorgänge auftreten können und der Schwellwert womöglich gar nicht erreicht werden kann.

    Meine verwendete Formulierung kommt McCullochs Interpretation näher, dass Neuronen Gatterfunktion haben. Dies ist der für die Informationsverarbeitung im neuronalen Netz alles entscheidende, winzige und völlig unauffällige Effekt, sozusagen die (goldene) „Brücke“ zur Elektronik/Informatik.

    Man kann die mittlerweile sehr umfangreichen Erkenntnisse der Elektronik/Informatik auf die Neurologie übertragen und oft rätselhafte Vorgänge fast schon banal erklären.

    Die Wechselwirkungen mit chemischen Prozessen und besonders die chemischen Prozess die hauptsächlich Information verarbeitenden Charakter haben, sollten unbedingt näher erforscht werden. Man könnte Krankheitsprozesse besser erklären und dem Qualiaphänomen näher kommen.

  79. @Elektroniker

    » (Obwohl ich mich nur aus „Gründen des geistigen Trainings“ damit beschäftige, sozusagen im Wettlauf gegen „Alzheimer“ noch möglichst lange durchhalten möchte.) «

    Willkommen im Club… 😉

  80. @sherfolder

    »Die Aussage von Balanus: “Es gibt da draußen keine Farben und Töne, die falsch oder richtig wahrgenommen werden könnten ” – ist deshalb schlicht unzutreffend, da sie außer acht lässt, dass Wahrnehmung nicht um ihrer selbst willen geschieht, sondern evolutionär entstanden ist und dem Organismus zum Überleben dient.«

    Mir ist inzwischen klar geworden, was mit Qualia-Fehler wohl gemeint war: Wenn die von einem bestimmten Sinnesreiz evozierten Qualia anders ausfallen als sonst üblich, und zwar aufgrund veränderter neuronaler Aktivitäten.

    Das war und ist aber nicht das, was mir spontan in den Sinn kommt, wenn ich „Qualia-Fehler“ lese, nämlich dass bei unveränderter neuronaler Aktivität plötzlich andere Qualia erlebt werden als sonst üblich.

    Da es in Hoppes Beitrag primär um das philosophische Qualia-Problem geht, liegt es nicht gerade nahe, bestimmte Formen der neuronalen Verarbeitung von Sinnesreizen, die gemeinhin Sinnestäuschungen, Wahrnehmungsstörungen oder Halluzinationen genannt werden, als Qualia-Fehler zu bezeichnen.

    Richtig ist, dass unser Nervensystem evolutionär entstanden ist, um Unterscheidungen treffen zu können, etwa zwischen diversen elektromagnetischen Wellen, Drücken in Luft und Wasser, chemischen Substanzen, und was es sonst so noch alles an relevanten physikalischen Umwelterscheinungen gibt. Dass diese Unterscheidungen als Farben, Töne und Düfte erlebt werden, ist aber, wie gesagt, allein eine Leistung des Nervensystems und hat mit den realen physikalischen Verhältnissen in der Umwelt nur sehr indirekt zu tun.

    Aber, und das scheint mir hier das Wichtigste zu sein, solche Unterscheidungen können dem Prinzip nach auch mechanische Apparate treffen, und zwar ohne dass es einen Grund gäbe anzunehmen, die Apparate erlebten bei der integrativen Verarbeitung der eingehenden sensorischen Informationen irgendwelche subjektiven Empfindungen.

  81. “… und zwar ohne das es einen Grund gäbe anzunehmen, die Apparate erlebten …”

    Naja, das wäre dann wohl auch der Schritt in Richtung Weisheit, den Mensch …!? 😎

  82. Ich möchte mich nochmals zu Wort melden, weil ich der Meinung bin dass das Gatterkonzept (von McCulloch) dass sozusagen die Brücke von der Neurologie zur Elektronik/Informatik ist, die auswertende Funktion der Neuronen erklärt, damit wesentlich dazu beiträgt wie „Denkprozesse“ im Gehirn ablaufen.

    Auch die Empfindungsprozesse „Qualia“ werden von Information verarbeitenden Prozessen gesteuert.

    Das Gatterkonzept McCullochs und die Erklärung der synaptischen Prozesse durch E. Kandel (strukturierte Wissensspeicherung) sind grundlegend für die Neurologie/Psychologie.

    Das Grundlagenwissen ist von Bedeutung, weil nachvollziehbar wird warum psychische Störungen auftreten.

    Dies geschieht praktisch sehr häufig wegen „falscher“ (Gatter)Verknüpfungen. Entweder nur durch falsche Programmierung (Verhalten), oder es wird gefördert durch problematische Neuronen/Synapsentypen am falschen Ort.

    Das „Denken“ von Synästhetikern, aber auch psychisch Kranker, lässt sich gut erklären.
    Es bedeutet, dass offenbar Information abbildende Impulse im Gehirn in „falsche“ Bereiche koppeln. Dadurch ist einerseits mehr nutzbarer „Speicherplatz“ vorhanden und Synästhetiker können mitunter leistungsfähiger sein als „Normalos“. Aber sie tun auf jedem Fall gut daran ihre Veranlagung nicht auf die große Glocke zu hängen, weil sie Gefahr laufen für verrückt gehalten zu werden. Ähnlich ist es bei den „Phantomschmerzen“. Die treten auf, wenn im Gehirn die abgetrennte Körperteile repräsentierenden Strukturen nicht „abgeschaltet“ werden.
    Bei Schizophrenen können falsche Verknüpfungen bewirken dass sich Patienten selbst mit dem Hammer auf den Kopf schlagen, oder dass es eben zu falschen Kopplungen von im Gehirn gespeicherten fremden Stimmen ins Bewusstsein kommt.
    Bei Tremorerkrankungen, der Epilepsie, aber auch beim übertrieben „zirkularen“ Denken (Paranoia) kommt es offenbar zu falschen Rückkoppelungen oder eben zu falschen Ansteuerungen von Neuronenverbänden wie auch bei Parkinson.
    Entweder werden zwecks Heilung die Strukturen mit falschen Verknüpfungen mittels Medikamente selektiv deaktiviert, oder wie beim Hirnschrittmacher (bei Parkinson …) wird der elektrische Zyklus unterbrochen. (Übrigens durch die NICHT (Gatter)Funktion die ebenfalls McCulloch entdeckt hat).

    Psychische Störungen haben ihre „Entsprechung“ auch in technischen Systemen und die Apparate „benehmen“ sich genau so „verrückt“ wie psychisch kranke Menschen.
    Wesentlich aber ist, viele psychische Störungen lassen sich auf fast schon banale Weise erklären, wenn man Anhaltspunkte für ihre Funktion hat.

    Bei Funktionsstörungen die die Lebensprozesse an sich betreffen ist man noch nicht so weit, weil man vermutlich die quantenchemischen Zusammenhänge der chemischen Reaktionsketten und den Einfluss der „Elektronen des neuronalen Systems“ auf derartige Prozesse noch zu wenig kennt.

  83. @Elektroniker

    Geht es bei dem Gatterkonzept von McCulloch um das McCulloch-Pitts-Neuronenmodell von 1943?

    Wenn ja, inwiefern könnte dieses Modell dazu beitragen, zu verstehen, wie es zu den subjektiv erlebten Empfindungsqualitäten (Qualia) kommt?

    Sie schreiben:

    »Auch die Empfindungsprozesse „Qualia“ werden von Information verarbeitenden Prozessen gesteuert.«

    Ich denke, „gesteuert“ ist hier das falsche Wort. Und Qualia sind nicht als Empfindungs„prozesse“ definiert, sondern bezeichnen eben die Empfindungsqualitäten, die im Zuge informationsverarbeitender Prozesse erlebt werde.

    Ich kann mir keinen anorganischen Information verarbeitenden Prozess vorstellen, der von Empfindungsqualitäten begleitet wäre. Wie müsste ein künstliches neuronales Netz beschaffen sein, damit es bei bestimmten Impulsfrequenzen z. B. „Rot“ empfinden kann? Soweit ich weiß, gibt es da noch nicht mal ansatzweise eine Idee. „Ignoramus et ignorabimus“…

  84. @Balanus
    Wenn etwas total falsch empfunden wird – wäre dies ein Qualia-Fehler

    z.B. Bei der Marmorhand-Illusion hat man nach einiger Zeit die Qualia-Empfindung, dass die eigene Hand aus Marmor bestehen würde. Das ist eindeutig falsch, den die Hand ist nach wie vor aus Knochen, Fleisch und Blut
    Bei der Gummihand-illusion empfindet/erlebt man eine Gummihand als eigene Hand. Auch dies ist eindeutig falsch.

    Die hierbei erlebte falsche Qualia-Empfindung ist nicht etwa ein Ergebnis von veränderten neuronalen Aktivitäten – sondern hier ist erkennbar, wie leicht sich unser Gehirn täuschen lässt. Es gibt eine Reihe von unterschiedlichen Experimenten, die zeigen, dass Täuschungen auch mit anderen Sinnen funktionieren.
    Solche Experimente macht man, damit man besser verstehen kann, wie unser Gehirn arbeitet. (Das Buch von David Precht ´Wer bin ich, und wenn ja – wieviele´ spricht ein ähnliches Thema an: ein eindeutiges Ich-Bewusstsein gibt es nicht, sondern wie man sich empfindet, hängt von den Umständen ab)

  85. @Balanus;
    meine Zustimmung. Einige Kommentatoren verstehen offenbar nicht, was gemeint ist.

    Das Wesen der Erlebnisgehalte ist eine sehr tiefgründige Frage. Nach meiner Überzeugung ist sie prinzipiell nicht zu beantworten. DuBois-Reymond hat recht gehabt, damals wie noch heute.

    Dagegen kann die Funktionalität des Bewußtseins, die von den betreffenden Kommentatoren gemeint ist, sehr wahrscheinlich eines Tages erklärt werden.

  86. Im Anschluss an meinen vorigen Beitrag ist hinzuzufügen, dass aus der naturwissenschaftlichen Unerklärbarkeit nicht notwendig übernatürliche Eigenschaften gefolgert werden können. Insofern hat Herr Hoppe recht. Die Begründungen dafür sind jedoch zutiefst philosophisch. In diesem Aspekt muss ich Herrn Hoppe widersprechen. Er verkennt anscheinend die Bedeutung der Philosophie und überschätzt die Möglichkeiten der Naturwissenschaften.

  87. @anton reutlinger: Ich stimme Ihnen zu, dass funktionelle Erklärungen immer auch ohne den Erlebnisgehalt der entsprechenden Prozesse denkbar wären und diesen entscheidenden Punkt daher nicht erklären. Beispiel: Warum funktioniert Schmerz nicht einfach nur protektiv über sensomotorische Reflexe, sondern muss sich (überflüssigerweise? tragischerweise?) für das betroffene Subjekt auch noch schmerzhaft anfühlen?`

    Leider ist noch kein Kommentator auf den eigentlichen Inhalt meines Blogposts eingegangen, der die Frage aufgeworfen hat, was es bedeutet, dass wir unser Gehirn nicht nur wie ein Gerät besitzen, sondern es (im Hinblick auf unsere psychischen Vermögen) quasi sind.

  88. @El Matzo: Es gibt ein technisches Problem. Irgendwie mag Ihr sehr guter Kommentar hier nicht erscheinen … ich hoffe, dass das gleich mal klappt!

  89. Hier der Kommentar von El Matzo:

    Ein Geist und Materie Dualismus ist durchaus unter den von Ihnen angelegten Prämissen denkbar und – wichtiger – womöglich einmal falsifizierbar. Sie führen als schlagendes Argument an, dass ein Bewusstsein nicht unabhängig existieren kann, wenn wir Bewusstlosigkeit doch in mannigfaltiger Form kennen und erleben.

    Wenn das Gehirn und das Bewusstsein durch einen aktiven (!) Prozess des Gehirns eng miteinander verbunden ist und das Gehirn, solange diese enge Bindung besteht, das Bewusstsein steuern kann (also z.B. ein- und ausschalten), bedeutet das nicht zwangsweise, dass das Bewusstsein durch das Gehirn auch erzeugt wird. Es würde nur bedeuten, dass sich das Bewusstsein dem Gehirn unterwirft. Kraft einer Kraft.

    Nimmt man nun etwa die Nahtoderfahrungen unter diesem Gesichtspunkt mit ins Bild und was die Menschen darüber erzählen, dann wäre der Mechanismus wie folgt: Das Gehirn hält das Bewusstsein aktiv “gefangen” bzw. “gebunden”. Dieser Prozess ist elementar, aber an ein funktionierendes Gehirn gebunden oder/und es existieren spezifische Trigger, die diese Bindung auflösen können (würde z.B. erklären warum manche NTEs auf die “bloße Erwartung” einer Katastrophe einsetzen – also etwa 2 Sekunden vor dem Aufprall etc.)

    Das erklärt dann genauso gut, warum man stinknormal bewusstlos werden kann einerseits, andererseits aber als nur Bewusstsein seinen Körper verlassen kann, um als “Geistwesen” an der Decke ab zu hängen. Es kommt demnach auf die Bewusstseins-Bindungskraft des Gehirns an. Nimmt diese ab, nimmt die Autonomie des Bewusstseins zu. Ein dysfunktionales bzw. totes/zerstörtes Gehirn verfügt einfach über keinerlei Bindungskräfte mehr. Anders als Ihre Theorie kommt diese Variante aber nicht bei NTEs ins Straucheln. Ist also plausibler – wenn man den unzähligen Berichten nicht pauschal unterstellt gelogen zu sein.

  90. @El Matzo: Danke für den interessanten Kommentar!

    Denken Sie, dass NTE ohne Hirnbeteiligung ablaufen? Dafür fehlt bis jetzt jeder überzeugende Beleg (es wird immer nur wieder behauptet). Definitiv gibt es NTE auch in Zeiten recht intakter Hirnfunktion.

    Sie vertreten einen interaktionistischen Geist-Gehirn-Dualismus mit umgekehrter Richtung: das Gehirn beeinflusst vor allem das Bewusstsein. Interessant! Natürlich sind Sie aber mit allen Problemen dieser Position konfrontiert: Was genau soll es heißen, dass ein materielles System mit einem immateriellen System interagiert? Fließt da unerklärlicherweise fortlaufend Energie aus dem Gehirn in Richtung des unbeobachtbaren (supranaturalen?) Bewusstseins ab?

    Wäre es wirklich ein substanzielles Bewusstsein, wenn es durch das Gehirn bis zur Nichtexistenz jeglichen Erlebens unterdrückt werden könnte? Müsste nicht irgendwo ein andauerndes Restbewusstsein bewahrt bleiben, um von einer Bewusstseinssubstanz reden zu können? Ist es bei einer Narkose etc. der Fall, dass ein Restbewusstsein bestehen bleibt – natürlich als mein Bewusstsein, da es ja um die Erklärung meines variablen Bewusstseins geht?

    Überhaupt die Narkose: Ihrer Theorie nach verstärkt das Narkotikum die Fähigkeit des Gehirns, das Bewusstsein zu kontrollieren – ergibt das Sinn? Es spricht doch viel mehr dafür, dass diese Substanzen die Hirnfunktion stören?!

    Freue mich auf weitere Kommentare von Ihnen!
    Welche Argumente hätten Sie selbst gegen Ihr eigenes Modell?

  91. “Warum funktioniert Schmerz nicht einfach nur protektiv über sensomotorische Reflexe, sondern muss sich (überflüssigerweise? tragischerweise?) für das betroffene Subjekt auch noch schmerzhaft anfühlen?`”

    Schmerzen sind Information.
    Das Schmerzerlebnis nötigt den Organismus zu einer direkten Verhaltensantwort, zu einer sofortigen Reaktion auf das schädigende Ereignis bzw. den Schädiger (schnelles Zurückzucken der Hand von der heißen Herdplatte, Abwehr eines Angreifers).
    Schmerz ist nicht gleich Schmerz, sondern steht (in der Regel) in eindeutigem und direktem Zusammenhang zur Größe des eingetretenen Schadens und dem Grad der Bedrohung und gibt somit die Art und Intensität der notwendigen Reaktion des Organismus vor.
    Das Ausmaß des Schadens ist damit proportional zum Ausmaß der Schmerzwahrnehmung und diese verhält sich ebenfalls proportional zum Ausmaß und zur Intensität der Verhaltensantwort. (Eine Schürfwunde kann vernachlässigt werden, ein gebrochenes Bein nicht).

    Die Frage zu stellen: Warum funktioniert Schmerz nicht einfach nur protektiv, sondern muss sich für das betroffene Subjekt auch noch schmerzhaft anfühlen, ist schlicht redundant.
    Genauso könnten Sie fragen, warum erleben Menschen, die sich ineinander verlieben, diese intensiven Hochgefühle und spulen nicht einfach ein reflexhaftes Paarbindungsverhalten ab, ganz ohne die beteiligten tiefen Emotionen?

    Ganz abgesehen davon, dass die Frage, warum Schmerz nicht protektiv wirken könnte, schon in sich logisch fehlerhaft ist, denn ein ‘Schmerz’ der nicht mehr gefühlt, nicht mehr wahrgenommen wird, ist eben kein Schmerz mehr … .

    Die Frage, auf die Sie eigentlich hinaus wollen, warum es keine sensomotorische, reflexhafte Reaktion des Organismus geben kann, unter Umgehung des Schmerzerlebens, ist einfach zu beantworten:
    Angeborene Reflexe sind in den Genen enthaltene Antwortreaktionen auf spezifische überlebenswichtige Anforderungen, die sich in Jahrmillionen und Jahrtausenden entwickelt haben, ihre Anzahl ist begrenzt.
    Ereignisse aber, durch die ein Organismus geschädigt werden kann, gibt es unendlich viele. Kein Organismus kann für sämtliche, möglichen Schadensereignisse Antwortreaktionen in Form von angeborenen, protektiven sensomotorischen Reflexen vorhalten.
    Schmerzerfahrungen dagegen ermöglichen eine Form unmittelbares Lernens.

  92. @El Matzo: NTEs sind als bewusst erlebbare Reizverarbeitung/Erinnerungsvorgang komplett erklärbar – ich gehe nur davon aus, dass man zum Erlebniszeitpunkt der NTE geistig klar bei Bewusstsein ist (Per Google-suche [Kinseher NDERF denken_nte] finden Sie eine PDF mit meinem Erklärungsmodell)

    Zum Thema Narkose gibt es eine nette Arbeit: DOI: 10.1371/journal.pone.0075257 ´Human brain activity patterns beyond the isoelectric line of extreme deep coma´.
    Man hat Katzen so stark betäubt, dass die EEG-Null-linie angezeigt wurde (= keine EEG Aktivität). Gleichzeitig zeigten aber Elektroden die im Gehirn am Hippocampus angebracht waren, bei allen Katzen cerebrale Aktivität.

    D.h. manche Phänomene könnte man bei geeigneter Messmethode anders bewerten

  93. @Hoppe
    Sie beschweren sich, dass niemand auf Ihr Blogthema eingeht – Was es bedeutet, dass wir unser Gehirn sind.

    Diese Fragestellung habe ich schon im ersten Beitrag beantwortet.

  94. @ Balanus
    Es handelt sich um das McCulloch-Pitts-Neuronenmodell von 1943.
    Laut Wikipedia wollten beide ein vereinfachtes Modell realer Vorgänge in neuronalen Strukturen entwerfen, um zu klären, ob das Gehirn die Turing-berechenbaren Funktionen wirklich berechnen kann.
    Genau darauf kommt es an, dass Neuronenverbände wie sie im Gehirn existieren, tatsächlich geeignet sind, alles realistisch Berechenbare tatsächlich zu berechnen.
    Meiner Meinung nach erklärt dieses Modell nur bedingt „subjektiv erlebte Empfindungsqualitäten“ (Qualia). Nicht die Empfindung an sich, aber sehr wohl „die Art der Empfindung“ wie sie früher erlebt und gelernt wurde. Z.B. „stechender Schmerz“. Es werden jedenfalls Signale ausgewertet, wie bei allen neuronalen Prozessen.
    Von Steuerung könnte man dann reden, wenn z.B. mittels psychischem Druck Empfindungsprozesse beeinflusst werden. Kopfschmerz kann z.B. durch „Hysterie“ verstärkt werden, oder mittels Autosuggestion gemildert werden.

    Zitat: „Qualia sind nicht als Empfindungs„prozesse“ definiert, sondern bezeichnen eben die Empfindungsqualitäten, die im Zuge informationsverarbeitender Prozesse erlebt werden.“

    So könnte man es natürlich sehen. „Prozess“ oder „informationsverarbeitender Prozess“ ist eine, manchmal schwierige, Definitionsfrage.

    Zitat: „Ich kann mir keinen anorganischen Information verarbeitenden Prozess vorstellen, der von Empfindungsqualitäten begleitet wäre. Wie müsste ein künstliches neuronales Netz beschaffen sein, damit es bei bestimmten Impulsfrequenzen z. B. „Rot“ empfinden kann? Soweit ich weiß, gibt es da noch nicht mal ansatzweise eine Idee. „Ignoramus et ignorabimus“…“

    Im Bezug auf anorganische Prozesse dürfte es so sein wie Sie es sehen. Es fragt sich, ob man einmal „künstliches Leben“ produzieren kann.

    Zitat Elektroniker: „Bei Funktionsstörungen die die Lebensprozesse an sich betreffen ist man noch nicht so weit, weil man vermutlich die quantenchemischen Zusammenhänge der chemischen Reaktionsketten und den Einfluss der „Elektronen des neuronalen Systems“ auf derartige Prozesse noch zu wenig kennt.“

    Hier möchte ich hinzufügen:
    Lebensprozesse haben eine besondere Eigendynamik im Vergleich mit anorganischen Prozessen. Es könnten „gepulste“ z.B. Elektronen, dynamischen Einfluss auf die Reaktionsketten nehmen, wobei es nur auf die Dynamik ankommt. Aber auch einzelne Quanten oder Quantenfelder könnten eventuell Einfluss nehmen. Elektronen müssten in die Moleküle gar nicht eingebunden werden.

    Wirklich verstehen wird man „Empfindungsqualitäten“, als besonderes Phänomen, vermutlich nie.

    Aber die Prozessdynamik lebender Systeme sollten wir trotz aller Komplexität verstehen können.
    Außer es tritt ein weiteres nicht verstehbares Phänomen auf, zusätzlich zur Qualia. Es ist z.B. auch nicht wirklich zu verstehen, warum dynamisch bewegte Körper (Planeten) Anziehungskräfte aufeinander bewirken.

    Ich meine, es ist auch ein Problem dass man außerhalb der Informatik unzureichend in geeignete Kategorien strukturiert. Der pure Materialismus könnte Ursache sein dass man Prozessen und Information in dynamischen Systemen zu wenig Augenmerk geschenkt hat.

  95. @Hoppe

    Es heißt mittels Hypnose, oder mittels Akkupunktur, können OPERATIONEN ohne Narkosemittel durchgeführt. Warum kann allein das Bewusstsein des Menschen die entsprechenden Reizleitungen DAFÜR nicht lahmlegen – weil Mensch angeblich immer nur 10% seines Hirns angestrengt aktiviert halten kann und 90% im Unbewussten …?? 😎

  96. @KRichard

    Es bedeutet: Wir ist eine Illusion, denn das “Individualbewusstsein” ist gespalten, vereinsamt und verkommt in Wettbewerb von / zu Stumpf-, Blöd-, Schwach- und Wahnsinn!? 😎

  97. Ich denke auch, dass die Zeit demnächst (oder auch bereits) vorbei ist, wo sich die Frage nach dem Bewusstsein auf philosophischer Ebene bewegen muss und sich die ganze Angelegenheit in die “Niederungen” der Naturwissenschaften begibt.

    Die gesamte Frage nach der Lokalität des Bewusstseins lässt sich mit nur einem Experiment lösen. Auf dem Gebiet der Nahtodforschung wird nämlich ein Effekt beschrieben, der empirisch zugänglich ist. In den sog. Out-Of-Body Erfahrungen werden, so wird postuliert, ohne Hirnfunktionen REALE Begebenheiten aus genau der Zeitspanne erinnert. Was hält die Wissenschaft nun davon ab, dieser Frage ein für allemal auf den Grund zu gehen? Das Postulat ist eindeutig. Der dafür notwendige experimentelle Aufbau vergleichsweise simpel.

    Möglichkeit 1
    Die Prozedur einer Reanimation wird so angepasst, dass ein den Ablauf weder störendes noch verzögerndes Zufallselement deutlich sichtbar wird. Zum Beispiel könnte ein Defibrilator bei Benutzung auf einem in die Pads integriertem Display ein leuchtendes Zufallssymbol anzeigen. Bei Operationen könnte das sterile Abdecktuch mit einem Zufallssymbol ausgestattet sein (was der Patient normalerweise nie zu Gesicht bekommt, da er bei Anbringung dann schon in Narkose liegt) oder ein Zufallssymbol kann auch (wieder leicht abwischbar) direkt auf das Gesicht gemalt werden.

    (Die Aware Studie hat das mit Symbolen, die nur von oben sichtbar sind bereits versucht – aber ein Problem ist, dass anzunehmen ist, dass sich jemand, der sich plötzlich in einer außerkörperlichen Erfahrung über sich schwebend vorfindet, mehr für sich selbst interessiert, als dass er die Umgebung nach Symbolen absucht. Das Symbol muss also so nahe wie möglich an den Patienten, weil dort sehr wahrscheinlich der Fokus seiner Aufmerksamkeit liegen wird.)

    Möglichkeit 2
    Im Tierversuch wird eine dafür geeignete Tierart einem künstlichen Herzstillstand ausgesetzt und dann reanimiert. In dieser Phase wird ein für das Tier gänzlich unbekanntes aber sehr markantes Element eingebracht. Im Anschluss nach erfolgreicher Reanimation wird das Tier via EEG erneut mit dem Element konfrontiert und anhand der Reaktion wird ersichtlich, ob das Tier dieses Element bereits einmal gesehen hat oder eben nicht.

    Also, worauf wartet man?

  98. Ich meine, “Qualia” ist ein transzendentes Phänomen.
    Man sollte es eigentlich auch ganz realistisch sehen. Die meisten Blogteilnehmer gehen davon aus dass man “Qualia” wohl nie wirklich vollständig verstehen wird, aber möglicherweise sogar künstlich realisiert werden kann. Es verhält sich ähnlich wie bei anderen transzendenten Objekten.

    Ich meine das hängt auch mit dem Verständnis der Lebensprozesse zusammen. Insbesonderes ob unsere Erkenntnisse ausreichen die Lebensprozesse, abgesehen vom Qualiaproblem vollständig zu verstehen. Die besondere Frage für mich ist, ob z.B. auch bei den Lebensprozesse noch unbekannte Phänomene ein genaueres Verständnis verhindern.
    Die Informationsverarbeitung im Gehirn dürfte man, abgesehen vom Qualiaphänomen, im Prinzip weitgehend verstehen. Unbekannte quantenphysikalische Aspekte dürften keine grundsätzliche Bedeutung haben.
    Wie es zu “Denken”, “Wissen” und zu so etwas wie einer „Bewusstseinsanzeige“ (ohne Qualia) kommt, könnte ich mir vorstellen, wenn man davon ausgeht dass es in der Elektronik/Informatik Vorbilder gibt, worauf ich in einigen Blogbeiträgen eingegangen bin.

    “Qualia” dürften bei Wechselwirkung zwischen neuronal – elektrischen und chemischen Prozessen entstehen.

    Ich finde, man sollte Begriffe verwenden die sich sozusagen in der Beschreibung ähnlicher Systeme bewährt haben.
    Das „Jonglieren“ mit und das verknüpfen von philosophischen Begriffen scheint hier eher nicht zielführend, zumindest dann nicht, wenn die Begriffe keinen wirklichen Realitätsbezug haben. Sie stammen aus einer Zeit in der es kaum Erkenntnisse über komplexe dynamischen Systeme und über Informationsverarbeitung gab. Begriffe wie „Prozess“ und „Information“ und der dahinter stehende Sachverhalt wurden nicht sinnvoll behandelt.

    Bei den hoch dynamischen Lebensprozessen, die hauptsächlich chemischen Charakter haben, scheint es noch schwieriger zu sein. Quantenchemische Aspekte könnten zusätzlichen noch unbekannten Einfluss nehmen, was es schwierig macht künstliches Leben zu generieren dass nicht aus bereits lebenden Systemen (über die Genetik) abgeleitet wird.
    Man versteht derzeit nicht einmal den psychosomatischen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen, man kann ihn höchstens recht vage beobachten.
    Da gibt es noch großen Forschungsbedarf.

  99. @Hilsebein: Ich verstehe nicht, warum Sie die These, dass geistige Phänomene notwendig an Hirnprozesse, also an den Körper gebunden sind, als Verneinung jeglicher Lebensbedeutung oder höherer Ziele verstehen. Damit, dass wir stets mittels unserer Gehirne wahrnehmen und denken, ist doch in keiner Weise gesagt, dass diese Wahrnehmungen und Gedanken falsch wären?

    @hto: Sie haben Offenbarungen empfangen, von denen wir Sterbliche nur träumen können. Sie verfügen über ein Wissen, das sich nicht mehr die Mühe machen muss, sich in klar formulierten, verständlichen Thesen auszudrücken und mit Argumenten zu belegen. Sie stehen weit über uns allen; für die Auseinandersetzung mit unseren klar formulierten Thesen oder gar Argumenten ist Ihnen Ihre Zeit zu schade. Das ist okay so. Aber verstehen Sie bitte, dass ich dazu einfach nichts sage (außer dies).

    @Elektroniker: Die computationalen Neurowissenschaften arbeiten an Modellen, die sicher auch Ihre elektronischen und informationstheoretischen Überlegungen berücksichtigen. Funktional wird man aufklären können, inwiefern sich bewusste von vor-/unterbewusster Informationsverarbeitung unterscheidet; man wird auch den Bewusstseinszustand und evtl. sogar Bewusstseinsinhalte aus der messbaren Hirnphysiologie auslesen lernen. Ich sehe aber wie andere Kommentatoren hier auch nicht, dass damit Qualia erklärt wären – meine aber, dass uns das nicht allzu sehr beunruhigen sollte. Gravitation ist auch (noch) ein factum brutum.

    @El Matzo: Ich stimme Ihnen zu, dass OBE das Potential zur Falsifizierung der Leitidee der modernen Hirnforschung hätten, dass sämtliche psychische Phänomene (einschl. Wahrnehmungen) von Hirnfunktion abhängig sind. Die AWARE-Study ist in dieser Hinsicht gescheitert (was aber nicht heißt, dass nicht zukünftig ein Falsifikationsfall eintreten könnte). Eine ähnlich angelegte Studie der Religionswissenschaftlerin Penny Satori und des Neuropsychologen Peter Fenwick in London war übrigens auch schon in dieser Hinsicht gescheitert (8 Patienten). Was also hindert uns, die genannten Expeirmente durchzuführen? Die Mehrzahl der Neurowissenschaftler ist sich einfach bereits ziemlich sicher, was rauskommen wird, und man spart sich die vergebliche Mühe – die sollen sich diejenigen machen, die gegen alle Evidenz ein dualistisches Konzept vertreten.

    Ich möchte noch einmal betonen, dass die hier vertretene These funktional angelegt ist und über die Wahrheit unserer Wahrnehmungen und Gedanken zunächst noch gar nichts aussagt. Ich kritisiere Diskussionen im Bereich NTE/OBE auch stets nur in funktionaler Hinsicht: ich grätsche nur dann rein, wenn jemand behauptet, diese Erfahrungen fänden ohne Beteiligung von Hirprozessen statt.

    Außerdem möchte ich sagen, dass die Bedeutung von Lebenserfahrungen, der Wert von Schmerzen und Opfern, die wir bringen für die Menschen, Tiere und Dinge, die uns viel bedeuten, vielleicht viel mehr mit unseren verletzlichen Körpern und mit der Irreversibilität und Einzigartigkeit dieses irdischen Lebens zu tun hat als es die Dualisten bzw. Animisten wahrhaben wollen. Für mich ist das ewige Umherschweben einer unverwundbaren unsterblichen Seele, die selbstgenügsam niemanden mehr braucht, NICHT der Erfüllungszustand einer menschlichen Existenz und auch NICHT der Zielzustand des christlichen Glaubens.

  100. @Christian Hoppe
    “Denken Sie, dass NTE ohne Hirnbeteiligung ablaufen? Dafür fehlt bis jetzt jeder überzeugende Beleg (es wird immer nur wieder behauptet). Definitiv gibt es NTE auch in Zeiten recht intakter Hirnfunktion.”

    Das wäre die Frage, die zu ergründen sich aber sehr lohnt. Es ist gerade aus der “Esoterik” kommend selten, dass dort Dinge postuliert werden, die sich überprüfen lassen. Würde sich eine NTE auf einem Tunnel und Licht beschränken und grüne Wiesen usw. wäre ich auch äußerst skeptisch. Wie ich in meinem zweiten Beitrag – den ich in Unkenntnis Ihrer Antwort verfasst hatte – ja anmahne, wäre es sehr verwunderlich, wenn diese einmalige Chance ausgelassen bzw. nur halbherzig untersucht wird. Das Ergebnis eines solchen Experiments wäre von einer immensen Tragweite. So oder so. Ich kann es mir aber durchaus vorstellen, denn mir machen folgende Dinge logisch einfach Probleme:

    Warum sollten die Menschen lügen? Es sind viele und durch alle möglichen Schichten, auch Zeiten, die das Berichten. Auch wenn es sicher nur wenige “ideale Fälle” gibt, so ist allein das Vorhandensein dieses Phänomens in Todesnähe bemerkenswert.

    Denn was hätte es für ein sterbendes Gehirn für einen Sinn uns (also das Bewusstsein) – als Beiprodukt – mit dieser komplexen Choreographie den Tod zu erleichtern und zu verschönern? Wenn danach nichts mehr ist, gibt es dafür auch keinen Grund. Mit Ende der Existenz endet das Individuum und wie “schön” es starb ist doch irrelevant. Es gibt niemanden, der sich daran erinnerte.

    Damit lässt sich aber mindestens schon einmal ableiten, dass sich das Gehirn um uns kümmert. Wir sind als Bewusstsein also nicht zufällig da. Wäre dem so, würde das Gehirn auch kein spezielles Entertainment für uns vorhalten für den Fall, dass wir sterben. Dass so komplexe Eindrücke am Lebensende zufällig durch Absterben von Gehirnzellen oder “wahllosem Neuronenfeuer” entstehen, das ist mir auch logisch nicht schlüssig. Da wären wenn dann nur Lichtblitze oder völlig zusammenhangloser Wirrwarr zu erwarten, aber keine Choreographie. Noch eine sich übergreifend findende Systematik.

    “Sie vertreten einen interaktionistischen Geist-Gehirn-Dualismus mit umgekehrter Richtung: das Gehirn beeinflusst vor allem das Bewusstsein. Interessant!”

    Ich bin einfach nur interessiert und mache mir dazu Gedanken. Die Idee, dass es anders herum sein könne, kam mir deshalb, weil viele Betroffene schildern, sie wären nur ungerne zurück in ihren Körper gegangen. Das Gehirn (bzw. der Körper) muss also eine Befehlsgewalt ausüben, die dem Bewusstsein/Geist aber vielleicht gar nicht so genehm ist. Viele beschreiben das dann als der Körper wäre zu eng, sie hätten sich wieder hinein quetschen müssen und ähnliches. Das klingt also eher danach, als würde der Körper/das Gehirn/die Materie über den Geist/das Bewusstsein/die Seele verfügen und nicht umgekehrt.

    “Natürlich sind Sie aber mit allen Problemen dieser Position konfrontiert: Was genau soll es heißen, dass ein materielles System mit einem immateriellen System interagiert? Fließt da unerklärlicherweise fortlaufend Energie aus dem Gehirn in Richtung des unbeobachtbaren (supranaturalen?) Bewusstseins ab?”

    Die Frage ist erst einmal, ist das Gehirn tatsächlich NUR ein materielles System oder ist es mit dem immateriellen “verschränkt” bzw. “überlagert”. Wir sehen (und messen) das Gehirn ja auch nur auf makroskopischer Ebene – aber wir wissen zumindest, die Natur ändert die Regeln je nach Betrachtung. Es kann sein, dass es überhaupt keine scharfe Trennung zwischen Gehirn und Bewusstsein gibt, weil dort die gleiche Unschärfe herrscht, mit der uns die Natur auch sonst amüsiert. Aber trotzdem wären es wohl zwei Entitäten. Oder eine. Oder keine.

    Ich denke, die Ergründung der Zusammenhänge wäre nochmal ein ganz anderer Brocken. Das relativ Simple wäre jetzt nur festzustellen, stimmt es denn, dass wir uns ohne Hirnfunktionen bewusst sein können. Damit wäre von dem Mysterium Leben immer noch nicht viel erklärt – aber wir wären ein kleines und für viele wahrscheinlich entscheidendes Stück weiter. Wir hätten den Beweis, dass es mehr als die materielle Welt geben muss. Das warum und wie – das geht damit noch lange nicht aus.

    “Wäre es wirklich ein substanzielles Bewusstsein, wenn es durch das Gehirn bis zur Nichtexistenz jeglichen Erlebens unterdrückt werden könnte? Müsste nicht irgendwo ein andauerndes Restbewusstsein bewahrt bleiben, um von einer Bewusstseinssubstanz reden zu können?”

    Wenn das Bewusstsein exklusiv ans Gehirn angeschlossen ist, in dieser engen Bindungsphase, dann würde das Gehirn das Bewusstsein wohl damit “ausschalten”, dass es keine Eindrücke mehr weiterleitet. Das Bewusstsein empfängt dann nichts mehr und wäre durch die Bindung ans Gehirn auch von der Außenwelt isoliert. Damit gibt es auch keine Erinnerungen. Das Bewusstsein wird also technisch gar nicht weniger oder inaktiver, sondern es erhält einfach nur nichts.

    Es wäre also gar nicht so übernatürlich, wie man meinen könnte, wenn Bewusstsein in einem Gehirn eingefangen werden kann. In den Berichten tritt das Bewusstsein bei den Leuten durch den Körper aus und kann durch Wände gehen usw. Es reagiert also offensichtlich nicht mit Materie – aber es wird von einer Kraft beeinflusst, die das Gehirn ausübt. Es ist also keine materielle Begrenzung, sondern eine energetische. So ungewöhnlich ist das in der Natur nicht. Auch das Neutrino verhält sich so und niemand erklärt deshalb die Natur per se für übergeschnappt. Das Grundprinzip von Interagiert-nicht-mit-Materie ist in unserem Universum mehrfach verwirklicht (die dunkle Materie nebst Energie lässt auch grüßen).

    “Ist es bei einer Narkose etc. der Fall, dass ein Restbewusstsein bestehen bleibt – natürlich als mein Bewusstsein, da es ja um die Erklärung meines variablen Bewusstseins geht?”

    “Überhaupt die Narkose: Ihrer Theorie nach verstärkt das Narkotikum die Fähigkeit des Gehirns, das Bewusstsein zu kontrollieren – ergibt das Sinn? Es spricht doch viel mehr dafür, dass diese Substanzen die Hirnfunktion stören?!”

    Das ergibt schon Sinn. Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber erstens ist man sich ohnehin nicht ganz schlüssig, warum Narkose überhaupt wirkt, denn das Gehirn reduziert soweit ich mich erinnere in der Narkose seine Aktivität nicht, sondern es zeigt ein besonders gleichförmiges aber starkes Muster. So als würden alle Neuronen gleichzeitig feuern. Das könnte einen ähnlichen Effekt auf das Bewusstsein haben wie vorher gesagt. Es kappt damit die Verbindung oder sendet nichts, was das Bewusstsein verarbeiten kann.

    “Freue mich auf weitere Kommentare von Ihnen!”

    Oh, vielen Danken und ebenso. Ich finde das Thema sehr spannend.

    “Welche Argumente hätten Sie selbst gegen Ihr eigenes Modell?”

    Logisch ist es fraglich warum ein Körper sich eines Geist bemächtigt, wenn dieser Geist unabhängig bereits existiert. Wenn es eine Symbiose und kein Kidnapping ist, was hat der Geist von der ganzen Sache?

    Selbst wenn man wüsste, dass es so wäre, wüsste man immer noch nicht warum. Auch die “Besiedlung” eines Körpers – wie soll das gehen? Nimmt sich ein entstehendes Gehirn ab Zeitpunkt X seiner Entwicklung den nächstbesten Geist oder nach welcher Systematik geschieht das? Und wer ist dafür verantwortlich?

    Auch wenn wir also wüssten, dass unser Bewusstsein (auch) auf einer weiteren Ebene existiert und von mir aus auch unvergänglich ist, bleibt das große Ganze unter Umständen genauso rätselhaft wie zuvor.

  101. @ Hoppe

    Ich spiele bisweilen mit Gedanken, so, wie andere vielleicht mit Karten spielen. Ich habe mich noch nicht festgelegt.

    “Für mich ist das ewige Umherschweben einer unverwundbaren unsterblichen Seele, die selbstgenügsam niemanden mehr braucht, NICHT der Erfüllungszustand einer menschlichen Existenz und auch NICHT der Zielzustand des christlichen Glaubens.”

    Das mögen Sie als junger Mann so sehen, aber ein Mensch, der bald Abschied vom Leben nehmen muß, sieht den christlichen Glauben als Trost, der auch die Hoffnung nährt, die Seele über den Tod hinaus ins ewige Licht zu überführen. Jedenfalls kann man Paulus so verstehen (->1.Korinther 15,50)

    Das mag ja alles Quatsch sein, macht aber das Sterben leichter.

  102. Ob du sterblich bist, wird sich / wirst du am Ende dieses Lebens, oder am … erkennen, bzw. nichts … – da haben auch die Buddhisten wirklich Erfahrungen über das Bewusstsein gesammelt!

    Das ich mir keine Mühe mehr machen muss, das kann ich STÜMPER absolut nicht bestätigen. Es ist aus vielen, aber besonders aus dem uns allen beherrschenden Grund gepflegter Bewusstseinsschwäche, extrem frustierend – möge St. Hawkins keinen letzten Gedanken ans Nichts …, damit sein Bewusstsein nicht entsprechend gelöscht wird.

  103. @KRichard
    NTEs sind als bewusst erlebbare Reizverarbeitung/Erinnerungsvorgang komplett erklärbar – ich gehe nur davon aus, dass man zum Erlebniszeitpunkt der NTE geistig klar bei Bewusstsein ist (Per Google-suche [Kinseher NDERF denken_nte] finden Sie eine PDF mit meinem Erklärungsmodell)

    Nur was wäre wenn unter beschriebenem Versuchsaufbau festgestellt würde, dass diese Out of Body Erfahrungen tatsächlich konkreten Realitätsbezug haben? Das ist ja der Dreh- und Angelpunkt – der ganze Überbau der sonstigen NTE Elemente kann bis dahin prinzipiell einfach ignoriert werden. Warum also so umständlich und zeitlich aufwendig das ganze Modell kritisieren, wenn man das nachprüfbare Postulat des “spukhaft anwesenden Bewusstseins” am Bewusstlosen direkt testen und widerlegen könnte?

    “Es ist aussichtslos” ist jedenfalls kein wissenschaftlicher Standpunkt. Es ist nun einmal postuliert, also sollte man es auch ernsthaft und ordentlich prüfen. Aber wirklich gemacht wurde es mit wissenschaftlich höherer Relevanz und Signifikanz ja nur durch die Aware Studie – die aber meinem Eindruck nach weder besonders üppig ausgestattet, noch besonders neutral gilt – d.h. deren Ergebnisse wären ja schon automatisch angezweifelt worden.

    Gemessen daran, was aber wäre, wenn das Postulat stimmte – was ja nichts weniger als einer Revolution gleichen würde – ist das Engagement doch wie ich finde sehr dürftig. Mir würden gerade jedenfalls nicht viele Entdeckungen einfallen, die an diesen Rang heran reichen würden.

    Ich kann Ihre Skepsis wie sie in dem PDF deutlich zum Ausdruck kommt durchaus nachvollziehen. Aber anderseits zeigt doch gerade die Wissenschaftsgeschichte, dass sich schon viele Unmöglichkeiten und Absurditäten letzten Endes in die Lehrbücher geschrieben haben.

  104. @Elektroniker // 13. März 2018 @ 17:01

    »So könnte man es natürlich sehen. „Prozess“ oder „informationsverarbeitender Prozess“ ist eine, manchmal schwierige, Definitionsfrage.«

    Ok, dann sage ich mal, was ich beim Begriff ‚Prozess‘ für wesentlich halte: Prozesse sind immer rein materielle Vorgänge. Die biochemischen, biophysikalischen, physiologischen Vorgänge in und an den Neuronen, das sind Prozesse, hier regieren Physik und Chemie. Die Empfindungsqualitäten aber, die auf diesen Prozessen beruhen, sind offensichtlich nicht materieller Natur. Das ist schon sehr ungewöhnlich, ich wüsste nicht, wo so etwas sonst noch in der Natur vorkommt. Wenn die Eigenschaften von Dingen (wie z. B. bestimmte aktive Neuronenverbände) aus prinzipiellen Gründen nicht physikalisch erfassbar sind, stellt sich die Frage nach der (physikalischen) Existenz dieser Eigenschaften.

    »Es fragt sich, ob man einmal „künstliches Leben“ produzieren kann.«

    Das kann ich mir gut vorstellen. Wenn man erstmal die biochemischen Prozesse in einfachen Zellen komplett verstanden hat, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es gelingt, das, was in Jahrmilliarden von selbst abgelaufen ist, innerhalb weniger Jahre im Labor forciert zu reproduzieren. Wenn dieses Projekt dennoch scheitern sollte, dann aus technischen Gründen, nicht aus prinzipiellen.

    Bei den Qualia verhält es sich m. E. anders: Selbst wenn wir künstliche lebende Nervenverbände produzieren könnten, wüssten wir doch nicht, ob diese bei entsprechender Aktivität auch Empfindungsqualitäten besäßen.

  105. @Hilsebein

    “… sieht den christlichen Glauben als Trost …”

    Da haben die Schriftgelehrten und “Geistlichen” wirklich systemrational-konfusionierte Arbeit in kreislaufender / sich wundlaufender Sündenbocksuche geleistet, denn wahrhaftig sprechen die Schriften eine ganz andere Sprache / Logik – Seele und “ewiges Leben” gibt es absolut nicht wie im von diesen erklärten Schlussverkauf, sondern über Wiedergeburt und über Fusion des vernunftbegabten Bewusstseins, “wie im Himmel all so auf Erden”! 😎

  106. @ hto

    Herr Hoppe hat schon Recht: man kann sich nur tief vor Ihnen verneigen, Sie haben wahrlich Offenbarung empfangen. Ironie off.
    Im Ernst. Man muß Paulus nicht folgen, man kann es wie Nietzsche machen und sagen: das Reich Gottes ist eine Erfahrung an einem Herzen, der Mann aus Nazareth der einzige Christ und das Christentum als Irrtum bezeichnen.
    Kann man machen, muß man aber nicht.
    Das ganze Christentum geht nun mal auf Paulus zurück und nicht auf den Mann aus Nazareth. Wer also mit dem Christentum argumentiert, kommt an Paulus nicht vorbei.

  107. @Christian Hoppe
    “Die AWARE-Study ist in dieser Hinsicht gescheitert (was aber nicht heißt, dass nicht zukünftig ein Falsifikationsfall eintreten könnte).”

    Die beschriebene Quantität gibt aber auch nicht viel her. Es blieben letztlich nur 2 Probanden mit visuellen Wahrnehmungen übrig und diese waren natürlich just an Örtlichkeiten, wo diese Symbole nicht angebracht waren. Nebenei wurde so zumindest wieder einmal Murphys Law bestätigt.

    Das müsste deshalb natürlich größer angelegt werden. Am LHC schießt man auch nicht 5 Protonen ab und sagt dann “Sorry Leute, das mit dem Higgs, das hat sich erledigt.” Fehlschlag ist also im Moment meiner Meinung nach etwas hart formuliert. Für die Umstände und das wenige Interesse sind die Schwierigkeiten (auch bei der anzunehmenden Varianz) meiner Meinung nach nicht verwunderlich.

    “Die Mehrzahl der Neurowissenschaftler ist sich einfach bereits ziemlich sicher, was rauskommen wird, und man spart sich die vergebliche Mühe – die sollen sich diejenigen machen, die gegen alle Evidenz ein dualistisches Konzept vertreten.”

    Ich bin dafür einfach zu antropophil bzw. gutgläubig, schätze ich. Ich habe mir dutzende Interviews angeschaut von Leuten, die über ihre NTE berichtet haben und meine Menschenkenntnis müsste schon unter aller Sau sein, wenn mich jeder derart gut belügen konnte. Es gab sicher einige, wo ich mir dachte, das wirkt eher nach “Ich erzähle jetzt auch mal was, damit ich im erlauchten Club dabei bin” – aber andererseits gab es auch viele, die völlig bodenständig und glaubwürdig berichteten. Die selbst mit kritischen Anmerkungen nicht sparten. Die sich auch keinen Reim daraus machen konnten. Da beziehe ich mich speziell auf die OBE Erfahrungen mit Realitätsbezug. Von den hunderten Berichten, muss nur einer die Wahrheit sagen – und das derzeitige neurowissenschaftliche Modell wäre hinfällig. Ich sehe bei der Vielzahl an Berichten einfach kaum eine Chance, dass komplett alles gelogen bzw. nur eingebildet sein kann. Und dabei spielt die Frage “Gab es nun noch Hirnfunktionen: starke, minimale, gar keine – nicht einmal eine so entscheidende Rolle”.

    Ich hatte als Kind z.B. einmal selbst eine ungewöhnliche Erfahrung. Ich bin beim Klettern etwa 2 Meter von einem Felsen gefallen. Jetzt nichts sonderlich dramatisches. Aber die Zeitspanne bis zum “Aufschlag” dehnte sich wer weiß wie lange. Also ein sehr ausgeprägter Zeitlupeneffekt. Nicht das ich behaupten würde, das wäre übernatürlich gewesen – aber ich kann verstehen, dass außergewöhnliche Bewusstseinszustände sehr eindrücklich und auch sehr gut erinnerlich sein können.

    “Außerdem möchte ich sagen, dass die Bedeutung von Lebenserfahrungen, der Wert von Schmerzen und Opfern, die wir bringen für die Menschen, Tiere und Dinge, die uns viel bedeuten, vielleicht viel mehr mit unseren verletzlichen Körpern und mit der Irreversibilität und Einzigartigkeit dieses irdischen Lebens zu tun hat als es die Dualisten bzw. Animisten wahrhaben wollen.”

    Womit das ganze System danach auf Übergabe beruht und immer wieder, jeder Mensch neu, aus dem Nichts gehoben und ins Nichts zurück gesetzt wird. Und das alles nur, um eine Gegenwart aufrecht zu erhalten? Das ist zwar das, was wir beobachten können und wohl auch das, was ist – aber nimmt man analog andere Erkenntnisse über die Vielschichtigkeit und Sonderbarkeit der Natur dazu, dann deutet sich doch stark an, dass die Maxime “Es ist nichts so, wie es scheint” doch eher universell Anwendung findet.

    “Für mich ist das ewige Umherschweben einer unverwundbaren unsterblichen Seele, die selbstgenügsam niemanden mehr braucht, NICHT der Erfüllungszustand einer menschlichen Existenz und auch NICHT der Zielzustand des christlichen Glaubens.”

    Es könnte auch einfach sein, dass das Bewusstsein am Ende wieder dorthin zurück kehrt, woher es kam und von dort wieder und wieder in ein neues Leben tritt oder getreten wird. Irgendwie werden sich diese beiden Ebenen ergänzen, meinem Gefühl nach. Information ginge aber nicht verloren – was mitunter auch so ein Steckenpferd der Natur ist. Kehrt so ein Bewusstsein zurück, bringt es alles mit, was es erlebt hat. Das ist aber natürlich sehr spekulativ.

  108. @Hilsebein: Vorweg kurz noch einmal der Hinweis, dass die Fragen der christlichen Eschatologie hier im Grunde off topic sind. Kein Theologe hat bisher versucht, die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod mit den Qualia zu begründen …. — Bei Paulus ist die Verwandlung des Leibes von zentraler Bedeutung. Man darf auch erwähnen, dass er sich bewusst und ausdrücklich EXTREM ZURÜCKHALTEND äußert. Die (katholische) Eschatologie ist sich unübersehbar sehr uneins über ihr “Modell”: Gibt es eine Zwischenzeit bis zum Jüngsten Tage, durch die hindurch eine vom Leib getrennte Seele die Identität der Person überbrückend garantiert, bis diese Person eben (leiblich!) aufersteht zum Gericht? Oder ist der Tod bereits der eine Zeitpunkt der Auferstehung in einem verwandelten Leib sowie der Zeitpunkt des Gerichts? Fallen dann individuelles und Welt-Gericht auseinander? Es besteht jedenfalls in keinem Glaubensbekenntnis und bei keinem relevanten Theologen ein Zweifel daran, dass die Auferstehung der ganzen Person mit Leib und Seele zum ewigen Leben (genauer: zu Gottesschau, visio beata) erhofft wird. Bei kritischer Prüfung bleiben alle mir bekannten eschatologischen Modelle aber leider viele viele Antworten schuldig bzw. die Widersprüche innerhalb der Modelle sind enorm.

    Bewegt und ermutigt Sie selbst eher der Gedanke “Das Leben geht weiter, es ist mit dem Tod nicht zu Ende” oder der Gedanke “Das gelebte Leben ist aufbewahrt, es fällt nicht in ein Nichts der Bedeutungslosigkeit, das Gute in diesem Leben war keine Illusion”?

  109. @El Matzo: Ich habe auch keinerlei Zweifel an den Berichten der Leute! Sie können nur über die Beteiligung von Hirnprozessen an ebendiesen Erlebnissen schlichtweg nichts wissen. Neurowissenschaftlich gibt es ganz gute Erklärungen für OBE auf der Basis von Hirnfunktionen (z.B. Olaf Blanke) – aber Wissenschaftler glauben nicht, dass es dabei zu paranormalen Phänomenen kommt (also z.B. telepathische Einsicht in nichttriviale Informationen, die die Person gar nicht wissen kann, auch nicht zufällig, bzw. außersinnliche Wahrnehmung). Bei den Wahrnehmungen handelt es sich um erstaunlich realitätsnahe Konstruktionen auf Basis des vorhandenen Wissens und noch vorhandener Wahrnehmungen und Erinnerungen.

  110. @ Hoppe

    Ja, sorry -ist off-topic. Es reizt mich manchmal, wenn ich einem Menschen gegenüberstehe, von dem ich annehme, daß er eine Spur zu fest im Sattel sitzt, den Advocatus diaboli zu spielen.

    “Bewegt und ermutigt Sie selbst eher der Gedanke “Das Leben geht weiter, es ist mit dem Tod nicht zu Ende” oder der Gedanke “Das gelebte Leben ist aufbewahrt, es fällt nicht in ein Nichts der Bedeutungslosigkeit, das Gute in diesem Leben war keine Illusion”?”

    Ich weiß schon, vorauf Sie hinaus wollen. Der Mensch tendiert zum letzteren, er lebt in der Erinnerung seiner Mitmenschen weiter. Letztlich aber muß er mit dem Verlöschen seines Bewußtsein ganz allein klarkommen, ein Verlöschen, daß die Hoffnung auf Wiederkehr ausschließt -im Gegensatz zur Narkose. Würde er nicht leichter sterben, wenn er das Verlöschen nicht fürchten muß? Muß er das Leben und das Sterben erst als fürchterliche Qual empfinden, um loslassen zu können? Das sind Fragen, die man sich stellen kann -muß man aber nicht.

  111. @Hilsebein

    Wo habe ich denn mit dem Christentum argumentiert??? 😪💤
    Das Christentum muss doch erst noch wirklich-wahrhaftig begründet werden, wenn’s nötig ist!? 😎

  112. @ hto
    Ja, sorry – kann man mißverstehen. Der letzte Satz meiner Einlassung an Sie bezog sich auf Hoppes “Für mich ist das ewige Umherschweben einer unverwundbaren unsterblichen Seele, die selbstgenügsam niemanden mehr braucht, NICHT der Erfüllungszustand einer menschlichen Existenz und auch NICHT der Zielzustand des christlichen Glaubens.”

  113. @Christian Hoppe
    Das ist aber gerade das Problem. Die Leute berichten u.a. eben sehr glaubwürdig von Hirnfunktionen hin oder her unmöglichen Beobachtungen. Zum Teil werden diese auch im Nachhinein verifiziert. Das ist ja das krasse.

    Wie kann jemand in Narkose, bei einer Reanimation, bei geschlossenen Augen, ohne Bewusstsein, visuell wahrnehmen was um ihn herum geschieht. Und in einer Ruhe, die für eine solche ungewöhnliche und bedrohliche Situation ziemlich unangemessen wäre.

    Das Gehirn müsste, wenn es auf Gehirnfunktionen beruht, also aus den verbliebenen Sinneseindrücken, die ggf. durch die Bewusstlosigkeit oder die Narkose dringen, akkurat wie eine Fledermaus sozusagen ein dreidimensionales Raumbild anfertigen. Die Leute berichten ja nicht nur vage und das nahe liegende was auf Einbildung zurück zu führen sein kann, sondern zum Teil sehr genau wer alles dort war und was gemacht wurde.

    Glaubt man diesen Leuten, muss man das neurowissenschaftliche Modell bereits jetzt aufgeben. Andernfalls müsste man sagen sie lügen oder sie haben Feldermaus-Superkräfte.

  114. “Für mich ist das ewige Umherschweben …”

    Da bin ich ganz bei Hoppe, wenn auch aus ganz anderen Gründen.

  115. @El Matzo: “Die Leute berichten u.a. eben sehr glaubwürdig von Hirnfunktionen hin oder her unmöglichen Beobachtungen. Zum Teil werden diese auch im Nachhinein verifiziert.” – Es fehlen objektive Dokumentationen einer nichtsuggestiven Befragung dieser NT-Experiencer. Es gibt Fälle (z.B. der berühmteste aller Fälle, Pam Reynolds), wo die zeitliche Zuordnung des OBE extrem schlampig erfolgte und ein Mythos aufgebaut wurde (das OBE fand eindeutig während einer flachen Standardnarkose statt, nicht während der hypothermischen Anästhesie). Es gibt den Fall des OBE von Susan Blackmore, einer britischen (Para-)Psychologin, die extrem real erlebt hat, wie sie ihre Krankenzimmer durchs Fenster verlässt und über das Krankenhausdach mit den vielen kleinen Schornsteinen schwebt – um später festzustellen, dass nur auf diesem Krankenhausdach die kleinen Schornsteine fehlten (!), die alle Häuser in der Umgebung aber hatten: Sie hatte das Erlebnis, das extrem real erschien, also letztlich doch “nur” halluziniert! Usw. Ich bin überzeugt, dass sich für glaubwürdige und dokumentierte Zeugenberichte immer natürliche Erklärungen finden lassen. Aber es gibt da draußen extrem viel Legendenbildung rund um die NTE.

  116. @Hilsebein: Auch wenn es off topic ist … 😉 — nein, ich meinte nicht das Weiterleben in der Erinnerung der Weiterlebenden. Ich meine, dass sich deren Erinnerung an der vergangenen Wirklichkeit zu bemessen hat, die Wirklichkeit bleibt, wenngleich sie vergangen ist (keinesfalls konstituiert die Erinnerung die Vergangenheit oder überhaupt irgendeine Wirklichkeit). Es ist eben nicht so, als sei nichts gewesen; es bleibt auf Zeit und Ewigkeit wahr, dass wir jetzt hier Nachrichten bzw. Kommentare austauschen. Wie will man diese Wirklichkeit denken? Das meinte ich mit Bewahrung. – Die christliche Eschatologie ist sich in einer Sache übrigens ziemlich einig: dass mit dem Tod die Freiheitsgeschichte des Menschen endet, er ist ganz Wirklichkeit geworden, es gibt keine offenen, wählbaren Möglichkeiten mehr und man hat dann end-gültig auch über sich entschieden (so nimmt die Theologie den Tod und die Einzigartigkeit des irdischen Lebens radikal ernst). So gesehen ist das ewige Leben christlich-theologisch gesehen kein “Weiter so wie bisher, jetzt nur im Himmel”. Mir ist allerdings nicht klar, wie man ein wie auch immer zu konzipierndes Ewiges Leben als Liebe oder Vollendung der Liebe denken kann, wenn es keine Freiheit mehr gibt.

  117. Bei meiner AKE war es keine Narkose.
    Ich war einige Zeit nach einem Psylocobin-Trip wieder klar von den Halluzinationen, nur müde / entsprechend …
    Beim Fallenlassen auf meine Matratze, soweit ich mich erinnere noch vor dem Auftreffen: BÄMM … Aber ich werde euch jetzt nichts weiter darüber berichten, denn es bringt euch hier nichts! Nur noch soviel: Es war KEIN FLASHBACK, und ich war nicht der erste und sicher auch nicht der beste Kandidat für …
    Jetzt verabschiede ich mich von hier und suche woanders nach einem Anfang.

  118. @ Hoppe immer noch off-topic, aber vielleicht schließt sich ja noch der Kreis.

    “Mir ist allerdings nicht klar, wie man ein wie auch immer zu konzipierndes Ewiges Leben als Liebe oder Vollendung der Liebe denken kann, wenn es keine Freiheit mehr gibt.”

    Gesetzt, ich folge Ihren Ausführungen richtig, so endet die Freiheit des einzelnen Individuums nur insofern, als daß er Teil einer größeren Freiheit wird. Mit der Liebe müßte es dann genauso sein. So wie der Tropfen im Wasser _aufgehoben_ (bewahrt, hinauf gehoben, aber auch im Sinne eines Gesetzes, das aufgehoben wird) Diese größere Freiheit, Liebe usw. wäre dann das Entschlafen in Christo. Aber ich habe keine Ahnung. Es scheint mir ein Sprung über den Graben zu sein. Ich kenne Offenbarung nicht aus eigener Erfahrung 😉

  119. @ Balanus 14. März 2018 @ 11:18

    Ich habe „Prozess“ oder „informationsverarbeitender Prozess“ anders gemeint.

    Es geht mir darum, ob die “Informationsverarbeitung” im Vordergrund steht.
    Am Beispiel Elektrotechnik wäre es ein Prozess wenn z.B. ein Elektromotor eingeschaltet wird oder eine Glühlampe. Zweck des Prozess ist die Kraft oder die Lichtwirkung.
    Man ist aber darauf gekommen, dass man sehr kleine Ströme und Spannungen nutzen kann, um abstrakte Information zu verarbeiten, also z.B. „mit dem Strom“ zu rechnen. Man braucht den Strom sozusagen „stellvertretend“ für abstrakte Information, es kommt nicht auf die Kraft, Licht, … an. Auch dies ist natürlich ein Prozess.

    Die elektrischen Impulse im Gehirn dienen einerseits dem Denkprozess also der Informationsverarbeitung, allerdings nehmen sie offensichtlich auch auf chemische Prozesse Einfluss, so dass das Qualiaphänomen entsteht, oder letztlich durch den Einfluss z.B. auf den Herzmuskel (Strom getriebene Pumpe), Leben ermöglicht wird.

    Information verarbeiten könnte man im Prinzip auch z.B. mit Quanten (Quantencomputer) oder chemischen Stoffen (DNA) Computer. Es käme nicht auf die DNA gesteuerte Zellproduktion an, sondern auf die DNA Abbildung, die sozusagen ein Rechenergebnis enthält.

    Der Begriff „Materie“ wird leider, besonders von „Materialisten“, sehr missverständlich verwendet.

  120. @Christian Hoppe
    “Es fehlen objektive Dokumentationen einer nichtsuggestiven Befragung dieser NT-Experiencer.”

    Das meine ich aber auch.

    Meines Erachtens nach ist die Signifikanz durch die ganzen Berichte gegeben, eine groß angelegte Untersuchung durchzuführen. Analog etwa mal wieder zur Teilchenphysik – als Higgs sein Feld postulierte, war die Suche danach trotz der schlüssigen Mathematik ein gehöriger Schuss ins Blaue. Um den Nachweis zu erbringen wurde die größte und komplizierteste Maschine überhaupt gebaut. Für Milliarden. Aufgrund einer Idee, der innigen Liebe zum Standardmodell und etwas schöner Mathematik.

    Mir ist grob unverständlich, wieso bei so elementaren Fragen wie “Erzeugt das Gehirn das Bewusstsein?” und “Was und wo ist das Bewusstsein?” dagegen so wenig Interesse besteht. Es ist doch augenfällig, dass es zumindest über Jahre nun nicht gelang, das Bewusstsein oder das Gedächtnis im Gehirn zu lokalisieren und zu isolieren. Es ist ja nicht so, als gäbe es also bereits eine gut bewiesene Grundlage. Die Annahme, das Gehirn erzeugt das Bewusstsein ist nicht hinreichend bewiesen. Und da lässt man sich die Gelegenheit durch die Lappen gehen die Nicht-Lokalität des Bewusstseins auszuschließen? Das ist nicht schlüssig. Das ist schon fast unsportlich.

    “Es gibt Fälle (z.B. der berühmteste aller Fälle, Pam Reynolds), wo die zeitliche Zuordnung des OBE extrem schlampig erfolgte und ein Mythos aufgebaut wurde (das OBE fand eindeutig während einer flachen Standardnarkose statt, nicht während der hypothermischen Anästhesie).”

    Das habe ich mir bei diesem Fall auch gedacht. Sie beschreibt den Einsatz des Schädelbohrers und der Ausleitung des Blutes, also alles Dinge, die noch der Vorbereitung des eigentlichen Eingriffs dienten. Aber der Punkt ist trotzdem: auch in der Standardnarkose hätte sie diese Beobachtungen unmöglich machen können. Eine zu flache Narkose wäre beim Aufsägen des Schädels usw. sehr unangenehm gewesen. Das berichtet sie aber nicht. Auch die Perspektive irgendwo im Raum außerhalb des Körpers ist damit nicht zu erklären. Die Schilderung passt insgesamt damit auch nicht zu einer “seltenen aber üblichen” intraoperativen Wachheit.

    Die Kritik, wie der Fall aufgebauscht wird, die will ich in keinster Weise mildern oder das Verhalten relativeren. So eine Verklärung der Fakten ist unsauber. Aber damit lässt sich auch nicht das ganze Geschehen vom Tisch wischen. Es ist alles sehr widersprüchlich – akkuraten Wiedergaben lassen sich wohl genauso viele (oder sogar mehr) Inakkurate gegenüberstellen. Aber der Status Quo lässt ohne weitere Untersuchung meiner Meinung nach derzeit keinen Ausschluß einer der beiden Möglichkeiten zu.

    “Ich bin überzeugt, dass sich für glaubwürdige und dokumentierte Zeugenberichte immer natürliche Erklärungen finden lassen. Aber es gibt da draußen extrem viel Legendenbildung rund um die NTE.”

    Ich sehe da erstmal nichts potentiell übernatürliches. Die Natur ist – wie schon gesagt – in bereits vielen bekannten Fällen “übernatürlich”. Die ganze Quantenmechanik ist etwa aus unserer Alltagserfahrung nach sowas von abgehoben, dass es in ein ähnliches Kaliber schlägt. Letztlich nimmt die Natur keine Rücksicht darauf, was wir als natürlich oder verständlich empfinden mögen. Auch wenn das Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird, davon kann man jetzt schon ausgehen, wird dies auf eine Weise geschehen, die im Moment auch noch als “übernatürlich” anmutet – denn die simplen Lösungen, die hätten wir längst gefunden.

  121. @hto: Millonen Buddhisten wissen, dass das Bewusstsein keine Dauer hat und leben sehr gut – mit viel Lebensfreude – mit diesem Wissen.

  122. off topic @El Matzo
    Im Klassiker der NTE-Literatur, dem Buch ´Life after Life / Leben nach dem Tod´ steht klar und deutlich, dass alle Menschen beim Erleben der NTE lebendig sind! D.h. das Gehirn hat normal funktioniert.
    Pam Reynolds wurde für die Operation stark gekühlt. Für solche Fälle gibt es keine Erfahrungswerte zur Wirksamkeit von Narkosemitteln. Es ist daher durchaus möglich, dass die Dosierung erlaubte, dass sie wieder bei Bewusstsein war.
    Außerkörperliche Erfahrungen kann man mittlerweile im Experiment erzeugen und sogar vermessen, wohin die Versuchsperson sich denkt. Alle Versuchspersonen sind lebendig
    Wenn Sie mein Erklärungsmodell gelesen hätten – dann sollten Sie verstehen, wie ´Zeitdehnung´ entsteht

    Mein Tipp: lesen Sie nicht nur Esoterik-Literatur; das ist Zeit- und Geldverschwendung

  123. @KRichard
    Ich habe noch gar keine Esoterik Literatur gelesen.

    Ich verstehe auch nicht, was die Angabe in diesem Buch mit der Frage zu tun hat, wie es sich ggf. mit den nachweisbaren, aber jedenfalls erklärten, Erfahrungen der Menschen zu tun hat, die angeben während z.B. der Reanimation visuelle Wahrnehmungen gehabt zu haben. Das ist doch unabhängig davon. Dort hätte das Gehirn dann nicht mehr normal funktioniert.

    Desweiteren ist wiederum unabhängig davon unerklärlich, wie Beschreibungen der Realität während einer Bewusstlosigkeit auch bei normaler Gehirnfunktion möglich sein sollen. Wenn Sie z.B. schlafen und ich komme als (leiser) Bär verkleidet in ihr Schlafzimmer und sie erwachen nicht, dann erwarte ich nicht, dass sie am nächsten Morgen davon berichten können. Andernfalls, das ist doch offensichtlich, fand etwas recht seltsames statt.

    Diese induzierten OBEs zeichnen sich aber ja dadurch aus, dass sie keinen Realitätsbezug haben. Veränderlichkeiten im Raum werden zum Beispiel nicht erfasst. Was darauf hindeutet, dass diese im Gehirn simuliert werden. Es kann sein, dass diese OBEs sich nicht von den anderen unterscheiden, dann wäre alles simuliert – allein aber, dass das Gehirn die Fähigkeit kennt solche Illusionen zu erzeugen, kann auch darauf hindeuten, dass es einen grundlegenden Prozess gibt, der aber in der Illusion nur teilweise ausgeführt wird.

    Ich habe ihr Erklärungsmodell gelesen. Ich bin deshalb nicht darauf eingegangen, weil Sie dort ansetzen, wo ich (momentan) gar nicht hin will. Sie stellen den NTE Elementen neurophysiologische Erklärungen gegenüber und betonen mehrfach, dass für diese Elemente quasi immer normale Gehirnfunktionen vorhanden sind bzw. sein müssen.

    Wie ich erklärt habe, interessiere ich mich im Feld der NTE primär für das Element der OBE unter neurophysiologischen Extrem- aber auch Normalbedingungen und das auch nur, weil die Nahtodforschung dort eine empirische Vorhersage macht und ich die Berichte darüber zum Teil als glaubwürdig einschätze. Für alles darüber hinaus gehende sehe ich keine unmittelbare Möglichkeit des Nachweises bzw. der Widerlegung – und wenn die Grundannahme mit den OBEs sich schon als falsch heraus stellen sollte, muss man auch den Rest überhaupt nicht mehr beachten. Erst für den gegenteiligen Fall wäre das notwendig.

  124. @El Matzo
    Eine Fragestellung hier beim Thema ´Qualia´ ist: sind wir unser Gehirn?
    Diese Frage kann man verneinen – denn wir sind nicht unser Gehirn: sondern eine empfundene Qualia oder Ich-Identität entsteht erst dann, wenn wir uns bewusst erinnern. Daher müßte man sagen – Ich bin das, was ich erinnere!

    Und zum Erinnern wiederum, muss man die Realität zur Kenntnis nehmen. Es gibt unzählige Experimente, die zeigen, dass unsere Erinnerungen extrem fehlerhaft sind! Diese Fehlerquote gilt besonders für NTEs/OBEs – denn diese Phänomene waren in den letzten Jahrzehnten besonders ein Thema für Esoteriker; die nicht gerade für kritischen Verstand bekannt sind.

    Als Buchtipp empfehle ich Ihnen die Lektüre ´Julia Shaw: Das trügerische Gedächtnis, ISBN: 978-3-446-44877-3´. Darin wird u.a. ein Experiment beschrieben, wo sie Versuchspersonen in nur drei kurzen Gesprächen dazu brachte, sich an eine erfundene Straftat so gut zu erinnern – dass sie spezielle Details dieses Ereignisse und sogar ihre Empfindungen (Qualia) dabei benennen konnten. (Diese Gespräche wurden per Video dokumentiert, um zu belegen, dass diese Straftaten nicht von der Psychologin suggeriert, sondern von der Versuchsperson selbst ´erinnert´ wurden.)

    Genau so, wie man bei einem Menschen eine Straftat erinnern lassen kann, kann man ihm auch beliebige Details zu NTEs/OBEs ´erinnern´ lassen. Oder man kann Menschen dazu bringen, sich an frühere(!) Leben zu ´erinnern´.
    Und zum Thema ´Bewusstlosigkeit´ bei Operationen: man schätzt dass bei jeder 400- bis 700-sten Operation der Patient dabei zeitweise aus der Bewusstlosigkeit erwacht.

  125. @Christian Hoppe // 13. März 2018 @ 13:51

    »Leider ist noch kein Kommentator auf den eigentlichen Inhalt meines Blogposts eingegangen, der die Frage aufgeworfen hat, was es bedeutet, dass wir unser Gehirn nicht nur wie ein Gerät besitzen, sondern es (im Hinblick auf unsere psychischen Vermögen) quasi sind.«

    Was soll man dazu auch groß sagen, wenn man kein Substanz-Dualist ist? Und wer ist das schon von denen, die hier gelegentlich kommentieren…

    Ich sehe das so: Das Bewusstsein (Ich-Bewusstsein) ist nicht (quasi) das Gehirn, sondern etwas, das vom Gehirn „erzeugt“ oder konstituiert wird. „Ich“ und „mein“, „unser“ und „wir“ sind Wörter, die dem Bewusstsein zugehörig sind, von ihm sozusagen gebildet werden. Das heißt, wenn ich über mein Gehirn spreche, dann redet das bewusste Ich gewissermaßen über seinen „Erzeuger“. Das klingt alles ziemlich seltsam, aber das bewusste Ich ist so wenig das Gehirn wie das Licht der Glühfaden ist.

    Die Idee, dass das vom Gehirn konstituierte Bewusstsein sich vom Gehirn lösen und wieder zu ihm zurückkehren könnte, widerspricht allem, was bislang als gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnis gilt.

    Wer sogenannte OBEs wissenschaftlich untersuchen wollte, müsste davon ausgehen, dass Sinnesorgane für Wahrnehmungen im Grunde überflüssig sind. Das wären schon extrem steile Thesen, die solchen Untersuchungen zugrunde lägen.

  126. In den letzten Jahren wurden offensichtlich etliche Versuche unternommen, neurobiologisch fundierte Bewußtseinstheorien zu entwerfen. Daran sind nicht nur Neurowissenschaftler, sondern auch Philosophen beteiligt, die an neurowissenschaftlichen Fakten interessiert sind. Als Beispiel möchte ich Carlos E. B. de Sousa nennen, dessen Dissertation recht interessant scheint. Er schreibt: “Entgegen dualistischen wie physikalistischen/funktionalistischen Theorien argumentiert dieser Text für die neurophilosophische Hypothese, dass Qualia auf der Neurobiologie sensorischer Systeme basieren. Bewusstsein ist vor allem ein neurobiologisches Phänomen, ein Produkt evolutionärer Prozesse. Daher muss die Erforschung von Bewusstsein und Qualia diesen biologischen Status berücksichtigen. Die zentrale Hypothese dieser Dissertation fußt auf mechanistischen neurobiologischen Erklärungen. Weder der Dualismus noch das physikalistische/funktionalistische Programm nehmen den neurobiologischen Bedingtheit des Bewusstseins zur Kenntnis. Die (hier vertretene) Diagnose ist, dass die traditionellen philosophischen Werkzeuge sich mit dem Lösen erkenntnistheoretischer Probleme erschöpfen. Deswegen nehme ich eine neue Perspektive ein, nämlich die der Neurophilosophie, d.h. der Verschmelzung von Neurowissenschaften und Philosophie. Die sich aus dieser neuen Perspektive ergebende Schlussfolgerung ist, dass Qualia sensorische Qualitäten sind, die jedes bewusste Ereignis begleiten. Qualia sind neurobiologische Phänomene, die phänomenologisch auf der Ebene des Bewusstseins erfahren werden.”

    Hier die Zusammenfassung mit Link zur Dissertation: http://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/3426;jsessionid=955064B30735E400B50AD4CDDB4C73F5

  127. @Balanus
    Man unterscheidet zwischen ´Selbst´ und ´Ich-Bewusstsein´.

    Das Selbst ist übergeordnet und das Ich-Bewusstsein ist erlernt. Ein einfaches Beispiel: Ein krabbelndes Baby weicht einem Hindernis aus, weil es vom Selbst gesteuert wird. Ein Ich-Bewusstsein erlernt man erst ab dem 2. Lebensjahr, wenn man Sprechen und die Erfahrung lernt, sich als eigenständige Person (Ich) von der Umwelt abzugrenzen.

  128. @KRichard

    Das so definierte ‚Selbst‘ scheint mir mit dem Gehirn bzw. bestimmten Hirnfunktionen identisch zu sein. Dieses ‚Selbst‘ findet man wohl bei allen Wirbeltieren.

    Und da ich schon dabei bin, Sie haben weiter oben geschrieben:

    »Wenn etwas total falsch empfunden wird – wäre dies ein Qualia-Fehler«

    Den aufgeführten Beispielen nach definieren Sie ‚Qualia‘ anders als gemeinhin üblich. Denn „falsch“ ist hier, meiner Auffassung nach, lediglich die Interpretation und Bewertung der Wahrnehmung, also der eingehenden Sinnesdaten. Die Empfindungsqualitäten (Qualia) selbst, die mit dem Anblick etwa einer Marmorhand einhergehen, sind so, wie sie aufgrund der neuronalen Aktivitäten auch sein sollten. Ein Qualia-Fehler läge hingegen vor, wenn die rosafarbene Marmorhand dem Betrachter grün marmoriert erscheinen würde, und zwar, das ist wichtig, bei exakt gleicher neuronaler Aktivität wie bei dem rosafarbenen Marmor.

  129. @ Balanus

    “Ein Qualia-Fehler läge hingegen vor (…)”

    Wenn Sie die Wiki- Definition zugrunde legen: “Qualia sind der subjektive Erlebnisgehalt eines mentalen Zustandes” –
    dann KANN es keine ‘Qualiafehler’ geben, das wäre in etwa so, als würde man sagen, jemand hätte einen “Ich-Fehler”.

    Wenn Sie die Geschmacksqualität “süß” auf einer Skala von 1 (sehr gering) bis 10 (sehr stark), nur um die 3 wahrnehmen können (angenommen, Sie besitzen für den Vergleich eine Erinnerung aus Ihrer Kindheit daran, wie sich ‘süß’ in stärkerer und stärkster Ausprägung auf der Zunge anfühlt), dann ist das Ihre Qualia, gleichgültig, ob Sie damit weit unter dem Durchschnitt von Geschmackstestern gleichen Alters und gleichen Geschlechts liegen bzw. weit hinter Ihrer eigenen Geschmackssensibilität, die Sie einmal in Kindheitstagen besaßen, zurückbleiben.

  130. Das Gehirn ist ein physiologisches Organ und ein physischer Gegenstand. Das “Ich” ist die Summe von bewussten Eigenzuständen als psychologisches Phänomen, ohne physische Eigenschaften. Diese Eigenzustände werden im Gehirn in der Form kognitiver Inhalte repräsentiert und in den Prozessen und Strukturen des Gehirns realisiert. Das ist offensichtlich ein Dualismus, der sprachlich begründet ist.

    Die Gleichsetzung von Hirn und Ich ist falsch, weshalb die Identitätstheorie in der Philosophie des Bewusstseins nicht mehr aktuell ist. Es sind verschiedene Kategorien. Man könnte aber in einer schwächeren Form sagen, dass das Ich und das Gehirn äquivalent sind, wobei das Ich eben nur den bewussten Anteil ausmacht. Vieles, wohl sogar das meiste im Gehirn, wird uns gar nicht bewusst.

    Die Qualia sind zwar von den Funktionen des Gehirns verursacht, aber ihre Natur ist dadurch nicht erklärbar. Wir wissen nicht, warum wir Farben sehen, Gerüche empfinden und Gefühle spüren. Wir kennen nur Korrelationen oder Abhängigkeiten zu den Sinnesorganen. Dass die Qualia evolutionär vorteilhaft und sogar notwendig sind, steht außer Frage, liefert aber ebenfalls keine Erklärung dafür. Auch die Kenntnis der physikalischen, chemischen und (neuro)biologischen Prozesse reicht nicht aus.

  131. II. @Balanus

    “Ein Qualia-Fehler läge hingegen vor, wenn die rosafarbene Marmorhand dem Betrachter grün marmoriert erscheinen würde, und zwar, das ist wichtig, bei exakt gleicher neuronaler Aktivität wie bei dem rosafarbenen Marmor.”

    Wenn dem Betrachter eine rosafarbene Marmorhand grün marmoriert erscheint, dann KANN die neuronale Aktivität niemals die gleiche sein, wie diejenige des neuronalen Zustandes, in dem sich der Betrachter befand, als er die rosafarbene Marmorhand rosafarben wahrgenommen hat.
    Einer veränderten Wahrnehmung liegt immer auch veränderte neuronale Aktivität zugrunde.

  132. @ Balanus 15. März 2018 @ 14:07

    Zitat: „Die Idee, dass das vom Gehirn konstituierte Bewusstsein sich vom Gehirn lösen und wieder zu ihm zurückkehren könnte, widerspricht allem, was bislang als gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnis gilt.“

    Dies klingt einerseits plausibel, aber die Frage die zu dieser Aussage führen soll und auch die Antwort ist nicht wirklich sinnvoll. Was ist Bewusstsein überhaupt?

    Für mich gibt es Strukturen im Gehirn (eine Art (nicht optischer) „Bildschirm“, der gleichzeitig so etwas wie eine „Sensorik“ für nachfolgende Prozesse ist) auf denen früher gespeicherte, zusammengefasste, aufbereitete und ebenfalls von Sensoriken stammende in elektrische Impulse „umgewandelte“ Information im mathematischen Sinne (Matrix) „abgebildet“ wird.

    Die Verarbeitungsstruktur ist etwas „plastisch“ aber die jeweiligen „Inhalte der Abbildung“ sind, abhängig vom Input und der Verarbeitung extrem flexibel.

    Als Kind gibt es ganz andere Inhalte wie bei Erwachsenen, diese „Inhalte“ vor der Eheschließung unterscheiden sich grundlegend von den „Inhalten“ nach der Scheidung, sie verändern sich nach schwerer Krankheit und knapp vor dem Tod. Das absolut individuelle, letzte im neuronalen System gespeichert Bewusstsein (Struktur samt Abbildung) verlöscht beim Tod.
    Frage: Welches „Bewusstsein“ soll sich lösen und wieder zurückkommen????

    Ich sehe es ganz locker: Eine ganze Menge an Infos bleiben auch nach dem Tod „über“ und sind im Netzwerk der Nachkommen und Mitmenschen „gespeichert“. Bei Genen ist es bewiesen, bei „Memen“ (ähnlich wie „Gedanken“) ist es mehr als naheliegend, und auch Viren, die z.B. ausgerechnet in meinem Körper mutiert sind und weitergegeben wurden bleiben über. Viren sind unausrottbar, obwohl man sie eigentlich ganz gerne los würde.

    Diese Infos bleiben in einer fast endlosen Kette, das man Leben nennt erhalten, es bilden sich neue Variationen … Dass „Theologen“ vor, sagen wir einmal mindestens rund 2000 Jahren (vermutlich noch viel länger), diesen Sachverhalt geahnt haben und Begriffe wie „Geist“ und „Seele“ eingeführt haben, verblüfft mich irgendwie.

    Es bilden sich natürlich auch neue Bewusstseinsstrukturen und auch das übliche „Kopfkino“ (samt Lust und Schmerz) läuft weiter. Oft ist es sogar so, dass man selbst meint, man hätte „einzigartige Gedanken“, bis man darauf kommt, dass noch tausende und oft noch weitaus mehr Menschen mit ähnlichen Gedanken herumlaufen….

    Manche versuchen sogar, sich in das „Kopfkino“ von längst Verstorbenen „einzuklinken“. Was für mich insoferne denkmöglich scheint, weil annähernd gleiche „Informationsmuster“ nicht nur z.B. bei mir, sondern auch in den Hirnen von „Ahnen“ gespeichert waren. Durch irgend einen Auslöser (Trigger) werden sie ins Bewusstsein gerufen, wie z.B. Träume.
    Eigentlich alles ganz natürlich.

  133. @sherfolder

    »Einer veränderten Wahrnehmung liegt immer auch veränderte neuronale Aktivität zugrunde.«

    Eben, deshalb bin ich ja auch der Meinung, dass es keine Qualia-Fehler geben kann, wohl aber Fehler in der Informationsverarbeitung (bzw. bei der Integration der eingehenden Informationen).

  134. @Balanus

    Richtig. Qualia-Fehler kann es nicht geben. Analog zu: Eine Pfeife ist eine Pfeife ist eine Pfeife, könnte man auch sagen: eine subjektive Wahrnehmung ist eine subjektive Wahrnehmung.
    Nur was soll eigentlich dieses ganze Aufhebens um die Qualia, wenn jener Begriff eigentlich für nichts anderes steht, als die ( triviale) Tatsache, dass das subjektive Erleben jedes Menschen, aber auch das jedes anderen Säugetieres immer nur von außen beobachtet und also stets nur indirekt erfasst werden kann?

    Zitat Christian Hoppe: “Die Tatsache psychischer Phänomene und bewussten Erlebens hat wesentlich mit dem Umstand zu tun, dass die erlebende Person im Hinblick auf ihr Erleben mit ihrem Gehirn in gewisser Weise “eins” ist – anders als der Beobachter, der das Gehirn seines Probanden von außen her beobachtet. Da der Beobachter aber selbst erlebensfähig ist, ist er durchaus in der Lage, sich vorzustellen, was der Proband empfindet, wahrnimmt, erlebt, denkt, will usw. Auf dieser Grundlage, die die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Psychologie konstituiert, nähert er sich den psychischen Phänomenen als Beobachter stets “nur” indirekt an, wobei er diese Phänomene von sich selbst kennt und von daher auf das vermutliche Erleben seiner Probanden zurückschließen kann. Dabei ist ihm völlig klar, dass er das subjektive Erleben seines Gegenübers niemals als solches direkt zu fassen kriegt – aber die einfache, um nicht zu sagen triviale Erklärung dafür ist, dass sein eigenes Gehirn eben nicht das Gehirn des Probanden ist.”

    Qualia-Diskussionen sind Diskursanomalien, irrelevante Nebenschauplätze, die in der Regel von Philosophen eröffnet werden, die andere gerne glauben machen, hier ginge es um Bedeutsames.
    Frage: Wenn Qualia noch nicht einmal fehlerhaft sein können, da sie nur der Begriff für einen Ist-Zustand, den subjektiven Ist-Zustand eines Lebewesens sind, weshalb sollten sie deshalb bedeutungsvoll sein? Ist der Begriff “Gelb” für gelbfarbiges irgendwie ‘bedeutsam’?
    Mit den Qualia wird das (angeblich) Geheimnisvolle, das Nichterforschbare bzw. das noch nicht Erforschte aufs Tableau gehoben: Seht her, da ist das Mysterium inmitten all des Wissens. Ähnlich wie bei vielen Religionen funktioniert die Installierung jenes “Qualia-Mysteriums” als eine Form säkularer Demutseinforderung à la dem ‘Ignorabimus’ des Herrn Emil du Bois-Reymond, der vor mehr als hundert Jahren selbstgewiss verkündete, welche Fragen seiner Ansicht nach die Naturwissenschaften niemals zu lösen in der Lage sein würden, “Die sieben Welträtsel” (der gute Mann, wurde inzwischen hinreichend in so ziemlich allen seinen Prophezeiungen widerlegt).

  135. @Balanus
    Zu Qualia-Fehler brauchen wir über Spitzfindigkeiten nicht zu streiten. Auf jeden Fall wird erkennbar, dass Qualia leicht beeinflussbar bzw. manipulierbar ist.

    Wenn z.B. eine Hand als steinern empfunden wird oder man den Eindruck hat, dass eine Gummihand zum eigenen Körper gehört – dann ist dies offensichtlich falsch.

    Es gab Experimente, wo Gesichtsmuskeln mit Botox gelähmt wurden – oder Versuchspersonen nahmen vorher Schmerzmittel ein. Als Reaktion war die Empathiefähigkeit verändert; man konnte Emotionen nicht mehr so gut erkennen bzw. das Mitleid bei beobachteten Schmerzen wurde geringer

  136. Ich war ein paar Tage nicht am Internet und habe mir eben die Kommentare vom vergangenen Sonntag bis heute durchgelesen. Zwei Aussagen sind mir “besonders aufgefallen“. Wozu ich anmerken muss, dass meine Ansichten vom Buddhismus geprägt, also subjektiv-begrenzt, sind. Auch bin ich kein 100%-iger Buddhist. Er erscheint mir aber noch als das “geringste Übel“ unter all diesen Weltanschauungen/-ansagen.

    Christian Hoppe am 14. März – 08:02:

    Für mich ist das ewige Umherschweben einer unverwundbaren unsterblichen Seele, die selbstgenügsam niemanden mehr braucht, NICHT der Erfüllungszustand einer menschlichen Existenz und auch NICHT der Zielzustand des christlichen Glaubens.

    Im Buddhismus gibt es keine (ewig umherschwebende, unverwundbare) unsterbliche (selbstgenügsame) Seele. Vorgeschlagener Erfüllungs-/Zielzustand einer menschlichen Existenz ist die Beendigung des Leidens.

    El Matzo am 14. März – 08:37:

    Auch die “Besiedlung” eines Körpers – wie soll das gehen? Nimmt sich ein entstehendes Gehirn ab Zeitpunkt X seiner Entwicklung den nächstbesten Geist oder nach welcher Systematik geschieht das? Und wer ist dafür verantwortlich?

    Lt. Buddhismus ist das umgekehrt. Ein Geist (i.S.v. Bewusstsein) nimmt sich den nächstbesten, d.h. einen seiner Veranlagung (seinem Zustand) entsprechenden Körper. Die Systematik ist, dass sich Wirkungen über den Tod des Verursachers hinaus erhalten. Verantwortlich dafür ist der Verursacher selber.

  137. @Axel Krüger: Fällt Ihnen nicht auf, dass Ihre zwei Kommentare zu den beiden Zitaten logisch widersprüchlich sind? Entweder es gibt einen Geist / eine Seele / eine Geistseele (die z.B. reinkarnieren kann und sich dabei einen Körper aussucht/baut) – oder nicht. Was denn jetzt?

  138. @ Christian Hoppe

    Meine (nicht deutlich gemachte) Betonung liegt auf unsterblich/ewig. Mit irgendeinem Begriff muss man arbeiten (Geist, Seele sind nicht so gut, eben da damit “transzendentales” assoziiert wird). Bewusstsein trifft es schon besser. Gemeint ist die Wirkung (Energie ist auch nicht schlecht) einer Tat, die sich über den Tod hinaus erhält. Reinkarnieren ist auch nicht so zu verstehen, dass der spezielle Mensch immer wieder wiedergeboren wird. Seine Wirkungen suchen sich eine ihnen adäquate Wirkungs-/Existenzform (Realisierung). Ich habe das jetzt kurz nach dem Lesen Ihres Kommentars schnell (spontan) hingeschrieben .. Bin in zwei Std. wieder da .. 😉 ..

  139. @Axel Krüger: Da bin ich ja mal auf eine ausführlichere Klärung gespannt! Bewusstsein ist definitiv keine Lösung: Das Argument in meinem Blogpost trifft in erster Linie substanzialisierende Vorstellungen vom Bewusstsein. Wenn mein Leiden sich durch Karma erklärt, wäre ich nur dann selbst schuld daran, wenn ich mit der Person identisch wäre, die dieses Karma angehäuft hat. (Das gilt dann auch für Verdienste sowie den Weg aus dem Rad der Wiedergeburt durch viele verschiedene Leben hindurch.) Dass mich die positiven und negativen Folgen der Handlungen früherer Generationen treffen – geschenkt, das ist trivial.

  140. @KRichard

    “@Balanus: Zu Qualia-Fehler brauchen wir über Spitzfindigkeiten nicht zu streiten. Auf jeden Fall wird erkennbar, dass Qualia leicht beeinflussbar bzw. manipulierbar ist.”

    Qualia könnte man tatsächlich als eine Art (philosophische) Spitzfindigkeit bezeichnen, oder – in Analogie zu Nietzsches: ‘Der Glaube hat zwar noch keine wirklichen Berge versetzt, aber er hat Berge dorthin gesetzt, wo keine sind’ –
    als den Versuch von Philosophen werten, “zentrale Probleme des Geistes” dort zu (er)finden, wo es letztlich nur um Triviales geht.
    Sie können aber Balanus nicht für diese Art Spitzfindigkeiten verantwortlich machen, da er sich diese nicht ausgedacht hat.

    Sie verwenden den Begriff der Qualia synonym mit dem allgemeinen Begriff der Wahrnehmung. Sie weisen auf Wahrnehmungsstörungen hin und die Auswirkungen, die jene auf das Individuum haben können.
    Das ist aber nicht das eigentliche Thema, um das es bei den Qualia geht.

    Was ist Qualia, Zitat Wikipedia: “Unter „Qualia“ wird der subjektive Erlebnisgehalt mentaler Zustände verstanden. Doch gerade ein solches subjektives Element scheint sich jeder intersubjektiven Begriffsbestimmung zu widersetzen.”

    “scheint sich jeder intersubjektiven Begriffsstimmung zu widersetzen”

    das ist es, worauf die Philosophen endlos herumreiten: Die nicht zu 100 Prozent erfassbare Wahrnehmung des Einzelnen, das ist der Nasenring, an dem sie die Öffentlichkeit im Allgemeinen und die Neurowissenschaftler im Besonderen durch die von ihnen mit dem Begriff Qualia eröffneten Diskursschauplätze zu ziehen versuchen.

    Was Sie, ich, jeder einzelne Mensch wahrnimmt und fühlt, lässt sich von anderen nur von außen beobachten und nur in Annäherung nachvollziehen. Eine vollständige Erfassung der Qualia eines anderen kann niemals erreicht werden, dazu müsste man der andere sein. So weit, so simpel.
    Die Figur des Philosophischen Zombies, die in der Qualia-Debatte auftaucht, wurde zu nichts anderem ins Leben gerufen, um dem Qualia-‘Problem’ zur Anerkennung als dem “zentralen Problem des Geistes” zu verhelfen.
    Als besäße die Menschheit kein Wissen über die Evolution. Als seien wir alle empathieunfähige Aliens.
    Da ihr Nervensystem strukturell gleich ist kann eine Katze eine andere Katze in ihrem Verhalten besser verstehen als Menschen das können, aber eine Katze kann auch Menschen verstehen und umgekehrt.
    Empathisches Verhalten kommt nicht nur innerhalb derselben Spezies, sondern auch artübergreifend vor.
    Säugetiere haben sich aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt, sie teilen eine gemeinsame Entwicklungshistorie, die sich nicht nur in einem ähnlichen Organsystems, sondern auch in einem ähnlich aufgebauten Nervensystem und somit auch in ähnlichem Verhalten und ähnlichen Gefühlen widerspiegelt.
    Die Philosophen scheinen das vergessen zu haben, bzw. vergessen zu wollen.

  141. @ A.Krüger

    Zitat: „Für mich ist das ewige Umherschweben einer unverwundbaren unsterblichen Seele, die selbstgenügsam niemanden mehr braucht, NICHT der Erfüllungszustand einer menschlichen Existenz und auch NICHT der Zielzustand des christlichen Glaubens.“

    „Umherschweben“ allein, ist offensichtlich kein Selbstzweck.

    Es verhält sich durchaus etwas „lustiger“, was ich folgend begründen möchte.

    Für mich steht fest, „Seele“ hat Informationscharakter, möchte mich aber über die genaue Definition mit niemandem streiten.

    Wie wir spätestens seit Watson/Crick alle wissen, hat die besondere „Erbinforation“ auf der DNA besondere Bedeutung für die Existenz von Leben.

    Nur so nebenbei:
    Ähnlich verhält es sich mit der „memetischen“ Information, also ungefähr so etwas wie Gedanken. Die werden tatsächlich z.B. über die Sprache von Mensch zu Mensch übertragen.
    Die informelle Wissensstruktur wird sozusagen “kopierend ausgespeichert“ und im Empfänger werden die Wissen abbildenden Strukturen erweitert, praktisch gespeichert, so dass nunmehr beide „das Wissen“ intus haben.
    Die Übertragung der Information erfolgt sequentiell, die Speicherung in baumartigen Strukturen.

    Von ganz besondere Bedeutung ist aber die Erbinformation, die es nicht nur zweifellos, sondern wissenschaftlich bestens begründet, auch gibt. Es gibt damit aber auch zweifellos den Informationstransfer der genetischen Information.

    Dies ist keinesfalls nur ein selbstgenügsames „Umherschweben einer unverwundbaren unsterblichen Seele“.
    Ich gehe vielmehr davon aus, dass Tier und Mensch gute Gründe haben diese “Prodzeduren“ des „genetischen Informationstransfers“ aus generativen Gründen, sehr gewissenhaft und mit großem Eifer zu vollziehen. Ich würde auch andeuten, dass dies mit der „Qualia“ zu tun hat.

    Wie gesagt, die Sache mit der Seele und allenfalls sogar deren „Wanderung“, kann von Elektronikern/Informatikern, denen „Information“ fast schon „heilig“ ist, sehr gut nachvollzogen und als „erfüllend“ gesehen werden.
    Die Zielfunktion ist eben, dass die Welt mit Lebewesen ordentlich „aufgefüllt“ ist.

  142. @sherfolder
    Das reclam-Buch von Thomas Nagel ´What is it like to be a bat? Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?´ gibt es für 5 Euro im Buchhandel.
    Vereinfacht gesagt geht es dabei darum – dass wir nie verstehen können, was/wie ein anderes Lebewesen empfindet. Die Erlebniswelt anderer Lebewesen ist uns nicht zugänglich.

  143. @KRichard
    “Eine Fragestellung hier beim Thema ´Qualia´ ist: sind wir unser Gehirn?
    Diese Frage kann man verneinen – denn wir sind nicht unser Gehirn: sondern eine empfundene Qualia oder Ich-Identität entsteht erst dann, wenn wir uns bewusst erinnern. Daher müßte man sagen – Ich bin das, was ich erinnere!”

    Das wäre quasi ein retrospektives Modell. Erst die Erinnerung konstituiert das Ich. Erscheint mir paradox. Erinnerung spielt eine wichtige Rolle für das Ich, insbesondere für das komplexe Ich, aber ich denke nicht das es sich ausschließlich auf diesen Mechanismus stützt.

    Wir sind meiner Logik nach nichts Statisches oder Materielles. Die Neuronen im Gehirn, die Verschaltungen, das Gehirn, das ist und kann (noch) kein Bewusstsein und kein Ich sein. Es ist möglich, das wäre quasi die derzeitig angenommene Theorie in meiner Interpretation, dass sich Bewusstsein aus der Summe aller bzw. auch nur einiger Vorgänge im Gehirn dynamisch (!) ergibt. Dann wäre das Gehirn zwar gewissermaßen der Erzeuger von Bewusstsein, aber es ist trotzdem nicht der Urheber oder Besitzer. Bewusstsein entspricht einfach genau dieser Dynamik. Dynamik wiederum ist immateriell – eine Energieform. Energie hat immer einen Erzeuger – aber nie einen Besitzer. Sie ist für sich eigenständig. Damit ist auch das Bewusstsein eigenständig. Die Frage ist dann nur: Wie eigenständig?

    Ich möchte auch noch zwischen Ich und dem Jetzt-Bewusstsein unterscheiden. Ich glaube, dass der Gegenwartsmoment, dieses “Es ist gerade” Bewusstsein, wie der Bug eines Schiffes an der Spitze eines Wesens sozusagen durch die Zeit schneidet – und zwar auf eine ziemlich universelle Weise. Dieses “Es ist gerade” Bewusstsein wird sich denke ich auch in vielem anderen Lebendigem wiederfinden – also auch durch jedes tierische Gehirn “erzeugt”, welches über genug Verschaltungen für wenigstens diese grundlegende Dynamik verfügt – also bei allem was wenigstens diesen Bug hat.

    Danach differenziert es sich. Um wieder in die Metapher einzusteigen: Jedes Schiff besitzt einen Bug, das ist quasi Grundvoraussetzung, also selbst die kleinen Schiffe, aber die Kapazität und viele andere Attribute hängen stark vom Schiffstyp ab. Unser Gehirn ist sehr hoch entwickelt. Viele Verschaltungen. Die Dynamik, die sich daraus ergibt, immens. Entsprechend typisiert sich daraus das resultierende Gesamt-Schiff; in unserem Fall zum Spitzenmodell (nach den Vergleichsmöglichkeiten). Damit aus dem “Es ist” ein “Ich bin” wird braucht es das ganze Schiff, nicht mehr nur den Bug.

    Wir, das Ich-Bewusstsein, sind also quasi die x-te Potenz dieser grundlegenden Dynamik, ab der das Es-Bewusstsein einsetzt.

    “Und zum Erinnern wiederum, muss man die Realität zur Kenntnis nehmen. Es gibt unzählige Experimente, die zeigen, dass unsere Erinnerungen extrem fehlerhaft sind! Diese Fehlerquote gilt besonders für NTEs/OBEs – denn diese Phänomene waren in den letzten Jahrzehnten besonders ein Thema für Esoteriker; die nicht gerade für kritischen Verstand bekannt sind.”

    Eben darum halte ich dieses Experiment, das sich auf die Auslage und ggf. spätere Wiedergabe eines Zufallssymbols beschränkt für die objektivste Herangehensweise, um einen Nachweis zu führen. Es kommt dann auf nichts sonst an, als korrekt das zu benennen, was für den Probanden unsichtbar ein- bzw. angebracht wurde. Wenn die Erinnerung verfälscht wird, verfälscht sich auch das Ergebnis und die Wiedergabe stimmt nicht mehr mit der Vorgabe überein. Ganz einfach.

    “Als Buchtipp empfehle ich Ihnen die Lektüre ´Julia Shaw: Das trügerische Gedächtnis, ISBN: 978-3-446-44877-3´. Darin wird u.a. ein Experiment beschrieben, wo sie Versuchspersonen in nur drei kurzen Gesprächen dazu brachte, sich an eine erfundene Straftat so gut zu erinnern – dass sie spezielle Details dieses Ereignisse und sogar ihre Empfindungen (Qualia) dabei benennen konnten. (Diese Gespräche wurden per Video dokumentiert, um zu belegen, dass diese Straftaten nicht von der Psychologin suggeriert, sondern von der Versuchsperson selbst ´erinnert´ wurden.)”

    Vielen Dank für die Empfehlung. Das hört sich auch sehr spannend an.

  144. Christian Hoppe 16. März 2018 – 12:44:

    .. ja mal auf eine ausführlichere Klärung gespannt!

    Bitte gehen Sie nicht so selbstverständlich davon aus, dass ich Ihnen jetzt hier eine “ausführliche Erklärung“ gebe. Das mit dem Karma/Buddhismus ist nämlich nicht so “geschenkt trivial“ (alltäglich, leicht zugänglich) wie Sie vermeinen. Sondern (“leider“) recht kompliziert. Und: Wenn mir etwas Ihrer Ansicht nach “nicht auffällt“ (Sie heute 11:04) – was durchaus möglich ist – heißt das ja nicht zwangsläufig (od. logischerweise), dass es Ihnen richtig “aufgefallen“ ist.

    Nein – die Schuld (od. der Verdienst) kann Sie treffen, auch wenn Sie nicht der Verursacher sind. Es trifft Sie aber, weil sie etwas verursacht haben das der Wirkung entspricht. Hintergedanke hierbei ist, dass man sich bewusster wird was für Folgen die eigenen Handlungen haben. Bzw. dass die Folgen meiner Handlungen auch Andere treffen können (und eben umgekehrt). Oder, etwas anders formuliert: Was Du nicht willst, dass es Dir zustoßen möge/soll, das füg auch keinem Anderem zu. Kritisieren kann man das als Angst erzeugen.

    Zusatzbemerkung: Mir ist es egal aus welchem Grund (Atheist, Schöpfergottgläubiger, Agnostiker, Buddhist, Materialist, Logiker, Empirist etc.) jemand anständig ist (bzw. sich bemüht ein anständiger Mensch zu sein/werden). Hauptsache er tut es. Dass darüber was anständig (richtig, angebracht, wahr usw.) ist unterschiedliche Ansichten bestehen, ist eben (“nicht unverständlicherweise“) so …

  145. @El Matzo:

    Die Neuronen im Gehirn, die Verschaltungen, das Gehirn, das ist und kann (noch) kein Bewusstsein und kein Ich sein.

    Warum kann es das nicht? Ohne Begründung ist das zu wenig.
    Nach der Logik wäre Hardwareprogrammierung (allein mittels Hardwarekomponenten, ohne jegliche Software) nicht möglich. Aber sie ist es. Klar mit Software ist es simpler aber das ändert die Tatsache nicht.

    “Dynamik wiederum ist immateriell – eine Energieform.”
    Auch das bedarf einer Begründung. Warum sollte Dynamik eine Energieform sein?

    “Energie hat immer einen Erzeuger – aber nie einen Besitzer. ”
    Da nach Einstein auch Materie eine Energieform ist, bin ich aktuell der Besitzer von ziemlich viel Energie.

  146. @tobmat
    “Warum kann es das nicht? Ohne Begründung ist das zu wenig.”

    Weil wir beobachten können, dass wir uns nur durch die Dynamik in dieser Struktur, der “Kommunikation” der Gehirnzellen, bewusst sein können. Fehlt diese Dynamik, dann sind wir nicht. Wir müssen also in der Dynamik sein und diese ist nicht statisch, da “immer in Bewegung” und auch nicht materiell – es wird der Struktur dabei ja nichts materielles mehr hinzu gefügt.

    “Nach der Logik wäre Hardwareprogrammierung (allein mittels Hardwarekomponenten, ohne jegliche Software) nicht möglich. Aber sie ist es. Klar mit Software ist es simpler aber das ändert die Tatsache nicht.”

    Es ist nicht möglich ohne irgendeine Form von Dynamik, sprich Energie. Auch die Hardwareprogrammierung nicht. Dynamik ist die Grundvoraussetzung für jeden veränderlichen Prozess in unserem Universum – das Maß der Dynamik spielt aber wahrscheinlich eine große Rolle, ob diese Prozesse sich selbst im Spiegel betrachten und darüber lachen können oder eben nicht.

    “Auch das bedarf einer Begründung. Warum sollte Dynamik eine Energieform sein?”

    Wenn etwas keine Materie ist, dann ist es nun einmal Energie. Das hat man so festgelegt. Wobei ich absolut nicht ausschließen kann noch will, dass es da keine Zwischenformen oder sogar eine gänzlich unbekannte Form geben mag, die weder mit dem einem, noch dem anderen etwas zu tun hat.

    “Da nach Einstein auch Materie eine Energieform ist, bin ich aktuell der Besitzer von ziemlich viel Energie.”

    Materie kann in Energie umgewandelt werden, das ist richtig. Aber nur in gebundener Form kann Energie als Materie – und das ist eben wohl der Grund, warum es Materie überhaupt gibt – stabile statische Strukturen bilden. Also das was wir dann anfassen können.

  147. @KRichard

    Auf Herrn Nagel und seine lächerliche Fledermaus-Metapher müssen Sie mich nicht aufmerksam machen, die sind mir zu Genüge bekannt.

    “Vereinfacht gesagt geht es dabei darum – dass wir nie verstehen können, was/wie ein anderes Lebewesen empfindet. Die Erlebniswelt anderer Lebewesen ist uns nicht zugänglich.”

    Genau das hatte ich als Kernaussage der Qualiadebatte ja in meinem Post beschrieben, aber offensichtlich war Ihnen dieser zu lang, sonst hätten Sie ja nicht noch mal das Gleiche hingeschrieben.

    Ja, ja: Wir werden nie wissen, wie es ist, unsere Mutter, unser Vater, unser Freund, unsere Freundin, unsere Ehefrau, unser Ehemann, unser Kind, unser Nachbar, unser Hund, unsere Katze, ein Hausschwein oder ein Schimpanse zu sein.

    ‘Werden wir nicht wissen’: Wir sind ja auch alle Aliens, die von verschiedenen Sternensystemen auf der Erde gelandet sind, um sich hier erstmals einander in die Augen zu schauen.
    Empathie kennen wir nicht, wir sind uns alle fremd und wir werden nie, nie, nie wissen, wie es ist …. zu sein.
    Qualia – das neue Ignorabimus, wir Ihr Post aufs Schönste beweist … .

  148. @ El Matzo
    “Wenn etwas keine Materie ist, dann ist es nun einmal Energie. Das hat man so festgelegt. ”

    Das ist Unsinn.
    Materie ist (immer) Energie und Energie ist (immer) Materie, Energie kann nicht materielos sein.
    Wenn “etwas” also keine Materie ist, dann kommt dieses “etwas” auch nicht als Energie vor, sondern ist schlicht nicht existent.

  149. @sherfolder
    “Materie ist (immer) Energie und Energie ist (immer) Materie”

    Es kommt auf den angenommenen Zustand an. Materie ist äquivalent zu Energie, aber sie ist – für uns (!) – nicht beides gleichzeitig. Wir haben “Materie” und “Energie” als Begriffe eben festgelegt, um diese Zustände (leichter) zu unterscheiden.

    “Energie kann nicht materielos sein.”

    Nach der Physik schon: Materie ist nur, was Masse besitzt. Das Photon ist zum Beispiel immateriell, also Energie und keine Materie.

  150. @ sherfolder
    Zitat: “Wenn “etwas” also keine Materie ist, dann kommt dieses “etwas” auch nicht als Energie vor, sondern ist schlicht nicht existent.”

    So kann man es auch nicht generell sagen. “Etwas” kann (im Sinne der Informatik) ein “Prozess” oder “Information” und natürlich ein “Prozessor” (Hardware) sein.

    Zwischen diesen 3 “Komponenten” (???des “Seins” ???) können Beziehungen und Wechselwirkungen bestehen. Diese sind das Fachgebiet der Elektronik/Informatik.

    Dafür kann Energie gebraucht werden. Es besteht aber kein direkter Zusammenhang mit Energie. Sie könnten anschaulich Buchstaben (Information) mit dem Meisel und viel Energieaufwand in den Fels hauen (Prozess), oder mit einem Bleistift auf ein Blatt Papier schreiben.
    Die Informationsverarbeitung im neuronalen System erfolgt hauptsächlich elektrisch und kann deswegen mit den Mitteln der Elektronik/Informatik beschrieben werden.

    Dies habe ich in ein einigen Beiträgen hier versucht zu erläutern.

    Qualia benötigt offenbar zusätzlich chemische Prozesse. Auf Details wie “Datensammler” (AKKU), auf denen so etwas wie “Bewusstsein” im mathematischen Sinne “abgebildet” werden könnte, bin ich auch eingegangen.

    Ich würde auch gerne kontroverse Ansichten zur Kenntnis nehmen.

  151. @KRichard

    »Auf jeden Fall wird erkennbar, dass Qualia leicht beeinflussbar bzw. manipulierbar ist.«

    Eben nicht. Sonst stellten sie ja kein unüberwindliches Problem dar. Problem insofern, als wir nicht wissen, wie sie “erzeugt” werden. Wenn wir hier über Qualia reden, dann sollten schon alle das Gleiche damit meinen, sonst wird’s unlustig. Christian Hoppe hat eingangs vorgegeben, was ‚Qualia‘ hier (und auch anderswo) bedeutet.

  152. @sherfolder

    »Analog zu: Eine Pfeife ist eine Pfeife ist eine Pfeife, könnte man auch sagen: eine subjektive Wahrnehmung ist eine subjektive Wahrnehmung.«

    Dass es sich bei „Qualia“ um ein subjektives Erleben handelt, welches intersubjektiv nicht beobachtet werden kann, ist in meinen Augen nicht das Besondere. Hier zeigt sich nur (trivialerweise) eine Grenze der empirischen Forschung.

    Keineswegs trivial hingegen ist, wie die diversen Neuronenverbände es schaffen, ganz unterschiedliche Empfindungsqualitäten hervorzurufen, obwohl strukturell und funktionell keine wesentlichen Unterschiede zwischen ihnen bestehen: Ein Aktionspotential ist ein Aktionspotential ist ein Aktionspotential.

    Das eigentliche Qualia-Problem besteht (nach meinem Verständnis) also nicht darin, dass man immer nur seine eigenen Qualia erleben kann und niemals die der anderen, sondern vor allem darin, dass ein rein materielles System bei entsprechender Organisationshöhe zu solchen subjektiven Empfindungen überhaupt fähig ist.

  153. @Balanus
    Zitat: „Keineswegs trivial hingegen ist, wie die diversen Neuronenverbände es schaffen, ganz unterschiedliche Empfindungsqualitäten hervorzurufen, obwohl strukturell und funktionell keine wesentlichen Unterschiede zwischen ihnen bestehen“

    Es kommt nicht nur auf die (örtliche) Struktur und die chemischen Funktionen an, sondern z.B. auch auf die zeitliche Struktur und die Kombination der auftretenden Signale an den maßgeblichen Strukturen an. Derartiges irgendwann ausreichend genau zu messen wäre zumindest denkmöglich.
    Man könnte dann sogar ermitteln ob eine Schmerzempfindung objektiv vorhanden ist oder ein Patient lügt.

    Zitat: „Das eigentliche Qualia-Problem besteht (nach meinem Verständnis) also nicht darin, dass man immer nur seine eigenen Qualia erleben kann und niemals die der anderen, sondern vor allem darin, dass ein rein materielles System bei entsprechender Organisationshöhe zu solchen subjektiven Empfindungen überhaupt fähig ist.“

    Ich meine man könnte eines Tages durchaus genau wissen und verstehen welche Umstände zur Entstehung einer bestimmten Qualia bei welchen Voraussetzungen beitragen.
    Man könnte demnach die Qualia einer anderen Person mehr oder weniger genau „messen“, man könnte fast alle Umstände ermitteln die für das Auftreten einer bestimmten Qualia in einem bestimmten Körper notwendig sind.

    Aber man kann nicht verstehen warum es zu den Qualiaeffekten kommt. Wie man sich auch nicht vorstellen kann warum es z.B. zur Schwerkraft zum Erdmittelpunkt kommt.

  154. @ El Matzo

    “Materie ist nur, was Masse besitzt. Das Photon ist zum Beispiel immateriell, also Energie und keine Materie.”

    Die Ruhemasse des Photons ist Null, seine relativistische Masse/dynamische Masse aber berechenbar.

    Btw zu:” Jedes Schiff besitzt einen Bug, das ist quasi Grundvoraussetzung, ( …) also selbst die kleinen Schiffe.”
    In Vietnam gibt es Fischerboote, sogenannte “Thung Chai”, die komplett rund sind und daher keinen Bug besitzen.
    Man sollte immer mit der Möglichkeit eines schwarzen Schwans rechnen … .

  155. @ Balanus
    “Das eigentliche Qualia-Problem besteht (nach meinem Verständnis) also nicht darin, dass man immer nur seine eigenen Qualia erleben kann und niemals die der anderen, sondern vor allem darin, dass ein rein materielles System bei entsprechender Organisationshöhe zu solchen subjektiven Empfindungen überhaupt fähig ist.”

    Ja; wie genau diese subjektiven Empfindungen entstehen, weiß man (noch) nicht, deshalb könnte man zur Zeit auch keine AI modellieren, die über dasselbe Bewusstsein oder zumindest über ähnliche Bewusstseinsqualitäten wie das von Menschen oder das von anderen Säugetieren verfügt.
    Andererseits: Dass Bewusstsein, subjektives Erleben, einzig und allein durch neuronale Aktivität hervorgerufen wird, darüber dürften bei Non-Dualisten keinerlei Zweifel mehr bestehen.
    Die Frage ist: Ist es wirklich wichtig, dass man alles, einfach alles bis ins letzte Detail aufklären kann? Worauf kommt es denn an? Popper sagte: Alles Leben ist Problemlösen. Richtig. Und es gibt meines Erachtens Wichtigeres, als die exakte wissenschaftliche Aufschlüsselung und Nachverfolgung des Entstehens subjektiver Empfindungsqualitäten, wenn wir doch schon wissen, dass alle Basis für Bewusstseinsvorgänge nur innerhalb der Neuronentätigkeit (inklusive der zugehörigen physiologischen und genetischen Voraussetzungen) zu finden ist.
    Wenn wir Entscheidungen treffen, Handlungen vollziehen, uns zu Menschen oder Dingen so oder so verhalten, usw., dann sind die Prozesse, die all das möglich gemacht und in der Regel sinnvoll in die Wege geleitet haben, für uns überhaupt nicht einsehbar oder nachvollziehbar. Wir sind uns selbst eine Black Box.
    Deep Learning machines haben gezeigt, dass sie Aufgaben lösen konnten, ohne dass die Entwickler der AI in der Lage gewesen wären, nachzuvollziehen, auf welchem Wege diese Lösungen von der AI gefunden wurden.
    Die Botschaft lautet also: Wir müssen nicht alle zugrunde liegenden, mitbeteiligten Variablen kennen, wenn wir nur in der Lage sind, Lösungen, und seien sie zum Teil auch unverstanden, zu generieren, durch spezielle Data-Mining Verfahren zB, wie die Clusteranalyse und das bei ganz spezifischen Problemen fehlerhafter Neuronentätigkeit: Schwere Depressionen, Schizophrenie, Autismus, Epilepsie, Parkinson, Drogenabhängigkeit usw.

    Sie haben sicher schon mal von den Operationen am offenen Gehirn gehört, bei denen der Chirurg durch Reizung spezifischer Areale ganz verschiedene Empfindungen bei den Patienten auslösen konnte, zB. Heiterkeit. Die Patienten mussten lachen und erklärten im Anschluss, der Chirurg sehe irgendwie lustig aus; dabei hatte dieser nur ihre Neuronen gereizt, und die Patienten sich eine Erklärung ausgedacht, mit der ihre Empfindung eine rationale, narrative Verankerung fand.
    Durch welche neuronalen oder anderen biochemischen Prozesse nun innerhalb eines rein materiellen Systems jene subjektive Heiterkeitsempfindung entsteht, ist bisher eine ungeklärte, aber keine dringliche Frage. Da gibt es wichtigere Probleme, als die Qualia, die der Lösung harren.

  156. @sherfolder
    “Ja; wie genau diese subjektiven Empfindungen entstehen, weiß man (noch) nicht, deshalb könnte man zur Zeit auch keine AI modellieren, die über dasselbe Bewusstsein oder zumindest über ähnliche Bewusstseinsqualitäten wie das von Menschen oder das von anderen Säugetieren verfügt.”

    Nicht allein das Entstehen ist größtenteils unklar – das Bestehen ist das eigentlich noch größere Mysterium. Aus was besteht Angst? Aus was besteht Liebe? Wir können ja beobachten und messen, wie sich Angst und Liebe körperlich manifestieren (materialisieren). Es werden diese und jene Hormone ausgeschüttet. Im Gehirn werden diese und jene Areale aktiv. Und dann sagen wir eben: Angst ist die Kombination aus dem und dem Vorgang. Liebe aus diesem und jenen. Dabei beschreiben wir aber nur den Entstehungs- bzw. Begleitprozess – und erklären kein bisschen damit, aus was Angst oder Liebe nun besteht. Was ein Gefühl eigentlich ist. Wir erklären damit allenfalls wie es ist.

    Da gibt es diese Szene in A.I. wo der Professor den Roboter auffordert: “Tell me. What is love?” und der Roboter antwortet: “Love is first widening my eyes a little bit and quickening my breathing a little and warming my skin and touching my …” An der Stelle wird der Roboter abrupt unterbrochen. Er könnte wohl noch stundenlang fortfahren. Ziemlich dumm dieser Roboter, oder? Nur: Nichts anderes machen wir auch, wenn wir Hormone und Gehirnaktivitäten anführen.

    “Andererseits: Dass Bewusstsein, subjektives Erleben, einzig und allein durch neuronale Aktivität hervorgerufen wird, darüber dürften bei Non-Dualisten keinerlei Zweifel mehr bestehen.”

    Die Beobachtung bzw. Beschreibung einer Entstehung ist noch keine Erklärung. Das wäre als würde man sagen: Da keinerlei Zweifel mehr daran besteht, dass Töne elektromagnetische Wellen sind und diese sich mit 343 m/s ausbreiten, ist damit auch Musik erklärt. Sicher, man kann sich mit dieser Erklärung abfinden, sie stimmt ja auch – aber verstanden hat man Musik damit nicht.

  157. Korrektur: Natürlich sind Töne Schallwellen, wenn sie sich mit 343 m/s ausbreiten und keine Elektromagentischen. Mea culpa – der Kaffee war wohl zu gering dosiert.

  158. @sherfolder

    »Und es gibt meines Erachtens Wichtigeres, als die exakte wissenschaftliche Aufschlüsselung und Nachverfolgung des Entstehens subjektiver Empfindungsqualitäten, wenn wir doch schon wissen, dass alle Basis für Bewusstseinsvorgänge nur innerhalb der Neuronentätigkeit (inklusive der zugehörigen physiologischen und genetischen Voraussetzungen) zu finden ist.«

    Das klingt mir zu sehr nach einer Begrenzung der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung. Die Grenze, wo das objektiv Messbare übergeht ins subjektiv Empfundene, können wir wohl ohnehin nicht überwinden. Aber alles, was bis an diese Grenze führt, kann und sollte (auch weiterhin) Gegenstand neurobiologischer Forschungsanstrengungen sein.

    Und natürlich wäre es spannend zu erfahren, was genau im visuellen Cortex anders abläuft als im auditiven, damit am Ende im Cartesischen Theater das eine Nervengewebe das Licht und das andere den Ton bereitstellen kann.

  159. @ sherfolder

    Zitat: “Da gibt es wichtigere Probleme, als die Qualia, die der Lösung harren.”

    Ich fürchte, werter” sherfolder” Versicherungen die viele Millionen Euro an “Simulanten” auszahlen müssen, die Schmerzen vorgeben um Gelder von der Versicherung und der Allgemeinheit zu kassieren werden das nicht so sehen.
    Die sind auch aus Gründen der Gerechtigkeit daran interessiert, die Beeinträchtigung ihre Klienten möglichst genau bewerten zu können.

    Ich habe zwar auch eine eher kritische Einstellung zur Philosophie, finde aber dass irgend jemand für philosophische Themen wie z.B. auch Begriffe, deren Bedeutung und Einbindung in ein grundlegendes geistiges Konzept, ich würde sagen fast schon “verantwortlich” sein muss.

    Vor vielen Jahren hat eine Softwarefirma eigens studierte Philosophen eingestellt um das Begriffschaos in der Firma zu mildern. Viele Programmierer “erfanden” oft sehr schnell (mussten sie auch) neue “Bezeichner” die in Programmen wichtig sind, allerdings führte dies fast schon zu einer “babylonischen Sprachverwirrung”.

  160. @El Matzo
    Bitte haben Sie Verständnis wenn ich mich nicht weiter an der Diskussion beteilige.
    Es macht keinen Sinn über ´Qualia´ zu diskutieren, die zweifellos auf Grundlage von Gehirnaktivität entsteht, wenn man die Arbeitsweise des Gehirns grundsätzlich ignoriert.

  161. Die Sprache führt in der Tat zu vielen Missverständnissen und Missdeutungen. Aus der Existenz eines Begriffes darf man nicht die Existenz des bezeichneten Dinges ableiten. Dieses Problem wurde schon in der Scholastik behandelt und ist bekannt als Universalienstreit, der bis heute anhält.

    Wir Menschen bündeln, d.h. wir aggregieren, Einzelteile, die sich koordiniert verhalten, zu Gesamtheiten, z.B. zu einem Tier, einer Maschine, oder dem Menschen selber. Dabei sind die beobachtbaren Einzelteile selber wieder Gesamtheiten, denn unsere Wahrnehmung hat untere Grenzen der Auflösung. Die Moleküle und Atome, aus denen die Welt zusammengesetzt ist, können wir nicht wahrnehmen. Dabei vergessen wir gerne, dass die Welt eben aus Atomen (und ihren Elementarteilchen) zusammengesetzt ist.

    Je komplexer ein Gegenstand, ein Lebewesen oder ein System ist, desto variabler oder individueller ist seine Zusammensetzung. Komplexe Dinge haben eine Lebenszeit und eine Geschichte, sie entstehen und vergehen. Dinge einer Art sind daher nie völlig identisch. Davon abstrahieren wir, wenn wir ähnliche Dinge zu einer Art (Universalie) zusammenfassen. Nicht die Art hat eine reale Existenz, sondern die Individuen dieser Art.

  162. Wie sollte denn nicht-materieller Geist materielle Hirnvorgäne beeinflussen können und umgekehrt?
    Es schien auch unmöglich so etwas wie „geistige Prozesse“ vom Menschen z.B. an Maschinen auszulagern.

    Auch diese Fragen berühren dass Qualiaproblem.

    Diese „Unmöglichkeit“ scheint, besser schien, für viele Menschen, nicht nur Philosophen, die Frage aller Fragen.

    Als Elektroniker würde ich antworten, mittels „Prozessen“ kann Information „Prozessoren“, also „richtige Materie“ (nicht was Materialisten alles als Materie definiert haben) beeinflussen.
    Prozesse sind nicht Materie, auch wenn sie Materie „benötigen“. Information „benötigt“ Prozesse um auf Materie einzuwirken.

    Den ersten „Prozess“ den ich als Kind (etwas schmerzhaft weil ich einen elektrischen Schlag abbekam) wahrgenommen habe war, dass eine Nachttischlampe leuchtete als ich zwei Drahtenden kurz verbunden habe.
    Ein (zunächst rätselhafter) “Schaltprozess“ reicht, und der geistige Wunsch nach „Erleuchtung“ wird Realität.
    Dann wurde auch noch der Wechselstrom erforscht und das Phänomen „Induktion“ entdeckt und sozusagen als Höhepunkt Telefon/Radio/Fernsehen/Computer.

    Dies konnten ehemals viele philosophisch gebildete Menschen und Schriftsteller nicht nachvollziehen, sie hielten es für Unfug und waren stolz darauf ihr ganzes Leben nichts von Elektrotechnik verstanden zu haben.

  163. @KRichard
    Die liebe Zweifellosigkeit. Ein Segen. Aber natürlich habe ich Verständnis.

  164. AR,
    “Aus der Existenz eines Begriffes darf man nicht die Existenz des bezeichneten Dinges ableiten. Dieses Problem wurde schon in der Scholastik behandelt und ist bekannt als Universalienstreit, der bis heute anhält. ”

    In den Naturwissenschaften sind solche Begriffe “Abeitsbegriffe” die helfen die Zusammenhänge zu klären.
    In den Geisteswissenschaften suchen diese Begriffe eine “Mehrheit” , gemeint ist allgemeine Anerkennung.
    Der Begriff der Gleichberechtigung ist so ein Beispiel, und er hat sich segensreich ausgewirkt. Der Begriff hat die Lebensumstände gestaltet, das ist es doch was unsere Sprache samt Gedanken so wichtig macht.
    Ob Begriffe wie Freiheit, Brüderlichkeit, die Zeiten überdauern werden, weiß ich nicht.
    Im Augenblick steht ja der Gottesbegriff auf dem Prüfstand und er hat auch etwas mit Qualia gemein, jeder Mensch “empfindet” Gott anders.

  165. @Elektroniker
    “Ich fürchte, Versicherungen die viele Millionen Euro an “Simulanten” auszahlen müssen, die Schmerzen vorgeben um Gelder von der Versicherung und der Allgemeinheit zu kassieren werden das nicht so sehen.
    Die sind auch aus Gründen der Gerechtigkeit daran interessiert, die Beeinträchtigung ihre Klienten möglichst genau bewerten zu können.”

    Das Problem, das hier im Thread in mehreren Beiträgen wiederholt auftaucht, ist, dass unter Qualia alles mögliche aus dem Themenfeld Wahrnehmung und Wahrnehmungsstörungen abgehandelt wird; die Qualiadiskussion selbst dreht sich aber ganz explizit um eine von Philosophen aufgeworfene Fragestellung, (Thomas Nagel: Wie ist es, eine Fledermaus zu sein, Nagel und andere Philosophen halten diese Frage für prinzipiell unbeantwortbar (explanatory gap).
    (Zitat Ch. Hoppe: “Empfindungsqualitäten des subjektiven Erlebens (die sogenannten Qualia) werden als Einwand gegen eine vollständige Naturalisierung psychischer Phänomene angeführt.).

    Die Frage, die Sie hier aufwerfen, hat mit der philosophischen Qualiadebatte nichts oder nur ganz am Rande etwas zu tun, und lässt sich durch neurowissenschaftliche Methodik und Forschung beantworten, (nicht aber durch philosophische Überlegungen aus dem Elfenbeinturm).

    Wenn Sie also auf das Interesse von Versicherungen hinweisen, zB Simulanten herausfiltern zu können, um unberechtigte Zahlungsforderungen abzuwenden, dann benötigen Sie keine auf Qualia ausgerichtete methodische Fragestellungen, durch die Dritte in die Lage versetzt würden, genau das zu empfinden, was der Proband angibt/vorgibt zu empfinden, also dessen Qualia subjektiv nachzuerleben.
    Über fMRT Bildgebungsverfahren können Sie schon heute Voraussagen darüber machen, für welche Rechenaufgabe (Minus oder Plus) sich ein Proband in der nächsten Sekunde entscheiden wird.
    Durch die Verbesserung von AI wird mind reading in der Zukunft immer wahrscheinlicher:

    Japanische Forscher entwickelten eine AI, die fähig ist, Gehirnwellen einer Person auszulesen und die Bilder, die diese sahen, oder an die sie sich nur erinnerten, zu rekonstruieren.
    Über einen Zeitraum von 10 Wochen zeigten sie Probanden Bilder und zeichneten ihre Gehirnwellen auf. Manchmal wurden die Gehirne der Probanden in Echtzeit beobachtet, während sie sich die Bilder ansahen, manchmal wurden sie aufgefordert, sich an die Bilder “zu erinnern”. Die Forscher nutzten die Gehirnscans, um die AI zu trainieren, die Daten zu entschlüsseln und zu visualisieren, worüber die Person nachdachte.

    Deep image reconstruction from human brain activity:

    https://www.youtube.com/watch?v=jsp1KaM-avU

    Irgendwann wird AI auch in der Lage sein, individuelle Sinnesempfindungen (Lust, Schmerz, Liebe, Hass usw.) anhand von Gehirnscans auszulesen.

  166. sherfolder,
    von Gehirnscans träumen ja die Geheimdienste. Die Scientologen auch. Das ist überhaupt nicht wünschenswert. Das sollte genau so verboten werden, wie die Tierversuche. Wissenschaft ohne Ethos ist gefährlich.

  167. @ hmann

    Keine Sorge! Stefan Schleim hat mal einen Aprilscherz gemacht. Upload des Hirns teilweise geglückt.
    https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/gehirn-upload-teilweise-gegl-ckt/

    Mir kam das damals spanisch vor. Ich vermute sehr stark, daß das niemals glücken wird, da zentrale Aspekte der Persönlichkeit zwar ohne Hirn sich nicht äußeren können, aber mit diesem nicht identisch sind. Da mag ich mich aber irren und künftig mich eines Besseren belehrt sehen.

  168. @hmann;
    Begriffe sind symbolische Stellvertreter für die Wahrnehmungen, Erfahrungen und Erkenntnisse. Man kann die Welt nicht in allen Einzelheiten erkennen und beschreiben, deshalb haben wir Begriffe, die ganze Komplexe des Lebens in einem einzigen Begriff zusammenfassen. Sie entstehen in Folge von Ähnlichkeiten durch Generalisierung, durch Abstraktion und Approximation von Unterschieden. Solche Begriffe unterliegen daher der gesellschaftlichen und individuellen Deutung. Je komplexer der Sachverhalt, desto unschärfer ist die Bedeutung der Begriffe.

    Von Begriffen darf man nicht auf eine bestimmte Realität schließen. Gerade der Begriff “Gott” ist dafür exemplarisch, das zeigen anschaulich die gegenwärtigen Verbrechen, die Kämpfe und Kriege “im Namen Gottes”.

    Auch der “freie Wille” ist ein vieldeutiger Begriff, über den viel und unterschiedlich diskutiert wird, je nach Kultur, Bildungsstand, Sozialmilieu, politischer Einstellung. Wie frei ist mein Wille, wenn ich im Restaurant die Speisekarte durchschaue?

  169. @ Anton Reutlinger
    “Auch der “freie Wille” ist ein vieldeutiger Begriff, über den viel und unterschiedlich diskutiert wird.”

    In den Zeiten, da das geozentrische Weltbild herrschte, wurden auch verschiedenste Fragen im Zusammenhang mit der Stellung der Sonne und der Erde diskutiert (zB. dass es konzentrisch angeordnete Sphären (durchsichtigen Hohlkugeln) geben müsse, deren Achsen durch die Erde hindurch gingen, andere verneinten das).
    Letztlich aber wurde der Geozentrismus durch die wissenschaftlich richtige Beantwortung einer einfachen Frage abgelöst: Dreht sich die Sonne (und die anderen Himmelskörper) um die Erde, wie die Astronomen bisher annahmen, oder ist es doch umgekehrt.

    Dass die Frage der Existenz eines freien Willens auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Fragestellungen und Herangehensweisen diskutiert wird, ändert nichts an der Tatsache, dass es letztlich um die Beantwortung einer einzigen Frage geht: Hätte jemand anders handeln können, als er gehandelt hat?
    Die Verneinung führt zur Ablehnung der Möglichkeit eines freien Willens.
    Wer dagegen glaubt, dass ein psychisch gesunder Mensch hätte anders handeln können, nimmt an, dass es den freien Willen gibt.

    Die Verneinung der Existenz eines freien Willens hat nicht nur immense Implikationen in Bezug auf das Strafrechtssystem, sie würde auch erhebliche Auswirkungen auf das Selbstverständnis des Individuums sowie den Umgang der Menschen untereinander haben.

  170. @Anton Reutlinger

    »Wie frei ist mein Wille, wenn ich im Restaurant die Speisekarte durchschaue?«

    Wollen Sie mit dieser Frage etwa andeuten, dass Sie nicht frei wählen können, was Sie essen wollen?

    Wenn wir Christian Hoppes Auffassung folgen, dann sind Sie und Ihr Gehirn praktisch eins, mit der Konsequenz, dass alle (freien) Willensentscheidungen Ihnen bzw. Ihrem Gehirn zugeschrieben werden können. Die Frage, „Wie frei ist mein Wille“, ergibt in dieser Situation, wenn also selbstbestimmt gewählt werden kann, keinen rechten Sinn mehr.

  171. @ Balanus

    Sie haben völlig recht. Im Grunde sind Singer, Roth et al Substanzdualisten, da sie ja glauben, daß ein Ich durch das Gehirn bestimmt wird, so als ob das Ich doch nicht mit dem Hirn identisch ist. Um das aufrecht zu erhalten ohne Substanzdualist zu werden gibt es nur eine Möglichkeit: das Hirn liegt mit sich selbst im Streit.

  172. Vielleicht kann man sich das so vorstellen: durch den Lernprozeß entsteht ein Ungleichgewicht im Hirn und die Erkenntnis ist das Aha-Erlebnis, wenn das Hirn den Ausgleich gefunden hat.

  173. Wenn ich im Restaurant sitze, dann ist mein freier Wille auf die Speisekarte eingeschränkt. Selbstverständlich habe ich mit der Wahl des Restaurants bereits eine Vorentscheidung getroffen. Der freie Wille allein ist nicht maßgebend, sondern wird durch die Entscheidungs- und die Handlungsfreiheit mitbestimmt oder meistens eingeschränkt, die wiederum von vielen Faktoren des praktischen Lebens bestimmt werden. Die Frage des freien Willens ist also eine hypothetische oder akademische und auch ideologische Diskussion. Das Anders-handeln-können bezieht sich definitionsgemäß nicht auf die Willens-, sondern letztlich auf die Handlungsfreiheit.

    Genauso hypothetisch erscheint mir die Frage der Identität von Gehirn und Ich. Eine Identität ist schlicht nicht möglich, weil das Ich eine psychische und das andere eine physische Kategorie ist. Zum Ich gehört auch mein individueller Körper mit seinen Eigenschaften und seinen Grenzen (Embodied Cognition), meine Vergangenheit, meine Bildung und mein soziales Milieu. Das Gehirn, d.h. seine biologischen Strukturen und Prozesse, umfasst außer dem bewussten Ich auch die unbewussten Inhalte, die einen viel größeren Anteil ausmachen und die Persönlichkeit mitbestimmen!

    Richtig ist wohl, dass das Ich seinen Sitz zentral im Gehirn hat, dass es aber von der Gesamtheit der Nervensignale konstituiert wird und nicht irgendwie abgetrennt werden kann. Eine sprachliche Lücke klafft zwischen den Begriffen für das biologische Gehirn und den Begriffen für das psychologische Gehirn, bzw. das Ich. Die Philosophie spricht vom “explanatory gap” (Joe Levine). Die weitere Forschung wird die Lücke verkleinern, aber nicht vollständig schließen können.

  174. @Balanus
    “Wenn wir Christian Hoppes Auffassung folgen, dann sind Sie und Ihr Gehirn praktisch eins, mit der Konsequenz, dass alle (freien) Willensentscheidungen Ihnen bzw. Ihrem Gehirn zugeschrieben werden können. Die Frage, „Wie frei ist mein Wille“, ergibt in dieser Situation, wenn also selbstbestimmt gewählt werden kann, keinen rechten Sinn mehr.”

    Die Feststellung, dass alle Willensentscheidungen immer dem Gehirn zugeschrieben werden, geht am Kern der Frage zur Existenz der Willensfreiheit vorbei.
    Legt man Ihre Betrachtung zugrunde, dann müsste man auch Tieren einen freien Willen zugestehen, denn sämtliche Entscheidungen, die diese treffen, werden ja ebenfalls ausschließlich vom Tier-Gehirn hervorgebracht.

    Der Satz ” Die Frage, „Wie frei ist mein Wille“, ergibt in dieser Situation, wenn also selbstbestimmt gewählt werden kann, keinen rechten Sinn mehr.” ist ein klassischer logischer Fehlschluss, denn Sie setzen das, was erst zu beweisen wäre ( der freie Wille) bereits als Prämisse (“wenn selbstbestimmt gewählt” ) voraus.

    Nach Ihrer Auffassung wäre die Frage nach der Willensfreiheit obsolet, einfach deshalb, da das Gehirn als jede Entscheidung erzeugendes Organ schon feststeht.
    Diese Annahme ist aber vollkommen falsch.
    Denn sowohl das Rechtssystem, als auch das alltägliche Verhalten der Menschen untereinander jenseits strafrechtlicher Relevanz, ist geprägt von der Vorstellung, dass es so etwas wie den freien Willen (d.h. jemand hätte anders handeln können, als er gehandelt hat) geben würde.

  175. Wenn Ich und mein Gehirn gerade nicht zwei Verschiedene sind, die aufeinander einwirken könnten, dann ist es eben auch keine inkompatible Alternative, ob entweder ich oder mein Gehirn Entscheidungen trifft; das Gehirn ist kein Anderes meiner Selbst, es manipuliert mich nicht, weder von außen noch von innen. Ohne mein Gehirn hätte ich nicht meine ureigenen Intentionen und Entscheidungen – sondern gar keine Intentionen und Entscheidungen. Wenn ich eine Entscheidung treffe, dann ich als leibseelische Einheit und natürlich nicht ohne mein Gehirn. Diese Entscheidungen geschehen in völliger Übereinstimmung mit den Naturgesetzen und zuallermeist zugleich in völliger Übereinstimmung mit meinen eigenen Intentionen.

    Der Begriff der Willensfreiheit ist zumindest problematisch, da ich meinen Willen nicht nochmals frei wollen kann – aus welchem wiederum freien Willen heraus denn auch? (usw.)

  176. Im Normalfall sind wir konditionierbar, d.h. durch Bestrafung (positiv: aversiver Reiz wird präsentiert; negativ: positiver Reiz wird entzogen) und “Lob” (positiv: positiver Reiz wird präsentiert; negativ: aversiver Reiz wird entzogen) modulieren wir die Auftretenswahrscheinlichkeiten von erwünschten und unerwünschtem Verhalten. Das machen schon viele Tiere untereinander (z.B. reagiert ein Alpha-Tier sofort auf ein Verhalten, das seine Position in Frage stellt). Auch bedingte Konditionierungen sind möglich und zunächst neutrale Reize können Reizeigenschaften von unkonditionierten (“natürlichen”) Reizen erben, sodass bereits sie die konditionierte Reaktion auslösen (zumindest teilweise).

    Dies ist der psychologische Kontext, in dem man das Strafrecht betrachten sollte: Verhaltensformung durch Konditionierung, wobei in der Regel die Strafandrohung schon die abschreckende Wirkung entfaltet; ein hinreichend hohes Entdeckungsrisiko und der konsequente Vollzug der angekündigten Strafe sind notwendig, damit die Drohung glaubwürdig bleibt.

    Das “Anders können” – das ja niemals bewiesen werden kann – spielt m.E. keine so große Rolle, wie immer wieder behauptet wird. Bei Unfällen z.B. muss sich der Verursacher ebenfalls verantworten, obwohl er sich vielleicht allenfalls durch momentane Unachtsamkeit “schuldig” gemacht hat, falls überhaupt. Begeht er dann zusätzlich Fahrerflucht, wissend um das Verbot und die möglichen Folgen, trifft ihn die dafür angedrohte Strafe. Die Entscheidung zur Fahrerflucht wurde dabei vielleicht in 1-2 Sekunden getroffen – also sicher nicht nach längerem, sorgfältigen Nachdenken! Solange jemand den Eindruck macht, dass er die Spielregeln im Grunde versteht, gelten sie auch für ihn.

  177. @ Christian Hoppe
    “Der Begriff der Willensfreiheit ist zumindest problematisch, da ich meinen Willen nicht nochmals frei wollen kann – aus welchem wiederum freien Willen heraus denn auch? (usw.)”

    Hierzu – zum infiniten Regress – gibt es ein schönes Zitat von Einstein:

    „Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: ‚Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht wollen was er will.“

  178. Konditionierung @ Hoppe
    Man muß also nicht mehr an die Einsichtsfähigkeit des Menschen appellieren, es reicht, ihn wie Vieh abzurichten. Kant würde sich im Grabe umdrehen.

  179. @Christian Hoppe
    “Das “Anders können” – das ja niemals bewiesen werden kann – spielt m.E. keine so große Rolle, wie immer wieder behauptet wird. Bei Unfällen z.B. muss sich der Verursacher ebenfalls verantworten, obwohl er sich vielleicht allenfalls durch momentane Unachtsamkeit “schuldig” gemacht hat, falls überhaupt.”

    Einspruch: Das Nicht- Anders-können ist von erheblicher und von entscheidender Bedeutung in der Diskussion zu den Implikationen, welche aus der Annahme eines nicht existierenden, freien Willens hervorgehen.
    Ob eine Tat durch Unabsichtlichkeit/Fahrlässigkeit oder Vorsatz begangen wurde, ist dann irrelevant; in beiden Fällen konnte der Handelnde/der Täter nicht anders, als er gehandelt hat; d.h. jemand, der einen anderen aus Fahrlässigkeit, weil er kurz mit dem Handy abgelenkt war, überfährt und zu Tode bringt, ist genauso “schuldlos”, denn er konnte nicht anders, wie derjenige der vorsätzlich mit seinem Wagen einen anderen überfährt, mit dem Ziel, ihn umzubringen, auch dieser Täter ist schuldlos, denn er konnte nicht anders.
    Soll man nun beide Täter gleichermaßen bestrafen? Nein, denn die Gesellschaft hat ein Interesse daran, Menschen, von denen eine höhere Gefährlichkeit für andere ausgeht härter zu bestrafen und die Gemeinschaft vor ihnen zu schützen (längere Haftstrafen) als denjenigen, in dem eine solche Manifestation an Gefährlichkeit und Bereitschaft zur Verletzung von Rechtsgütern anderer, nicht vorhanden ist.

  180. Die Frage ist (für mich), welche Bedeutung der Begriff „Freiheit“ innerhalb der Neurowissenschaften eigentlich nur haben kann. Nach meinem Verständnis nur die, dass von außen die intrinsische Autonomie des Individuums nicht eingeschränkt wird.

    Auf organischer und physiologischer Ebene gibt es keine Freiheit, da herrschen die Gesetzmäßigkeiten der Natur. Aber diese Gesetzmäßigkeiten schreiben @anton reutlinger eben nicht vor, welche Speise er zu wählen hat, und @sherfolder nicht, welchen Kommentar er schreiben soll.

    Wenn man meine Betrachtung zugrunde legt, wie @sherfolder schreibt, dann haben selbstredend auch Tiere ihren eigenen (freien) Willen (besonders deutlich zu sehen bei unseren Haustieren). Aber anders als Menschen macht man sie nicht für ihr Verhalten (juristisch/moralisch) verantwortlich, da sie über ihr Verhalten nicht in gleichem Umfang reflektieren und es bewerten können wie eben der Mensch es kann. Oder, wie @Dietmar Hilsebein in Anlehnung an Kant anmerkt, keine “Einsichtsfähigkeit” besitzen.

    @sherfolder, mir geht es also nicht darum, einen „freien“ Willen „zu beweisen“ („frei“ im Sinne von nicht gebunden an biophysikalische Gesetzmäßigkeiten), sondern darum, ob Individuen selbstbestimmt agieren können. Selbstbestimmt im Gegensatz zu fremdbestimmt. Wenn Einstein seine Pfeife anzünden kann, wenn er das will, dann ist er insoweit frei, es zu tun. Warum soll man nicht sagen dürfen, es war seine freie Entscheidung?

    (Natürlich sehe ich auch das grundlegende Problem, ähnlich wie bei den sogenannten Qualia, wie biophysikalische Determinanten und Selbstbestimmung zusammen passen. Das erfordert noch einiges an Denkarbeit)

  181. @Hilsebein: Kein Rechtssystem verlässt sich allein auf die Einsicht der Bürger, man spricht Strafandrohungen aus. Dass man den verwerflichen Charakter bestimmter Handlungen auch ganz ohne Strafe und Strafandrohung einsehen kann (im Kantischen Sinne), steht auf einem anderen Blatt. Letztlich führt man sich aber auch hier die langfristigen Konsequenzen der Handlungen vor Augen – und passt sein Verhalten daran an; das ist quasi eine Form “höherer”, bedingter Konditionierung des Verhaltens. (Ob das dann in einer akuten Situation wirklich greift, bleibt abzuwarten; hehre moralische Vorstellungen haben ja die meisten Menschen).

  182. @sherfolder: Danke für das schöne Einstein-Zitat. Wusste gar nicht, dass er sich zu Schopenhauer hingezogen fühlte … 🙂

  183. “Die Entscheidung zur Fahrerflucht wurde dabei vielleicht in 1-2 Sekunden getroffen – also sicher nicht nach längerem, sorgfältigen Nachdenken!”

    Es spielt ja keine Rolle, ob Sie 2 Sekunden, 10 Minuten oder eine Stunde darüber nachgedacht haben, ob Sie Fahrerflucht begehen oder nicht; in jedem Falle ist das Ergebnis des Abwägungsprozesses durch die neuronale Aktivität Ihres Gehirns determiniert ( mögliche quantenmechanische Einflüsse außen vor gelassen).

  184. @Balanus: “frei im Sinne von nicht gebunden an biophysikalische Gesetzmäßigkeiten” – wir haben es hier mit psychischen Phänomenen wie Motiven, Gedanken, Abwägungen, usw. zu tun. Diese finden auf der Basis biophysikalischer Gesetztmäßigkeiten statt, aber wir beobachten sie nur an komplexen materiellen Systemen unter bestimmten (neuronalen) Bedingungen. Über diese psychische Ebene sind wir auch in unserem Verhalten beeinflussbar, wir sind z.B. offen für Gründe und ändern manchmal unsere Einstellungen und Verhaltenstendenzen, wenn uns bestimmte Gründe überzeugen. Alles, was materiell geschieht, während Sie diese Gründe z.B. sorgfältig bedenken, ist völlig vereinbar mit Naturgesetzen. Es gibt hier einfach keinen Widerspruch, und man sollte den auch nicht (dualistisch) konstruieren.

  185. In einem gewissen Rahmen können wir zweifellos frei entscheiden, nach unserem Willen. Aber schon der Begriff “Entscheidung” beinhaltet vorgegebene Alternativen, zwischen denen man entscheiden darf oder muss. Ein freier Wille ist umfassender. Es wäre jedoch zwecklos, etwas zu wollen, was nicht machbar oder nicht möglich ist.

    Die eigentliche Frage ist, welche Freiheiten wir wirklich haben und nach welchen Kriterien wir eine Entscheidung treffen, um dem Willen nach Möglichkeit Geltung zu verschaffen. Die Freiheit im Restaurant ist durch die Vorauswahl des Restaurants und durch die Speisekarte gegeben. Meine Wahl richtet sich jedoch nach Erfahrungen (ich kenne das Restaurant schon), Geschmack, Angebot, Preis, eventuell auch nach gesundheitlicher Verträglichkeit. Wenn alles klappt, erfüllt sich mein Wille, einen schönen Abend zu verbringen.

  186. @ Christian Hoppe

    Das freut mich, dass Ihnen das Einstein-Zitat gefällt, mir gefällt es auch sehr, denn er hat mit dem einfachen Beispiel von der Pfeife, die er sich anzündet, so klar und elegant die Regressproblematik formuliert, dass man seine Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte sinnbildlich zu veranschaulichen, nur bewundern kann.

    Ich habe auch noch gleich ein zweites Einstein Zitat zu Schopenhauer für Sie 🙂

    “Schopenhauers Spruch „Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will“, hat mich seit meiner Jugend lebendig erfüllt und ist mir beim Anblick und beim Erleiden der Härten des Lebens immer ein Trost gewesen und eine unerschöpfliche Quelle der Toleranz. Dieses Bewusstsein mildert in wohltuender Weise das leicht lähmend wirkende Verantwortungsgefühl und macht, dass wir uns selbst und die anderen nicht gar zu ernst nehmen; es führt zu einer Lebensauffassung, die auch besonders dem Humor sein Recht lässt.”

    Aus: „Mein Weltbild. Wie ich die Welt sehe”

  187. Zum „anders können“:

    Als Libet seine berühmten Experimente durchgeführt hat, hat er vorausgesetzt, dass seine Probanden (frei) wählen können, wann sie den Knopf drücken. In anderen neurowissenschaftlichen Versuchen mussten Probanden (frei) entscheiden, ob sie den rechten oder linken Knopf drücken.

    Wer hier das „Anderskönnen“ verneint, behauptet im Grunde, dass all diese Experimente unter falschen Voraussetzungen stattgefunden haben, dass vorneherein feststand, wer wann welchen Knopf drückt.

    Irgendwie fällt mir schwer, diesen Gedanken zu akzeptieren. Begriffe wie ‚Wählen‘ und ‚Entscheiden‘ ergeben doch nur Sinn unter der Prämisse des „Anderskönnen“.

  188. @Balanus: Es kann ja gar kein Zweifel daran bestehen, dass wir in unserer Vorstellung mehrere Handlungsalternativen und Szenarien als möglich erkennen und imaginär durchspielen können. “Möglich” heißt hier: im Prinzip realisierbar. Beim Abwägen mendelt sich dann die eine oder andere Alternative heraus, vielleicht weil es objektiv gute Gründe dafür gibt, vielleicht weil sie unseren Vorlieben mehr entgegen kommt. Der Moment, in dem das klar wird, ist der Moment der Entscheidung: es entscheidet sich. “Das Ich” ist vielmehr Zeuge als Urheber dieser Entscheidungsprozesse – und schreitet dann zum Vollzug.

  189. @Balanus
    “Aber anders als Menschen macht man sie (die Tiere) nicht für ihr Verhalten (juristisch/moralisch) verantwortlich, da sie über ihr Verhalten nicht in gleichem Umfang reflektieren und es bewerten können wie eben der Mensch es kann. Oder, wie @Dietmar Hilsebein in Anlehnung an Kant anmerkt, keine “Einsichtsfähigkeit” besitzen.”

    Tiere sollen keine Einsichtsfähigkeit besitzen? Selbstverständlich verfügen sie darüber:
    Wenn Schimpanse A und Schimpanse B sich in der Vergangenheit immer fair ihr Futter getauscht haben und B aber plötzlich eines Tages nicht mehr bereit ist, für die Banane, die er von A erhalten hat, seine Weintrauben herzugeben, dann merkt sich das der A und er gibt dem B in Zukunft auch keine Banane mehr. A handelt also einsichtig: Dem B ist nicht mehr zu trauen, Kontakt mit ihm ist ein Minusgeschäft.

    Wenn der rangniedere Pavian T versucht, eines der Weibchen aus dem Harem des Alphamännchens C für sich ‘einzunehmen’, dann wird ihn C, sobald er das bemerkt, mit Gebrüll und Geschrei vom Platz treiben und T wird sich im Anschluss möglicherweise auch noch demutsvoll dem Lausen des Chefs widmen, auf das dieser wieder friedlich gestimmt werde.
    Auch in diesem Fall zeigt T, dass er einsichtig sein kann und das moralische Gebot kennt: Du sollst nicht die Paviandamen des C begehren!
    Dass Tiere einsichtig sein können, aus Schaden klug werden, dürfte keine Frage sein, dass ihre Einsichtsfähigkeit nicht die gleiche Komplexität aufweisen kann, wie die des Menschen, versteht sich von selbst, trotzdem sind sie dazu prinzipiell in der Lage.
    Der Begriff Einsichtsfähgikeit steht für das Lernvermögen, für die Anpassung des Verhaltens an die Anforderungen der Umwelt, nachdem diese zunächst falsch (der B verhält sich fair genauso fair zu mir, wie ich zu ihm) eingeschätzt wurden.

    Heute werden Tiere juristisch nicht mehr zur Verantwortung gezogen; in früheren Zeiten aber hat man sie vor Gericht gestellt, da man glaubte, sie hätten wie der Mensch einen freien Willen und könnten “böse” und also schuldig sein. Heute nimmt das niemand mehr an; der Irrtum aber, der Trockennasenaffe homo sapiens sapiens besitze einen freien Willen, existiert weiterhin.

  190. @ Christian Hoppe
    “Der Moment, in dem das klar wird, ist der Moment der Entscheidung: es entscheidet sich. “Das Ich” ist vielmehr Zeuge als Urheber dieser Entscheidungsprozesse – und schreitet dann zum Vollzug.”

    Diese Erkenntnis wartet noch darauf, dem Allgemeinwissen der Bevölkerung anzugehören.

  191. @sherfolder

    »Tiere sollen keine Einsichtsfähigkeit besitzen?«

    Nun ja, ob der Pavian oder der Schimpanse wirklich ein Einsehen haben kann, darüber kann man streiten. Wechselseitig konditioniertes Verhalten innerhalb eines Sozialverbandes ist nicht so unbedingt das, was ich mit dem Begriff „Einsichtsfähigkeit“ verbinden würde. Aber ich gestehe zu, die Grenzen sind, wie so oft, fließend. Wie ich schrieb: Tiere können „über ihr Verhalten nicht in gleichem Umfang reflektieren und es bewerten“ wie der Mensch es tun kann.

  192. @Balanus: Im Kantischen Sinne meint Einsichtsfähigkeit die Beeinflussbarkeit durch (sprachlich verfasste) Gründe. Die sehe ich beim Tier auch eher als nicht gegeben an … Nur wenn diese Art von Einsichtsfähigkeit vorliegt, kommen moralische Kategorien im engeren Sinne ins Spiel – da gebe ich Ihnen Recht. Aber dabei bewegen wir uns eben wiederum im Rahmen von Spielregeln und erwarteten Handlungsfolgen – es geht sozusagen um “Konditionierung” zweiten Grades bzw. auf einer höheren (abstrakten, gedankenbasierten) Ebene.

  193. @Christian Hoppe

    » …wir haben es hier mit psychischen Phänomenen wie Motiven, Gedanken, Abwägungen, usw. zu tun. Diese finden auf der Basis biophysikalischer Gesetztmäßigkeiten statt, aber wir beobachten sie nur an komplexen materiellen Systemen unter bestimmten (neuronalen) Bedingungen.«

    Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass es im Grunde gar keine „psychischen Phänomene“ realiter gibt. Sondern dass es sich hierbei (bei der Psyche) nur um eine andere Beschreibungsebene handelt. Die real stattfindenden Vorgänge auf der neuronalen Ebene sind so komplex (und nichtssagend), dass wir gar nicht umhin können, von „psychischen Phänomenen“ zu reden, auch wenn wir letztlich die neurophysiologischen Prozesse und Zustände meinen.

    »Der Moment, in dem das klar wird, ist der Moment der Entscheidung: es entscheidet sich. “Das Ich” ist vielmehr Zeuge als Urheber dieser Entscheidungsprozesse – und schreitet dann zum Vollzug.«

    Ja, das bewusste „Ich“ ist Zeuge dessen was das nicht bewusste „Ich“ entscheidet, und unterm Strich habe ich dann frei (also selbstbestimmt) entschieden, was ich mache: Pfeife oder Zigarette oder gar nicht rauchen.

    » es geht sozusagen um “Konditionierung” zweiten Grades…«

    Da gehe ich mit.
    (Oder ist es mein „Ich“, das hier zustimmt?)

  194. @Balanus
    “mir geht es ( …) darum, ob Individuen selbstbestimmt agieren können. Selbstbestimmt im Gegensatz zu fremdbestimmt.
    Wenn Einstein seine Pfeife anzünden kann, wenn er das will, dann ist er insoweit frei, es zu tun. Warum soll man nicht sagen dürfen, es war seine freie Entscheidung?

    Weil Sie dann den Begriff der “freien Entscheidung” bis zur Unkenntlichkeit aufweichen, indem sie ihn quasi gleichsetzen mit der reinen Zurechenbarkeit und ihn damit abseits und konträr zu seinem üblichen Gebrauch innerhalb der Diskussion um die Willensfreiheit verwenden.
    Die Definitionen der Begriffe stimmen also nicht mehr überein.

    Einsteins Beispiel mit der Pfeife illustrierte ganz konkret seine Auffassung, dass so etwas wie ein “freier” Wille nicht existieren kann.
    Dass sie nun Handlungsfreiheit/Selbstbestimmtheit mit dem freien Willen/aka freie Entscheidung gleichsetzen, führt dazu, dass sie Einsteins Statement in ihr Gegenteil verkehren.

    Es geht hier aber nicht um Selbstbestimmung aka Handlungsfreiheit, weder hatte Einstein diese im Sinn, als er sich auf Schopenhauer bezog, noch ist sie Thema der Diskussion.

  195. @Christian Hoppe
    “Im Kantischen Sinne meint Einsichtsfähigkeit die Beeinflussbarkeit durch (sprachlich verfasste) Gründe. Die sehe ich beim Tier auch eher als nicht gegeben an … Nur wenn diese Art von Einsichtsfähigkeit vorliegt, kommen moralische Kategorien im engeren Sinne ins Spiel”.

    Gedankenexperiment: Ein taubstummer Chinese verirrt sich als Backpacker in der Wüste Namib und wird dort in den Clan eines Himbastammes aufgenommen. Obwohl er nichts von dem versteht, was die Clan- Mitglieder miteinander und untereinander besprechen, lernt er doch mit der Zeit, durch bloße Beobachtung und Nachahmung, ihre Regeln, ihre Tabus, ihre Konventionen und Sitten, die sozialen Erwartungen und Gepflogenheiten kennen, und fügt sich mit der Zeit so gut in die Gemeinschaft ein, dass er mit einer Himba Frau eine Familie gründet.

    Eine “sprachlich verfasste Beeinflussbarkeit durch Gründe” war bei dem jungen Mann also niemals vorhanden, kann man ihm deshalb Einsichtsfähigkeit absprechen oder die bei ihm durch reine Beobachtung – stumm – gewonnene Einsichtsfähigkeit als minderwertiger gegenüber einer sprachlich verfassten Einsichtsfähigkeit klassifizieren? Das glaube ich nicht.

  196. @sherfolder: Ihr taubstummer Chinese hat sich die ganze Zeit Gedanken gemacht, und die waren sprachlich verfasst.

  197. @Christian Hoppe
    Wenn Sie dem taubstummen Chinesen, der in seinem Leben nur Zeichensprache und nie eine Schriftsprache erlernt hat – ( der Chinese ist das übrig gebliebene Resultat aus einer ersten, dann wieder verworfenen gedanklichen Versuchsanordnung …)
    Gedanken zubilligen, die sprachlich verfasst sind, dann müssen Sie eine solche, in der ihnen eigenen Sprache verfasste Gedankentätigkeit auch allen Säugetieren zugestehen.
    Ja, Tiere können denken, Überlegungen anstellen, auch wenn sie Gedanken nicht in dieser Komplexität mitzuteilen in der Lage sind, wie Menschen das können.
    Das Abstellen auf “sprachliche” Verfasstheit als grundlegendes Kriterium für Einsichtsfähigkeit dürfte dem anthroprozentrischen Denken Kants und seiner generellen Unwissenheit über die Evolution im Allgemeinen und dem gemeinsamen Ursprung von Mensch und Tier im Besonderen zuzurechnen sein.

  198. @sherfolder // Willensfreiheit

    Nach meinem Eindruck geht es (im hiesigen Kulturraum) bei der Diskussion um die sogenannte Willensfreiheit nur noch bei wenigen „Hardlinern“ um die Vorstellung von einem völlig unbedingten Willen, dass also der Mensch als absolute Erstursache eine kausale Ereigniskette anstoßen kann. Ich wüsste jetzt keine neuere Publikation, wo eine solche metaphysische Auffassung noch ernsthaft vertreten wird.

    Dort, wo die Willensfreiheit (hierzulande) verteidigt wird, wird sie fast immer als Selbstbestimmung aufgefasst. Als ich sagte, selbstbestimmt im Gegensatz zu fremdbestimmt, dann war und ist damit auch die bisweilen gefürchtete Fremdbestimmung des bewussten Ichs (bzw. Willens) durch nicht bewusste Hirnprozesse gemeint. Es geht also nicht nur um Handlungsfreiheit, sondern explizit darum, dass das Individuum selbst mittels seines Gehirns seinen Willen und seine Handlungen formen, bestimmen und planen kann.

    Einstein fragte: „Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will?“ Meine Antwort wäre gewesen: Dein „Ich“ (oder: Du selbst). Nur das kann Freiheit m. E. bedeuten, dass die Willensbildung letztlich aus eigenem Antrieb oder Vermögen heraus erfolgt (und nicht durch äußere Einflüsse maßgeblich determiniert wird). Das dürfte auch dann wahr sein, wenn es wesentlich weniger Freiheit bzw. Selbstbestimmung geben sollte, als wir rein gefühlsmäßig geneigt sind zu glauben (was sich insbesondere in bestimmten Situationen zeigt).

  199. @ Balanus

    A: Als ich sagte, selbstbestimmt im Gegensatz zu fremdbestimmt, dann war und ist damit auch die bisweilen gefürchtete Fremdbestimmung des bewussten Ichs (bzw. Willens) durch nicht bewusste Hirnprozesse gemeint.

    B:

    Es geht also nicht nur um Handlungsfreiheit, sondern explizit darum, dass das Individuum selbst mittels seines Gehirns seinen Willen und seine Handlungen formen, bestimmen und planen kann.

    Klingt für mich widersprüchlich. A sagt, daß der Mensch durch das unbewußte Ich selbstbestimmt ist und B sagt, daß ein _Individuum_ (was soll das sein?) _mittels seines Gehirns_ (aha) den Willen -also das unbewußte Ich- formt. Wenn der Mensch durch das unbewußte Ich selbstbestimmt ist, muß er durch das bewußte Ich nicht formend eingreifen. Das muß er nur dann, wenn wir Freud die Ehre geben und sagen: “wo Es ist, soll Ich werden”. Übersetzt hieße das: wo Hirn ist, soll Ich werden. Da machen die Hirnforscher aber nicht mit, denn die haben das Ich gerade abgeschafft. 🙂

  200. Sorry, ich muß genauer lesen. Sie verwenden Wille synonym für das bewußte Ich. Das ist natürlich nicht immer einfach, da der “Wille” im Sinne Schopenhauers eher mit Freuds “ES” korrespondiert -also unbewußt, blindwütig ist. Also noch einmal: die unbewußten Hirnprozesse sollen also nach Ihrer Aussage das bewußte Ich steuern. Wie geht das? Soll ein Blinder einen Sehenden führen oder ist es umgekehrt nicht besser?
    Ich glaub’ ich werde Substanzdualist -das ist für mich das geringere Übel!

  201. @Dietmar Hilsebein

    Gut möglich, dass ich mich da irgendwo verheddert habe beim Wechsel der Perspektiven…

    „Individuum“ steht übrigens für den unteilbaren Organismus, insbesondere den Menschen. In diesem Fall von außen betrachtet.

  202. Gut möglich, dass ich mich da irgendwo verheddert habe beim Wechsel der Perspektiven…

    Alles gut! 🙂

    „Individuum“ steht übrigens für den unteilbaren Organismus, insbesondere den Menschen. In diesem Fall von außen betrachtet.

    Sie meinen also “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.”? Mag ja sein. Hilft das auf Hirnebene irgendwie weiter? Freilich, das Hirn wäre ohne Lunge und Herz so tot wie mein Hausschuh. Aber sie halten nur die Physis des Hirns am Leben, Einfluß auf das Denken an sich bezweifle ich.

  203. Ich bin der Meinung, dass „Denken“ bei Mensch und Tier grundsätzlich mit „Musterverarbeitung“ zu tun hat. Die „Muster“ gelangen über die sensorischen Kanäle zum Gehirn, werden dort verarbeitet.

    Bei Menschen sind es neben den visuellen Mustern hauptsächlich auch sprachliche Muster die zu Verarbeitung gelangen. „Sprachliche Muster“ ermöglichen es besonders gut (momentan) nicht „vorhandene“ Objekte und Sachverhalte abstrakt in die Informationsverarbeitung einzubeziehen, sich besonders gut auf die „Erinnerung berufen“ zu können.
    Offenbar können beim Menschen besonders gut sprachliche Muster mit anderen Mustern verknüpft werden.
    Gespeicherte „Objekte“ (Muster) der Erinnerung können sozusagen mittels Sprache (besser mittels deren „abbildender“ Struktur), besonders gut „referenziert“ werden.
    Derartiges wird mittels Verarbeitung der Information in „baumartigen Strukturen“, wie auch in der Informatik, bestens ermöglicht.
    „Baumartigkeit“ ermöglicht die direkte Abbildung von “Wissensstrukturen”, außerdem haben derartige Strukturen sehr gute „Zugriffseigenschaften“ auf die Infos im Vergleich mit „linearen“ (sequenziellen) Strukturen.

    Hunde dürften überwiegend Geruchsmuster neben visuellen Mustern verarbeiten, dürften aber auch begrenzt fähig sein verbale Sprachmuster der Menschen zu verarbeiten und teilweise zu „verstehen“.

    Das Problem bei der Beurteilung von „Freien Willen“ ist, dass die Konzepte noch aus einer Zeit stammen, als das wirkliche Wissen über die neuronale Informationsverarbeitung noch gering war und man nur auf Konzepte der Philosophen aufbauen konnte.

    Das grundlegende Problem ist so und so der Schutz der Gesellschaft vor asozialem Verhalten.

  204. Dass im Gehirn eine Mustererkennung stattfindet, steht außer Zweifel. Sie beruht auf der Filterwirkung von Transmitter- und Rezeptormolekülen der Nervenzellen, nicht anders als beim Kaffeefilter. Mustererkennung resultiert aus der Wirkung von millionen gleichzeitigen Vergleichen.

    Die Mustererkennung ist noch keine Informationsverarbeitung. Die Information ist erst das Resultat reflexiver Deutungen der Vorgänge im Gehirn. Strikte Baumstrukturen sind dazu wenig geeignet. Es bedarf einer komplexen Vermaschung, also nicht hierarchischen, sondern heterarchischen Strukturen der Nervenverbindungen, die selbstverständlich auch Baumstrukturen umfassen. Zwischen der Informationsverarbeitung des Menschen und den zu Grunde liegenden Vorgängen im Gehirn gibt es deutliche Unterschiede, insbesondere das assoziative Gedächtnis. Man darf nicht vergessen, dass zur Mustererkennung schon Muster als Referenzen oder Repräsentationen vorhanden sein müssen!

  205. Beim „Informationsbegriff“, den Sie vermutlich „enger“ sehen, unterscheiden sich unsere Sichtweisen.

    Für Elektroniker haben z.B. selbst auf einen Bildwandler treffende (einzelne) Photonen bereits Informationscharakter. Und die „Auswertung“ bei millionen „gleichzeitiger Vergleiche“ geschieht aus elektronischer Sicht in so etwas wie „Gatterschaltungen“. Dass sich „Filterwirkungen“ ergeben, daran zweifle ich auch nicht.

    Die „assoziative Funktion“ biologischer „Gehirne“ könnte in diesem Sinne ebenfalls als „Informationsverarbeitung“ gesehen werden, selbst wenn der „verknüpfende Faktor“ sozusagen nur die „Zeit“ ist.
    Beim Auftreten von Input kann nicht nur das „Inputsystem“ sondern z.B. ein allgemeines „Prozessteuerungssystem“ und das „verbale System“ „angeworfen“ (IRQ Steuerung ähnlich wie in der Informatik) werden. In z.B. 2 (vorerst) getrennten Strukturen (visuelle – verbale Verarbeitung) „laufen gleichzeitig“ (die üblichen) Signalprozesse die mittels „Gatter“ verknüpft, sozusagen zu einem gemeinsamen Prozess vereinigt werden können.

    Dass Referenzen oder Repräsentationen vorhanden sein müssen um die relevanten Prozessketten zu generieren, versteht sich von selbst.

  206. @Dietmar Hilsebein

    »Aber sie [die Organe] halten nur die Physis des Hirns am Leben, Einfluß auf das Denken an sich bezweifle ich.«

    Es heißt ja, das Sein bestimme das Bewusstsein. Und zum Sein gehören nun mal alle Organe, also auch die, die Hormone produzieren und ins Hirn schicken. Zum Beispiel. Energieversorgung ist da auch nur ein Teil vom Ganzen.

    Wille – Wollen – Ich – Es, es ist schon kompliziert mit den Begrifflichkeiten, die sich ja alle auf den Menschen als Ganzes beziehen—und nicht auf das Gehirn, wo sie ja herkommen (und schon kommt einem wieder der selige Carl Vogt in den Sinn…).