Neuro-Enhancement: Kein Verbot, aber bitte auch keine Empfehlung!

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WIRKLICHKEIT

Die namhaften Autoren des G&G-Memorandums zum Neuro-Enhancement vertreten die Auffassung, dass pharmakologische Leistungs- und Befindlichkeits-„Verbesserer“ keine prinzipiell neuen ethischen Fragestellungen aufwerfen werden. Vielmehr werde man sie wie Substanzen beurteilen können, die schon heute auf neurochemischem Wege unser Verhalten, unser Erleben und – zeitweise – unsere Persönlichkeit in einer gewünschten Richtung verändern: Alkohol, Nikotin oder Kaffee; und man könnte ergänzen: Aphrodisiaka, Parfüm, Duftstoffe in Supermärkten usw. Allerdings ergeben sich die wesentlichen Schlussfolgerungen der Autoren tautologisch aus ihren anfänglichen Voraussetzungen; teilt man die Voraussetzungen wird man den Autoren kaum widersprechen können.

Blog-Gewitter 2009: Neuro-Enhancement

Die Frage, die sich mir nach der Lektüre aufdrängt, ist, warum wir eigentlich nicht bestimmte bereits heute schon verfügbare Substanzen, die positive kognitive und emotionale Effekte entfalten können, zum Gebrauch durch freie autonome Erwachsene freigeben. Man hört zum Beispiel, dass Haschisch biologisch, psychisch und sozial letztlich geringere toxische Wirkungen entfaltet als Alkohol. Oder Amphetamine: Sie helfen bei der Gewichtsreduktion (einem gesundheitsökonomischen Riesenproblem), sie halten wach und aktiv, fördern Kreativität und Leistungsbereitschaft, und – wer weiß – vielleicht machen sie ja nur einen kleinen Prozentsatz von ungünstig disponierten Menschen abhängig, während viele gesunde Menschen diese Drogen als Neuro-Enhancer vernünftig nutzen würden. Auch LSD und Psilocybin haben praktisch kein Suchtpotential und der Rausch hat Menschen immer wieder zu einer spirituell vertieften Lebenshaltung geführt. Die illegale, aber dennoch weit verbreitete tatsächliche Praxis im Umgang mit diesen Substanzen zeigt eines auf jeden Fall: dass eine Nachfrage für pharmakologische Enhancer mit verschiedenartigen Effekten existiert. Das Beispiel der Aufmerksamkeitsstörungen bei Kindern (und zunehmend auch Erwachsenen), die mit Methylphenidat (Ritalin®, Concerta®) erfolgreich behandelt werden, zeigt, dass die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit und mithin zwischen Therapie und Enhancement immer Definitionssache bleiben wird. Wenn Helmut Kohl mit vier Stunden Schlaf auskommen konnte, warum ist es dann nicht krankhaft, dass ich doppelt so viel Zeit im Bett verbringen muss, bis ich mich richtig ausgeschlafen fühle?

Meines Erachtens bleibt das G&G-Memorandum zum Neuro-Enhancement noch sehr vorläufig und unvollständig – und daher auch irreführend –, wenn lediglich festgestellt wird, dass keine prinzipiellen ethischen oder rechtlichen Gründe gegen die Entwicklung und Nutzung von Neuro-Enhancern (unter verschiedenen Voraussetzungen) sprechen, dass man die Nutzung von Neuro-Enhancern also getrost der autonomen Entscheidung des Einzelnen überlassen kann. Denn man könnte und müsste auch entschlossener fragen: Sollten wir solche Substanzen entwickeln, gibt es dafür positive ethische Gründe? Und sollte ich persönlich diese Substanzen einnehmen? Hierzu vermisse ich eine klare Stellungnahme der Autoren des G&G-Memorandums. Die Verneinung des Verbots wirkt dadurch implizit wie eine ethische Bestätigung oder gar Empfehlung zur Entwicklung und Nutzung dieser nichttherapeutischen Pharmaka.

Ich aber gehe davon aus, dass gesunde Personen in der Lage sind, auch ohne Hilfe von Psychopharmaka mit Stress, Konflikten und schwierigen Gefühlslagen klar zu kommen. Wir können uns natürlich entschließen, in Zukunft einfach schnell eine Pille einzuwerfen, wenn es mal brenzlig wird – aber wir könnten alternativ auch einen Umgang mit Stress und Gefühlen kultivieren, der es uns erlaubt, aus uns selbst heraus, ohne seligmachenden Beistand der chemischen Industrie handlungsfähig zu bleiben, selbst wenn es dicke kommt.

Anna, die junge Frau im Beispiel des G&G-Memorandums, die sich morgens vor der Hochzeit ihrer besten Freundin mit ihrem Freund Roland überwirft und entsprechend gelaunt ist, könnte und dürfte natürlich eine Tablette schlucken, oder auch einen Schnaps trinken und ähnliches: wenn es hilft, wenn es ungefährlich ist – wer sollte das warum verbieten? Aber – das wäre die weitergehende ethische Frage – ist dies die beste Weise mit so einer Situation umzugehen? Sollte man ihr also positiv raten, eine Pille zu schlucken? Oder gibt es alternative Möglichkeiten, auf die man Anna hinweisen sollte, damit sie mit ihren eigenen Ressourcen diese schwierige Situation meistern und einen entsprechenden Gewinn auf ihrem Selbstwert-Konto verbuchen kann? Alternativ zur Droge könnte Anna zum Beispiel erst einmal eine Stunde im Wald rennen gehen, um ihren ganzen Frust rauszuschreien; wenn sie ihren MP3-Player mitnimmt, könnte sie das ganze noch mit einer superlauten Prise Heavy Metal optimieren – danach sollte sich die Wut hinreichend lang erschöpft haben. Vielleicht hat sie aber auch noch eine andere Freundin, mit der sie reden kann und der sie keinen Hochzeitstag verdirbt. Oder sie sagt sich energisch: Ist zwar schade um den süßen Roland, aber ich werde mir und meiner Freundin von dieser Dumpfbacke ganz sicher nicht diesen lang ersehnten Tag kaputt machen lassen! Sie reißt sich also zusammen – aus Freundschaft zu ihrer Freundin.

Unter dem Eindruck des Erfolgs der modernen Hirnforschung geraten pädagogische, psychologische und soziale Methoden der Selbstkontrolle und der Unterstützung anderer Personen zunehmend ins Hintertreffen. Sicher ist den Neurowissenschaftlern zuzustimmen, dass geistig-seelische Zustände ohne Biochemie nicht auftreten. Daher ist es sicher auch möglich, unsere mentalen Zustände pharmakologisch zu manipulieren. Aber – und das ist die Frage – ist das ratsam, und ist es, unter der Voraussetzung psychischer Gesundheit, der effektivste Weg, unsere persönlichen Ziele nachhaltig zu erreichen? Die Antwort lautet eindeutig: Nein. Das Gespräch, die körperliche Aktivierung oder Entspannung, die richtigen Gedanken usw. – das ist bei Gesunden in den meisten Fällen hocheffektiv. Wir sollten uns darauf konzentrieren, diese Fähigkeiten zu kultivieren und weiterzuentwickeln. Hier erwarte ich einen Beitrag der Ethik. Die Beseitigung vermeintlicher Ressentiments in der Öffentlichkeit gegenüber Neuro-Enhancern sollte man dagegen besser den Marketeers der Pharmafirmen überlassen.

Die gleiche Überlegung greift übrigens auch in Richtung Drogen. Vielleicht hat man heute tatsächlich keine Handhabe mehr, erwachsenen Menschen die Einnahme einigermaßen sicherer Substanzen zu verbieten. Aber – und da sehe ich die Aufgabe der Ethik – man kann deutlich machen, dass es bessere und effizientere (auch preiswertere) Wege zu den jeweils gewünschten Zielen gibt: Man braucht schlicht und einfach keine Drogen! Denn es ist psychologisch nicht so schwierig, eine gewisse Schüchternheit zu überwinden, sich wach und aktiv zu halten, oder besondere Bewusstseinszustände zu erlangen; insbesondere dann nicht, wenn wir uns dabei gegenseitig unterstützen und ermutigen.

Drogen sollten bleiben, was sie sind: überflüssig für Gesunde, aber segensreiche ultima Ratio im Falle psychischer Erkrankungen.

LINKTIPP: Gehirn&Geist-Sonderseite "Neuro-Enhancement" mit zahlreichen Artikeln und weiteren Informationen zum Thema

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Veröffentlicht von

Geboren 1967 in Emsdetten/Westfalen. Diplom kath. Theologie 1993, Psychologie 1997, beides an der Universität in Bonn. Nach einem Jahr am Leipziger Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (1997-98) bin ich seit Oktober 1998 klinischer Neuropsychologe an der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn. Ich wurde an der Universität Bielefeld promoviert (2004) und habe mich 2015 an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn habilitiert (Venia legendi für das Fach Neuropsychologie). Klinisch bin ich seit vielen Jahren für den kinderneuropsychologischen Bereich unserer Klinik zuständig; mit erwachsenen Patientinnen und Patienten, die von einer schwerbehandelbaren Epilepsie oder von psychogenen nichtepileptischen Anfällen betroffen sind, führe ich häufig Gespräche zur Krankheitsbewältigung. Meine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen klinische Neuropsychologie (z.B. postoperativer kognitiver Outcome nach Epilepsiechirurgie im Kindesalter) und Verhaltensmedizin (z.B. Depression bei Epilepsie, Anfallsdokumentation). Ich habe mich immer wieder intensiv mit den philosophischen und theologischen Implikationen der modernen Hirnforschung beschäftigt (vgl. mein früheres Blog WIRKLICHKEIT Theologie & Hirnforschung), eine Thematik, die auch heute noch stark in meine Lehrveranstaltungen sowie meine öffentliche Vortragstätigkeit einfließt.

44 Kommentare

  1. Und warum genau

    sind Drogen a priori der schlechtere Weg, ein Ziel zu erreichen? Warum sind die pädagogischen, psychologischen etc. Methoden automatisch besser? Gibt es dafür eine vernünftige Begründung oder ist das einfach so?

  2. Konsistenz der Drogenpolitik

    Danke erst einmal, dass Sie auf das Problem mit den Voraussetzungen der Autoren hingewiesen haben und auch die ethischen Defizite thematisieren. Das sehe ich ganz genauso.

    Natürlich kann man die Konsistenz der Drogenpolitik kritisieren. Das wird auch in wissenschaftlichen Kreisen wieder diskutiert. (Da war ein gutes Paper im Lancet, das kann ich gerne noch mal heraussuchen.)

    Man hört zum Beispiel, dass Haschisch biologisch, psychisch und sozial letztlich geringere toxische Wirkungen entfaltet als Alkohol.

    Leider scheint Haschisch aber auch das Risiko von Schizophrenie zu steigern und nach langfristigen Konsum zu Gedächtnisproblemen zu führen. Aus eigener Erfahrung möchte ich hinzufügen, dass man dadurch auch emotional abstumpft und umgekehrt in Angstzustände (Paranoia) geraten kann. In meinem Fall — darf ich das von mir behaupten? — hat das mit dem Ende des Konsums aber zum Glück wieder aufgehört.

    Hier schon mal eine Quelle: Murray et al., 2007, Cannabis, the mind and society…, Nature Reviews Neuroscience 8: 885-895.

  3. Aufgabe der Ethik?

    Bei allem Respekt, aber die Fragen, die Du von der Ethik beantwortet haben möchtest, sind bestenfalls Fragen an den Pfarrer. Als “Ethiker” sehe ich meine Aufgabe jedenfalls nicht darin, Moral zu predigen.

  4. @Fischer

    “sind Drogen a priori der schlechtere Weg, ein Ziel zu erreichen?”

    Nein – aber alternative Wege unerwähnt zu lassen, finde ich irreführend.

    “Warum sind die pädagogischen, psychologischen etc. Methoden automatisch besser?”

    Was will ich lernen? Dass ich Stress selbst in den Griff bekomme – oder dass ich dazu eine Pille brauche?

    “Gibt es dafür eine vernünftige Begründung oder ist das einfach so?”

    … Eure “ethischen Probleme” möchte ich haben …

  5. @Dahl

    “Bei allem Respekt, aber die Fragen, die Du von der Ethik beantwortet haben möchtest, sind bestenfalls Fragen an den Pfarrer. Als “Ethiker” sehe ich meine Aufgabe jedenfalls nicht darin, Moral zu predigen.”

    An dieser Einlassung scheint fast alles falsch zu sein:
    – “bei allem Respekt” wird zur Einleitung für einen argumentfreien Kommentar

    – ich will auch keine Fragen von der Ethik beantwortet haben, schon gar nicht von Ethikern

    – mir leuchtet nicht ein, welche spezielle Qualifikation (oder welch speziell disqualifizierendes Merkmal) Pfarrer zur Beantwortung der vermeintlichen Fragen mitbringen

    – und ich sehe in meinem Blogbeitrag auch nirgendwo eine Moralpredigt.

    Viele Menschen interessieren sich für die Frage, was sie am besten tun, wie sie ihr Leben gestalten, woran sie sich orientieren sollen. Ich vermute, dass diese ethischen Fragen für Eltern noch einmal eine andere Brisanz bekommen, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer überzeugenden Begründung.

    Eine Ethik jedenfalls, die nur den Ist-Stand des menschlichen Verhaltens berichtet und allenfalls noch zu fragen wagt, ob wir das Recht haben, dies oder jenes zu verbieten, statt einfach alles jedem zur freien Entscheidung zu überlassen – braucht niemand. Eine derartige Ethik wird faktisch zum Erfüllungsgehilfen z.B. der Pharmaindustrie, die diesen Job gefälligst selbst machen soll, statt dafür die öffentliche Hand zahlen zu lassen.

    Für mich gibt Ethik nicht die Antworten, aber sie ist ein Forum, in dem wir darüber sprechen (also Argumente austauschen und uns von besseren Gründen überzeugen lassen), wie wir leben und was wir (positiv) tun sollten.

    Maßgeblich sind hier überzeugende, lebenserfahrene Persönlichkeiten – akademische Grade korrelieren damit nur geringfügig.

  6. @ Christian Hoppe

    Mein zugegebenermaßen etwas dreister Kommentar bezog sich auf Ihre Bemerkung:

    “Sollte ich persönlich diese Substanzen einnehmen? Hierzu vermisse ich eine klare Stellungnahme der Autoren des G&G-Memorandums!”

    Von einem Memorandum, dass sich ausschließlich der Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Neuro-Enhancements widmet, darf man wohl schwerlich eine Antwort auf Ihre Frage erwarten.

    Die alles entscheidende Frage lautet nun einmal: Verletzen die Erzeugung und die Einnahme von NEPs die Rechte anderer? Schließlich heißt es in unserer Verfassung eindeutig: “Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt.”

  7. @ Edgar: Ausschließlich Recht?

    Von einem Memorandum, dass sich ausschließlich der Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Neuro-Enhancements widmet, darf man wohl schwerlich eine Antwort auf Ihre Frage erwarten.

    Da irrst du dich, lieber Edgar, meines Erachtens ganz deutlich. Der Projektgruppe ging es ganz ausdrücklich auch um ethische Aspekte — warum wäre denn sonst z.B. deine Chefin an Bord? Sie ist doch Medizinethikerin und keine Rechtsphilosophin.

    Du kannst gerne auch mal die Projektbeschreibung auf der Homepage der Europäischen Akademie sowie die dortige Pressemitteilung studieren. Dort ist ganz ausdrücklich auch von der Ethik die Rede. Hättest du Recht, dann hätten doch Prof. Merkel und sein Mitarbeiter alleine an dem Text arbeiten können.

    Außerdem wirst du im Memorandum zahlreiche verweise auf die Ethik finden; unter der Überschrift der “prinzipiellen Einwände” wirst du beispielsweise Argumente finden, die sich ganz wesentlich auf die ethischen Aspekte beziehen.

    Das ist schon komisch, wie unterschiedlich wir den Text verstanden haben: Ich habe ihn vor allem als eine ethische Diskussion gelesen, der ich, im Einklang mit Herrn Hoppe, die Defizite für die Handlungsebene des Lesers attestiere (immerhin ist das in einem populären Magazin, in keiner Fachzeitschrift für Berufsethiker oder Juristen erschienen). Du siehst darin eine Diskussion der ausschließlich rechtlichen Fragen.

    Wie kann das sein?

  8. @ Stephan: Moral oder Recht?

    Lieber Stephan, richtig, es geht nicht nur um das Recht, sondern auch um die Moral. Im Vordergrund steht aber doch eindeutig die Frage der rechtlichen Zulässigkeit, anderenfalls hätten die Autoren nicht explizit auf den rechtsphilosophischen Ausgangspunkt hingewiesen:

    “Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist das Recht eines jeden entscheidungsfä-
    higen Menschen, über sein persönliches Wohlergehen, seinen Körper und seine Psyche selbst zu bestimmen. Diese Perspektive ist weder willkürlich noch verhandelbar: Sie ist durch das Grundgesetz vorgegeben und entspricht ethisch wie politisch der gesellschaftlichen Grundüberzeugung in einem liberalen Rechtsstaat. Begründungsbedürftig ist demzufolge nicht die Freiheit, NEPs zu nehmen – begründungsbedürftig sind vielmehr
    Einschränkungen dieser Freiheit! Sie kön-
    nen nur durch den Schutz anderer Rechte
    oder Interessen Dritter gerechtfertigt werden.”

  9. @Dahl

    Meines Wissens ist die Menschenwürde die unverhandelbare Basis des Grundgesetzes. Diese schränkt die Selbstbestimmung des Einzelnen ein, auch wenn er nicht Anderen, sondern sich selbst schadet, sprich: gegen seine Würde handelt.

    Mein Punkt ist jedoch, dass die Ethik zu kurz springt, wenn sie nur nach der Rechtfertigung von Verboten fragt, statt positiv zu ermitteln, welches Verhalten denn der Würde des Menschen zuträglich wäre.

    (Ich verbinde damit keine bestimmte Position bzgl. Drogen/Enhancern, aber dass ein abhängiger, suchtartiger Umgang mit diesen Substanzen mit der Menschenwürde nicht vereinbar wäre, sollte klar sein.)

  10. @Hoppe: Artikel I GG

    “Diese schränkt die Selbstbestimmung des Einzelnen ein, auch wenn er nicht Anderen, sondern sich selbst schadet, sprich: gegen seine Würde handelt.”

    Herr Eibach hat in seinem Artikel einen ähnlichen Standpunkt vertreten, den die Juristen selbst für falsch halten:

    Der Staat wird verpflichtet die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Die Artikel I GG ist weder allein individualistisch noch allein kollektivistisch zu deuten, sondern der Mensch wird verstanden als Person von unverfügbaren Eigenwert, zur freien Entfaltung bestimmt sowie simultan Mitglied von Gemeinschaften wie Ehe, Familie, Kirche, politischen und sozialen Gruppen etc. wo er zu anderen Personen in den unterschiedlichsten Beziehungen steht. Die Artikel 1 ist allein eine Schranke für staatliche Gewalt und eine Schutzverpflichtung des Staates gegenüber seinen Staatsbürgern.

    Daß Grundrechte direkt gegenüber Dritten wirken, so daß z.B. die BRD verpflichtet ist, mich strafrechtlich zu verfolgen und für Schadensansprüche von Ausländern gegen mich grade zu stehen, weil ich im Ausland gegenüber Ausländern Straftaten verübt habe, bezeichnet man als Drittwirkung der Menschenrechte. Das ist im Völkerrecht relativ neu und noch nicht allgemein anerkannt. Man kam zum ersten Mal auf diese Idee, als in den 80ern CIA-Angestellte im Regierungsauftrag in Mittelamerika mordeten und man die Regierung selbst dafür haften lassen wollte.

    Eine Beschränkung der Selbstbestimmung wie sie Ihnen vorschwebt, würde eine zusätzliche Ausweitung der Drittwirkung von Grundrechten bedeuten und hat schon deshalb keine Chance auf Anerkennung, weil sie der Wesensghaltsgarantie in Artikel 19 Absatz II GG widerspricht.

    Ist Ihre Ansicht unter Theologen verbreitet oder ist das ein Zufall?

  11. @Hoppe: Frage

    “dass ein abhängiger, suchtartiger Umgang mit diesen Substanzen mit der Menschenwürde nicht vereinbar wäre, sollte klar sein.”

    Nein, mir ist das nicht klar. Würden Sie mir das bitte erläutern?

    Vielen Dank

  12. @Diederichs

    Mein unmittelbares Anliegen war, einen rein rechtlichen Zugang zum Thema “Neuro-Enhancement” auf einem höheren Niveau zu verankern als dem, das mit dem Stichwort “Selbstbestimmung” markiert wird, nämlich dem eines positiven, rechtlichen Wertes wie der Menschenwürde nach GG Art. 1.

    Mein eigentliches Anliegen ist aber, dass eine ethische Auseinandersetzung nicht nur rechtlich argumentieren, sondern dem Einzelnen und der Gesellschaft für ihr Handeln und für ihre Entscheidungen Argumente an die Hand geben sollte.

    Wenn jemand z.B. sagt, dass er als Rechtshänder seine linke Hand nicht mehr braucht und sie sich abhacken will, dann wird man vermutlich rein rechtlich gesehen nichts dagegen unternehmen können (oder?). Aber hätte der Staat – bzw. seine Vertreter, auch Ärzte – nicht dennoch die Pflicht, diese Selbstverstümmelung, zu der sich die Person frei entscheidet, möglichst zu verhindern? Ein einfacher Rückzug auf die Position “das ist ja schließlich nicht verboten” und “soll doch jeder machen was er will” wäre einfach zu wenig!

    Ihre zweite Frage lässt vermuten, dass man sich Ihrer Meinung nach frei und autonom zu Sucht und Abhängigkeit entscheiden kann – statt, wie üblich und von mir impliziert, Sucht und Abhängigkeit als Einschränkung der Autonomie zu verstehen. Mindestens in Bezug auf harte, abhängig machende Drogen sieht der Staat sich derzeit verpflichtet, freie erwachsene Personen auch vor sich selbst zu schützen. Ich halte das für richtig – Ihre Frage erscheint mir dagegen reichlich theoretisch …

    Ich finde es sehr bezeichnend, dass in der Diskussion hier Ethik zu “Recht” bzw. “Rechtsphilosophie” zusammenschrumpft – beides steht aber in einem spannungsvollen Verhältnis zueinander. Diese reduktionistische Tendenz wird bei Theologen, und ich hoffe auch bei Philosophen/Ethikern, sicher auf Widerstand stoßen.

  13. @Hoppe: noch mehr Fragen

    “Sollten wir solche Substanzen entwickeln, gibt es dafür positive ethische Gründe? Und sollte ich persönlich diese Substanzen einnehmen?”

    Warum brauchen wir eigentlich eine ethische Aussage, die uns legitimiert, unser Leben zu gestalten? Es gibt so viele Dinge, die ich tue, und die ethisch völlig irrelevant zu sein scheinen – wie z.B. in der Sonne eine Liedchen zu pfeifen. Wie kommt es, daß ich mir den Gebrauch von NEPs irgendwie genehmigen lassen muß?

    “wir könnten alternativ auch einen Umgang mit Stress und Gefühlen kultivieren, der es uns erlaubt, aus uns selbst heraus, ohne seligmachenden Beistand der chemischen Industrie handlungsfähig zu bleiben, selbst wenn es dicke kommt.”

    Klar könnten wir. Aber statt eines Kaffees am Morgen können wir uns auch einfach ausschlafen. Sollten Sie in diesem Fall nicht dieselben Fragen stellen wie bei NE?

    “Wir sollten uns darauf konzentrieren, diese Fähigkeiten zu kultivieren und weiterzuentwickeln. Hier erwarte ich einen Beitrag der Ethik.”

    Warum? Was wäre daran schlimm, wenn pädagogische, psychologische und soziale Methoden der Selbstkontrolle wirklich ins Hintertreffen geraten würden?

    “Aber hätte der Staat – bzw. seine Vertreter, auch Ärzte – nicht dennoch die Pflicht, diese Selbstverstümmelung, zu verhindern?”

    Rechtlich nicht. Ob es eine ethische Pflicht gibt, bezweifle ich, aber ich bin da auch nicht so der Experte.

    “Ein einfacher Rückzug auf die Position ‘das ist ja schließlich nicht verboten’ und ‘soll doch jeder machen was er will’ wäre einfach zu wenig!”

    Hm. Eine völlig unbegründete Aussage. Vielleicht können Sie das noch ein bißchen erläutern?

    “Ich finde es sehr bezeichnend, dass in der Diskussion hier Ethik zu ‘Recht’ bzw. ‘Rechtsphilosophie’ zusammenschrumpft.”

    Für was halten Sie es bezeichnend?

    Ganz grundsätzlich ist staatliches Recht keineswegs die ultima ratio der Moral: Die Diskussionen um Straftatbestände z.B. der Tötung auf Verlangen und der Abtreibung zeigen das sehr deutlich.

  14. @ – Hoppe: Wie es euch gefällt

    Dass ich die Frage “Was soll ich tun?” von der Philosophie auf die Theologie abzuwälzen geneigt bin, liegt schlicht und einfach daran, dass es – außer “Du sollst nicht lügen!”, “Du sollst nicht stehlen!” oder “Du sollst nicht töten!” – kaum moralische Normen gibt, die sich als für jedermann verbindlich erweisen lassen. Solange jemand die moralischen Rechte anderer respektiert, möge er nach seiner eigenen Facon selig werden.

  15. @Dahl

    Das ist doch Blödsinn, Herr Dahl. Selbstverständlich lässt sich auch rein philosophisch zum Beispiel für soziale Pflichten (z.B. Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums u.ä.) argumentieren. Ein Gemeinwesen könnte auf der Basis rein negativ-rechtlicher Bestimmungen gar nicht funktionieren; es ist auf Engagement aller Bürger angewiesen. Es ist möglich, ethisch für mehr zu argumentieren als die sinnleere Position “Jeder soll nach seiner Facon selig werden”.

    Mein Eindruck ist: Sie sind gerade dabei, sich und ihren Berufsstand selbst abzuschaffen – und zwar ohne Not …

  16. @Hoppe, Edgar: social rights

    Ich bin kein Ethiker, aber vielleicht könnte man soziale Pflichten im Ausgleich für soziale Rechte (sozial i.S.v. ‘gegenüber anderen Personen’) aufleben lassen.

    Und zwar deshalb, weil ich den Eindurck habe, daß ethische Normen meistens optimal sind, und zwar optimale Lösungen für ein Entscheidungsproblem in einer standardisierten Situation.

    @Dahl: Oder hat schon irgendeiner gezeigt, daß diese Idee Unsinn ist?

  17. @ Christian Hoppe: Moral predigen

    “Es ist möglich, ethisch für mehr zu argumentieren als die sinnleere Position ‘Jeder soll nach seiner Facon selig werden’.” Das kann auch nur ein Theologe sagen. Als Philosoph halte ich es mit Schopenhauer, der einmal treffend schrieb “Moral predigen ist leicht, Moral begründen schwer.”

    Wie Sie als Theologe die Forderung, dass “jeder nach seiner Facon selig werden möge” als “sinnleer” bezeichnen können, ist mir vollkommen schleierhaft. Dass sich der Staat bereit erklärte, weltanschauliche Neutralität zu üben und niemandem eine bestimmte Religion oder eine bestimmte Moral aufzuzwingen, ist eine der größten Errungenschaften der Aufklärung.

  18. @Dahl

    Merken Sie gar nicht, wie Sie sich selbst andauernd in Widersprüche verrennen, Herr Dahl? Wer verpflichtet mich denn Ihrer Ansicht nach, aufgeklärt zu sein – wenn es doch gar keine positiven Festlegungen mehr gibt und ich “nach meiner Facon selig werden” darf? Wie kann man dafür argumentieren, dass wir gerade nicht auf irgendwelche mittelalterlichen Moralpredigten hören, die Sie mir andauernd unterstellen, sondern dass wir konsequent überzeugend und aufgeklärt begründeten Handlungsoptionen folgen – worauf ich schon die ganze Zeit aus bin und wo ich den Beitrag der Ethik erwarte?

    (Ich glaube, Sie sind derzeit mehr mit den unangenehmen Auswirkungen Ihrer Theologie-Allergie beschäftigt, den “Ekzemen” gleichsam, als mit der Theologie selbst oder als gar mit unserem Thema. Vielleicht lindert es die Symptome, wenn ich daran erinnere, dass ich in erster Linie als klinischer Neuropsychologe in der Bonner Uniklinik arbeite und forsche.)

  19. @ Christian Hoppe

    Nein, tut mir leid, aber das sehe ich nicht. Dass man jeden nach seiner Facon selig werden lassen soll, ist keine positive Pflicht, sondern eine negative Pflicht. Sie verlangt von uns lediglich, dass wir etwas unterlassen, nämlich anderen unsere Weltanschauung aufzuzwingen.

    Dass ich eine Allergie gegenüber der Theologie habe, ist wohl wahr. Ich glaube aber nicht, dass ich dies hier in irgendeiner Weise thematisiert hätte. Meine Allergie beruht darauf, dass Theologen nie sagen, woher sie eigentlich wissen wollen, was sie zu wissen meinen.

    Arbeiten Sie an dem Institut von Henrik Walter? Wenn ja, richten Sie ihm bitte schöne Grüße aus.

  20. @Dahl

    Herr Dahl, es gibt nichts Moralischeres als Aufklärung! Der Inhalt der Aufklärung und der in ihr grundgelegten Ethik besteht sicher nicht nur darin, dass jeder doch machen soll, was er will, wenn er die anderen nur nicht über Gebühr damit behelligt: Kantischer Imperativ, Goldene Regel (in positiver und negativer Variante im Neuen Testament zu finden), usw. usw.

    Nein, Ihre negative Minimalethik (die ich ja nicht für falsch, sondern für unvollständig und unnötig verschüchtert halte) macht sich selbst überflüssig. Gerade für die Frage, wie wir mit uns selbst umgehen sollen (z.B. in Bezug auf Neuro-Enhancer), brauchen wir nachvollziehbare, argumentative Diskurse – und dafür brauchen wir Ethik.

    Ihre Bemerkung zur Theologie bestätigt nur meinen Eindruck, dass Sie sich bisher nicht die Mühe gemacht haben, sich mit moderner Theologie und theologischer Ethik zu beschäftigen. Zwingt Sie ja auch niemand dazu!

    Ich bin bei Prof. Elger (Epileptologie), bestelle Herrn Walter aber gerne Grüße, wenn ich ihn hier einmal im Hause treffe.

  21. @ Christian Hoppe: Theologie

    “Ihre Bemerkung zur Theologie bestätigt nur meinen Eindruck, dass Sie sich bisher nicht die Mühe gemacht haben, sich mit moderner Theologie und theologischer Ethik zu beschäftigen.”

    Da irren Sie sich. Bevor ich mit der Philosophie begonnen habe, habe ich zunächst Theologie studiert, ihr nach der Zwischenprüfung aber den Rücken gekehrt. Ich konnte das Geseibere von Bultmann, Sölle, Pannenberg, Küng, Drewermann oder neuerdings auch von Lütz einfach nicht mehr ertragen.

  22. @ Chistian Hoppe: Minimalmoral

    Über die Minimalmoral kann man durchaus unterschiedlicher Ansicht sein. Als “Schüler” von Hume und Schopenhauer bin ich jedoch skeptisch, dass man den Menschen über die Minimalmoral hinaus noch weitere Vorschriften machen kann.

  23. @Dahl

    Herrn Lütz mit den anderen Personen in eine Reihe zu stellen, ist natürlich gewagt … Das würde er wohl auch für sich selbst kaum beanspruchen. Ich kann auch mit vielem in der Theologie nicht (mehr) viel anfangen; glauben Sie nicht, dass die wissenschaftliche Arbeit hier spurlos an mir vorüber gegangen ist …

    Allerdings finde ich hier und da interessante Überlegungen in der Theologie, die mir auch substantieller erscheinen als Modernes in der Theologie. Anregend ist z.B. das Büchlein von William Hoye, einem Münsteraner Theologen (emeritiert, außerdem ist er Mathematiker): “Liebgewordene theologische Denkfehler” – das könnte Ihnen gefallen, auch als “Kanonenfutter” für Ihre vermutlich immer wieder stattfindenen Diskussionen mit Theologen. Anregend ist ferner Ulrich Lüke, ein Biologe und Theologe (Aachen); sein Buch heißt “Bio-Theologie”. Ihn beschäftigt, wie mich, das Problem der Gegenwart (“strenge Gegenwart”), zu dem ich mich in verschiedenen Blog-Beiträgen auch schon geäußert habe. Interessant ist schließlich der Kölner Theologe Hans-Joachim Höhn (“Der fremde Gott”), der an die wichtige Tradition der negativen Theologie erinnert und anknüpft.

    Ich finde Ihr Urteil “Geseibere” sehr hart, aber ich empfinde auch sehr stark, dass das einmal vorhandene kirchliche Umfeld in den letzten Jahren dermaßen rasant “verdunstet” ist, dass die damals topaktuellen und weit verbreiteten Texte der von Ihnen genannten Autoren heute einfach nicht mehr so recht in die Zeit passen wollen.

    Mich und Sie unterscheidet vielleicht, dass ich in dieser Entwicklung nicht nur einen Fortschritt sehe, sondern dabei auch einen persönlichen und gesellschaftlichen Verlust verspüre. “Es gibt” etwas schwer zu benennendes in der Theologie, das uns meiner Meinung nach nicht verloren gehen sollte bzw. das wir nicht vergessen sollten. Dies motiviert mich zu meinem G&G-Blog “WIRKLICHKEIT”.

    Vielen Dank für Ihre vielfältigen Kommentare und Rückmeldungen, Herr Dahl.

  24. @ Christian Hoppe

    Ich bin ja auch dankbar für Ihren Blog. Und ich freue mich darauf, Sie vielleicht beim nächsten Blogger-Treffen einmal persönlich kennzulernen.

  25. @ Edgar: Autonomie und Menschenwürde

    Entschuldigt, dass ich mich so spät noch einmal in die Diskussion einklinke — ich hatte gar nicht mitbekommen, was hier los war!

    Jedenfalls scheint mir dein Standpunkt sehr einseitig, lieber Edgar, dass Menschenwürde nur im Sinne der maximalen Autonomie zu verstehen ist. Anhand der wenigen rechtswissenschaftlichen Texte, die ich in den letzten Jahren gelesen habe (z.B. zur Polygraphie), scheint mir hier in der Rechtswissenschaft tatsächlich ein Umdenken stattzufinden: Menschenwürde scheint mehrheitlich vor allem darin verstanden zu werden, über sich selbst bestimmen zu dürfen.

    ABER, lieber Edgar, deine Diskussion aus der rechtlichen Perspektive scheint mir die tatsächliche Rechtssprechung außer Acht zu lassen. Das heißt, obwohl du vom Recht sprichst, scheinen mir deine Argumente nicht rechtlich unterfüttert zu sein — allenfalls rechtswissenschaftlich; aber wer sich ein bisschen damit beschäftigt, der weiß sehr wohl, das sich kein deutsches Gericht daran halten muss, was ein Rechtswissenschaftler denkt.

    Und wenn ich mir mal ein paar höchstrichterliche Urteile in Erinnerung rufe, bei denen es um die Menschenwürde ging, dann scheint mir Herrn Hoppes Standpunkt gar nicht so verkehrt zu sein. Warum wurde denn der “Zwergenweitwurf” auf dem Jahrmarkt verboten? Weil er mit der Menschenwürde unvereinbar sei. Warum die Peep-Shows? Weil sie mit der Menschenwürde unvereinbar seien. Es lassen sich sicher viele weitere Urteile finden.

    Zum Zusammenhang von Recht und Moral kommt mir das gar nicht so alte höchstrichterliche Urteil zum Inzest in Erinnerung — da haben sich die Richter tatsächlich auf ein “Sittengesetz” berufen.

    Bei aller Bewanderheit in der Rechtswissenschaft, sollte man also bitteschön nicht so tun, als gehöre Herrn Hoppes Ansicht in die Mottenkiste. Im Übrigen scheinen mir hier doch einige Sätze ad hominem zu gehen — was für eine Rolle spielt es in einer Argumentation denn, ob Herr Hoppe nun Theologe ist oder nicht?

  26. @Stephan: Mottenkiste

    Natürlich hast du recht, zu sagen, daß sich die Gerichte kaum um die Ansichten der Rechtswissenschaftler scheren. Macht auch Sinn, denn es geht ja vor Gericht um Gesellschaftsgestaltung.

    “höchstrichterliche Urteile in Erinnerung rufe, bei denen es um die Menschenwürde ging, dann scheint mir Herrn Hoppes Standpunkt gar nicht so verkehrt zu sein.”

    Aber bei dieser Vermutung muß man äußerst vorsichtig sein und zwar aus folgendem Grund: Was ein Gericht will und wie es das begründet, sind völlig verschiedene Kapitel derselben Geschichte. Im Strafrecht z.B. sind viele später von den Rechtswissenschaftlern als “neue Theorien” hochgebauschte Kriterien zur Abgrenzung vom Tatversuch zur Straftat vom BGHSt eingeführt worden. Aber wenn man den Fall mal genau unter die Lupe nimmt, dann lag dessen Motiv allein darin, daß die Richter einen Weg suchten, daß Strafmaß zu reduzieren. Ihre niedergeschriebene Begründung war nachträglich konstruiert, weil sie als BGHSt nicht einfach sagen konnten “Das finden wir ungerecht.”.

    Wenn du also denkst, daß es da ein Urteil gibt, dann mußt du uns die Chance geben, den ganzen Fall kennenzulernen. Sonst taugt das ganze Argument nichts, sondern ist lediglich ein unerfülltes Versprechen eines Argumentes.

    “Zum Zusammenhang von Recht und Moral kommt mir das gar nicht so alte höchstrichterliche Urteil zum Inzest in Erinnerung — da haben sich die Richter tatsächlich auf ein ‘Sittengesetz’ berufen.”

    Ja, das hätten die Juristen auch gerne: die letzte Verteidigungslinie der Moral zu sein. Doch eigentlich wissen sie, daß sie das nicht sind und lediglich durch ein Gesetzgebungsverfahren legitimierte Vorschriften ausführen.

    “als gehöre Herrn Hoppes Ansicht in die Mottenkiste.”

    Juristen ist klar, daß die Außenwirkung ihrer Urteile enorm ist. Was sie wollen, ist vor allem eine Befriedung der Gesellschaft im rechtlichen Sinne. Als nächstes wollen sie Rechtssicherheit, also eine Möglichkeit für die Staatsbürger, den möglichen künftigen Richterspruch vorauszusehen. Daher fallen ihre Urteile und Begründungen immer so leicht antiquiert aus. Um Gerechtigkeit geht es im Gerichtssaal so gut wie nie: Dafür ist fast nie Platz, wenngleich das kein Richter gerne offen sagt.

    Die Folge ist, daß gesprochenes Recht (Urteile) im besten Falle legitim i.S.d. Gesetzes ist und nur in extra zu begründenden Ausnahmefällen in einem übergeordneten Sinne als richtig anzusehen ist. Ein Sittengesetz in der Urteilsbegründung zu erwähnen ist daher mehr so etwas wie ein Appell an einen, von der jeweiligen Richterruppe erhofften gesellschaftlichen Konsens und ein gesellschaftlicher Gestaltungsakt, aber weniger eine Tatsachenfeststellung über die Natur des Rechts oder irgendetwas in der Art.

    “Im Übrigen scheinen mir hier doch einige Sätze ad hominem zu gehen”

    Ich weiß nicht, ob das hier auch Edgars Standpunkt ist, aber – ist mir bei der Eibach-Diskussion auch schon aufgefallen – “ad hominem” läßt sich genau dann nicht vermeiden, wenn Theologen, weil sie Theologen sind, sich eine Definitionshoheit herausnehmen bzw. die Hoheit, zu wissen, was richtig, verantwortungsbewußt, ethisch korrekt oder irgendeinem anderen aufgeladenen Sinne “gut” ist. Genau in dem Fall kann man nichts anderes tun, als über diejenige persönliche Legitimierung zu sprechen, die der Theologe für sich gerade in Anspruch nimmt.

    Ob das hier auch der Fall ist, müßt ihr selbst entscheiden.

  27. Geehrte Forumsteilnehmer!

    Elmar Diederichs: “Natürlich hast du recht, zu sagen, daß sich die Gerichte kaum um die Ansichten der Rechtswissenschaftler scheren. Macht auch Sinn, denn es geht ja vor Gericht um Gesellschaftsgestaltung.”

    Ich denke, das Problem ist heute, dass sich kaum noch ein Richter an eine durch die Legislative gegebene eindeutige Rechtslage gebunden fühlt. Richter beschreiben dieses Phänomen beschönigend als “Kunst mit Recht”, oder dass ein Richter kein Diener der Gesetze sei, sondern vergleichbar einem Virtuosen, der sich der Gesetze bedient. Aus dieser Sicht erwächst häufig eine eindeutige Rechtsbeugung, die aber so gut wie nie bestraft wird, da sich insbesondere der BGH an Rechtsbeugung dieser Art beteiligt.

    mfg
    Luchs

  28. @Luchs: Richterrecht

    “Ich denke, das Problem ist heute, dass sich kaum noch ein Richter an eine durch die Legislative gegebene eindeutige Rechtslage gebunden fühlt.”

    Das ist natürlich eine Verschärfung meiner ursprünglichen Aussage. Ich kenne den Vortrag von Simon und halte ihn für aus “politischen Gründen” zugespitzt. Es gibt die Idee der höchstrichterlichen Rechtsfortbildung schon lange und irgendwo macht das auch Sinn, da der Gesetzgeber meist den gesellschaftlichen Entwicklungen um Jahre hinterherhinkt. Aber auch unabhängig davon gibt es viele Auslegungsspielräume von Gesetzestexten, die nicht nur vom Gesetzgeber absichtlich lax gehalten sind wie z.B. der “Treu und Glauben”-Grundsatz, sondern die von der sprachlichen Bedeutung her in Bezug auf die auftretenden Rechtsfälle so unscharf sind, daß jeder kleine Amtsrichter sich täglich neu überlegen muß, was vom Gesetz im vorliegenden Fall gemeint gewesen sein könnte. In solchen Fällen werden auch schon mal Rechtskonstruktionen entwickelt wie z.B. die positive Forderungsverletzung, die niemals vom Gesetzgeber codifiziert, aber dennoch Bestandteil der Rechtswirklichkeit werden. Entsprechend ist eine Rechtsbeugung im Einzelfall immer schwierig nachzuweisen.

    Eine allgemeine Richterschelte ist einfach, aber ebenso einfach liegt sie daneben. Lassen Sie uns daher lieber über konkrete Beispiele diskutieren, wo wir unsere Aussagen besser kontrollieren können.

  29. Sehr geehrter Herr Diederichs,

    Sie schreiben: „Eine allgemeine Richterschelte ist einfach, aber ebenso einfach liegt sie daneben. Lassen Sie uns daher lieber über konkrete Beispiele diskutieren, wo wir unsere Aussagen besser kontrollieren können.“

    Ich bin kein Jurist, sondern Naturwissenschaftler. Ich würde Ihr Angebot zwar gerne annehmen, befürchte aber, dass wir diese Diskussionsplattform dann missbrauchen würden. Trotzdem kurz zu meiner persönlichen Betroffenheit: Ich habe an einer Auslobung teilgenommen, genauer an einem Bindenden Versprechen, dessen Typ auch explizit im Palandt erwähnt wird. Die Justiz war aber der Ansicht, ab einer gewissen Höhe der Belohnung, müsste dieses/dieser Geschäft/Vertrag nach dem Motto „Spielschulden sind Ehrenschulden“ behandelt werden und hat dann behauptet, dem Veranstalter stünde es frei selbst zu entscheiden, oder durch einen von ihm legitimierten Beraterstab entscheiden zu lassen, ob sich der Erfolg der Auslobung eingestellt hat.

    Zum Thema habe ich noch folgendes gefunden:

    http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Rechtsbeugung

    „Wenn die Staatsanwaltschaften Anzeigen gegen Richter oder Staatsanwälte wegen des Verdachtes der Rechtsbeugung so behandeln würde, wie sie dies bei mutmaßlich straffälligen Normalbürgern tun, dann müsste es angesichts des bedenklichen Zustandes unserer Justiz zu wesentlich mehr Anklagen kommen. Jedenfalls gebietet dies Art. 3 Abs. 1 GG, wonach vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind. Günter Spendel, emeritierter Professor für Strafrecht, vertritt im Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 10. Auflage 1982, § 336 (jetzt §339 Rechtsbeugung) Rdnr.3, die begründete Auffassung, dass die Behauptung, Rechtsbeugung sei ein sehr selten begangenes Delikt, eine fromme Selbsttäuschung ist.
    Dass es zu sehr wenigen Anklagen und nur in sehr seltenen Ausnahmefällen auch zu Verurteilungen wegen Rechtsbeugung kommt, ist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Straftat der Rechtsbeugung zurückzuführen. Gemäß ständiger Rechtssprechung des BGH soll nur der schwerwiegende, das heißt der elementare Rechtsbruch Rechtsbeugung sein! Die Professoren Günther Bemmann, Manfred Seebode und Günter Spendel belegen in der „Zeitschrift für Rechtspolitik“ (ZPR) 1997, Seite 307 ff, dass diese Auslegung des BGH gesetzwidrig ist, weil sie den Gesetzeswortlaut missachtet. Damit die gesetzwidrige Auslegung und Anwendung des § 339 Strafgesetzbuch nicht mehr möglich wird, gaben die Professoren ihren ZRP – Artikel aus guten Gründen den Titel „Rechtsbeugung – Vorschlag einer notwendigen Gesetzesreform“ und schlugen darin vor, auch die minder schwere Rechtsbeugung unter Strafe zu stellen, und zwar mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten. Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten müsste der verurteilte Richter nicht aus dem Richterdienst ausscheiden. Derzeit ist die Strafe für Rechtsbeugung Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Gemäß Bundesbeamtengesetz muss ein Richter, der zu einer solchen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, aus dem Richterdienst ausscheiden und verliert alle Pensionsansprüche. Dies dürfte der Hauptgrund sein, warum sich Richter schwer damit tun, einen Kollegen wegen Rechtsbeugung zu verurteilen. Damit die vielen Fälle von Rechtsbeugung geahndet werden können, ist der Gesetzgeber aufgerufen, den Reformvorschlag der drei Professoren umzusetzen.
    Art 20 GG gibt jedem Bürger das Recht gegen Rechtsbeugung, sofern Staatsanwaltschaft und Strafsenat im Klageerzwingungsverfahren Strafvereitelung erzwingen, selbst vorzugehen:
    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, DIE VOLLZIEHENDE GEWALT UND DIE RECHTSPRECHUNG SIND AN GESETZ UND RECHT GEBUNDEN.
    (4) GEGEN JEDEN, DER ES UNTERNIMMT, DIESE ORDNUNG ZU BESEITIGEN, HABEN ALLE DEUTSCHEN DAS RECHT ZUM WIDERSTAND, WENN ANDERE ABHILFE NICHT MÖGLICH IST.“

    Ich würde mich freuen, wenn Sie dazu eine Stellungnahme abgeben würden.

    Zum eigentlichen Thema dieser Diskussion.
    Christian Hoppe: „Wenn jemand z.B. sagt, dass er als Rechtshänder seine linke Hand nicht mehr braucht und sie sich abhacken will, dann wird man vermutlich rein rechtlich gesehen nichts dagegen unternehmen können (oder?). Aber hätte der Staat – bzw. seine Vertreter, auch Ärzte – nicht dennoch die Pflicht, diese Selbstverstümmelung, zu der sich die Person frei entscheidet, möglichst zu verhindern? Ein einfacher Rückzug auf die Position “das ist ja schließlich nicht verboten” und “soll doch jeder machen was er will” wäre einfach zu wenig!“

    Ich schließe mich dieser Meinung an, hier muss die Gesellschaft einwirken, z.B. in Form einer temporären Zwangsbehandlung mit Psychotherapie und –pharmaka, weil dieser Mensch zumindest kurzzeitig vor sich selbst geschützt werden müsste. Etwas anderes wäre es, wenn er z.B. eine seiner beiden gesunden Nieren meistbietend versteigern wollte. Wenn die Gesellschaft sehr sorgfältig ermittelt hat, dass manche NEs deutlich mehr Risiken als Chancen eröffnen, dann sollten die Menschen mittels der Gesetze so gut wie möglich vor diesem NE geschützt werden. Die persönliche Freiheit kommt hier an eine Grenze, weil die Gemeinschaft auch eine moralische Verpflichtung hat, Suchtkranken zu helfen.

    mfg
    Luchs

  30. @Luchs: I’ll do my very best. 😉

    “Ich würde mich freuen, wenn Sie dazu eine Stellungnahme abgeben würden.”

    Klar, mache ich. Da es Ihnen so ernst ist, werde ich vorher ein bißchen rumlesen und am WE meine Antwort posten.

    “Ich würde Ihr Angebot zwar gerne annehmen, befürchte aber, dass wir diese Diskussionsplattform dann missbrauchen würden.”

    Nein, ich denke, wir müssen da nicht befürchten, ausgeschimpft zu werden. Wenn Sie aber lieber per email mit mir reden wollen, können Sie das gerne tun unter

    mindatwork.blog@googlemail.com

  31. @ Elmar: Psychologie des Rechts

    Ich halte das bis auf Weiteres für eine steile These, dass erst Richter das entscheiden, was sie wollen, und bloß hinterher nach einer passenden Rechtfertigung suchen.

    Man sollte nicht vergessen, dass auch ein “einfacher Amtsrichter” zwölf oder dreizehn Jahre Schule, gut fünf Jahre Studium und zwei Jahre Referendariat hinter sich hat, um dann noch eine Richterausbildung zu durchlaufen. Außerdem landen bei ihm (oder ihr) auch die weniger schweren Fälle als z.B. beim Landesgericht usw.

    ad hominem

    […] wenn Theologen, weil sie Theologen sind, sich eine Definitionshoheit herausnehmen bzw. die Hoheit, zu wissen, was richtig, verantwortungsbewußt, ethisch korrekt oder irgendeinem anderen aufgeladenen Sinne “gut” ist.

    Hmm, diesen Eindruck hatte ich hier bei Herrn Hoppe nicht; er hat seine Meinung geäußert und begründet wie jeder andere auch. Ich wüsste auch nicht, was das spezifisch “theologische” in diesem Argument ausmacht; man könnte den Vorwurf wohl ebenso durch “Philosoph”, “Mathematiker” usw. ersetzen, auch durch “Stephan Schleim” oder “Elmar Diederichs”.

    Und außerdem: Definieren darf doch wohl jeder; nur, wenn man so tut, als sei das keine eigene Definition, sondern reine Erkenntnis, dann wird’s problematisch.

  32. @Stephan: nope

    “Ich halte das bis auf Weiteres für eine steile These, dass erst Richter das entscheiden, was sie wollen, und bloß hinterher nach einer passenden Rechtfertigung suchen.”

    Nö. Da bist du einfach nicht informiert. Setz dich doch einfach mal in eine Jura-Vorlesung und hör dir an, wie Juristen beigebracht wird, durch ein Rechtsgebiet zu finden. Danach rede mit einen Praktiker, ohne daß die Öffentlichkeit zuhört. Und danach reden wir noch mal.

    “Hmm, diesen Eindruck hatte ich hier bei Herrn Hoppe nicht;”

    Um so besser.

    “man könnte den Vorwurf wohl ebenso durch ‘Philosoph’, ‘Mathematiker’ usw. ersetzen, auch durch ‘Stephan Schleim’ oder ‘Elmar Diederichs’.”

    Wenn diese analog vorgehen: Selbstverständlich. Außerdem hab ich niemandem etwas vorgeworfen.

    “Definieren darf doch wohl jeder;”

    Nein. Defintionen sind zwar nicht wahr oder falsch, aber sie müssen nützlich und adäquat sein, wenn sie ernstgenommen werden wollen.

  33. @ Elmar: jope

    Nö. Da bist du einfach nicht informiert. Setz dich doch einfach mal in eine Jura-Vorlesung und hör dir an, wie Juristen beigebracht wird, durch ein Rechtsgebiet zu finden. Danach rede mit einen Praktiker, ohne daß die Öffentlichkeit zuhört. Und danach reden wir noch mal.

    Das ist mir zu schnell, ist mir zu plakativ. Da es in Deutschland aber genügend Juristen gibt (mehrere Hunderttausend, wenn ich mich nicht irre), müsste es ja ein leichtes sein, dass hier ein paar vorbeischauen und — meinetwegen anonym — erklären, wie das aus ihrer Sicht läuft.

    “Definieren darf doch wohl jeder;”
    Nein. Defintionen sind zwar nicht wahr oder falsch, aber sie müssen nützlich und adäquat sein, wenn sie ernstgenommen werden wollen.

    Das ist absurd — bevor ich definiert und getestet habe, kann ich nicht wissen, wie nützlich und adäquat die Definition ist, wenn sie von einer Sprachgemeinschaft aufgegriffen werden soll oder, wie du es formulierst, “ernst genommen werden” will.

    Würde man deinem Vorschlag für Definitionen folgen, könnte also niemand mehr etwas definieren. –> Widerspruch

    Davon abgesehen ist das kultur- und zeitvariant, welche Definitionen als adäquat und nützlich gelten.

    Ich bleibe dabei: Man darf von mir aus definieren, so viel man will, so lange man dabei nicht unterschlägt, dass es “nur” eine Definition ist, die man zur Überprüfung auf Nützlich- und Adäquatheit durch andere freigibt.

  34. @Stephan Schleim: avec plaisir

    “ein leichtes sein, dass hier ein paar vorbeischauen und — meinetwegen anonym — erklären, wie das aus ihrer Sicht läuft.”

    Nur zu.

    “Würde man deinem Vorschlag für Definitionen folgen, könnte also niemand mehr etwas definieren. –> Widerspruch”

    Doch, mach’s nicht so schwer: Du stellst deine Definitionen auf, die irgendetwas abbilden sollen, und dann machst du den üblichen Kram:

    i) Welche Aspekte werden von den Definitionen erfaßt und welche Unterschiede werden repräsentiert? Was ist deshalb zu erwarten, was nicht und wie lauten unsere Wünsche an die Untersuchung, in dessen Rahmen wir definieren? (Adäquatheit)

    ii) Dann führst du dein Argument/Untersuchung/was auch immer durch und wenn du Ergebnisse erzeugen kannst, dann sind die Definitionen nützlich.

    “welche Definitionen als adäquat und nützlich gelten.”

    Ja, selbstverständlich. Ist doch immer so. Wofür sollte das noch gleich ein Argument sein?

    “Ich bleibe dabei: Man darf von mir aus definieren, so viel man will, so lange man dabei nicht unterschlägt, dass es “nur” eine Definition ist, die man zur Überprüfung auf Nützlich- und Adäquatheit durch andere freigibt.”

    Na ja….. ist an dieser Stelle ja auch nicht so wichtig.

  35. @Stephan: Sorry …

    Da war ein copy-und-paste-Fehler:

    “Davon abgesehen ist das kultur- und zeitvariant, welche Definitionen als adäquat und nützlich gelten.”

    Ja, selbstverständlich. Ist doch immer so. Wofür sollte das noch gleich ein Argument sein?

  36. @ Elmar: Hast du eine Zeitmaschine?

    “Davon abgesehen ist das kultur- und zeitvariant, welche Definitionen als adäquat und nützlich gelten.”

    Ja, selbstverständlich. Ist doch immer so. Wofür sollte das noch gleich ein Argument sein?

    Das zeigt, dass man mangels hellseherischer Fähigkeiten und ohne eine Zeitmaschine die Frage, die du den Definitoren gerne aufgeben würdest, nicht beantworten kann.

    Es ist schon komisch: Du gibst mir hier Recht, erwähnst in der Ausformulierung deiner Prüfkriterien “Adäquatheit” und “Nützlichkeit” aber doch keine zeit- und kulturvarianten Kriterien. Das ist inkonsistent. Damit wirst du meines Erachtens deinem eigenen Standard nicht gerecht. Wenn das “doch immer so” ist, um so schlimmer!

    Wir sind jetzt aber schon sehr weit vom eigentlichen Thema entfernt.

    Mein Fazit bleibt, dass Herr Hoppe die ad hominem-Vorwürfe nicht verdient hat. Diese Vorwürfe standen hier im Raum aber niemand hat das bisher plausibel machen können.

  37. @Stephan: plans

    “Es ist schon komisch: Du gibst mir hier Recht, erwähnst in der Ausformulierung deiner Prüfkriterien “Adäquatheit” und “Nützlichkeit” aber doch keine zeit- und kulturvarianten Kriterien. Das ist inkonsistent. Damit wirst du meines Erachtens deinem eigenen Standard nicht gerecht. Wenn das “doch immer so” ist, um so schlimmer!”

    Nee, das seh ich ganz anders. Aber du hast schon recht, wir sollten diesen blog von solchen interessanten, aber eher technischen Schwierigkeiten entlasten. Für solche Nebenthemen, die unsere Diskussionen über G&G-Themen aber immer wieder beeinflussen, habe ich in meinem blog eine Kategorie “Uncensored” im Auge, in der ich auch Themen wie die Sache mit der Rechtswirklichkeit unterbringen würde. Da ich aber Helmut schon einen Betrag zu counterfactuals versprochen habe, würde ich dir das Thema überlassen, wenn du daran Interesse hast.

    Muß ja nicht sofort sein und du hast ja eigentlich auch andere Dinge im Kopf – wie jeder von uns. Aber es wäre natürlich super, wenn wir uns abstimmen würden.

  38. @ Stephan Schleim: Menschenwürde

    Ich bin im Moment am ZiF in Bielefeld und habe daher meherere Tage nicht mehr auf den Blog geschaut. Doch ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, den Begriff der Menschenwürde überhaupt angesprochen haben.

  39. @ Stephan Schleim: Ad hominem

    Meine ad hominem Bemerkung folgte doch nur auf die ad personam Bemerkung “Das ist doch Blödsinn, Herr Dahl”.

    Wie auch immer, die hiesige ZiF-Tagung beschäftigt sich zufälligerweise mit dem Begriff der Menschenwürde und dem Schindluder, der mit ihm betrieben worden ist und noch immer betrieben wird(Peep-Show-Urteil, Abtreibungsregelung usw.).

  40. @ Edgar

    Grundsätzlich stimme ich da mit Dir überein, dass eine gesellschaftlich entworfene Ethik immer als Kernsatz haben sollte, dass jeder nach seiner eigenen Maßstäben nach Glück streben dürfe (mit den üblichen Vorbehalten bzgl. Rechten anderer).

    Was das aber noch nicht beantwortet, und das scheint der Hauptdisput zwischen Dir und Herrn Hoppe zu sein, ist die Frage, wie ich mir meine eigenen Maßstäbe wähle oder ob ich diese für mich auch nach ethischen Abwägungen beurteilen kann. Ist also die Frage: “wie verhalte ich mich selbst, vor mir selbst und gegenüber anderen (diesseits von Rechtsverletzungen) ethisch?” Deiner Meinung nach überhaupt eine Frage der Ethik, oder würdest Du die ganz aus der Ethik ausklammern und meinetwegen in Moral zusammenfassen?
    Wäre es zum Beispiel ethisch positiv zu bewertendes Verhalten, jemand anderem aktiv mehr Freiräume zu schaffen, nach seinen Maßstäben nach Glück zu streben? Ist die momentane Meinung des Betreffenden zu meiner Aktivität in jedem Fall dann das Ausschlaggebende? Wie verhält sich das meinetwegen mit Kindererziehung oder unmündigen Personen — oder gibt es den Mündigkeitsbegriff in Deinem Verständnis von Ethik gar nicht?

  41. @Edgar: kamenin’s Frage

    “Wäre es zum Beispiel ethisch positiv zu bewertendes Verhalten, jemand anderem aktiv mehr Freiräume zu schaffen, nach seinen Maßstäben nach Glück zu streben? Ist die momentane Meinung des Betreffenden […] in jedem Fall dann das Ausschlaggebende?”

    Raffinierte Idee – wenn ich richtig verstanden (verkürzt) habe: Hier wird danach gefragt, ob es auch ethisch gesollt ist, jemanden in seinem auf falschen Meinungen beruhenden Streben zu bestärken. Würde mich auch interessieren. 🙂